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OGH vom 26.08.2009, 9ObA92/09h

OGH vom 26.08.2009, 9ObA92/09h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Andreas R*****, vertreten durch Mag. Christian Kaiser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ö***** GmbH, *****, vertreten durch Burgstaller & Preyer, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.899,51 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 151/08m-17, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 17 Cga 65/08i-12, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom bis bei der Beklagten beschäftigt. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung und unterlag dem Kollektivvertrag für Angestellte im Gewerbe. Der Kläger wurde von der Beklagten am zum gekündigt.

Bei der Beklagten bestand eine mit in Kraft getretene Dienstordnung, deren § 36 lautete:

„1. Die ÖWS kann das Dienstverhältnis zum Ende eines jeden Kalendervierteljahres durch vorhergehende Kündigung auflösen. Die Kündigungsfrist beträgt bei einer ununterbrochenen Dienstzeit gemäß § 20 Abs 1 AngG bis zum vollendeten 2. Dienstjahr 6 Wochen, nach dem vollendeten 2. Dienstjahr 2 Monate, nach dem vollendeten 5. Dienstjahr 3 Monate, nach dem vollendeten 15. Dienstjahr 4 Monate, nach dem vollendeten 25. Dienstjahr 5 Monate.

...

4. Angestellte können ihr Dienstverhältnis unter Einhaltung einer 1-monatigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Kalendermonats kündigen."

Die Dienstordnung wurde durch die mit in Kraft getretene Betriebsvereinbarung „BV-2005" ersetzt; deren § 26 (Kündigung) lautet:

„Das Dienstverhältnis kann von beiden Seiten zum Ende eines jeden Kalendermonates unter Einhaltung der im Angestelltengesetz vorgesehenen Kündigungsfristen aufgelöst werden."

Diese Betriebsvereinbarung wurde per E-Mail, an alle Mitarbeiter, auch an den Kläger, versandt und zudem ins Intranet gestellt. Sie wurde zweimal novelliert. § 26 betreffend die „Kündigung" blieb allerdings unverändert.

Der Kläger begehrt von der Beklagten 2.899,51 EUR brutto sA an Kündigungsentschädigung. Die Kündigung des Dienstverhältnisses per sei terminwidrig erfolgt. Die Regelung der Betriebsvereinbarung, auf die sich die Beklagte stütze, sei nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden, überdies sei die Vereinbarung von Kündigungsterminen kein zulässiger Regelungsgegenstand einer Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG. Die Regelung der Betriebsvereinbarung widerspreche auch dem analog § 3 Abs 2 ArbVG vorzunehmenden Günstigkeitsvergleich, weil der Kläger im Vergleich zur gesetzlichen Regelung schlechter gestellt werde.

Die Beklagte bestritt das (der Höhe nach außer Streit gestellte) Klagebegehren dem Grunde nach und beantragte Klageabweisung. § 26 der BV-2005 ermögliche eine Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber zum Ende eines jeden Kalendermonats unter Einhaltung der im Angestelltengesetz vorgesehenen Kündigungsfristen. Ein Günstigkeitsvergleich sei aufgrund der Ermächtigung des § 20 Abs 3 AngG nicht anzustellen. Eine Abweichung von den gesetzlichen Kündigungsterminen könne nicht nur durch Einzelvereinbarung, sondern nach § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG auch durch eine Betriebsvereinbarung erfolgen. Die Betriebsvereinbarung sei auch ordnungsgemäß kundgemacht worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Rechtlich ging es davon aus, dass nach § 20 Abs 3 AngG zu Gunsten des Arbeitgebers eine Kündigung jeweils zum 15. oder Letzten eines Monats vereinbart werden könne. Eine solche Vereinbarung könne auch durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung erfolgen. Eine Betriebsvereinbarung über Kündigungstermine sei gemäß § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG auch zulässig, weil diese Regelung teleologisch auszulegen sei. Zwar spreche die Bestimmung nur von Kündigungsfristen, aus ihrem Sinn ergebe sich jedoch, dass damit auch Kündigungstermine gemeint seien, weil der Gesetzgeber einen, seiner Absicht nicht entsprechenden zu engen Begriff gewählt habe. Ausgehend davon habe § 26 der Betriebsvereinbarung „BV-2005" auch Wirksamkeit entfaltet, weil sie an jeden Mitarbeiter per E-Mail verschickt und im Intranet zur Einsicht aufgelegt worden sei. Ein Verstoß gegen das Günstigkeitsprinzip wurde vom Erstgericht ebenfalls verneint.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Klägers das Ersturteil in der Hauptsache, gab der Berufung im Kostenpunkt teilweise Folge und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof zu.

