OGH vom 11.01.1995, 9ObA802/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Wolf und Erich Huhndorf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Österreichischer Gewerkschaftsbund Gewerkschaft der Privatangestellten, *****, vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wider den Antragsgegner Verband Österreichischer Banken und Bankiers, *****, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Antrag, es werde festgestellt, daß den kollektivvertragsunterworfenen Angestellten des Kollektivvertrages für die Angestellten der Banken und Bankiers und für Teilzeitbeschäftigte der Banken und Bankiers die Kinderzulage gemäß § 8 III Abs 2 des erstgenannten und gemäß § 10 III Abs 2 des zweitgenannten Kollektivvertrages auch dann gebührt, wenn sie
1.) infolge einer vor dem erfolgten Scheidung ihrer Ehe oder eines diesem Umstand laut Punkt 2. gleichzusetzenden Sachverhaltes, den Anspruch auf Familienbeihilfe verloren haben und die übrigen kollektivvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen zutreffen;
2.) auch ohne dem Erfordernis der Ehescheidung für ein uneheliches Kind
in eventu:
nach dessen Ausscheiden aus dem gemeinsamen Haushalt
in eventu:
infolge Auflösung der Lebensgemeinschaft zwischen den Eltern
Unterhalt leisten und die übrigen kollektivvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen zutreffen, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die Parteien schlossen am einen Kollektivvertrag für die Angestellten der Banken und Bankiers und am einen weiteren für die Teilzeitbeschäftigten der Banken und Bankiers ab.
§ 8 III des erstgenannten Kollektivvertrages (entspricht im Wortlaut
§ 10 III des zweitgenannten Kollektivvertrages, sodaß im folgenden
bei Zitierung des § 8 III KV der Wortlaut der entsprechenden Bestimmungen beider Kollektivverträge behandelt wird) weist die Überschrift "Sozialzulage" auf.
§ 8 III Abs 1 enthält folgende Regelung:
1.) Familienzulagen erhalten über Antrag folgende Dienstnehmer:
a.) Verheiratete, sofern und solange der Ehepartner keine Familienzulage, Haushaltszulage oder gleichartige Leistung oder Zulage bezieht.
b.) I. Verheiratete unter der Voraussetzung der lit a sowie Ledige, Geschiedene oder Verwitwete, alle insofern und insolange dem Dienstnehmer aufgrund der Eintragung in der Lohnsteuerkarte der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerhalterabsetzbetrag gebührt und Anspruch auf mindestens eine Kinderzulage gemäß § 8 III Abs 2 besteht.....
c.) Ledige, Geschiedene und Verwitwete, solange sie Anspruch auf mindestens eine Kinderzulage gemäß § 8 III Abs 2 haben oder sie mindestens einen unterhaltsberechtigten Angehörigen überwiegend erhalten. ....
2.) Kinderzulagen erhalten Dienstnehmer für jedes Kind, für das sie Anspruch auf gesetzliche Familienbeihilfe haben und diese nachweislich beziehen.......
Beide Kollektivverträge wurden in dieser Bestimmung durch Anfügung eines am in Kraft getretenen dritten Absatzes ergänzt.
Dieser lautet:
3.) Dienstnehmer, die infolge Scheidung ihrer Ehe den Anspruch auf Familienbeihilfe verlieren, erhalten über Antrag die vor der Scheidung bezogene (n) Kinderzulage (n) weiterhin, solange sie eine Unterhaltsleistung in der Höhe zumindest der doppelten im Kollektivvertrag vorgesehenen Kinderzulage für das erste Kind nachweislich erbringen und der andere Elternteil keine gleichartige Zulage oder Leistung bezieht. .....
Im übrigen ist § 8 III Abs 2 sinngemäß anzuwenden."
