VfGH vom 10.10.2019, E1025/2018
Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Zurückweisung einer Beschwerde des ORF mangels Verletzung subjektiver Rechte anstelle der Feststellung der Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Verfahren vor der Kommunikationsbehörde Austria durch das Bundesverwaltungsgericht; Erforderlichkeit der Interessenabwägung zwischen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und der Wahrung des Rechts auf Parteiengehör bei der Akteneinsicht in Mehrparteienverfahren betreffend den Erwerb von Übertragungsrechten für die Spiele der UEFA Champions League
Spruch
I.Die beschwerdeführende Partei ist durch Spruchpunkt A) II. des angefochtenen Erkenntnisses im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG verletzt worden.
Das Erkenntnis wird in diesem Umfang aufgehoben.
II.Der Bund (Bundeskanzlerin) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III.Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I.Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1.Mit Schreiben vom erhob die im nunmehrigen verfassungsgerichtlichen Verfahren beteiligte Partei, ein privater Rundfunkveranstalter, gemäß § 36 Abs 1 Z 1 litc ORF-G Beschwerde an die Kommunikationsbehörde Austria (im Folgenden: KommAustria). Darin begehrte sie unter anderem die Feststellung, dass die nunmehrige beschwerdeführende Partei, der Österreichische Rundfunk (ORF), durch den Erwerb der Übertragungsrechte für die Spiele der UEFA Champions League für die Saisonen 2015/16, 2016/17 und 2017/18 gegen § 31c Abs 1 ORF-G verstoßen habe. Der ORF habe im Zuge des von einer Agentur durchgeführten Bietverfahrens Mittel aus dem Programmentgelt eingesetzt, um zuschauerattraktives Premium-Sportprogramm zu erwerben, dessen Ausstrahlung für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrages nicht erforderlich sei, wobei der Erwerb der Senderechte zu überhöhten, nach kaufmännischen Grundsätzen nicht gerechtfertigten Preisen erfolgt sei.
Der ORF legte im Verfahren vor der KommAustria Unterlagen "nur für die Behörde" vor und beantragte, diese von der Akteneinsicht auszunehmen. Auch die nunmehr beteiligte Partei übermittelte in diesem Verfahren nur eine "nicht vertrauliche" Version der Beschwerde für den ORF und beantragte, die "vertrauliche" Version gemäß § 17 Abs 3 AVG von der Akteneinsicht auszunehmen.
Sämtliche Akteninhalte – also auch diejenigen, auf die sich die Anträge auf Ausnahme von der Akteneinsicht bezogen – wurden der jeweils anderen Verfahrenspartei von der KommAustria zur Kenntnis gebracht.
Die KommAustria wies mit Bescheid vom die Beschwerde der beteiligten Partei auf Basis zweier Gutachten eines Amtssachverständigen als unbegründet ab und verneinte das Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung iSd § 31c Abs 1 Z 1 ORF-G (die dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ro 2018/03/0016, als unbegründet ab).
Ferner führt die KommAustria in ihrem Bescheid aus, dass den Anträgen der Verfahrensparteien, bestimmte Aktenteile von der Akteneinsicht auszunehmen bzw der jeweils anderen Verfahrenspartei nicht zur Kenntnis zu bringen, nicht nachzukommen gewesen sei. Sowohl bei den Angaben der nunmehr beteiligten Partei zu dem von ihr gebotenen bzw in der vergangenen Lizenzperiode bezahlten Preis als auch bei zwei der vom ORF vorgelegten Unterlagen handle es sich um zentrale Beweisergebnisse im Verfahren. Hinsichtlich des vom ORF vorgelegten "Konzepts zur Sendeauswahl" sei nicht ersichtlich, auf Grund welcher Inhalte dieser Unterlage eine Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vorliegen könnte.
Die Kenntnis sämtlicher preisrelevanter Informationen sei für die KommAustria jedenfalls verfahrenserheblich gewesen. Sowohl der exakte Preis als auch die Angaben zum Inhalt der erworbenen Rechtepakete seien entscheidungswesentlich. Damit liege aber weder ein Fall vor, nach dem Beweismittel, die für die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen nicht notwendigerweise verwertet werden müssten, gegenüber den Parteien geheim gehalten werden könnten, noch könnte eine Interessenabwägung iSd Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union vom , Rs. C-450/06, Varec SA, zugunsten der geltend gemachten Geheimhaltungsinteressen ausschlagen, weil in einem solchen Fall in Bezug auf die Verfolgung der Parteirechte nicht "insgesamt ein faires Verfahren beachtet" würde.
