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VfGH vom 14.06.1997, B184/96

VfGH vom 14.06.1997, B184/96

Sammlungsnummer

14849

Leitsatz

Keine willkürliche oder denkunmögliche Gesetzesanwendung bei Vorschreibung von Erbschaftssteuer ohne Abzug der Mietzinsrücklage bzw der darauf entfallenden latenten Steuer als Passivpost vom Vermögenserwerb; keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides im Bewertungsgesetz und im Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz sowie gegen die Erhebung von Einkommensteuer neben der Erbschaftssteuer

Spruch

Die Beschwerdeführerinnen sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zwei Beschwerden (protokolliert zu B184/96 und B324/96) gegen zwei Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (betreffend die Festsetzung von Erbschaftssteuer für den Erwerb von Todes wegen nach dem Erb- und Schenkungssteuergesetz 1955 (künftig: ErbStG), anhängig, welchen (im wesentlichen) gleichgelagerte Sachverhalte zugrunde liegen:

1.1. Im Nachlaß der Erblasser befanden sich Grundstücke (Gebäude), für welche die Erblasser steuerfreie Beträge gemäß § 28 Abs 5 EStG 1988, BGBl. 400/1988 idF vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 201/1996, für künftig anfallende Instandsetzungsaufwendungen (im folgenden als Mietzinsrücklage bezeichnet) gebildet hatten. In den von den Beschwerdeführerinnen als Erbinnen erstatteten eidesstättigen Vermögensbekenntnissen wurden die Mietzinsrücklagen (in näher bezeichneter Höhe) von den Nachlaßaktiven in Abzug gebracht. Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Linz erließ auf Basis dieser Erklärungen vorläufige Steuerbescheide (vom und ) gemäß § 200 BAO. Anläßlich einer Erbschaftssteuerprüfung im Jahr 1995 wurde vom Prüfungsorgan die Ansicht vertreten, daß die unter den Nachlaßpassiven angeführten Mietzinsrücklagen nicht vom Erbschaftserwerb abgezogen werden dürften. In weiterer Folge wurden vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern Linz endgültige Abgaben- und Haftungsbescheide (vom und ) gemäß § 200 BAO erlassen, in welchen die im Zusammenhang mit den ererbten Gebäuden stehenden Mietzinsrücklagen nicht mehr als abzugsfähige Verbindlichkeiten (Lasten) vom Vermögenserwerb anerkannt wurden, wodurch sich Nachforderungen an Erbschaftssteuer in näher bezeichneter Höhe ergaben.

1.2. Den gegen diese Steuervorschreibungen erhobenen Berufungen - in welchen die nunmehrigen Beschwerdeführerinnen die Berücksichtigung der Mietzinsrücklage als abzugsfähige Passivpost bzw. den Abzug der im Falle der Auflösung der Mietzinsrücklage anfallenden Einkommensteuer als latente Steuerschuld vom Vermögenserwerb beantragten - wurde von der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich keine Folge gegeben. Die belangte Behörde vertritt den Rechtsstandpunkt, daß die Mietzinsrücklage eine reine Rechengröße darstelle, welche bestimme, inwieweit der jeweilige Vermieter Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten durchzuführen habe oder wann er eine Mietzinserhöhung begehren könne; sie sei aber kein an das Eigentum am Haus gebundenes Sondervermögen. Ihrer Rechtsnatur nach sei die Mietzinsrücklage mit einem Gewährleistungsanspruch oder mit einem Abfertigungsanspruch vergleichbar. Sie stelle sich als aufschiebend bedingte Last im Sinn des § 6 Abs 1 Bewertungsgesetz (künftig: BewG) dar, die jedoch nach der klaren Gesetzesanordnung nicht zu berücksichtigen sei. Dies entspreche auch dem für eine Stichtagsbewertung geltenden statischen Prinzip, weshalb hinsichtlich der Behandlung derartiger bedingter Lasten ein deutlicher Unterschied zur Ertragsbesteuerung bestehe, die sich auf dem Boden der dynamischen Bilanzauffassung befinde. In dem für die Entstehung der Erbschaftssteuer maßgeblichen Zeitpunkt habe hinsichtlich der Mietzinsrücklagen beim Erwerb der Gebäude (oder der Miteigentumsanteile) von Todes wegen keine den Erblasser treffende Last bestanden, weshalb ein Abzug nach § 20 ErbStG unzulässig sei.

