OGH vom 06.04.2005, 9ObA96/04i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Ladislav und Anton Beneder als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Albert D*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Sepp Manhart und Dr. Meinrad Einsle, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Karl H***** GmbH i.L., *****, vertreten durch Pitschmann & Santner Anwaltspartnerschaft OEG in Feldkirch, wegen EUR 31.554,02 brutto sA, über Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 53/04p-12, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 33 Cga 210/03v-5, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.566,36 (darin EUR 261,06 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit bei der Beklagten angestellt. Am schlossen die Parteien eine schriftliche Vereinbarung über Altersteilzeit nach § 27 AlVG für den Zeitraum bis . Danach sollte die wöchentliche Normalarbeitszeit des Klägers von bisher 38,5 auf 19,5 Stunden, demnach auf knapp über der Hälfte des bisherigen Ausmaßes herabgesetzt werden. Die Wochenarbeitszeit sollte im Durchrechnungszeitraum von 42 Monaten wie folgt „geblockt" werden:
bis : 38,5 Stunden
bis : 0 Stunden
Das Entgelt des Klägers sollte ab auf ATS 28.286,25 (EUR 2.055,64) brutto mtl reduziert werden, was 75 % des bis dahin bezogenen Bruttoentgelts entsprach. Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Herabsetzung der Normalarbeitszeit wurde vereinbart, dass ein allfälliges Zeitguthaben auf Grund einer unregelmäßigen Verteilung der Wochenarbeitszeit bei Beendigung abzugelten sei. Die gegenständliche Vereinbarung sollte durch den allfälligen Entfall des Anspruchs der Beklagten auf Altersteilzeitgeld nicht berührt werden.
Das Arbeitsverhältnis wurde von der Beklagten vorzeitig zum - also drei Monate vor Ende der „Vollarbeitsphase" bzw vor Beginn der „Freizeitphase" des Klägers - gekündigt. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger ein Zeitguthaben von 1.501,5 Stunden, wofür ihm die Beklagte den Betrag von EUR 25.225,20 brutto zahlte.
Zwischen den Parteien herrscht nun Streit über die Höhe der dem Kläger zustehenden Abgeltung des Zeitguthabens. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass ihm noch ein weiterer Betrag von EUR 31.554,02 brutto sA zustehe; die Beklagte bestreitet einen offenen Anspruch des Klägers. Während das Erstgericht dem Kläger EUR 12.612,60 brutto samt 4 % Zinsen seit zusprach und das übersteigende Zinsenbegehren sowie das Mehrbegehren von weiteren EUR 18.941,42 brutto sA abwies, sprach das Berufungsgericht dem Kläger über dessen Berufung den vollen Klagebetrag von EUR 31.554,02 brutto samt 4 % Zinsen seit zu.
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten ist zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Abgeltung des Zeitguthabens anlässlich der vorzeitigen Arbeitgeberkündigung während der Vollarbeitsphase auf Grund der Vereinbarung der Parteien über Altersteilzeit zutreffend bejaht, sodass auf dessen Begründung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend und zusammenfassend ist den Ausführungen der Revisionswerberin Folgendes entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
§ 27 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) legt fest, unter welchen Voraussetzungen Arbeitgeber Anspruch auf eine mit Novelle BGBl I 1999/179 ab eingeführte arbeitsmarktpolitische Förderung haben, die als „Altersteilzeitgeld" bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme, um einerseits die Arbeitslosigkeit zurückzudrängen und andererseits das faktische Pensionsantrittsalter der Arbeitnehmer näher an das gesetzlich vorgesehene heranzuführen. § 27 AlVG wurde in der Folge mehrfach novelliert. Hier gilt die bei Vereinbarung bzw Laufzeitbeginn geltende Fassung des § 27 AlVG, die gegenüber der für einen