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OGH vom 29.08.1990, 9ObS15/90

OGH vom 29.08.1990, 9ObS15/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.phil.Eberhard Piso und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Reinhard W***, Arbeiter, Leoben, Buchberggasse 13, vertreten durch Dr. Gerhard Delpin, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei A*** K***, Klagenfurt, Kumpfgasse 25, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 4.149 S, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 15/90-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 34 Cgs 206/89-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom bis bei Erwin G*** beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch vorzeitigen Austritt. Der Zeitraum, für den Kündigungsentschädigung gebührte, endete am . Über das Vermögen des Erwin G*** wurde am der Konkurs eröffnet. Der Kläger hat während seiner Beschäftigungszeit bei Erwin G*** 11 Urlaubstage konsumiert. Mit Bescheid vom erkannte die beklagte Partei dem Kläger Insolvenzausfallgeld in der Höhe von 57.385 S zu. In diesem Betrag war eine Urlaubsabfindung für 10 Tage in der Höhe von 6.464 S netto enthalten. Mit Bescheid vom berichtigte die beklagte Partei diesen Bescheid und forderte einen Betrag von 6.551 S an "Urlaubsentschädigung samt Zinsen" zurück. Der Kläger überwies daraufhin einen Betrag von 2.402 S an die beklagte Partei. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß er Anspruch auf Urlaubsabfindung auf der Basis von 19 Werktagen im Betrag von 4.149 S habe und er lediglich zur Rückstattung eines Betrages von 2.402 S verpflichtet gewesen sei. Er habe 11 Arbeitstage in natura verbraucht, sodaß ihm eine Urlaubsabfindung auf der Basis von 19 (statt von 30) Werktagen zustehe. Den ihm nicht zustehenden Teil der Urlaubsabfindung von 2.402 S habe der Kläger bereits zurückgezahlt. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Da im Zeitpunkt des Ablaufes der fiktiven Kündigungsfrist am ein Urlaubsanspruch überhaupt noch nicht entstanden sei, gebühre dem Kläger eine Urlaubsabfindung. Unter Heranziehung einer Beschäftigungszeit von 18 Wochen errechne sich ein aliquoter Urlaubsanspruch von 11 Urlaubstagen. Diesen Urlaub habe der Kläger in natura verbraucht. Da der Kläger diesen Verbrauch verschwiegen habe, sei die beklagte Partei gemäß § 9 IESG zur Rückforderung berechtigt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Kläger eine Urlaubsabfindung auf Basis von 19 restlichen Urlaubstagen gebühre.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und verpflichtete den Kläger zur Rückzahlung auch des Betrages von 4.149 S. Ferner sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S nicht übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Kläger, der den der zurückgelegten Dienstzeit von 18 Wochen entsprechenden Teil des Jahresurlaubs bereits verbraucht habe, kein Anspruch auf Urlaubsabfindung zustehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der außerordentlichen Revision

nicht Folge zu geben.

Die außerordentliche Revision ist zulässig.

Da das Arbeitsverhältnis des Klägers vor Ablauf von sechs Monaten und daher vor Entstehung des Urlaubsanspruches endete, gebührt ihm gemäß § 10 Abs 1 UrlG eine Urlaubsabfindung. Nach dieser Gesetzesbestimmung beträgt die Abfindung für jede Woche seit Beginn des Urlaubsjahres, in dem ein Urlaub nicht verbraucht wurde, ein 52stel des Urlaubsentgeltes. Der im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte Fall, daß im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Teil des Jahresurlaubes bereits verbraucht ist, wurde vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung vom , Arb 10.095 = SZ 55/14 = ARD 3.413/5 = SozM I A/c 199, dahin gelöst, daß dem Arbeitnehmer für jede im laufenden Urlaubsjahr zurückgelegte Woche ein 52stel des für den noch offenen Rest des Jahresurlaubes gebührenden Urlaubsentgeltes zusteht. Der in natura verbrauchte Urlaub wird demnach nur durch Reduktion des als Bemessungsgrundlage heranzuziehenden Urlaubsentgeltes (für das gesamte Urlaubsjahr) berücksichtigt, was dazu führt, daß eine - wenn auch der Höhe nach geminderte - Urlaubsabfindung auch dann zustünde, wenn ein - gemessen an der zurückgelegten Beschäftigungszeit - überproportionaler Teil des Jahresurlaubes bereits verbraucht worden wäre. Anläßlich der Zurückweisung einer außerordentlichen Revision hat der Oberste Gerichtshof zu 9 Ob A 1015/89 ausgesprochen, daß der Kläger, der den der zurückgelegten Arbeitszeit von 5 Monaten entsprechenden Teil des Jahresurlaubes vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits in natura verbraucht hatte, keinen Anspruch auf Urlaubsabfindung habe. Da demnach zur Frage, wie der in natura verbrauchte Urlaub bei Errechnung der Urlaubsabfindung anzurechnen ist, divergente Entscheidungen des OGH vorliegen, ist die Revision gemäß § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Zur Frage der Anrechnung des verbrauchten Urlaubs bei Ermittlung der Urlaubsabfindung ist - soweit überblickbar - erstmals in der Entscheidung des Arbeitsgerichtes Graz vom , SozM I A/c 93, Stellung genommen worden. Es handelte sich um ein Lehrverhältnis, das im zweiten Lehrjahr (33 Arbeitswochen nach dessen Beginn) aufgelöst wurde. Der dem Satz 2 des § 10 Abs 2 UrlG inhaltlich entsprechende (damalige) § 7 Satz 2 ArbUrlG wurde dahin ausgelegt, daß das während des verbrauchten Urlaubs gezahlte Urlaubsentgelt nur die Bemessungsgrundlage mindere; eine Anrechnung des gesamten ausgezahlten Urlaubsentgelts auf die aliquot errechnete Urlaubsabfindung komme einer teilweisen Rückforderung des Urlaubsentgelts gleich. Diese Entscheidung wurde in der Folge von den Kommentatoren des Urlaubsgesetzes übernommen (vgl. Klein-Martinek, Urlaubsrecht, 127; Cerny, Urlaubsrecht1-3 107; Mayr in Adametz-Basalka-Mayr-Stummvoll, Komm UrlG, § 10 Anm. 6,

