OGH vom 30.08.2007, 8ObS8/07w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pernt und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Gerhard E*****, vertreten durch Krall & Kühnl, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei IAF Service GmbH, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, Singerstraße 17-19, wegen EUR 55.805,14 sA Insolvenz-Ausfallgeld, infolge Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse EUR 38.088,--) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse EUR 11.248,14) sowie Rekurses der klagenden Partei gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 89/06h-15, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 47 Cgs 95/06h-8, teilweise abgeändert und teilweise die Klage zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
I. den Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Die klagende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
II. zu Recht erkannt:
Spruch
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 732,67 (darin enthalten EUR 122,11 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger schloss im März 2004 einen auf drei Jahre nicht aufkündbaren Dienstvertrag mit der späteren Gemeinschuldnerin, in dem ein Anfangsbezug von EUR 4.750,-- brutto 14 x jährlich vereinbart war. Bereits am wurde er ohne Nennung von Gründen durch die spätere Gemeinschuldnerin entlassen und brachte daraufhin am eine Klage ein, in der er geltend machte, dass die Entlassung ungerechtfertigt sei und die Beklagte einen Kündigungsverzicht abgegeben habe. Er stellte das Begehren auf Rechtsunwirksamkeit der Entlassung in eventu, zu einem bestimmten Termin und modifizierte dies aber schließlich auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Beschäftigungsverhältnisses.
Am wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Arbeitgebergesellschaft eröffnet und schließlich mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes vom festgestellt, dass das Beschäftigungsverhältnis weiter aufrecht ist und die Beklagte - damals schon der eingetretene Masseverwalter - zur Kostentragung letztlich auch durch eine Rekursentscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck verpflichtet.
Schon am hatte der Kläger auch eine Mahnklage gegen die nunmehrige Gemeinschuldnerin auf Zahlung von Provisionen und Reisespesenersatz eingebracht, die letztlich mit rechtskräftigem Versäumungsurteil vom entschieden wurde. Diese Forderung betrieb der Kläger auch in einem Exekutionsverfahren. Am brachte der Kläger eine weitere Klage über EUR 28.919,99 betreffend die Gehälter von Mai 2004 bis September 2004 und Telefonspesen ein, der ebenfalls wieder mit Versäumungsurteil vom stattgegeben wurde, woraufhin der Kläger dann ein Exekutionsverfahren führte.
Nach der Konkurseröffnung am meldete der Kläger am im Konkursverfahren EUR 98.009,07 an, resultierend aus den titulierten Forderungen und einem Betrag von EUR 6.037,03 an restlichen Gehalt für April 2005 und nicht titulierten Kosten. Schon am wurde der Beschluss auf Schließung des Unternehmens veröffentlicht, woraufhin die für den anberaumte Prüfungstagsatzung nicht stattfand.
Der Masseverwalter anerkannte die Forderungen des Klägers mit einem Betrag von EUR 83.964,69 und bestritt einen darüber hinausgehenden Betrag von EUR 14.044,--. Am zeigte der Masseverwalter die Masseunzulänglichkeit an. Am wurde schließlich der Konkurs mangels Vermögens gemäß § 166 KO aufgehoben. Schon mit Antrag vom begehrte der Kläger Insolvenz-Ausfallgeld im Wesentlichen für das laufende Gehalt von Mai 2004 bis Mai 2005 zuzüglich Telefonspesen, Provisionen, Reisespesen, Zinsen und Kosten.