Laufzeitbeginn erst ab geltenden Fassung für Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch günstiger war (ausführlich zur Reform der Altersteilzeit Schrank, ecolex 2003, 572), wobei dies allerdings für die hier strittigen Fragen nicht entscheidend ist. Zu den Bedingungen, die ein Arbeitgeber erfüllen muss, um für längstens sechseinhalb Jahre Anspruch auf Altersteilzeitgeld zu haben, gehört, dass er arbeitsvertraglich (oder durch Betriebsvereinbarung bzw mittelbar via Kollektivvertrag) bestimmte arbeitsrechtliche Zusicherungen macht. Der Arbeitgeber muss mit einer Arbeitnehmerin nach Vollendung des 50. Lebensjahrs bzw einem Arbeitnehmer nach Vollendung des 55. Lebensjahrs ein Beschäftigungsausmaß zwischen 40 % und 60 % der bisherigen Arbeitszeit vereinbaren; die Arbeitnehmer müssen also ihre Arbeitszeit in etwa halbieren. Davor muss Vollzeitarbeit geleistet worden sein oder eine Arbeitszeit, die maximal 20 % darunter lag. Wird ferner vereinbart, dass die Entgeltdifferenz zwischen dem bisher erhaltenen Entgelt und dem nun für Teilzeitarbeit zustehenden Entgelt vom Arbeitgeber zumindest zur Hälfte ersetzt wird, dass die Abfertigung so berechnet wird, als wäre die Arbeitszeit nie verkürzt worden, und werden auch die Sozialversicherungsbeiträge auf dieser Basis weitergezahlt, dann ersetzt das Arbeitsmarktservice die Kosten des vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gewährten Lohnausgleichs (Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht 44/II ff; Schindler, Gestaltungsmöglichkeiten bei Altersteilzeit, in Resch, Arbeitszeitrecht 85 ff ua).
Die Arbeitszeit kann bei der Altersteilzeit durch die gesamte Vereinbarungsdauer durchgerechnet werden. Besonders nachgefragt wird in der Praxis vor allem das auch zwischen den Parteien vereinbarte Blockmodell, bei dem vom Arbeitnehmer zunächst weiter Vollzeitarbeit geleistet wird, bis er genug Zeitguthaben erworben hat, um anschließend bis zum Pensionsantritt bezahlt zu Hause zu bleiben. Bei diesem Modell bleibt das Arbeitsverhältnis auch in der „Freizeitphase" weiter aufrecht. Die tatsächliche Arbeitszeit wird in der „Vollarbeitsphase" erbracht, anschließend wird vom Arbeitnehmer das Zeitguthaben eingelöst (vgl Schindler aaO 88).
Der Abschluss einer Vereinbarung über Altersteilzeit kann weder vom Arbeitgeber noch vom Arbeitnehmer erzwungen werden. Es handelt sich um eine Gestaltungsmöglichkeit des Arbeitsvertrags. Wie erwähnt beinhaltet Altersteilzeit zwar keine zwingende Beendigung des Arbeitsverhältnisses; häufig - nicht jedoch im vorliegenden Fall - wird aber beim Blockmodell vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis nach Abschluss der „Freizeitphase" zum Zweck des Pensionsantritts aufgelöst wird. Dies ist aber nicht Inhalt einer gesetzlichen Norm. An sich bewirkt das Auslaufen der Vereinbarung über Altersteilzeit ohne zusätzliche Vereinbarung zunächst nur, dass das Arbeitsverhältnis wieder in Vollbeschäftigung (bzw mit dem Beschäftigungsausmaß vor dem Wirksamwerden der Vereinbarung) fortgesetzt wird (Schindler aaO 89 f; Anzenberger, ZIK 2002/3, 5).
Altersteilzeit ist nach dem Vorgesagten zweifellos ein Modell, das den Interessen der Arbeitnehmer entgegenkommt. Insbesondere die Gestaltungsvariante mit geblockter Arbeitszeit ermöglicht ein Beenden der effektiven Arbeitsleistung bereits einige Jahre vor dem tatsächlichen Pensionsantritt. Allerdings ist dies mit einer Gehaltseinbuße verbunden. Arbeitgeber wiederum sind beim Blockmodell in der angenehmen Lage, einige Jahre lang über einen Arbeitnehmer zu verfügen, der zwar die volle Arbeitsleistung erbringt, für den aber nur die halben Lohnkosten anfallen, weil der vom Arbeitgeber gezahlte Lohnausgleich vom Arbeitsmarktservice durch das dem Arbeitgeber gewährte Altersteilzeitgeld wieder refundiert wird (vgl Schindler aaO 91).