In dem zu B324/96 angefochtenen Bescheid legt die belangte Behörde weiters dar, daß ein nach der Bestimmung des § 28 Abs 5 Z 5 EStG 1988 bei der Vermietung eines Grundstückes gebildeter steuerfreier Betrag im Falle des Erwerbes von Todes wegen zunächst vom Erwerber fortzuführen sei. Das weitere Schicksal der Mietzinsrücklagen richte sich dann nach der Art der Verwendung bzw. Verrechnung; eine freiwillige Auflösung sei nicht zulässig. Es sei daher davon auszugehen, daß in dem für die Entstehung der Erbschaftssteuer maßgeblichen Zeitpunkt keine den Nachlaß treffende Abgabe bestanden habe; noch nicht entstandene Steuerschulden seien jedoch bei der Berechnung des Nachlaßvermögens nicht als Nachlaßschulden zu berücksichtigen.

2. Gegen diese Entscheidungen richten sich die vorliegenden, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden, in welchen sich die Beschwerdeführerinnen in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums sowie auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt erachten. Die zu B184/96 erhobene Beschwerde behauptet ferner die Verletzung in Rechten wegen Anwendung von verfassungswidrigen Gesetzen (§§18, 19, 20 Abs 1 ErbStG und § 6 BewG). Die Beschwerden begehren die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

2.1. Die Beschwerdeführerin zu B184/96 erblickt eine Verletzung im Eigentumsrecht darin, daß die Kummulierung von Erbschaftssteuer und Einkommensteuer zu einer verfassungswidrigen, weil exzessiven Doppelbesteuerung führe. Die Mietzinsrücklage könne - entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nicht pauschal als fiktive Größe aufgefaßt werden. Mit der Bildung der Mietzinsrücklage sei eine entsprechende Ersparnis an Einkommensteuer für den Bildungszeitraum und damit eine Mehrung liquider Mittel verbunden, die sich im Vermögen der steuerpflichtigen Vermieter werterhöhend niederschlage. Erst im Zeitpunkt der zwingenden gesetzlichen Auflösung von Mietzinsrücklagen bzw. deren Gegenverrechnung mit Instandsetzungsarbeiten führe die damit ausgelöste Steuermehrbelastung zu einem korrespondierenden Abfluß liquider Mittel. Wenn aber zwischen einem Bildungszeitraum und dem entsprechenden Auflösungszeitraum ein Erbfall trete, werde nun die aus der Bildung der Mietzinsrücklage beim Erblasser ersparte Einkommensteuer - insoweit diese Ersparnis noch liquid vorhanden sei - beim Erben voll der Erbschaftssteuer unterworfen und erhöhe damit effektiv die Steuerbemessungsgrundlage und daher auch die tatsächliche Steuer. Die Mietzinsrücklagen seien in der Folge vom Erben zwingend aufzulösen bzw. zu verwenden, was zu einer Rückgängigmachung der Einkommensteuerersparnis beim Erblasser führe; die beim Erben gar nicht mehr vorhandenen bzw. diesem nicht im Vermögen verbliebenen Nachlaßwerte blieben aber mit der Erbschaftssteuer belastet. Es entstehe eine Doppelbesteuerung dieser aus der Mietzinsrücklagenbildung geschaffenen liquiden Mittel, welche zu einer exzessiven Besteuerung über die Summe der Höchststeuersätze führe. Die Beschwerdeführerin vermeint belegen zu können, daß diese Doppelbesteuerung eine Gesamtsteuerbelastung (mit ESt und mit ErbSt) von 77 % auf die aufgrund der Bildung der Mietzinsrücklage bzw. aufgrund der dadurch ersparten Einkommensteuer vermehrten liquiden Mittel in den Nachlaßaktiva ergebe, was einen unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht bewirke.

Die Beschwerde führt weiters aus, daß die Doppelbesteuerung überdies gleichheitswidrig sei, weil in vergleichbaren Fällen eine - eine Doppelbesteuerung vermeidende - Ausgleichsmöglichkeit im Einkommensteuergesetz normiert sei, und nennt hiefür Beispiele im EStG (§24 Abs 5, § 30 Abs 7, und § 31 Abs 4); eine solche Ausgleichsmöglichkeit sei aber im - hier maßgeblichen - § 28 EStG 1988 nicht vorgesehen. Die Behandlung der Mietzinsrücklage nach der Auslegung der belangten Behörde führe aber auch zu einer gleichheitswidrigen Besteuerung innerhalb des Erbschaftssteuergesetzes. Das Nichtbestehen einer Abzugsmöglichkeit der Mietzinsrücklage bzw. der latenten Steuern als Nachlaßpassivum, führe zu einer massiv überhöhten Erbschaftssteuer in bezug auf die geringe Bereicherung des Erben. Diese gleichheitswidrige Behandlung entstehe bereits mit dem angefochtenen Bescheid, mit dem die Erbschaftssteuer vorgeschrieben werde, weil nicht auf die tatsächliche Bereicherung des Erben abgestellt werde. Endgültig bereichert sei der Erbe nur um die beim Erblasser durch die Bildung der Mietzinsrücklage angesparte Einkommensteuerminderung abzüglich der bereits auf diesen Nachlaßteil in Form der aufzulösenden bzw. zu verwendenden Mietzinsrücklagen lastenden Einkommensteuer. Eine Bekämpfung der Einkommensteuerbescheide wegen Nichtabzugsfähigkeit der Erbschaftssteuer sei wegen Rechtskraft dieser Bescheide nicht mehr möglich. § 20 Abs 5 ErbStG enthalte eine zur gleichheitswidrigen Behandlung gleichgelagerter Fälle führende Gesetzeslücke, indem diese Bestimmung keine Aussage über die Steuerbarkeit von Teilen des Erwerbes treffe, die in (ausschließlicher und zwingender) wirtschaftlicher Beziehung zu beim Reinnachlaß nicht abzugsfähigen Schulden und Lasten stehe.

