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VfGH vom 24.06.1999, b191/99

VfGH vom 24.06.1999, b191/99

Sammlungsnummer

15543

Leitsatz

Keine Bedenken gegen die angewendeten Bestimmungen des Disziplinarrechts der Ärzte; keine Bedenken gegen die Zusammensetzung des Disziplinarsenates; kein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung; kein Verstoß gegen das Determinierungsgebot; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Arzt nach bereits erfolgter gerichtlicher Verurteilung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Facharzt für Psychiatrie und Neurologie in Tirol. Er wurde mit rechtskräftigem Urteil des OLG Innsbruck vom gemäß § 148 StGB iVm § 43a Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagsätzen und zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten sowie mit Urteil des OLG Innsbruck vom gemäß § 297 Abs 1 2. Fall StGB bzw. gemäß §§15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB unter Bedachtnahme auf §§31, 40 StGB zu einer Zusatzstrafe von 180 Tagsätzen verurteilt.

Wie aus der Begründung des angefochtenen Bescheides hervorgeht, lag diesen Verurteilungen zugrunde, daß der Beschwerdeführer sechs Personen mit Bereicherungsvorsatz betrügerisch geschädigt habe, indem er sie unter Angabe falscher Tatsachen zum Ankauf von Medikamenten und angeblich medizinischen Geräten verleitete. Ferner habe sich der Beschwerdeführer der Verleumdung und der versuchten schweren Nötigung schuldig gemacht. Der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Tirol und Vorarlberg, erblickte bereits in diesen Handlungen ein Disziplinarvergehen gemäß § 95 Abs 2 Z 1 ÄrzteG 1984.

2. Daneben und unabhängig davon sah der Disziplinarrat in zwei anderen Fällen auch Disziplinarvergehen nach § 95 Abs 1 Z 1 und 2 ÄrzteG 1984 als erfüllt an.

Der Disziplinarrat wertete als mildernd den Umstand, daß die den strafgerichtlichen Verurteilungen zugrunde liegenden Taten zum Teil lange zurücklägen, als erschwerend hingegen zahlreiche, zum Teil einschlägige bisher verhängte Disziplinarstrafen, das Zusammentreffen verschiedener Straftaten als Grundlage der strafgerichtlichen Verurteilungen sowie das Zusammentreffen mehrerer Taten, die auch für sich alleine jeweils ein Disziplinarvergehen begründen würden und verhängte mit Bescheid vom gemäß § 101 Abs 1 Z 3 ÄrzteG 1984 die Disziplinarstrafe der Untersagung der Berufsausübung für die Dauer von drei Jahren.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Disziplinarsenates der Österreichischen Ärztekammer beim Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales wurde der Berufung des Beschwerdeführers lediglich insoweit Folge gegeben, als die Strafe auf ein Berufsausübungsverbot für die Dauer von nur einem Jahr herabgesetzt wurde.

4. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde rügt die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art 6 und 7 EMRK, in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie die Verletzung in Rechten durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm.

5.1. Die Beschwerde rügt die Verfassungswidrigkeit verschiedener Bestimmungen des Ärztegesetzes:

5.2. Nach Auffassung des Beschwerdeführers gebiete es Art 5 iVm Art 6 EMRK, daß über eine Disziplinarstrafe bereits in erster Instanz ein unabhängiges Tribunal entscheidet; dieser Anforderung genüge § 96 ÄrzteG 1984, worin der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer als Disziplinarbehörde erster Instanz eingerichtet wird, nicht.