Wird nun aber wie im vorliegenden Fall das Arbeitsverhältnis bereits vor Ablauf der vollen Geltungsdauer der Vereinbarung über die Altersteilzeit aufgelöst, kann die ursprünglich vereinbarte Einlösung des Zeitguthabens "in natura" nicht mehr erfolgen. Der mit BGBl I 1997/46 eingefügte § 19e Abs 1 Arbeitszeitgesetz (AZG) sieht vor, dass bei Ende des Arbeitsverhältnisses bestehende Guthaben an Normalarbeitszeit oder Überstunden, für die Zeitausgleich gebührt, in Geld auszubezahlen sind. Guthaben an Überstunden sind schon nach § 10 Abs 1 AZG jedenfalls mit Zuschlag von 50 % abzugelten. § 19e Abs 2 AZG normiert darüber hinaus, dass auch für Guthaben an Normalarbeitszeit ein Zuschlag von 50% gebührt, wenn ein Zeitausgleich nicht mehr möglich ist. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt. Der Kollektivvertrag kann Abweichendes regeln (IA 408/A BlgNR 20. GP), was hier allerdings nicht der Fall ist. Es braucht daher auch nicht auf die (strittige) Frage eingegangen werden, was der Kollektivvertrag im Einzelnen abweichend regeln darf.
Schrank (Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht 44/XIV; ders in Jungwirth/Risak/Schrank, Pensionsreform 2003 Rz 250) vertritt zu § 19e AZG die Auffassung, dass die Abgeltung ohne Zuschlag zu erfolgen habe, soweit es sich um Teilzeitarbeit handelt, die ohne die Durchrechnung zu keinen Überstunden geführt hätte. Kandera (Arbeitszeitflexibilisierung 116), Spitzl (ecolex-script 2001/19, 5) und Steiger/Schrenk (FJ 2002, 363) teilen diesen Standpunkt.
Der Senat vermag sich dieser Position nicht anzuschließen. Es wird nicht verkannt, dass es im Allgemeinen für die Mehrarbeit eines Teilzeitarbeitnehmers, die über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit, nicht aber über die Normalarbeitszeit hinausgeht, - anders als für Überstunden (§ 10 Abs 1 AZG) - keinen gesetzlichen Zuschlag zum Entgelt gibt. Die Rechtsprechung geht deshalb davon aus, dass derartige Mehrarbeit im Regelfall nur mit dem normalen Lohn zu vergüten ist (4 Ob 48/67 = Arb 8469; 4 Ob 84/75 = Arb 9452 ua). Durch Kollektivvertrag kann auch für Mehrarbeit ein Zuschlag vorgesehen sein. Dieser ist dann auch bei einem Zeitausgleich entsprechend zu berücksichtigen (Grillberger, AZG² § 19d Anm 4.4).