2.2. In der zu B324/96 erhobenen Beschwerde wird ausgeführt, daß die Mietzinsrücklage als Schuld jedenfalls auf dem Vermögensanfall laste. Die Besteuerung der steuerfrei belassenen Beträge sei nur von der Zeit vor dem Erbanfall auf die Zeit nachher durch eine Rechtshandlung des Erblassers verschoben. Die Mietzinsrücklage wirke entweder im Falle der Gegenrechnung mit Instandhaltungskosten mindernd auf die Werbungskosten oder nach 9 Jahren durch die Auflösung der Mietzinsrücklage einkünftevermehrend; in beiden Fällen jedoch immer steuererhöhend nach dem Erbanfall.

Bei einem Vergleich (unter Zugrundelegung der höchsten Steuersätze) zwischen übertragenem Kapitalvermögen, dem eine gebildete Mietzinsrücklage gegenüberstehe und solchem Kapitalvermögen, bei dem dies nicht der Fall sei, sei nur dann eine Gleichmäßigkeit der Steuerbelastung gegeben, wenn die latenten Steuern vom Vermögenserwerb abgezogen würden. Ohne Abzug der latenten Steuern würde sogar mehr an Steuern zu leisten sein, als durch den Vermögensanfall (Bereicherung) gegeben sei. Durch den konfiskatorischen Charakter der kumulierten Vorschreibung von Erbschafts- und Einkommensteuer könne hier angenommen werden, daß der Wesensgehalt des Grundrechtes auf Unversehrtheit des Eigentums berührt und das Eigentumsrecht verletzt werde. Weiters wird wie folgt ausgeführt:

"Wenn das vererbte Vermögen in einem Vermögen einer Kapitalgesellschaft oder in einem gewerblichen Betriebsvermögen beinhaltet gewesen wäre, wäre für die Ermittlung des Wertes des 'Vermögensanfalles' gem. § 19 Abs 1 ErbStG der gemeine Wert gem. § 10 bzw. der Teilwert gem. § 12 BewG heranzuziehen.

Hinsichtlich der Ermittlung des gemeinen Wertes habe ich bereits in der Berufung auf die erlaßmäßige Anordung des BMF über die Berücksichtigung in analogen Fällen hingewiesen.

Der Abzug der latenten Steuern im Bereich des Teilwertbegriffes ergibt sich aus einer logischen Folgerung. Eine unversteuerte Rücklage (...) würde für den Übernehmer eine Verpflichtung darstellen, die eine Berücksichtigung im 'Kaufpreis' fände. Und der Kaufpreis stellt sich schließlich als die Summe aller Vermögenspositionen (positiv und negativ) dar, so daß zwangsläufig den latenten Steuern ein Betrag zuzuordnen ist.

Es ist kein Grund ersichtlich, daß das Vermögen einer natürlichen Person anders zu bewerten ist, wenn es sich im außerbetrieblichen Bereich befindet, als das Vermögen einer natürlichen Person, die das gleiche Vermögen in einem gewerblichen Betrieb oder als Anteil an einer Kapitalgesellschaft besitzt. Hier würde wesentlich Gleiches ungleich behandelt, was der Gleichheitsgrundsatz verbietet (sh. VfSlg. 5890/1969)."