5.3. In Ablehnung der in dem von der Beschwerde selbst zitierten Erkenntnis VfSlg. 11933/1988 zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes vermeint der Beschwerdeführer, daß Art 133 Z 4 B-VG die Entscheidung durch ein Kollegialorgan gebiete, dem ein Richter des aktiven Dienststandes angehöre. Ein Mitglied einer solchen Behörde, das zwar im Zeitpunkt der Bestellung dem aktiven Dienststand angehört habe, später aber in den Ruhestand getreten sei, sei abzuberufen, widrigenfalls die Kollegialbehörde in einer unrichtigen, dem Art 133 Z 4 B-VG widersprechenden Weise zusammengesetzt sei. § 98 Abs 4 ÄrzteG 1984 erlaube sogar die Bestellung eines Richters des Ruhestandes zum Mitglied des Disziplinarsenates, sehe überdies keine Abberufung eines in den Ruhestand tretenden richterlichen Mitgliedes vor und sei schließlich hinsichtlich der Frage, ob das richterliche Mitglied dem aktiven Dienststand angehören müsse, unzureichend determiniert. Aus diesen behaupteten Umständen versucht die Beschwerde die Verfassungswidrigkeit des § 98 Abs 4 ÄrzteG 1984 abzuleiten.

5.4. Gemäß § 100 Abs 1 ÄrzteG 1984 sind auf das Disziplinarverfahren sinngemäß die Vorschriften über die Strafprozeßordnung 1975, BGBl. 631, anzuwenden, soweit sich nicht aus dem Ärztegesetz selbst anderes ergibt und die Anwendung der StPO mit den Grundsätzen und Eigenheiten des Disziplinarverfahrens vereinbar ist. Die Beschwerde hält diese Bestimmung für unzureichend determiniert und regt auch diesbezüglich die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens an.

5.5. § 95 Abs 2 Z 1 ÄrzteG 1984 knüpft an bestimmte strafgerichtliche Verurteilungen die zwingende Folge einer disziplinarrechtlichen Bestrafung. Die Beschwerde erblickt darin einen Verstoß gegen Art 6 EMRK, der in Verfahren über die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage volle Tatsachenkognition der erkennenden Behörde verlange. Auch die Bestimmung des § 95 Abs 2 Z 1 Ärztegesetz 1984 wird daher in der Beschwerde als verfassungswidrig gerügt.

5.6. Der Beschwerdeführer wurde nach § 95 Abs 2 Z 1 ÄrzteG iVm § 101 ÄrzteG 1984 bestraft. § 95 Abs 2 Z 1 sieht eine Disziplinarstrafe vor, wenn ein Arzt eine oder mehrere strafbare Handlungen vorsätzlich begangen hat und deswegen von einem in- oder ausländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe von zumindest 360 Tagsätzen verurteilt worden ist. Die Beschwerde attestiert dieser Bestimmung einerseits "völlig(e) (U)nzweideutig(keit)", hält sie aber andererseits für unzureichend determiniert, weil aus ihr nicht mit hinreichender Klarheit hervorgehe, ob eine Zusammenrechnung von Strafen und Zusatzstrafen stattzufinden habe oder nicht. § 95 Abs 2 Z 1 sei daher schließlich auch wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich festgelegten Determinierungsgebotes verfassungswidrig.

6. Der Beschwerdeführer erachtet sich darüber hinaus durch den angefochtenen Bescheid auch unmittelbar in verschiedenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt:

6.1. Zunächst fühlt sich der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten nach Art 6 EMRK verletzt, daß in erster Instanz und kraft Mitwirkung eines bereits in den Ruhestand getretenen Richters auch in zweiter Instanz kein Tribunal im Sinne dieser Bestimmung über die strafrechtliche Anklage gegen ihn entschieden habe.

6.2. Sodann erachtet sich der Beschwerdeführer auch dadurch in seinem Recht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK verletzt, daß in erster Instanz trotz einer von ihm vorgebrachten Entschuldigung wegen Krankheit in Abwesenheit gegen ihn verhandelt und daß ohne vorherige Ankündigung erst in dieser Verhandlung die Zusammenlegung der verschiedenen gegen ihn laufenden Disziplinarverfahren beschlossen worden sei.