Bei § 19e AZG beschritt der Gesetzgeber, dem die Kenntnis der Rechtsprechung zur Zuschlagsfrage bei Mehrarbeit von Teilzeitarbeitnehmern unterstellt werden kann, einen anderen Weg. So wurde bereits im Initiativantrag zur Einführung dieser Bestimmung vorangestellt, dass die Regelung über die Abgeltung von Zeitguthaben sowohl für Guthaben an Normalarbeitszeit als auch Guthaben an Überstunden gilt. Weiters wurde als selbstverständlich betont, dass Guthaben an Überstunden jedenfalls mit Zuschlag abzugelten sind. Darüber hinaus soll aber nach der neuen Regelung auch für Guthaben an Normalarbeitszeit in der Regel ein Zuschlag gebühren, wenn ein Ausgleich nicht mehr möglich ist. Der Gesetzgeber ließ damit erkennen, dass der tatsächliche Zeitausgleich Vorzug vor der Geldlösung genießt. Der Zuschlag ist gewissermaßen der Preis für eine Flexibilisierung, die keinen Zeitausgleich mehr ermöglicht. Dass damit für Arbeitgeber ein empfindlicher Anreiz geschaffen wird, dem Arbeitnehmer den Zeitausgleich zu ermöglichen, liegt auf der Hand. Eine Ausnahme soll nach dem Vorbild des § 10 Abs 2 UrlG nur bei unbegründetem vorzeitigen Austritt bestehen (IA 408/A BlgNR 20. GP). Auf Spekulationen der Revisionswerberin über hier nicht gegenständliche Beendigungsformen ist nicht einzugehen.
Die Sonderregelung des § 19e AZG erfasst somit auch alle Arbeiten, die im Zeitpunkt ihrer Leistung nicht als Überstunden qualifiziert sind, aber durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Guthaben an Normalarbeitszeit geführt haben. Die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses während einer laufenden Vereinbarung von Altersteilzeit nach § 27 AlVG ist als Anwendungsfall dieser Bestimmung zu qualifizieren. Auch im Fall der Teilzeitarbeit sind jene Teile der geleisteten Arbeit, die als Guthaben an Normalarbeitszeit zu betrachten sind, weil sie über die Normalarbeitszeit hinaus geleistet wurden, mit einem Zuschlag von 50 % abzugelten. Ausgenommen ist vom Gesetz nur der schon erwähnte Fall des ungerechtfertigten Austritts des Arbeitnehmers (Schindler aaO 100;Grillberger aaO § 19e Anm 2.2; B. Schwarz in Cerny/Klein/B. Schwarz, AZG §§ 19e, 19f Erl 3; Anzenberger aaO 6).
Zutreffend verweist Schindler (aaO 100 FN 40) darauf, dass die in Frage stehende Regelung gerade für Teilzeitarbeit geschaffen wurde, weil bei Vollzeitarbeit verbleibende Zeitguthaben rückblickend selbst im Rahmen von Durchrechnungsmodellen gemäß den §§ 3 - 4c AZG Überstunden sind. Die insgesamt geleistete Arbeit (einschließlich der nicht ausgeglichenen Zeitguthaben) überschreitet diesfalls die Normalarbeitszeit, sodass ein 50-%iger Zuschlag schon zufolge § 10 AZG zusteht. § 19e Abs 2 AZG wäre bei einem solchen eingeschränkten Verständnis nie anwendbar, dies ganz abgesehen davon, dass die Auffassung der Vertreter der Gegenposition auch dem Wortlaut des § 19e Abs 2 AZG widerspricht. Bei Teilzeitarbeit liegt auch rückblickend bloß Mehrarbeit, also ein Guthaben an Normalarbeitszeit vor. Pointiert könnte man den Zuschlag auch als „Flexibilitätszuschlag" und „marktwirtschaftliches Gegensteuerungselement" sehen. Dadurch ist auch der Wegfall des Zuschlags bei unberechtigtem Austritt und Vereitelung des Zeitausgleichs durch ein rechtswidriges Verhalten des Arbeitnehmers erklärlich (Schindler aaO 100).
Grillberger (aaO § 19e Anm 2) betont in diesem Zusammenhang ähnlich, dass der 50-%ige Zuschlag für Guthaben an Normalarbeitszeit den Zweck des § 19e Abs 2 AZG unterstreicht, einen Anreiz für den Arbeitgeber zu schaffen, den Zeitausgleich tatsächlich zu gewähren. Diesen Zweck und die darauf beruhende Erwartungshaltung des Arbeitnehmers hat die Beklagte allerdings durch vorzeitige Beendigung der Vereinbarung über Altersteilzeit drei Monate vor Beginn der Freizeitphase vereitelt und enttäuscht.