3. Die Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als belangte Behörde hat jeweils eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

Den Vorwürfen der Beschwerdeführerinnen tritt die belangte Behörde (in beiden Gegenschriften im wesentlichen gleich) wie folgt entgegen (das Nachfolgende ist aus der im Verfahren zu B184/96 erstatteten Gegenschrift entnommen):

"... Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung schließen einander Erbschaftssteuer und Einkommensteuer nicht aus ( Zl. 86/13/0096). Wenn ein und derselbe Vorgang mehreren Abgaben unterliegt, sind hiefür die Abgaben nebeneinander zu entrichten. Eine Doppelbesteuerung ist an sich nicht verfassungswidrig (; Dorazil, Kommentar zum Erbschaftssteuergesetz, 3. Auflage, S 13). ...

Ihrem Wesen nach ist die Erbschaftssteuer eine Stichtagssteuer, was sich insbesondere aus den Bestimmungen über das Entstehen der Steuerschuld und damit zusammenhängend über die Bewertung ergibt. Die Steuerschuld entsteht gemäß § 12 Abs 1 Z. 1 ErbStG bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers. Für die Wertermittlung ist gemäß § 18 ErbStG der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend. Gegen diese Bestimmung (Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Entstehung der Erbschaftssteuerschuld) bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken ().

Die Bewertung richtet sich gemäß § 19 Abs 1 ErbStG, soweit nicht im Abs 2 etwas Besonderes vorgesehen ist, nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften).

Gemäß § 20 Abs 1 Satz 1 ErbStG gilt als Erwerb, soweit nichts anderes bestimmt ist, der gesamte Vermögensanfall an den Erwerber. Im Zusammenhang ergibt sich aus § 20 Abs 4 bis 6 und 8 ErbStG das die Erbschaftssteuer beherrschende Bereicherungsprinzip, wonach nur der dem Erben verbleibende Reinerwerb der Steuer unterliegt. Schulden und Lasten, die den Erwerb schmälern, sind grundsätzlich in Abzug zu bringen.

Zu den Nachlaßverbindlichkeiten zählen die Erblasserschulden, die Erbfallsschulden und die Erbgangsschulden. Unter Erblasserschulden sind die vererblichen Verbindlichkeiten des Erblassers zu verstehen, die bis zu seinem Tod entstanden sind, auch wenn sie erst später fällig werden. Die Erbfallsschulden sind Verbindlichkeiten erb- und familienrechtlicher Natur, die ihrem Wesen nach erst durch den Erbanfall ausgelöst werden. Zu den Erbgangsschulden zählen z.B. die Kosten eines Rechtsstreites.

Da die Mietzinsreserve gem. § 28 Abs 5 Z. 5 EStG bei Erwerben von Todes wegen (zwingend) vom Rechtsnachfolger (Erben) fortzuführen ist und dieser es daher auch in der Hand hat, ob er sie (fristgerecht) mit Aufwendungen verrechnet oder mangels entsprechender Aufwendungen einkünfteerhöhend auflöst, liegt auch keine Verbindlichkeit des Erblassers vor, die bis zu seinem Tod entstanden ist. Eine Erbfalls- oder Erbgangsschuld liegt offensichtlich auch nicht vor.

Das weitere Schicksal des vom Rechtsnachfolger weiterzuführenden steuerfreien Betrages richtet sich dann u.a. danach, ob die Rücklage widmungsgemäß verrechnet oder z.B. wegen Beendigung der Vermietung oder Ablaufes der Verwendungsfrist aufzulösen und zu versteuern ist, eine freiwillige Auflösung des Steuerfreibetrages ist nicht zulässig. Jedenfalls besteht beim Erwerb eines Gebäudes von Todes wegen im Zusammenhang mit einer Mietzinsrücklage zu dem für die Erbschaftssteuer maßgebenden Zeitpunkt keine den Nachlaß betreffende Einkommensteuerschuld. Da aber noch nicht entstandene Steuerschulden bei der Berechnung des Nachlaßvermögens nicht als Nachlaßschulden berücksichtigt werden können, liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor (vgl. Zlen. 95/16/0172,0173, Zl. 95/16/0138, Zl. 95/16/0168)."

Hinsichtlich der zu B184/96 erhobenen Beschwerde wird wie folgt ausgeführt:

"... Zum Einwand der Beschwerdeführerin, daß die Ersparnis an Einkommensteuer zum Ansparen entsprechender Mittel geführt habe, diese nun aber der Erbschaftssteuer unterzogen würden, ist darauf zu verweisen, daß dieser Schluß nicht zwingend ist: So kann jemand, der aus der Bildung einer Mietzinsreserve eine Einkommensteuerersparnis lukriert, die ersparten Mittel durchaus auch selbst verbrauchen (etwa durch Reisen). In diesem Fall kann jedenfalls nicht von einer Doppelbesteuerung gesprochen werden.

...