6.3. Schließlich erachtet sich der Beschwerdeführer mit weit ausholender strafrechtlicher Begründung durch Mißachtung des strafrechtlichen Analogieverbotes in malam partem in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt, weil die belangte Behörde die ursprünglich verhängte Strafe und die Zusatzstrafe nach § 31 StGB zusammengerechnet habe, um dadurch die Regelung des § 95 Abs 2 Z 1 ÄrzteG 1984 anwenden zu können, nach der jedenfalls ein Disziplinarvergehen begehe, wer wegen einer Vorsatztat gerichtlich zu einer Geldstrafe von mindestens 360 Tagsätzen verurteilt worden sei.

II. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift zum Vorbringen des Beschwerdeführers aber verzichtet.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die u zulässige u Beschwerde erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden:

1.2. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner in VfSlg. 11506/1987 näher dargelegten Rechtsprechung, wonach bestimmte schwere Disziplinarstrafen wie die befristete oder unbefristete Verhängung eines Berufsausübungsverbotes als Strafen im Sinne des Art 6 EMRK zu qualifizieren sind. Der Verfassungsgerichtshof bejaht daher mit der Beschwerde die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf das beschwerdegegenständliche Verfahren.

Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch in VfSlg. 13012/1992 ausgesprochen, daß es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn in Disziplinarsachen lediglich eine einzige Instanz vorgesehen ist, die als weisungsfreie Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag dem Tribunalbegriff des Art 6 EMRK entspricht. Im Hinblick darauf vermag die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof auch keine Zweifel daran zu erwecken, daß es verfassungsrechtlich zulässig ist, ein Tribunal erst als zweite Instanz vorzusehen, das die Entscheidung einer (nicht den Erfordernissen des Art 6 EMRK genügenden) Behörde erster Instanz überprüft. Daran vermag im Hinblick auf den von Österreich abgegebenen Vorbehalt auch die u von der Beschwerde gar nicht ins Treffen geführte u Bestimmung des Art 2 Abs 1 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK nichts zu ändern, die einen Anspruch auf eine zweite unabhängige Instanz in Strafsachen einräumt, so daß es dahingestellt bleiben kann, ob Disziplinarverfahren überhaupt als Strafverfahren im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind (VfSlg. 13012/1992).

1.3. Auch hinsichtlich des Vorbringens, § 98 Abs 4 ÄrzteG 1984 erlaube in verfassungswidriger Weise die Bestellung eines nicht mehr dem aktiven Dienststand angehörenden Richters zum Mitglied des Disziplinarsenates bzw. sei hinsichtlich dieser Frage unzureichend determiniert, sieht sich der Verfassungsgerichtshof u wie schon in VfSlg. 13012/1992 hinsichtlich einer ähnlichen Bestimmung des Tierärztegesetzes u nicht veranlaßt, in ein Gesetzesprüfungsverfahren einzutreten. Der Verfassungsgerichtshof bleibt vielmehr bei der in VfSlg. 11933/1988 getroffenen Feststellung, wonach ein Richter im Ruhestand kein Richter im Sinne des Art 133 Z 4 B-VG ist. Demgemäß schließt es § 98 Abs 4 ÄrzteG 1984 bei verfassungskonformer Interpretation aus, daß ein nicht mehr dem aktiven Dienststand angehörender Richter zum richterlichen Mitglied des Disziplinarsenates bestellt wird. Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch keine Veranlassung, von seiner in VfSlg. 11933/1988 dargelegten Rechtsprechung abzugehen, wonach keine Verfassungsvorschrift den einfachen Gesetzgeber dazu verpflichtet, festzulegen, daß ein richterliches Mitglied einer nach Art 133 Z 4 B-VG eingerichteten Behörde, wenn es als Richter in den Ruhestand tritt, auch sein Amt als Mitglied dieser Behörde verliert oder davon zu entheben ist.