B. Schwarz (aaO §§ 19e, 19f Erl 1 und 3) streicht ebenfalls heraus, dass sozialpolitischer Grundgedanke und damit Auslegungsprinzip der §§ 19e, 19f AZG das Ziel ist, den Ausgleich von Zeitguthaben sicherzustellen und zu verhindern, dass letztlich unter dem Vorwand der Flexibilität eine Verlängerung der Arbeitszeit eintritt. § 19e Abs 2 AZG erfasst gerade Arbeiten, die im Zeitpunkt ihrer Leistung nicht als Überstunden qualifiziert sind, aber durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Guthaben an Normalarbeitszeit geführt haben.
Der Senat tritt daher der Auffassung der Vorinstanzen bei, dass für das bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitgeberkündigung bestehende Zeitguthaben des Klägers an Normalarbeitszeit nach § 19e Abs 2 AZG ein Zuschlag von 50 % gebührt. Aus der Anfrage um Vorabentscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 ObA 277/01w ist für die Lösung der Zuschlagsfrage entgegen der Annahme der Revisionswerberin nichts zu gewinnen. Aus der dort erfolgten Darstellung der innerstaatlichen Rechtslage im Bereich der Vollzeitbeschäftigten ergibt sich nichts Näheres für die Anwendung des § 19e AZG im Bereich der Altersteilzeit. Ebenso wenig folgt für den Standpunkt der Revisionswerberin aus dem Umstand, dass ein hier nicht anwendbarer Kollektivvertrag eine Regelung enthalte, dass Zeitguthaben an Normalarbeitszeit ohne Zuschlag nach § 19e AZG abzurechnen seien. Die vermeintliche „Besserstellung" des Klägers hat allein die Beklagte dadurch herbeigeführt, dass sie den Kläger auf Basis eines (absolut) reduzierten Entgelts die Vollarbeitsphase nahezu vollständig abarbeiten ließ und ihn dann drei Monate vor Beginn der Freizeitphase kündigte.
In der zweiten zwischen den Parteien strittigen Frage geht es darum, wovon ein Zuschlag zu gewähren ist; konkret, ob auch der von der Beklagten dem Kläger bis zur Kündigung gezahlte Lohnausgleich - trotz Einstellung des Altersteilzeitgelds nach § 27 Abs 8 AlVG infolge Kündigung der Beklagten - weiterhin in den Stundensatz bei Berechnung der Abgeltung des Zeitguthabens einzubeziehen ist.
Das Gesetz gibt auf die Frage der Berücksichtigung des Lohnausgleichs bei Abgeltung des Zeitguthabens - entgegen der Annahme der Revisionswerberin - keine unmittelbare Antwort. § 27 AlVG regelt nicht die privatrechtlichen Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, sondern unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Altersteilzeitgeld hat. Pkt 11 der Vereinbarung der Parteien stellt konsequenterweise klar, dass diese Vereinbarung durch den Entfall des Anspruchs auf Altersteilzeitgeld nicht berührt wird.
Im Schrifttum werden zur Berücksichtigung des Lohnausgleichs bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgende Auffassungen vertreten:
Schrank (Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht 44/XIV f; ders in Jungwirth/Risak/Schrank, Pensionsreform 2003 Rz 250 ff) verneint die Einbeziehung des Lohnausgleichs. Infolge seines besonderen Zwecks erhöhe der Lohnausgleich weder die Berechnungsbasis der Stundenabgeltung noch könne ihn der Arbeitgeber zu seinen Gunsten als Teilbezahlung der Zeitguthaben anrechnen und in Abzug bringen. Auch die sich bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor allem während der Freizeitphase stellende Zusatzfrage, ob nicht angesichts des Umstands, dass bei dieser Konstellation der Arbeitnehmer seine gesamte Arbeitsleistung bereits erbracht habe, für die offenen Zeitguthaben ausnahmsweise auch der gewissermaßen noch „offene" Lohnausgleich zu zahlen sei, sei nach den Bestimmungen und Wertungen des Altersteilzeitgelds zu verneinen. Der Lohnausgleich gebühre nicht für die Arbeit, sondern für die entfallende Arbeit. Er diene nur der Förderung der Altersteilzeit im aufrechten Arbeitsverhältnis, was neben seiner Ausfallsfunktion für sein umfassend eigenständiges rechtliches Schicksal spreche. Der Lohnausgleich werde zwar rechtlich vom Arbeitgeber, wirtschaftlich aber von der Versichertengemeinschaft im Weg des Altersteilzeitgelds getragen. Dies gebiete eine mit dem Altersteilzeitgeld harmonisierte Auslegung.