Die Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach im Einkommensteuergesetz mehrfach der Grundsatz verankert ist, daß eine doppelte Besteuerung identer Vermögenswerte mit Erbschafts- und Einkommensteuer dadurch vermieden werden soll, daß eine anfallende Erbschafts- und Schenkungssteuer auf die Einkommensteuer anzurechnen ist, ist für den vorliegenden Fall nicht präjudiziell. Diese Einwände hätte die Beschwerdeführerin allenfalls im Verfahren betreffend Festsetzung der Einkommensteuer an den Verfassungsgerichtshof herantragen können. Da sie diese Bescheide aber - wie sie selbst ausführt - unangefochten in Rechtskraft erwachsen ließ, besteht nun keine Möglichkeit, dieses Versäumnis nachzuholen.

Dazu kommt noch, daß, entgegen der vorgetragenen Ansicht, von einer Gleichartigkeit der Sachverhalte, die zu einer Anrechenbarkeit der Erbschaftssteuer auf die Einkommensteuer führen können, nicht gesprochen werden kann (§24 Abs 5 EStG im betrieblichen Bereich, § 30 Abs 7 EStG bei Spekulationsgeschäften, § 31 Abs 4 EStG bei den Veräußerungen von Beteiligungen), weil es sich in den im Einkommensteuergesetz 1988 angeführten Fällen der Anrechnung der Erbschaftssteuer auf die Einkommensteuer um Steuern handelt, die anläßlich des Überganges eines bestimmten Wirtschaftsgutes (Erwerb eines Wirtschaftsgutes von Todes wegen und anschließende Veräußerung dieses Wirtschaftsgutes) zu erheben sind, während im vorliegenden Fall die Erbschaftssteuer für den Erwerb des Mietwohnhauses zu entrichten ist, die Einkommensteuer jedoch in keinem Zusammenhang mit der Übertragung dieses Mietwohnhauses steht. Die Einkommensteuer ergibt sich im gegenständlichen Fall aus der gemäß § 28 Abs 5 EStG zwingend vorgesehenen einkünfteerhöhenden Auflösung der zunächst einkommensteuerfrei belassenen Mieterträge. Eine Differenzierung bei diesen verschiedenen Einkommens- bzw. Vermögensarten erscheint daher durchaus zulässig, ohne gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. ..."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat die - zulässigen - Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung gemäß § 35 Abs 1 VerfGG iVm § 187 ZPO wegen Identität der zu entscheidenden Rechtsfragen und der belangten

Behörde verbunden und hat über sie erwogen:

1. Die für die Beschwerdefälle maßgeblichen gesetzlichen

Bestimmungen im ErbStG lauten:

"Wertermittlung

§ 18. Für die Wertermittlung ist, soweit in diesem Gesetze nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend.

§19. (1) Die Bewertung richtet sich, soweit nicht im Abs 2 etwas Besonderes vorgeschrieben ist, nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften).

(2) Für inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen, für inländisches Grundvermögen und für inländische Betriebsgrundstücke ist der Einheitswert maßgeben, der nach den Vorschriften des Zweiten Teiles des Bewertungsgesetzes (Besondere Bewertungsvorschriften) auf den dem Entstehen der Steuerschuld unmittelbar vorausgegangenen Feststellungszeitpunkt festgestellt ist oder festgestellt wird.

(3) Haben sich in den Fällen des Abs 2 die Verhältnisse zwischen dem unmittelbar vorausgegangenen Feststellungszeitpunkt und dem Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld dergestalt geändert, daß nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung oder eine Artfortschreibung gegeben sind, so ist auf den Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld ein besonderer Einheitswert festzustellen.

§20. (1) Als Erwerb gilt, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gesamte Vermögensanfall an den Erwerber. Bei der Zweckzuwendung tritt an die Stelle des Anfalles die Verpflichtung des Beschwerten.

(2) Die infolge des Anfalles durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse gelten als nicht erloschen.

(3) Die Anwartschaft eines Nacherben gehört nicht zu seinem Nachlaß.

(4) Von dem Erwerbe sind insbesondere abzuziehen

1. die Kosten der Bestattung des Erblassers einschießlich der Kosten der landesüblichen kirchlichen und bürgerlichen Leichenfeierlichkeiten und der Kosten eines angemessenen Grabdenkmales;

2. die im Falle der Todeserklärung des Erblassers dem Nachlaß zur Last fallenden Kosten des Verfahrens;

3. die Kosten der Eröffnung einer letztwilligen Verfügung des Erblassers, die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Regelung des Nachlasses, die Kosten der gerichtlichen Sicherung des Nachlasses, einer Nachlaßpflegschaft, des Aufgebotes der Nachlaßgläubiger und der Inventarerrichtung;

4. die Kosten eines für den Nachlaß oder wegen des Erwerbes geführten Rechtsstreites.