Der Antragsteller begehrt die aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungen und brachte zur Begründung vor:
Der Kollektivvertrag sei wie ein Gesetz auszulegen und verfassungskonform zu interpretieren. Die in Frage stehende Sozialzulage (Kinderzulage) sei kein unmittelbares Synallagma für die Arbeitsleistung, sondern nehme auf den Familienstand des Dienstnehmers bedacht und sei an die Familienbeihilfe gekoppelt, deren Gewährung den gemeinsamen Haushalt des Kindes mit dem Unterhaltspflichtigen voraussetze und einen Beitrag zum Unterhalt des Kindes darstelle. Die kollektivvertragliche Ergänzung vom bringe eine Erweiterung des Leistungsanspruches des Dienstnehmers für den Fall, daß der gemeinsame Haushalt als Anspruchsvoraussetzung für die Familienbeihilfe oft über Betreiben des anderen Elternteiles verloren gehe und der Dienstnehmer Geldunterhalt zu leisten habe. Der Zweck der kollektivvertraglichen Regelung sei es, eine Benachteiligung des Dienstnehmers beim Anspruch auf Kinderzulage für den Fall auszuschließen, daß er bei Haushaltstrennung statt Natural-Geldunterhalt zu leisten habe. Die Anführung des Anspruchverlustes auf Familienbeihilfe infolge Scheidung sei nur beispielsweise im Kollektivvertrag genannt und sei so zu verstehen, daß es nur darauf ankomme, welchem Elternteil das Kind in Pflege und Erziehung gegeben und ob Geldunterhalt geleistet werde. Es komme, weil der Kollektivvertrag die Familienzulage und die Kinderzulage zur Erleichterung des Unterhaltsverpflichteten dem Elternteil zukommen lassen wollte, der sein Kind erziehe, ob dies nun ehelich oder unehelich sei, beim kollektivvertraglichen Anspruch auf Kinderzulage nur auf den Umstand an, daß der Anspruch auf Familienbeihilfe zwar verloren gehe, aber Geldunterhaltsanspruch an die Stelle der Naturalunterhaltsverpflichtung trete, den der Dienstnehmer in einer bestimmten Höhe auch erfülle. Es sei unsachlich, nur auf den Ausnahmetatbestand der Scheidung der Ehe abzustellen. Dies würde dazu führen, daß bei einer Unterhaltsleistung in natura die ehelichen den unehelichen Kindern gleichgestellt seien, aber bei Geldunterhaltsleistung (und getrennter Haushaltsführung) der Dienstnehmer als Elternteil eines unehelichen Kindes benachteiligt sei, der die Anspruchsvoraussetzung für die Kinderzulage mangels Scheidung einer Ehe nicht erfüllen könne. Da das eheliche und uneheliche Kind in der überwiegenden Anzahl der Fälle bei der Mutter verbleibe, der Vater zur Unterhaltsleistung verpflichtet sei, keine Kinderzulage erhalte (wenn auch die Mutter kollektivvertragsunterworfen sei), sondern sie von der Mutter bezogen werde, laufe die Wirkung der Regelung darauf hinaus, daß wesentlich mehr Frauen als Männer die Kinderzulage erhalten. Es liege daher auch eine indirekte Diskrimierung der Männer aufgrund ihres Geschlechtes vor. Eine sachliche Differenzierung könne nur darin gefunden werden, daß der Dienstnehmer die Kinderzulage bezieht, in dessen Haushalt das Kind lebt. Sei dies nicht der Fall, dann solle die Kinderzulage dem Dienstnehmer auch dann zukommen, wenn er für das Kind Unterhalt leiste.
Die Regelung des § 8 III Abs 3 KV sei ohne Übergangsbestimmung, die ihre Anwendung nur auf Tatbestände, die nach dem beschränke, am in Kraft getreten. Es sei daher nur darauf abzustellen, ob zum Antragszeitpunkt die Voraussetzungen des § 8 III Abs 3 KV gegeben seien ohne daß das Datum der Scheidung von Bedeutung wäre. Würde dem Dienstnehmer, dessen Ehe vor dem geschieden wurde, die Kinderzulage aus diesem Grunde nicht zustehen, läge eine unsachliche Differenzierung zwischen Kindern vor, die aus vor oder nach diesem Stichtag geschiedenen Ehen entstammen. Trotz der gleichen Belastung würde ein unterhaltspflichtiger Dienstnehmer je nach dem Zeitpunkt der Ehescheidung unterschiedlich behandelt, was aber gleichheitswidrig wäre.
Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Feststellungsantrages.
Sowohl aus dem Wortlaut des Kollektivvertrages als auch nach dessen Sinn und Zweck sei klar ersichtlich, daß die Regelung des § 8 III Abs 3 KV nur auf Sachverhalte abstelle, die erst nach dem eintreten. Voraussetzung für die Bezugsberechtigung der Kinderzulage sei nämlich nicht bloß die Antragstellung sondern auch die Scheidung der Ehe nach dem . Aus der Formulierung, daß Dienstnehmer "... die vor der Scheidung bezogene Kinderzulage weiterhin ...."
erhalten, gehe eindeutig hervor, daß der Regelungszweck nicht jene Fälle umfasse, wo die Scheidung bereits einige Jahre (vor dem ) zurückliege und der Dienstnehmer, der nie eine Kinderzulage erhalten habe und sich über Jahre auf seine finanzielle Situation eingestellt habe, nun plötzlich in den Genuß einer solchen gelangt. Es soll hingegen einem geschiedenen Unterhaltspflichtigen eine bislang laufend gewährte Zahlung auch weiterhin, dh auch über den Zeitpunkt der Ehescheidung hinaus unter bestimmten Umständen erhalten bleiben.
Anders als in dem Fall, da die Kinderzulage dem Dienstnehmer zur Unterstützung bei der Abdeckung des regelmäßig höheren, weil Natural- und Geldleistungen umfassenden Unterhaltes für das im gemeinsamen Haushalt lebende Kind gewährt wird, sei im Falle der hier angesprochenen kollektivvertraglichen Regelung nicht allein das Kind, sondern der Dienstnehmer als Schutzobjekt zu sehen, zu dessen finanzieller Entlastung diese dem Wesen nach neue aber unverändert als Kinderzulage bezeichnete Leistung geschaffen sei.
Bei aufrechter Ehe habe der kollektivvertragsunterworfene Dienstnehmer, der sich im Genuß der gesetzlichen Familienbeihilfe befinde, auch Anspruch auf die Kinderzulage, sohin auf 2 Sozialleistungen. Der geschiedene Unterhaltspflichtige, der nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebe, habe hingegen weder Anspruch auf die gesetzliche Familienbeihilfe noch auf die Kinderzulage. Erst die am in Kraft getretene Neuregelung schaffe auch für jene Dienstnehmer eine neue Geldleistung um ihre finanziellen Belastungen für die nunmehr bestehende Unterhaltsverpflichtung zu mildern. Eine Differenzierung ua nach dem Zeitpunkt der Ehescheidung sei daher zulässig und nicht willkürlich oder sachwidrig. Auch liege eine Diskriminierung der Männer auf Grund des Geschlechtes nicht vor.
Rechtliche Beurteilung
Der Antragsteller ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft der Arbeitnehmer, der Antragsgegner eine kollektivvertragsfähige freiwillige Berufsvereinigung (Cherny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG II 54). Beide sind daher als Parteien des besonderen Feststellungsverfahrens gemäß § 54 Abs 2 ASGG legitimiert.
Der Antrag ist nicht berechtigt.
Kollektivverträge sind in ihrem normativen Teil nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten (§§ 6 und 7 ABGB) ausgehend vom objektiven Inhalt der Norm auszulegen. Maßgebend ist dabei der in der Norm objektiv erkennbare Wille des Normgebers. In erster Linie ist daher der Wortsinn, auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen, zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrages ergebende Absicht der Kollekvertragsparteien zu berücksichtigen. Es ist dabei zu unterstellen, daß sie eine vernünftige zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen, einen Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen, sowie eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (Kuderna, Die Auslegung von kollektivvertraglichen Normen und Dienstordnungen sowie deren Ermittlung im Prozeß, DRdA 1975, 161 f; Arb 10.815 = SZ 62/135; DRdA 1994/3 [Jarbornegg]; DRdA 1994/18 [Schwarz], 8 Ob A 229/94, 9 Ob A 207/94).