Nach Steiger/Schrenk (aaO) soll der Lohnausgleich bei der Abgeltung des Zeitguthabens ebenfalls keine Rolle spielen.
Spitzl (aaO 5) differenziert. Er hält die Berechnung der Abgeltung auf Grund des verringerten Entgelts ohne Lohnausgleich nur dann für zulässig, wenn der Lohnausgleich vereinbarungsgemäß an die Bedingung der Gewährung von bzw den Ersatz durch Altersteilzeitgeld geknüpft sei.
Anzenberger (aaO 5 f) verweist zunächst darauf, dass das Teilzeitentgelt inklusive Lohnausgleich grundsätzlich unabhängig davon gebühre, ob der Arbeitgeber tatsächlich das Altersteilzeitgeld in Anspruch nehmen könne. Allerdings sei es möglich, den Lohnausgleich an die Bedingung des Altersteilzeitgeldbezugs zu knüpfen. Die Abgeltung des Zusatzaufwands in Form des Lohnausgleichs werde so ausdrücklich zur Geschäftsgrundlage. Vice versa wäre es denkbar, im Interesse des Arbeitnehmers den Bestand der Vereinbarung an dessen vollständige Erfüllung zu knüpfen. Für den Fall der Lösung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung durch den Masseverwalter habe die Abgeltung des Zeitguthabens auf der Basis des Teilentgelts inklusive Lohnausgleich zu erfolgen, weil durch Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung im Rahmen des arbeitsrechtlichen Synallagmas der Arbeitsleistung ein höheres Stundenentgelt gegenüberstehe.
Schrank ist jedenfalls darin zuzustimmen, dass noch offene Zeitguthaben an Normalarbeitszeit mit dem Beendigungszeitpunkt abzugelten sind (§ 19e Abs 1 AZG; nicht § 19c Abs 1 AZG wie offenbar irrtümlich in den beiden vorzitierten Belegstellen angeführt), und zwar mit dem im Beendigungszeitpunkt gebührenden Entgeltsatz für Normalstunden (vgl auch § 10 Abs 3 AZG;Grillberger aaO § 19e Anm 2). Schrank wartet mit einer Reihe gewichtiger Argumente gegen die Berücksichtigung des Lohnausgleichs auf. Ob sie ausreichen, den nahe liegenden Ansatz Anzenbergers zu entkräften, dass durch den Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung der reduzierten Arbeitsleistung künftighin ein höheres Stundenentgelt gegenüberstehe, um dem Arbeitnehmer überhaupt erst die Reduktion von Arbeit und Einkommen schmackhaft zu machen, kann dann dahingestellt bleiben, wenn die Parteien in der Vereinbarung über die Altersteilzeit übereinkommen, dass für die Altersteilzeitarbeit jedenfalls ein bestimmtes Entgelt geschuldet werde, ohne dieses weiter in Bezug auf eine allfällige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und ihre Folgen zu spezifizieren. Genau dies ist nämlich der Standpunkt des Klägers und zu eben diesem Ergebnis gelangte das Berufungsgericht bei seiner Auslegung der Vereinbarung der Parteien, sodass auch der bis zur Kündigung gezahlte Lohnausgleich in den Stundsatz bei Berechnung der Abgeltung des Zeitguthabens einzubeziehen ist. Auf seine ausführliche, alle Auslegungsgrundsätze berücksichtigende und auf die Umstände des Einzelfalls abstellende Begründung wird verwiesen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 2 ASGG, 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.