(5) Schulden und Lasten, die in wirtschaftlicher Beziehung zu nicht steuerbaren Teilen des Erwerbes stehen, sind nicht abzuziehen. Beschränkt sich die Besteuerung auf einzelne Vermögensgegenstände (§6 Abs 1 Z 2 und Abs 4), so sind nur die in einer wirtschaftlichen Beziehung zu diesem Teile des Erwerbes stehenden Schulden und Lasten abzugsfähig.

(6) Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten können nur insoweit abgezogen werden, als der Anspruch auf den Pflichtteil geltend gemacht wird.

(7) Die Steuer nach diesem Bundesgesetz wird nicht abgezogen.

(8) Ist eine Zuwendung unter einer Auflage gemacht, die in Geld veranschlagt werden kann, so ist die Zuwendung nur insoweit steuerpflichtig, als sie den Wert der Leistung des Beschwerten übersteigt, es sei denn, daß die Leistung dem Zwecke der Zuwendung dient."

§ 6 BewG bestimmt:

"§6. Aufschiebend bedingte Lasten

(1) Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, werden nicht berücksichtigt.

(2) Für den Fall des Eintrittes der Bedingung gilt § 5 Abs 2 entsprechend."

2. Bei der Vermietung eines - dem Geltungsbereich des § 20 MRG unterlegenen - Grundstückes (Gebäudes) bestand bis zum Inkraftreten des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. 201/1996, die Möglichkeit, aus den Überschüssen an verrechnungspflichtigen (und steuerpflichtigen) Mietzinseinnahmen steuerfreie Beträge (Mietzinsrücklagen) zu bilden (§28 Abs 5 EStG 1988, BGBl. 400/1988 idF vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. 201/1996). Die Mietzinsrücklagen sollten der Verrechnung mit künftig anfallenden Reparatur- und Instandsetzungsaufwendungen bzw. mit Verlusten (höhere Werbungskosten als Einnahmen) dienen (§28 Abs 5 Z 3 EStG 1988); sie waren im neunten Jahr nach ihrer Bildung einkünfteerhöhend aufzulösen, wenn sie bis dahin nicht widmungsgemäß verrechnet worden waren (§28 Abs 5 Z 4 EStG 1988). Wurde eine Mietzinsrücklage - wie in den gegebenen Fällen - von Todes wegen übertragen, so war diese gemäß § 28 Abs 5 Z 5 EStG 1988 nicht aufzulösen, sondern zwingend beim Erben fortzuführen (vgl. dazu auch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, zB /0079). Eine Auflösung einer gebildeten Mietzinsrücklage war nur ausnahmsweise möglich (zB im Fall der Beendigung der Vermietung); eine freiwillige Auflösung war hingegen nicht zulässig.

3. Mit den angefochtenen Bescheiden wird eine Abgabe vorgeschrieben; sie greifen somit in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10337/1985, 10362/1985, 11470/1987) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewandt hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 10370/1985, 11470/1987).

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewandten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Der Gerichtshof hat zu prüfen, ob die - hier präjudiziellen - Bestimmungen im ErbStG und die Regelungen im BewG zu einem unsachlichen Ergebnis hinsichtlich der Besteuerung von Vermögenserwerben von Todes wegen führen, wenn diese Normen einen Abzug von - in diesen Vermögenserwerben inkludierten - steuerfreien Beträgen gemäß § 28 Abs 5 EStG 1988 bzw. die im Fall der Auflösung der steuerfreien Beträge anfallende Einkommensteuer als latente Last vom Nachlaß nicht ermöglichen. Der Verfassungsgerichtshof hegt aber ob der die Bescheide tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Gegenstand der Erbschaftssteuer ist die aus Anlaß eines Vermögensüberganges eintretende unentgeltliche Bereicherung ( Slg. 2313 F). Bei Erwerben von Todes wegen entsteht die Steuerschuld - in der Regel - mit dem Tod des Erblassers (§12 Abs 1 ErbStG). Dieser Zeitpunkt ist auch für die Ermittlung des Wertes des der Erbschaftssteuer zu unterziehenden Vermögenserwerbes maßgebend (§18 ErbStG). Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in VfSlg. 8405/1978 dargelegt, daß gegen die Bestimmungen des § 12 Abs 1 und des § 18 ErbStG und der sich daraus ergebenden Stichtagsbezogenheit der Erbschaftssteuer keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Die Bewertung des Nachlasses und somit die Feststellung der Höhe der der Abgabe zu unterziehenden Bereicherung erfolgt - soweit im Abs 2 nichts Besonderes bestimmt ist - nach den Vorschriften des ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (§19 Abs 1 ErbStG). Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Regelungen über die Ermittlung des Wertes des Nachlasses (§19 Abs 1 und Abs 2 ErbStG) bestehen nicht (s. VfSlg. 6840/1972). Auch der im Verfahren zu B324/96 erhobene Vorwurf, daß es unsachlich sei, hinsichtlich der Bewertung des Vermögensanfalles zwischen den einzelnen Vermögensarten zu differenzieren, vermag keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu begründen, weil eine Differenzierung schon aufgrund der Unterschiede, die hinsichtlich der einzelnen Vermögensarten bestehen, dh. aufgrund von Unterschieden im Tatsächlichen, gerechtfertigt erscheint. Bei der Wertermittlung bleiben aufschiebend bedingte Lasten außer Betracht. Aus der - verfassungsrechtlich unbedenklichen (s. VfSlg. 11664/1988) - Regelung des § 6 BewG folgt, daß aufschiebend bedingte Lasten nicht vom Nachlaß abzugsfähig sind. Bei der in Rede stehenden Einkommensteuerschuld, die bei Auflösung der Mietzinsrücklage entsteht, handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Last, weil sie nur dann anfällt, wenn die Mietzinsrücklage nicht widmungsgemäß mit Instandsetzungsaufwendungen gegenverrechnet wird (vgl. auch Zlen. 95/16/0172, 95/16/0173). Dem Gesetzgeber kann aber nicht entgegengetreten werden, wenn er hinsichtlich nicht sicher eintretender Steuerschulden eine Abzugsmöglichkeit vom Nachlaß nicht vorsieht (vgl. dazu VfSlg. 11664/1988).