Bei der Wortinterpretation steckt der äußerste mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung ab und darf durch die Auslegung nicht überschritten werden (Koziol/Welser Grundriß9 I 21). Es käme dann nur noch eine "Lückenfüllung" in Betracht. Läßt sich ein Sachverhalt auch nicht mit Hilfe vorgenannter Auslegungskriterien unter einen Tatbestand des Kollektivvertrages subsumieren, so kann dies bedeuten, daß an diesen Sachverhalt keine Rechtsfolge geknüpft werden sollte, soferne nicht eine Rechtslücke vorliegt. Eine Lücke ist dann gegeben, wenn die Regelung eines Sachbereiches keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müßte, wenn die Norm, gemessen an deren Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht (Koziol/Welser aaO 24; DRdA 1994/18 [Schwarz]).
Die Kinderzulage nach Abs 2 steht jedem Dienstnehmer zu, sohin nicht nur dem Verehelichten, für jedes Kind, für das Anspruch auf gesetzliche Familienbeihilfe besteht, soferne diese auch bezogen wird. Die Anspruchsberechtigung von Dienstnehmern, die infolge der Scheidung der Ehe den Anspruch auf Familienbeihilfe verlieren, auf Kinderzuschuß nach Abs 3 bedingt nicht auch das Erfordernis einer derartigen Regelung für Dienstnehmer, bei denen auch ohne Scheidung (und der in der Regel damit verbundenen Haushaltstrennung) der Verlust des Anspruches auf Familienbeihilfe eintritt. Der erkennbare Zweck der kollektivvertraglichen Regelung der Kinderzulage ist, dem Dienstnehmer eine Sozialzulage unter bestimmten Voraussetzungen zur Erleichterung des Lebensaufwandes für das Kind zu gewähren, die aber erkennbar an die Voraussetzung der Haushaltsgemeinschaft und der damit verbundenen Pflege des Kindes und dem höheren Aufwand geknüpft ist. Nur unter den Voraussetzungen der gemeinsamen Lebensführung kommt dem Kind nach dem Verwendungszweck die Kinderzulage auch tatsächlich zugute. Und nur unter diesen Voraussetzungen besteht Anspruch auf Familienbeihilfe als Betreuungshilfe (10 Ob 1517/94 mwN). Familienbeihilfe steht der Person zu, zu deren Haushalt das Kind gehört (§ 2 Abs 2 FLAG). Dies ist dann der Fall, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Bei gemeinsamen Haushalt der Eltern gilt es bei beiden Eltern als haushaltszugehörig. Da für ein Kind Familienbeihilfe aber nur einer Person gewährt wird (§ 7 FLAG) gebührt die Familienbeihilfe bei gemeinsamen Haushalt der Eltern mit dem Kind, wenn beide die Familienbeihilfe beantragen nach § 11 FLAG nur dem Elternteil, der das Kind überwiegend pflegt. Ein Anspruchsberechtigter kann aber zugunsten eines anderen Anspruchsberechtigten auf die Familienbeihilfe verzichten.
Daher knüpft der Kollektivvertragsnormgeber entgegen der Meinung des Antragstellers bei den Voraussetzungen der Kinderzulage nicht primär an die Natural- oder Geldunterhaltsverpflichtung des Dienstnehmers an, sondern an die Haushaltsgemeinschaft mit dem Kind und dessen Pflege und dem damit verbundenen Betreuungsaufwand. Nur unter diesen Voraussetzungen besteht auch Anspruch auf Familienbeihilfe, von dem die Kinderzulage abhängig ist. Auch die Bestimmung des Abs 3 ändert nichts am Zweck der Kinderzulage als einer zusätzlichen freiwilligen Leistung des Dienstgebers. Durch diese Bestimmung soll aber auch, was neu ist, unter den Voraussetzungen der Scheidung, die bei Haushaltstrennung den Verlust der Familienbeihilfe nach sich zieht, die Kinderzulage zwar vom Dienstnehmer bezogen werden, aber dem Kind dadurch zumindest zugutekommen, daß ihm ohne Rücksicht auf die Höhe des gesetzlichen Unterhaltes jedenfalls Unterhalt in Höhe von mindestens der doppelten Kinderzulage geleistet wird.