Das Begehren ergänzte der Kläger durch weitere Ansprüche in Höhe von EUR 60.087,50 sowie Kosten von Exekutionsverfahren. Mit einem ersten Bescheid der Beklagten vom wurde ihm laufendes Entgelt für die Zeit vom Mai 2004 bis zur Konkurseröffnung am in Höhe von EUR 40.741,-- zuerkannt und hinsichtlich der darüber hinausgehenden Ansprüche eine gesonderte Entscheidung vorbehalten. In dem darauf folgenden Bescheid vom wurde dem Kläger weiteres Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von EUR 18.875,-- zugesprochen und zwar an laufenden Entgelt für die Zeit von bis , aber auch noch für April 2004 sowie Spesen und Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration jeweils für die Zeit vom bis . Schließlich gewährte die Beklagte noch mit Teilbescheid vom Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von EUR 10.521,-- resultierend aus Masseforderungen in Höhe von EUR 1.803,-- und Konkursforderungen in Höhe von EUR 8.568,--. Dies schlüsselte sie auf auf Kosten von Exekutionsverfahren, die Weihnachtsremuneration für das erste halbe Halbjahr 2005, Zinsen und weitere Kosten.
Mit dem am gleichen Tag erlassenen gegenständlichen Bescheid wurden weitere Ansprüche abgelehnt. Die nicht zuerkannten Prozess-, Exekutions- und Konkurskosten gehörten nicht zu den durch das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz gesicherten Ansprüchen, da es sich um Kosten für eine „Entlassungsanfechtung" handle. Die Ablehnung hinsichtlich des laufenden Entgeltes ab Juli 2005 wurde nicht weiter begründet.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung von weiteren Insolvenz-Ausfallgeld in Höhe von EUR 55.805,14 sA und stützt dies im Wesentlichen auf das laufende Entgelt für Juli 2005 bis März 2006 im Ausmaß von EUR 38.080, der Weihnachtsremuneration 2005 vom EUR 4.232,--, den restlichen Urlaubszuschuss für das Jahr 2005 in Höhe von EUR 2.237,--, und die Kosten des Verfahrens betreffend die Bekämpfung der Entlassung in Höhe von EUR 11.248,14 sowie Zinsen. Er macht im Wesentlichen geltend, dass er bis zum rechtlichen Ende des Angestelltenverhältnisses Anspruch auf seine Gehaltsforderungen habe. Der aufrechte Bestand des Arbeitsverhältnisses sei erst mit Urteil vom festgestellt worden. Der Masseverwalter habe seine Forderungsanmeldung bestritten. Der Masseverwalter habe sogar auf Wunsch und in Absprache mit der Beklagten diesen Prozess geführt. Für die Kosten dieses Prozesses gebühre Insolvenz-Ausfallgeld. Dieser Prozess sei für die Durchsetzung seiner Gehaltsforderungen wesentlich gewesen.
Auch bei Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen und sofortiger Lösung durch den Masseverwalter hätte nach dem Urteil das Dienstverhältnis frühestens im Oktober 2005 geendet. Die Beklagte wendete in der Sache im Wesentlichen ein, dass die Anmeldungen teilweise nicht den Formerfordernissen entsprochen hätten. Weiters sei davon auszugehen, dass nach Schließung des Unternehmens kein mehr über § 3a Abs 2 Z 3 IESG hinausgehender Zeitraum gesichert sei. Die geltend gemachten Kosten seien nicht gesichert, da der Hauptanspruch - das Feststellungsbegehren - keinen nach § 1 Abs 2 IESG gesicherten Bereich betroffen habe. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Ausmaß von EUR 4.564,-- statt, wies es aber im Übrigen ab. Es erachtete die Ansprüche für das laufende Entgelt nach Konkurseröffnung mit der Dreimonatsfrist des § 3a Abs 2 Z 3 iVm § 3a Abs 5 IESG mit dem dritten Monat begrenzt. Kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld bestehe auch für die Kostenersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Feststellungsverfahren, da dieses als solches auch nicht unmittelbar zu den nach dem IESG gesicherten Ansprüchen zähle.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte es insoweit darüber hinaus im klagsstattgebenden Sinne ab, als es auch die Kosten des Feststellungsverfahrens als durch das IESG gesichert ansah. Habe es sich doch im Ergebnis um ein Verfahren auf Feststellung des Fortbestandes des Dienstverhältnisses gehandelt. Das Interesse an dieser Feststellung liege schon in der Verpflichtung zur Zahlung des weiteren laufenden Entgeltes, darin liege auch ein vermögenswerter Anspruch. Da die Aufzählung nach § 1 Abs 2 Z 4 lit a bis f IESG nur demonstrativ sei, seien auch die Kosten dieses Feststellungsverfahrens im Ausmaß von EUR 11.248,14 zu ersetzen. Zutreffend sei aber die Abweisung des Begehrens auf Insolvenzentgeltsicherung für das weitere laufende Entgelt. Die wesentliche Zielrichtung der IESG-Novellen 107/1997 sei darin gelegen, die Zwangskreditfunktion des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds einzuschränken. Dazu sei auch die Dreimonatsfrist des § 3a Abs 5 IESG bzw die Einschränkung auf eine Ausfallhaftung vorgesehen. Dementsprechend sei von der Auflösung mit der ersten nicht vollständigen Zahlung nach Vorliegen des Urteiles hinsichtlich der Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Hinzu komme dass das Konkursgericht ja bereits die Schließung des Betriebes angeordnet habe. Die Beschränkung der Ansprüche des Klägers auf laufendes Entgelt mit sei daher zutreffend.