Aber auch die Bestimmung des § 20 ErbStG, mit welcher der Umfang der steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage festgestellt wird (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III,

4. Teil, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Kommentar, Rz 1 zu § 20 ErbStG), erscheint dem Gerichtshof nicht unsachlich. Aus dieser Bestimmung (Abs1 iVm Abs 4 bis 6 und Abs 8) folgt, daß nur die tatsächliche beim Erben anfallende Bereicherung der Erbschaftssteuer unterliegen soll; Passiva sind vom Vermögenserwerb abzuziehen (vgl. Fellner, Kommentar, Rz 2 zu § 20 ErbStG). § 20 ErbStG enthält eine demonstrative Aufzählung jener Schulden und Lasten, die vom Vermögenswert abzuziehen sind. Nach der herrschenden Lehre gebietet § 20 ErbStG den Abzug von Erbgangsschulden (§20 Abs 4 ErbStG), der Erblasserschulden (§20 Abs 5 ErbStG) sowie der Erbfallsschulden (§20 Abs 6 ErbStG) vom Nachlaß (vgl. Dorazil, Kommentar zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz, 3. Auflage, Rz 10.1 bis 10.3 zu § 20 ErbStG). Eine Last (Schuld) gilt nur dann als abzugsfähig, wenn diese bereits zu Lebzeiten des Erblassers bestanden hat (vgl. Zlen. 95/16/0172, 95/16/0173). Das trifft aber auf die in Rede stehende aufschiebend bedingte Steuerbelastung nicht zu (vgl. Zlen. 95/16/0172, 95/16/0173), weil sie erst dann anfällt, wenn der Erbe die erworbene Mietzinsrücklage einkünfteerhöhend auflöst. Hinsichtlich einer Regelung, welche Schulden und Lasten nur dann als vom Nachlaß abzugsfähig bewertet, wenn diese Lasten (Schulden) bereits im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld bestanden haben, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Das gilt umso mehr, als der Erbe die Mietzinsrücklage - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen - keineswegs zwingend einkünfteerhöhend aufzulösen hat. Bei einem Erwerb eines mit einer Mietzinsrücklage belasteten Gebäudes bestehen vielmehr - vom Erwerber zu beeinflussende - Möglichkeiten, die Einkommensteuer nicht anfallen zu lassen; so zB kann die Mietzinsrücklage widmungsgemäß mit Instandsetzungsaufwendungen verrechnet werden (vgl. dazu Quantschnigg-Schuch, Einkommensteuer-Handbuch EStG 1988, Rz 71 zu § 28). Es begegenet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn hinsichtlich einer Einkommensteuerbelastung, die erst nach dem für das Entstehen und die Wertermittlung der Erbschaftssteuer relevanten Stichtag anfällt und deren Entstehen der Erbe überdies maßgeblich beeinflussen kann, keine Abzugsmöglichkeit als latente Steuer vorgesehen ist (vgl. dazu auch VfSlg. 11664/1988). Dies entspricht auch dem Wesen der Erbschaftssteuer, welche auf dem Stichtagsprinzip basiert. Nach Ansicht des Gerichtshofes ist es auch nicht unsachlich, daß § 20 Abs 5 ErbStG den Abzug von Schulden und Lasten, die in wirtschaftlicher Beziehung zu nicht steuerbaren Teilen des Erwerbes stehen, ausschließt. Dem Gesetzgeber steht es frei, eine Abzugsmöglichkeit nur für jene Schulden und Lasten zu normieren, die sich wirtschaftlich und rechtlich auf das überhaupt der Besteuerung unterworfene Vermögen beziehen. Der Gerichtshof kann der Beschwerdeführerin zu B184/96 nicht beipflichten, daß diese Bestimmung eine "verfassungswidrige Gesetzeslücke" enthält. Auf das in derselben Beschwerde vorgetragene Bedenken gegen § 28 EStG 1988 war hingegen schon wegen mangelnder Präjudizialität nicht einzugehen.