Aus der Teleologie und dem eindeutigen Wortlaut des Kollektivvertrages folgt, daß der Normgeber die vom Antragsteller vermißte Rechtsfolge für andere Fälle des Verlustes der Familienbeihilfe ab der Ehescheidung nicht angeordnet hat, ohne daß sich eine Unvollständigkeit der Norm ergibt, sodaß es an einer Gesetzeslücke und der Möglichkeit einer ergänzenden Rechtsfindung fehlt (DRdA 1994/18 [Schwarz]).
Eine Verletzung des an den Arbeitgeber und nicht an die Kollektivvertragsparteien gerichtete Gleichbehandlungsgebotes des § 2 Abs 1 Gleichbehandlungsgesetzes durch die Kollektivvertragsparteien liegt nicht vor, weil die Rechtsfolgen des § 2a Gleichbehandlungsgesetz nur bei einer vom Arbeitgeber zu vertretenden Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes eintreten (Arb 9581; DRdA 1986/6 [kritisch Schwarz]; DRdA 1989/5 [kritisch Rungaldier]; JBl 1991, 468 mwN; RdW 1994, 54 [Rungaldier 50 f]; 9 Ob A 602/92). Der Antrag ist nicht gegen den Arbeitgeber sondern gegen die kollektivvertragsfähige Berufsvereinigung der Arbeitgeber gerichtet.
Die Kollektivvertragsparteien sind aber als Normengeber jedenfalls an die Grundrechte, insbesondere an den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gebunden, wobei von einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte auszugehen ist (Rebhahn, Gleichbehandlung, Qualifikation und Leistung JBl 1993, 681 f; JBl 1991, 468 mwN; RdW 1994, 54 [Rungaldier 50 f], 9 Ob A 602/92 mwN).
Der Gleichheitssatz ist durch die verfassungsrechtliche Judikatur als allgemeines Sachlichkeitsgebot ausgeformt, das nur dann verletzt ist, wenn der Gesetzgeber bei den einzusetzenden Mitteln zur Zielerreichung völlig ungeeignete verwendet oder die an sich geeigneten Mittel zu einer sachlich nicht begründbaren, dh auf keinen vernünftigen Grund beruhenden Differenzierung führen, die eine unverhältnismäßige Benachteiligung zur Folge hat (Holoubeck, Die Sachlichkeitsprüfung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes, ÖZW 1991, 72 f; Klemenz, Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Gleichheitssatz und zum Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter 76 f; VfSlg 12.568; SSV-NF 5/26; JBl 1991, 468; DRdA 1994/21 [Novak]). Jedenfalls sind zeitliche Differenzierungen durch eine Stichtagsregelung zulässig und nicht willkürlich (DRdA 1989/5 [Rungaldier]; JBl 1991, 468; 9 Ob A 109/94).
Der für den Anspruch auf Kinderzulage im Kollektivvertrag enthaltene Anknüpfungstatbestand, den auch das Familienlastenausgleichsgesetz für die Familienbeihilfe vorsieht, der gemeinsamen Haushaltsführung mit dem Kind und der Zweck der Kinderzulage, den durch die gemeinsame Lebensführung mit dem Kind gegebenen Pflege- und sonstigem Aufwand zu erleichtern, ist genauso sachlich, wie die Weitergewährung der Kinderzulage nach Scheidung und Verlust des Anspruches auf Familienbeihilfe unter der Voraussetzung der Unterhaltsgewährung in Höhe von zumindest der doppelten Kinderzulage. Dabei wird nämlich berücksichtigt, daß die finanzielle Anspannung bei Scheidung einer Ehe weitaus größer ist, als bei Auflösung einer sonstigen Gemeinschaft, weil abgestellt auf den Regelfall mit Unterhaltsansprüchen der Ehegattin zu rechnen ist und überdies auch eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens umfassendere finanzielle Belastungen nach sich zieht, als die Auflösung einer Lebensgemeinschaft.