Nicht geltend gemacht habe der Kläger allerdings den Anspruch auf Urlaubsbeihilfe für das Jahr 2005 und bestimmte Zinsen. Mangels Entscheidung über diesen Anspruch im Verwaltungsverfahren fehle aber eine Klagsvoraussetzung nach § 67 Abs 1 ASGG und sei insoweit das erstgerichtliche Verfahren samt Urteil aufzuheben und die Klage zurückzuweisen.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da hinsichtlich des Zuspruches der Kosten für die Feststellungsklage nur eine Entscheidung aus dem Jahre 1989 vorliege, in der jüngeren Rechtsprechung aber eine Tendenz ersichtlich sei, nur akzessorische Kostenersatzansprüche zur Sicherung gesicherter Hauptansprüche als vom Schutz des IESG erfasste Kosten anzusehen. Ebenso fehle eine höchstgerichtliche Judikatur hinsichtlich des Anspruchszeitraumes. Der gegen den Zurückweisungsbeschluss erhobene Rekurs ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO iVm § 2 ASGG jedenfalls zulässig, die Revisionen der Parteien aus dem vom Berufungsgericht genannten Gründen. Sämtliche Rechtsmittel sind aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zum Rekurs des Klägers:
Nach § 67 ASGG kann unter anderem in einer Streitigkeit über die Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld (§ 65 Abs 1 Z 7 ASGG) eine Klage nur erhoben werden, wenn darüber bereits mit Bescheid entschieden wurde oder der Bescheid nicht innerhalb von sechs Wochen erlassen wurde. Voraussetzung ist also, dass der jeweilige Anspruch bereits Gegenstand des Verwaltungsverfahrens war. Eine Änderung der Klage hinsichtlich des Ausmaßes der Leistung ist also nicht zulässig (vgl RIS-Justiz RS0103949 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zuletzt etwa 8 ObS 4/06f).
Soweit der Kläger in seinem Rekurs nunmehr geltend macht, dass der Kläger doch durch eine Reihe von Anträgen die Zuerkennung von weiteren Insolvenz-Ausfallgeld für weitere Ansprüche begehrt hat, ändert dies nichts daran, dass konkret hinsichtlich der gegenständlichen Ansprüche eine solche Geltendmachung nicht erfolgt ist. Eine konkrete Unrichtigkeit der Entscheidung vermag der Kläger also insoweit nicht aufzuzeigen (vgl zu den Zinsen im übrigen Liebeg Insolvenzentgeltsicherungsgesetz3 § 3 Rz 29; RIS-Justiz RS0077425 mwN; RIS-Justiz RS0111495).
Dem Rekurs des Klägers war daher nicht Folge zu geben.
Zur Revision des Klägers:
Der Kläger begehrt den Zuspruch an laufenden Entgelt über den hinaus.
Die konkrete Konkurseröffnung erfolgte hier am und bereits am wurde der Beschluss auf Schließung des Unternehmens gefasst.