4. Vor dem Hintergrund der Judikatur des Gerichtshofes zu den gerügten Grundrechtsverletzungen hält der Verfassungsgerichtshof den Nichtabzug der Mietzinsrücklage bzw. der darauf entfallenden Einkommensteuer als abzugsfähige latente Einkommensteuerschuld vom Vermögenserwerb auch dann nicht für verfassungsrechtlich bedenklich, wenn beim Erben in der Folge durch die Auflösung der Mietzinsrücklage eine Einkommensteuerbelastung anfällt bzw. die widmungsgemäße Gegenverrechnung mit Instandsetzungsaufwendungen und Verlusten einkommensteuererhöhende Auswirkungen hat. Diese (sich möglicherweise ergebenden) zusätzlichen Steuerbelastungen sind in Zusammenhang mit der seinerzeitigen Einkommensteuerersparnis und dem erlangten Steuervorteil - mit der Bildung des steuerfreien Betrages wird eine Stundungswirkung erzielt - beim Erblasser zu sehen. Es darf nicht übersehen werden, daß der Erblasser durch die Bildung der Mietzinsrücklage einen Einkommensteuervorteil lukriert hat. Der Erblasser hätte die Mietzinsrücklagen aber ebenfalls gesetzmäßig verwenden bzw. nach neun Jahren einkommenserhöhend auflösen, dh. rückerstatten müssen. In den Beschwerdefällen findet also eine Nachbesteuerung eines für ein bestimmtes Gebäude zunächst steuerfrei gebliebenen Ertrages statt, die - da das Gebäude weitervererbt wurde - beim Rechtsnachfolger vorzunehmen ist. Zu beachten ist auch der Umstand, daß es der Erbe durchaus beeinflussen kann, ob und in welcher Höhe die Einkommensteuerschuld anfällt (siehe oben unter Pkt. 3), weshalb von einer verfassungswidrigen Doppelbelastung keinesfalls die Rede sein kann.

Der Verfassungsgerichtshof hat aber auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Einkommensteuer neben der Erbschaftssteuer erhoben wird. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (vgl. Dorazil, Kommentar, Rz 12.1 Einf.; Slg. 3002 F) ist der Erbschaftssteuer nicht Ausschließlichkeit eigen, sodaß ein unter diese Abgabe fallender Vermögenserwerb gleichzeitig auch Gegenstand der Besteuerung nach dem Einkommensteuergesetz sein kann. Die Beschwerden übersehen, daß den genannten Abgaben völlig unabhängige Vorgänge zugrunde liegen bzw. diese Abgaben unabhängig voneinander zu erheben sind:

Während Gegenstand der Einkommensteuer erzielte Reinerträge sind, reflektiert die Erbschaftssteuer auf die Vermögensbereicherung (vgl. Dorazil, Kommentar, Rz 12.2.1 Einf.). Es kann daher nicht als unsachlich bezeichnet oder als verfassungswidriger Eingriff in das Eigentumsrecht gewertet werden, wenn bei Auflösung der in Rede stehenden Mietzinsrücklagen Vermögensbestandteile ein zweites Mal besteuert werden, wenn sich die Besteuerung jeweils auf verschiedene Vorgänge gründet (vgl. dazu auch VfSlg. 10827/1986).

Der belangten Behörde kann keinesfalls vorgeworfen werden, sie habe das Gesetz willkürlich oder denkunmöglich angewandt, indem sie die Mietzinsrücklage bzw. die darauf entfallende latente Steuer nicht als Passivpost vom Vermögenserwerb in Abzug gebracht hat.

Die behauptete Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat somit nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerinnen in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewandten Rechtsgrundlagen (vgl. oben unter Pkt. 3) ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

5. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.