2. ErgLfg, ohne Quellenangabe).

Der Oberste Gerichtshof ist in der eingangs zitierten Entscheidung SZ 55/14 dieser - außer durch die teilweise Angabe der Quelle - nicht näher begründeten Lehre gefolgt, wobei er analog zur Berechnung der Urlaubsentschädigung von dem für den restlichen Teil des Jahresurlaubs gebührenden Entgelt ausging. Aus § 9 UrlG, in dem von dem noch ausstehenden Urlaubsentgelt die Rede ist, wurde gefolgert, daß - bei teilweisem Verbrauch des Urlaubs in natura - dieses restliche Urlaubsentgelt auch der Ermittlung der nur aliquot entsprechend der im Urlaubsjahr zurückgelegten Dienstzeit gebührenden Urlaubsabfindung zugrunde zu legen sei. Stellt man aber auf den Zweck des § 9 UrlG ab, dem Arbeitnehmer in den dort geregelten Fällen den vollen Jahresurlaub abzugelten, dann können die dort getroffenen Regelungen nicht ohne weiteres auf den der im Urlaubsjahr zurückgelegten Dienstzeit proportionalen Anspruch auf Urlaubsabfindung angewendet werden. Dies insbesondere dann, wenn dies zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Schlechterstellung jener Arbeitnehmer führt, die im laufenden Urlaubsjahr keinen Urlaub verbraucht haben. Geht man davon aus, daß der Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Gewährung bezahlter Freizeit grundsätzlich ein Äquivalent für die Arbeitsleistung ist, dann wird der Arbeitnehmer, der bereits einen Teil des Jahresurlaubs verbraucht hat, doppelt bessergestellt: Einerseits - da das Gesetz diesbezüglich nicht unterscheidet - gilt auch die Zeit des Urlaubs selbst als für den Urlaubsanspruch maßgebliche zurückgelegte Dienstzeit, andererseits wird ihm das bereits gezahlte Urlaubsentgelt nur teilweise auf die Urlaubsabfindung angerechnet. Besonders kraß wirkt sich dies in jenen Fällen aus, in denen - wie hier oder in dem der Entscheidung 9 Ob A 1015/89 zugrundeliegenden Sachverhalt - wegen der Kürze der insgesamt zurückgelegten Dienstzeit ein Urlaubsanspruch noch nicht entstanden war, der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber dennoch Urlaub gewährt hat. Dies würde im Extremfall dazu führen, daß etwa ein Arbeitnehmer, der den Arbeitgeber unter Hinweis auf eine bereits gebuchte Urlaubsreise zu einer Urlaubsgewährung schon zu Beginn des Arbeitsverhältnisses veranlaßt, im Fall seiner berechtigten Entlassung - etwa wegen Verweigerung der Arbeit nach Rückkehr vom Urlaub - auch noch einen Anspruch auf aliquote Abfindung unter Zugrundelegung des auf den unverbrauchten Teil des Jahresurlaubs entfallenden restlichen Urlaubsentgeltes hätte. Geht man vom Wortlaut nur des § 10 Abs 1 Satz 2 UrlG aus ("in dem ein Urlaub nicht verbraucht wurde"), dann ist die Aliquotierung nur auf jene Fälle anzuwenden, in denen überhaupt kein Urlaub in natura verbraucht wurde. Im übrigen ist auf den Zweck der in den §§ 9 und 10 UrlG geregelten Geldabfindungen abzustellen, dem Arbeitnehmer wegen der Unmöglichkeit des Verbrauches des Urlaubs in natura nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Entschädigungs- bzw. Abfindungsanspruch in Geld zuzubilligen. Dem subsidiären Charakter dieser Geldleistungen entspricht es, bereits in natura gewährten Urlaub voll auf diese Leistungen anzurechnen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG; ein Kostenzuspruch nach Billigkeit kam nicht in Frage, weil berücksichtigungswürdige Gründe im Sinne der lit b der zitierten Gesetzesbestimmung nicht einmal behauptet wurden.