Es billigte ausdrücklich die Rechtsansicht des Erstgerichts und hielt der Rechtsrüge des Klägers im Wesentlichen entgegen, dass die Gesetzesauslegung nicht bei der Wortinterpretation stehen bleiben dürfe. Erst der äußerst mögliche Wortsinn stecke die Grenze jeglicher Auslegung ab, die auch mit den sonstigen Interpretationsmethoden nicht überschritten werden dürfe (RIS-Justiz RS0008788). Die Bestimmung des § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG dürfe auch nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur vor dem Hintergrund des Regelungszwecks. Nach dieser Bestimmung könnten Betriebsvereinbarungen im Sinn des § 29 ArbVG in Angelegenheiten von „Kündigungsfristen und Gründen zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses" abgeschlossen werden. Es sei zwar richtig, dass Kündigungstermine nicht ausdrücklich genannt werden, jedoch sei dies auch in den korrespondierenden individualrechtlichen Bestimmungen nicht der Fall. Insbesondere die hier zur Anwendung kommende Bestimmung des § 20 AngG verwende damit übereinstimmend nur den Begriff der Kündigungsfrist, wobei die Kündigungstermine durch das Ende derselben definiert werden (§ 20 Abs 2 und Abs 3 AngG). Neben den bereits durch das Erstgericht hervorgehobenen teleologischen Erwägungen der herrschenden Lehre ergebe sich somit auch aus der systematischen Interpretation, dass die Regelungsermächtigung des § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG auch Kündigungstermine erfasse.

Richtig sei zwar, dass die Kündigungsbestimmungen des § 20 Abs 2 bis 5 AngG gemäß § 40 AngG nicht durch Dienstvertrag (und nach herrschender Ansicht auch nicht durch Betriebsvereinbarung oder Kollektivvertrag) (gemeint: zum Nachteil des Angestellten) abgeändert werden dürfen, der Kläger berücksichtige aber nicht die ausdrückliche Ermächtigung des Gesetzgebers in § 20 Abs 3 zweiter Halbsatz AngG, wonach vereinbart werden könne, dass die Kündigungsfrist des Arbeitgebers am 15. oder am Letzten eines Kalendermonats endige. Da die Betriebsvereinbarung diesen gesetzlichen Rahmen nicht überschreite, sei ein Günstigkeitsvergleich nicht anzustellen. Die Revision sei zuzulassen, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der hier zentralen Frage, ob Betriebsvereinbarungen gemäß § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG auch in Ansehung von Kündigungsterminen abgeschlossen werden dürfen, soweit ersichtlich nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im gänzlich klagsstattgebenden Sinn abzuändern.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen erweist sich als zutreffend, sodass auf diese verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Rechtsmittelausführungen Folgendes entgegenzuhalten:

Es entspricht der herrschenden Lehre, dass die Regelungsbefugnis für Betriebsvereinbarungen gemäß § 97 Abs 1 Z 22 ArbVG auch für Kündigungstermine gilt (Floretta/Strasser ArbVG § 97 6.17; Strasser/Jabornegg, ArbVG³ § 97 FN 86; Binder in Tomandl, ArbVG § 97 Rz 361; Krapf/Mayerhofer/Achitz, Leitfaden für Betriebsvereinbarungen 174; Reissner in ZellKomm § 97 ArbVG Rz 103; Preiss in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht4 § 97 Erl 28 mwN). Dieser Auffassung ist beizupflichten, stehen doch die Regelungen über Kündigungsfristen und -termine schon wegen ihrer sozialen Schutzfunktion in einem besonders engen Zusammenhang (vgl Karl in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 20 Rz 89, die von einer Einheitsbetrachtung der Kündigungsfristen und Kündigungstermine ausgeht).

Nicht überzeugend ist das Argument des Rechtsmittelwerbers, dass die Ermächtigung des Gesetzgebers in § 20 Abs 3 zweiter Halbsatz AngG ausschließlich der Individualvereinbarung vorbehalten sei. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 9 ObA 20/94 festgehalten, dass die Regelung eines Kollektivvertrags, die die Möglichkeit der Kündigung zum Monatsletzten eröffnet, in Hinblick auf § 20 Abs 3 AngG die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien nicht überschreitet. § 20 Abs 3 zweiter Halbsatz AngG spricht lediglich davon, dass vereinbart werden kann, dass die Kündigungsfrist am 15. oder am Letzten eines Kalendermonats endigt. Eine die Auffassung des Rechtsmittelwerbers stützende Einschränkung dahin, dass sich diese Regelung nur auf Einzelvereinbarungen beziehe, lässt sich dem Gesetzestext nicht entnehmen. Reissner (in ZellKom § 20 AngG Rz 49) geht als selbstverständlich davon aus, dass eine Vereinbarung gemäß § 20 Abs 3 zweiter Halbsatz AngG auch durch Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung erfolgen kann.

Entgegen der Auffassung des Rechtsmittelwerbers besteht für einen Günstigkeitsvergleich kein Raum. Zwar gelten die Regelungen über Kündigungsfristen und Kündigungstermine infolge ihrer sozialen Schutzfunktion als zwingend zu Gunsten des Angestellten (Karl aaO Rz 89 mwN), doch räumt der Gesetzgeber in § 20 Abs 3 AngG selbst ausdrücklich die Möglichkeit ein, zu vereinbaren, dass die Kündigungsfrist am 15. oder Letzten eines jeden Monats endet. Nichts anderes als eine derart zulässige Vereinbarung stellt aber die Regelung des § 26 der hier relevanten Betriebsvereinbarung dar.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.