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OGH vom 29.06.2005, 9ObA96/05s

OGH vom 29.06.2005, 9ObA96/05s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski, sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Stefan L*****, vertreten durch Dr. Harold Schmid, Mag. Helmut Schmid und Dr. Helmut Horn, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, wegen EUR 83.563 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 21/05w-24, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 37 Cga 63/04a-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 2 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat den Austritt des Klägers als unberechtigt angesehen, weil eine Verletzung wesentlicher Vertragsbestimmungen durch den Dienstgeber im Sinne des § 26 Z 2 letzter Fall AngG nicht vorliege. Nach ganz herrschender Judikatur (RIS-Justiz RS0029312) berechtigt nicht jede, sondern nur eine wesentliche Vertragsverletzung zum Austritt. Wesentlich ist eine Vertragsverletzung nur dann, wenn dem Angestellten die weitere Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann, und zwar auch nicht bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist. Ob ein Tatbestand einen wichtigen Austrittsgrund darstellt, ist nicht nach der subjektiven Einschätzung des Dienstnehmers, sondern stets nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen (RIS-Justiz RS0028673). Das Vorliegen der Austrittsvoraussetzungen kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (8 ObA 2145/96s), sodass sich regelmäßig erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht stellen. Ein krasse Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste, ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.

2. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers liegt eine erhebliche Rechtsfrage auch nicht etwa deshalb vor, weil er es im Rahmen seines Dienstvertrags übernommen hat, die Funktion eines Geschäftsführers einer GmbH auszuüben. Auch wenn ein Geschäftsführer gemäß § 16a GmbHG seine Funktion jederzeit - auch ohne wichtigen Grund - zurücklegen kann, ist ein damit verbundener Austritt aus dem Dienstverhältnis nur dann als berechtigt zu qualifizieren, wenn ein wichtiger Grund im Sinne des § 26 AngG verwirklicht wurde. Führt ein Dienstnehmer durch seinen Rücktritt von seiner Geschäftsführerfunktion seine „Unfähigkeit" zur Erbringung der geschuldeten Dienste herbei, kann er daraus nicht die Berechtigung seines Austritts aus dem Dienstverhältnis ableiten. Diese läge nur dann vor, wenn der wichtige Grund für den Rücktritt im Verhalten des Dienstgebers läge, was das Berufungsgericht verneint hat.

3. Wenn § 26 AngG einerseits von einem „wichtigen Grund" und andererseits davon spricht, dass der Dienstgeber „wesentliche Vertragsbestimmungen" verletzt, so wird damit für die Berechtigung des Austritts ein qualifiziert rechtswidriges Verhalten des Dienstgebers gefordert. Führt das Gesetz nicht näher aus, was unter einem „wichtigen" Grund zu verstehen ist oder ist der gesetzliche Auslösungstatbestand so unbestimmt und so weit gefasst, dass er erst gegenüber geringfügigeren Verstößen abgegrenzt werden muss, gilt der allgemeine Grundsatz, dass ein Arbeitsverhältnis nur dann aufgelöst werden kann, wenn die Interessen des Vertragspartners so schwer verletzt werden, dass eine weitere Zusammenarbeit auch nicht für die Zeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0028609); es muss also die vorzeitige Vertragsauflösung als sofortige Abhilfe erforderlich sein (14 ObA 25/87 = Arb 10.614 ua). Wenn die Vorinstanzen im Ergebnis die Auffassung vertreten haben, es wäre dem Kläger zuzumuten gewesen, sein Dienstverhältnis durch ordentliche Kündigung zu beenden, so liegt dahin keine bedenkliche Fehlbeurteilung.