Unbestritten blieb auch, dass eine ursprünglich noch für den anberaumte Berichtstagsatzung dann nicht mehr stattfand. Nach § 3a Abs 2 Z 3 IESG gebührt für das laufende Entgelt nach Konkurseröffnung Insolvenz-Ausfallgeld dann, wenn keine Berichtstagsatzung stattfindet, dieses bis zum Ende des Zeitraumes nach § 3a Abs 5 IESG.§ 3a Abs 5 IESG legt für die „übrigen Fälle" fest, das Insolvenz-Ausfallgeld bis zum Ende des dritten Monates, der auf den Stichtag im Sinne des § 3 Abs 1 IESG folgt, gebührt. Im § 3 Abs 1 IESG wird als Stichtag ua. die Eröffnung des Konkurses festgelegt.
Die Aufgabe der Berichtstagsatzung nach § 91a KO liegt darin, die weitere Vorgangsweise im Sinne einer Fortführung oder Schließung des Unternehmens bzw eines Zwangsausgleichs zu erörtern (vgl dazu etwa Hirtzenberger/Riel in Konecny/Schubert KO § 91a Rz 1). Sie sollen grundsätzlich vor einer derartigen Entscheidung anberaumt werden. Sie hat aber dann zu entfallen, wenn die Schließung bereits angeordnet oder bewilligt wurde (vgl Hirtzenberger/Riel aaO Rz 3). Die Bestimmung des § 3a Abs 2 Z 3 IESG stellt genau auf den Fall ab, in dem keine Berichtstagsatzung stattfindet. Dementsprechend sind die Vorinstanzen auch zutreffend davon ausgegangen, dass dann der drei Monatszeitraum des § 3a Abs 5 IESG zur Anwendung gelangt. Auch der Revision des Klägers war dementsprechend nicht Folge zu geben.
Zur Revision der Beklagten:
Diese wendet sich gegen den Zuspruch von Insolvenz-Ausfallgeld für die Kosten des Feststellungsverfahrens betreffend den aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses. Sie verweist dabei im Wesentlichen, dass in einigen jüngeren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes etwa zu 8 ObS 24/93 und 8 ObS 12/05f Insolvenz-Ausfallgeld nicht für die Verfolgung von Ansprüchen nicht vermögensrechtlicher Natur gewährt wurde. Auch der Kostenersatzanspruch für eine Entlassungsanfechtung wurde verneint, weil in diesem Verfahren gemäß § 58 Abs 1 ASGG ein solcher ausgeschlossen ist (vgl 8 ObS 273/99a = SSV-NF 14/13).
Von letzterem Fall unterscheidet sich der vorliegende aber eben schon dadurch, dass eine dahingehende Regelung hinsichtlich des Ausschlusses des Kostenersatzes nicht besteht und der OGH ausdrücklich nur auf diese Bestimmung Bezug nahm. Auch von dem Fall hinsichtlich der mangelnden Übernahme des Kostenersatzanspruches bei der Geltendmachung eines Anspruches auf Ausstellung von Dienstzeugnissen (vgl 8 Ob S 24/93, 8 ObS 12/05f) unterscheidet sich das vorliegende Verfahren, weil es hier im Ergebnis ja zumindest auch - und wesentlich - um die Schaffung von Grundlagen für die Verfolgung vermögensrechtlicher und damit durch das IESG gesicherter Ansprüche - insbesondere der Ansprüche auf das laufende Entgelt - geht. Gerade wenn man davon ausgeht, dass eben das rechtliche Interesse an der Feststellungsklage vor allem deshalb bejaht wird, weil immer wieder Ansprüche auf laufendes Entgelt entstehen können und mit der Feststellung eine einheitliche - streitvermeidende - Abklärung der Frage des aufrechten Bestandes erfolgt, sind auch die Kosten zur Durchsetzung dieser Feststellung als vom IESG gesicherte Kosten im Sinne des § 1 Abs 2 Z 4 IESG anzusehen.
Auch der Revision der Beklagten war dementsprechend ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 ASGG.