1.4. Der Verfassungsgerichtshof stimmt mit der Beschwerde dahin überein, daß Normen des Straf- und des Strafprozeßrechtes im Hinblick auf Art 18 B-VG und Art 7 EMRK erhöhten Anforderungen hinsichtlich ihrer hinreichenden Determinierung unterliegen. Der Verfassungsgerichtshof vermag jedoch die gegen § 100 Abs 1 ÄrzteG 1984 gerichteten diesbezüglichen Bedenken der Beschwerde nicht zu teilen. Die bloße Anordnung einer sinngemäßen Anwendung verwandter Rechtsvorschriften führt für sich genommen noch nicht zu einer rechtsstaatlich untragbaren Unklarheit. Dies umso weniger, wenn die Anordnung der sinngemäßen Anwendung durch präzisierende Maßgaben ergänzt wird, die eine nähere Bestimmung des Anwendungsbereiches der verwiesenen Normen erlauben. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich vor diesem Hintergrund nicht veranlaßt, § 100 Abs 1 ÄrzteG 1984 auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

1.5.1. § 95 Abs 1 und 2 Ärztegesetz 1984 lauten auszugsweise:

"§95. (1) Ärzte machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie

1. das Ansehen der in Österreich tätigen Ärzteschaft durch ihr Verhalten der Gemeinschaft, den Patienten oder den Kollegen gegenüber beeinträchtigen, oder

2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie sich anläßlich der Promotion zum Doctor medicinae universae verpflichtet haben oder zu deren Erhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.

(2) Ärzte machen sich jedenfalls eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie

1. eine oder mehrere strafbare Handlungen vorsätzlich begangen haben und deswegen von einem in- oder ausländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe von zumindest 360 Tagsätzen verurteilt worden sind oder

(...)."

Die Beschwerde erblickt in der Verknüpfung von strafgerichtlicher Verurteilung und disziplinarrechtlicher Verfolgung einen Verstoß gegen Art 6 EMRK. Sie übersieht dabei aber, daß die inkriminierte Anknüpfung in § 95 Abs 2 Z 1 ÄrzteG 1984 lediglich eine Präzisierung der generalklauselartigen Umschreibung der Beeinträchtigung des Ansehens des Berufsstandes nach Abs 1 Z 1 und der Berufspflichtverletzung nach Abs 1 Z 2 darstellt. Der Verfassungsgerichtshof hält es nicht für unsachlich, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, daß gerichtliche Verurteilungen der Schwere der in § 95 Abs 2 Z 1 ÄrzteG 1984 genannten Art ein Verhalten des Beschwerdeführers voraussetzen, das geeignet ist, das Ansehen des Standes und das besondere Vertrauensverhältnis eines Arztes zu seinen Patienten empfindlich zu stören. Die Anknüpfung an eine gerichtliche Verurteilung gewährleistet auch, daß der Beschuldigte nur auf Grund eines Verfahrens bestraft werden kann, das allen Garantien des Art 6 EMRK entspricht. Zieht man zudem in Betracht, daß § 95 Abs 2 Z 1 nichts über die Art und Schwere der disziplinarrechtlichen Sanktion aussagt, die an das zur gerichtlichen Verurteilung führende Verhalten des Beschuldigten geknüpft ist, sondern daß vielmehr der Disziplinarbehörde die volle u von der schriftlichen Verwarnung bis zur Streichung aus der Ärzteliste reichende u Bandbreite der möglichen Sanktionsmöglichkeiten verbleibt, so kann insgesamt der gerügten Bestimmung kein Verstoß gegen Art 6 EMRK vorgeworfen werden.

1.5.2. Die vorstehenden Erwägungen lassen sich nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes auch auf die u von der Beschwerde gar nicht relevierte u Problematik des Verbotes der Doppelbestrafung nach Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK übertragen:

Es kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang das genannte Verbot auf Disziplinarverfahren überhaupt Anwendung findet (vgl. zu dieser Frage Grabenwarter, Entscheidungsbesprechung zu EGMR vom , Gradinger gegen Österreich, JBl. 1997, 577 (582)). Es erscheint nämlich als legitimes Interesse der Standesgemeinschaft, sich im Falle schwerwiegender gerichtlicher Verurteilungen, denen u wie im hier vorliegenden Fall u Verhaltensweisen des Betroffenen zugrundeliegen, von denen regelmäßig auch eine Gefährdung des Ansehens des Standes oder der ordnungsgemäßen Erfüllung bestimmter standesspezifischer Berufspflichten ausgeht, sich in Wahrnehmung des sogenannten "disziplinären Überhanges" disziplinarrechtliche Reaktionen vorzubehalten. Es ist dies nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ein eigener, eine gesonderte disziplinäre Bestrafung rechtfertigender Aspekt, weswegen § 95 Abs 2 Z 1 ÄrzteG 1984 auch nicht gegen Art 4 des 7. ZP zur EMRK verstößt (vgl. auch den Explanatory Report, Human Rights Law Journal 1985, 82 (86), wo jedenfalls die disziplinarrechtliche Verfolgung eines Beamten neben einer strafrechtlichen Verfolgung ausdrücklich als zulässig bezeichnet wird).

1.6. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich auch aus dem Blickwinkel des Determinierungsgebotes nicht veranlaßt, in eine amtswegige Prüfung von § 95 Abs 2 Z 1 ÄrzteG 1984 einzutreten. Die Bestimmung knüpft hinreichend konkret an der tatsächlich ausgesprochenen Strafe an und ermöglicht eine einwandfreie Gesetzesanwendung, ohne die erkennende Disziplinarbehörde oder den beschuldigten Rechtsunterworfenen vor rechtliche Unklarheiten zu stellen. Schließlich hält die Beschwerde selbst die Regelung für "völlig unzweideutig", weswegen sich ein Eingehen auf das weitere, freilich dann gegenteilige Beschwerdevorbringen erübrigt.

2. Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid auch nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt:

2.1. Die Beschwerde rügt, daß zum einen in erster Instanz gar kein Tribunal und auch in zweiter Instanz wegen Mitwirkung eines bereits in den Ruhestand getretenen Mitgliedes keine den Garantien des Art 6 EMRK entsprechende Behörde entschieden habe. Bei der oben dargetanen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der diesbezüglichen Rechtslage vermag der Verfassungsgerichtshof darin aber auch keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten zu erblicken, auch nicht in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.

2.2. Unter Hinweis auf § 454 StPO vermeint der Beschwerdeführer dartun zu können, daß die an ihn ergangene Ladung nicht gehörig gewesen sei, weil sie ihm nicht oder nicht ausreichend Gelegenheit verschafft habe, sich die zu seiner Verteidigung dienenden Beweise zu verschaffen. Der Beschwerdeführer wurde jedoch unter Bedachtnahme auf § 455 Abs 1 StPO zu der gegen ihn vor der Disziplinarbehörde erster Instanz geführten Verhandlung rechtzeitig geladen, wobei ihm auch die beabsichtigte Verbindung der mehreren gegen ihn laufenden Disziplinarverfahren angezeigt wurde. Die belangte Behörde hält der u schon in der Berufung vorgebrachten u Verfahrensrüge zunächst entgegen, daß der Beschwerdeführer die Vertagung der Verhandlung nicht wegen unzureichender Vorbereitungsfrist, sondern wegen einer (angeblichen) Erkrankung beantragt habe.

Dem weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers, die Behörde erster Instanz habe zu unrecht seine Entschuldigung wegen Krankheit als unbegründet gewertet und in Abwesenheit gegen ihn verhandelt, entgegnet die belangte Behörde in der Bescheidbegründung, daß es aktenkundig und auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten sei, daß er am Vormittag des Verhandlungstages mit einem Journalisten zusammengetroffen sei und am Nachmittag in seiner Ordination Patienten behandelt habe. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer in seinem Vertagungsantrag seine Verhandlungsunfähigkeit nicht behauptet habe, würde es, wie die belangte Behörde ausführt, überdies auch bei Zutreffen der (nunmehrigen) Behauptungen des Beschwerdeführers an einer für die Geltendmachung eines Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 4 StPO erforderlichen Antragstellung fehlen, so daß die belangte Behörde den gerügten Verfahrensmangel auch in diesem Fall nicht wahrzunehmen gehabt hätte.