Daß die Kollektivvertragsparteien den Kinderzuschuß auch nur für den Fall des durch Scheidung nicht aber auch durch andere Fälle entstandenen Verlustes des Anspruches auf Familienbeihilfe gewähren wollten (Auflösung der Lebensgemeinschaft der Eltern, Ausscheiden des Kindes aus dem gemeinsamen Haushalt) begründet keine unsachliche Differenzierung. Der Gleichheitssatz verbietet es nicht, auf den Regelfall des Verlustes der Familienbeihilfe durch Scheidung der von der Rechtsordnung mit wenigen Ausnahmen, die hier nicht verletzt werden, allein und allgemein anerkannten Familiengemeinschaft der Ehe abzustellen und damit mögliche Härtefälle bei anderen Arten des Verlustes des Anspruches auf Familienbeihilfe in Kauf zu nehmen (DRdA 1986/6 [Mayer-Maly]; JBl 1991, 468; Arb 10.221; 10 Ob S 153/94).
Diese Durchschnittsbetrachtung widerspricht auch nicht der allgemeinen Lebenserfahrung (Arb 10.221).
Da der Normengeber den Anspruch auf Kinderzulage an keine vom Geschlecht des Dienstnehmers abhängigen Voraussetzungen gebunden hat, liegt auch keine Diskriminierung der Männer vor. Bei Scheidung zweier dem persönlichen Geltungsbereich des Kollektivvertrages unterliegender Dienstnehmer befindet sich in der Regel der Fälle das Kind weiterhin im Haushalt der Mutter, der dann auch nach § 8 III Abs 2 KV die Kinderzulage zusteht. Fällt nur der nicht nach der Scheidung der Ehe die Pflege des Kindes innehabende Elternteil unter den persönlichen Geltungsbereich des Kollektivvertrages, erhält er die Kinderzulage nur unter den Voraussetzungen des Abs 3. Nicht die Regelung selbst ist diskriminierend, weil sie geschlechtsneutral ist und auch nicht im Ergebnis Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen in deutlich überwiegendem Ausmaß benachteiligt (Eichinger in Rungaldier, Österreichisches Arbeitsrecht und das Recht der EG 210 f; 9 Ob A 801/94). Die vom Antragsteller als diskriminierend angesehene Wirkung der Regelung tritt nur deshalb ein, weil außerhalb der Regelung liegende Umstände hinzutreten, wie, wem Pflege und Erziehung des Kindes nach der Scheidung zusteht, bzw ob beide Elternteile unter den Geltungsbereich des KV fallen bzw sie eine Ehe oder eine Lebensgemeinschaft eingegangen sind.
Eine neue gesetzliche Vorschrift im Sinne eines Gesetzes im materiellen Sinn ist mangels einer Rückwirkungsanordnung nur auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach seinem Inkrafttreten verwirklicht haben, wenn also alle dazugehörigen Umstände eingetreten sind (Bydlinski in Rummel ABGB2 Rz 1 f zu § 5; SSV-NF 3/134). Nur bei Dauertatbeständen ist der in den Zeitraum der Geltung der neuen Rechtsnorm fallende Abschnitt nach neuem Recht zu beurteilen (ZAS 1981/24). § 8 III Abs 3 ist zur Gänze neues Recht, sodaß alle anspruchsbegründenden Umstände nach Inkrafttreten dieser Bestimmung eintreten müssen, wozu aber neben dem Antrag auch die Scheidung und der damit zusammenhängende Verlust des Anspruches auf Familienbeihilfe gehört. Da Stichtagsregelungen unbedenklich sind, verstößt die je nach dem Zeitpunkt der Scheidung eintretende differenzierte Behandlung des Dienstnehmers durch den Kollektivvertrag weder gegen § 879 ABGB noch gegen den Gleichheitsgrundsatz.