4. Der Hauptvorwurf des Klägers geht dahin, die Alleingesellschafterin der Beklagten habe ihn bei der Verteidigung gegen unberechtigte Vorwürfe in einem Prüfbericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht unterstützt und ihm insbesondere nicht gestattet, seine Darstellung gegenüber den Organen der „Großmuttergesellschaft" im Konzern darzulegen. Berücksichtigt man, dass jene Vorgänge, die zu den (unberechtigten) Vorwürfen führten, bereits abgeschlossen waren, ist nicht zu erkennen, warum dem Kläger eine weitere Geschäftsführertätigkeit bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist nicht mehr zumutbar gewesen sein sollte. Darüber hinaus hat die Gesellschafterin der Beklagten dem Kläger ohnehin bereits vor dem Austritt erklärt, dass die Vorwürfe auch aus ihrer Sicht ungerechtfertigt waren. Es hat daher auch keine entscheidende Bedeutung, wenn der Kläger nicht darüber informiert worden war, dass die Gesellschafterin der Beklagten die mangelnde Berechtigung dieser Vorwürfe bereits gegenüber der „Konzernspitze" bestätigt hatte. Aufgrund der ihm gegenüber abgegebenen Erklärungen musste der Kläger nicht befürchten, von der Gesellschafterin wegen der in Prüfbericht behaupteten Fehlbeurteilungen zur Verantwortung gezogen zu werden.

5. Warum in der Nichtgenehmigung des von der Geschäftsführung vorgelegten Budgetentwurfs und der Weisung, ein überarbeitetes Budget vorzulegen, ein rechtswidriges Handeln der Gesellschafterin liegen sollte, ist nicht ersichtlich, zumal keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dieser Weisung unsachliche Motive zugrunde gelegen wären. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, dass der Kläger seine Funktion vorderhand auch ohne genehmigtes Budget ausüben hätte können. Welche Nachteile er aufgrund der fehlenden Beschlussfassung über das Budget (objektiv) zu befürchten gehabt hätte, legt er nicht nachvollziehbar dar. Dass die Gesellschafterin der Beklagten nach den im Konzern offenbar geschehenen wirtschaftlichen Fehlern besonders vorsichtig sein wollte, erscheint nicht unverständlich. Der in der Revision erhobene Vorwurf des „Mobbings" ist von den getroffenen Feststellungen nicht gedeckt.

6. Zum Problem der vom Kläger begehrten (anteiligen) Prämie für das Jahr 2004 hat sich das Berufungsgericht auf die einschlägigen Regelungen im Dienstvertrag bezogen und ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung zur Auffassung gelangt, dass ein Prämienanspruch nicht besteht. Abgesehen davon, dass sich bei der Auslegung von Verträgen bzw bei deren Ergänzung nach den hypothetischen Parteiwillen regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO stellen, ist der (dürftigen) Argumentation des Revisionswerbers auch nicht zu entnehmen, welche Erwägungen für eine gegenteilige Auslegung sprechen könnten. Eine Sittenwidrigkeit der vertraglichen Prämienregelung hat der Kläger im Verfahren erster Instanz nicht behauptet; er kann dies im Rechtsmittelverfahren nicht mehr nachholen.

Soweit der Revisionswerber schließlich formuliert, man hätte „allenfalls" im Sinne des § 16 AngG davon ausgehen müssen, dass dem Kläger jedenfalls der aliquote Teil der erfolgsabhängigen Entlohnungskomponente gebührt, setzt er sich nicht mit der für die Geltendmachung einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage erforderlichen Tiefe mit der angeschnittenen Problematik auseinander, zumal er weder auf den Wortlaut der maßgeblichen Vertragsbestimmungen noch auf den Zweck und Charakter der Prämie eingeht; er unterlässt ua jede Auseinandersetzung mit der Frage, warum die erfolgsabhängige Entgelttatbestand eine „periodische Remuneration oder andere besondere Entlohnung" iSd § 16 Abs 1 AngG darstellen sollte. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens kann in der unterlassenen Erörterung schon deshalb nicht liegen, weil auch die Rechtsrüge in der Berufung insoweit dürftig war und sich - neben der als unzulässige Neuerung behaupteten Sittenwidrigkeit - in der nicht nachvollziehbaren Rechtsbehauptung erschöpfte, da der Vertrag „detaillierte Regelungen enthalte", sei entsprechend § 914 ABGB zu Lasten der beklagten Partei davon auszugehen, dass dem Kläger die (aliquote) erfolgsabhängige Entlohnungskomponente zustehe. Auch in der Revision legt der Kläger im Übrigen nicht dar, inwieweit sich seine prozessuale Situation im Falle einer Erörterung günstiger dargestellt hätte, sodass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufgezeigt wird.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).