2.2.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

2.2.2. Vor dem Hintergrund der zuvor wiedergebenen Begründung des angefochtenen Bescheides kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden, daß der belangten Behörde in der Beurteilung des Berufungsvorbringens des Beschwerdeführers ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen wäre. Es hat somit durch die Abweisung des diesbezüglichen Berufungsvorbringens bei ordnungsgemäß durchgeführtem Verfahren in zweiter Instanz weder eine Verletzung der durch Art 6 EMRK garantierten Rechte des Beschuldigten noch - im Sinne geübter Willkür - eine Verletzung im Gleichheitsrecht stattgefunden.

2.3. Auch durch die Zusammenrechnung von ursprünglicher Strafe und Zusatzstrafe, die erst die Anwendbarkeit von § 95 Abs 2 Z 1 Ärztegesetz begründete, hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt:

Gem. § 31 StGB ist eine (bloße) Zusatzstrafe dann zu verhängen, wenn die Tat nach dem Zeitpunkt der Begehung bereits in einem früheren Verfahren gemeinsam mit anderen Straftaten hätte abgeurteilt werden können.

2.3.1. Zwar ist der Oberste Gerichtshof bisher in anderen Zusammenhängen in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß Strafe und Zusatzstrafe als jeweils gesonderte Strafen anzusehen und nicht zu einer Gesamtstrafe zusammenzurechnen seien (so zur Frage der Zuständigkeit für den Widerruf der bedingten Strafnachsicht mit Hinweisen auf die Kommentarliteratur und ; für den Ausschluß der bedingten Strafnachsicht nach § 43a Abs 3 StGB u in diesem Fall im Ergebnis somit sogar zum Nachteil des Betroffenen u ; zur Problematik gesamtschadensorientierter Qualifikationsbeurteilung ; für die Möglichkeit der bedingten Nachsicht allein der Zusatzstrafe ).

2.3.2. Dieser Rechtsstandpunkt ist jedoch aus verfassungsrechtlicher Sicht auf die hier zu beurteilende Frage nicht zwingend zu übertragen: Die Funktion der Zusatzstrafe ist es, den Verurteilten nicht schlechter zu stellen, als ob alle Straftaten tatsächlich gemeinsam abgeurteilt worden wären und eine einheitliche Strafbemessung gem. § 28 StGB unter Zugrundelegung des höchsten in Betracht kommenden Strafsatzes erfolgt wäre. Der Bestrafte wird also durch die Zusammenrechung der Strafen nicht schlechter gestellt, als bei gleichzeitiger Aburteilung der verschiedenen ihm zur Last gelegten Straftaten.

§ 95 Abs 2 Z 1 ÄrzteG 1984 knüpft an die Tatsache gerichtlicher Verurteilung zu bestimmter Strafart und -höhe wegen einer oder mehreren mit Vorsatz begangenen Straftaten an. Vor dem Hintergrund einer solchen Tatbestandswirkung der Verurteilung hält der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung der belangten Behörde jedenfalls nicht für denkunmöglich, wonach eine Zusammenrechnung von Strafen aus mehreren gerichtlichen Verurteilungen, die zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehen, geboten sei, um eine ansonsten bei völlig gleicher Sach- und Rechtslage eintretende unsachliche Verschiedenbehandlung von Verurteilten im Disziplinarverfahren zu vermeiden, je nachdem, ob die Aburteilung aller Straftaten zufälligerweise in einem Verfahren oder in mehreren Strafverfahren erfolgt ist. Angesichts dessen wäre der Beschwerdeführer durch die erfolgte Zusammenrechnung auch dann nicht in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, wenn diese Zusammenrechnung im Ergebnis zu Unrecht erfolgt wäre; denn ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art 133 Z 4 B-VG richtet, die vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. u.a. VfSlg. 13762/1994 mit weiteren Hinweisen).

3.1. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

3.2. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

4. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.