2.Gegen den Bescheid der KommAustria erhoben sowohl die nunmehr beteiligte Partei als auch der ORF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Begründend führte der ORF aus, dass die Gewährung der Akteneinsicht bezüglich der Ermittlung des genauen Gebotsbetrages sowie der genannten weiteren Unterlagen erstens nicht nötig gewesen sei, weil die verfahrenseinleitende Beschwerde selbst im Fall des Zutreffens der diesbezüglichen Beschwerdebehauptungen abzuweisen gewesen wäre. Zweitens habe die KommAustria näher bezeichnete Unterlagen des ORF über die Kriterien für die Sendeauswahl sowie über die Evaluierung von Sport-Produktionen überhaupt nicht für eine Entscheidung benötigt. Drittens wäre die KommAustria auch aus Verhältnismäßigkeitsgründen gehalten gewesen, nicht eine bestimmte, sondern eine ausreichende Beweisquelle zu wählen. Viertens gebe es keinen apodiktischen Grundsatz, jedes Beweismittel rechtlichem Gehör zu unterziehen. Dass ein faires Verfahren iSd Art 6 EMRK nur durch Übermittlung aller Daten gewährleistet werden könne, sei nicht anzunehmen, weil die KommAustria auch einen objektiven Dritten mit der Prüfung und Bestätigung hätte beauftragen können, inwieweit bestimmte Angaben vorliegen würden und korrekt bewertet worden seien. Fünftens habe die Behörde verkannt, dass es ausreichend gewesen wäre, (lediglich) zu ermitteln, ob die beschwerdeführende Partei bestimmte Gebotsschwellen überschritten habe. Daher habe die KommAustria die Verfahrensanordnung und damit in der Folge ihren Bescheid, soweit damit den Anträgen auf Ausnahme von Informationen von der Akteneinsicht nicht stattgegeben worden sei, mit Rechtswidrigkeit belastet.
3.Mit Erkenntnis vom wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde der nunmehr beteiligten Partei als unbegründet ab [Spruchpunkt A) I.], die Beschwerde des ORF hingegen als unzulässig zurück [Spruchpunkt A) II.]. Im Hinblick auf Spruchpunkt A) I. wurde die Revision für zulässig erklärt [Spruchpunkt B) I.], im Hinblick auf Spruchpunkt A) II. für nicht zulässig [Spruchpunkt B) II.].
Zur Zurückweisung der Beschwerde des ORF führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art 132 B-VG nur dann eine Beschwerdeberechtigung bestehe, wenn die beschwerdeführende Partei behaupte, in ihren Rechten verletzt zu sein. Maßgeblich sei nun, dass die beschwerdeführende Partei die Verletzung von subjektiven Rechten behaupte. Folglich sei eine Beschwerde nicht zulässig, wenn der angefochtene Bescheid die subjektiven Rechte der beschwerdeführenden Partei (denkbar) nicht beeinträchtigen könne.
Nur der Spruch des angefochtenen Bescheides könne eine Partei in ihren Rechten verletzen, nicht auch die Begründung. In sinngemäßer Anwendung der diesbezüglichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (ua ; , 93/02/0283; , 2004/02/0157; , Ra 2015/11/0027) seien daher Beschwerden iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in den Fällen, in denen die beschwerdeführende Partei durch den Spruch des angefochtenen Bescheides nicht in ihren Rechten verletzt sein könne, vom Verwaltungsgericht als unzulässig zurückzuweisen.
Da im Spruch des angefochtenen Bescheides (nur) eine Abweisung der ursprünglichen Beschwerde der nunmehr beteiligten Partei ausgesprochen worden sei und somit der ORF durch diesen Ausspruch nicht in seinen Rechten verletzt sein könne, sei die Beschwerde des ORF als unzulässig zurückzuweisen. Wenn der ORF diesbezüglich vorbringe, dass der Bescheid implizit auch eine bescheidmäßige Erledigung im Sinne einer Abweisung der Anträge auf Ausnahme bestimmter Akten von der Akteneinsicht enthalte, sei ihm diesbezüglich entgegenzuhalten, dass "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht jedenfalls nur jene Angelegenheit sei, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet habe ().
4.Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Achtung des Privatlebens gemäß Art 8 EMRK (und Art 7 GRC), auf Datenschutz gemäß § 1 DSG 2000 (und Art 8 GRC), auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art 13 EMRK (und Art 47 Abs 1 GRC), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 BVG sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art 2 StGG und Art 7 BVG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses in seinem Spruchpunkt A) II. iVm B) II. beantragt wird.
Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
4.1.Zum grundrechtlichen Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen:
Soweit die Nichtoffenbarung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen grundrechtlichen Schutz genieße, sei besonders in der hier maßgeblichen Konstellation des Aufeinandertreffens mit rechtsstaatlichen sowie ─ auf dem Boden von Art 6 EMRK bzw Art 47 GRC ─ ihrerseits grundrechtlich geschützten Interessen auf rechtliches Gehör und Kenntnis von Akteninhalt und maßgeblichen Beweismitteln zu beachten, dass dem solcherart verbürgten grundrechtlichen Geheimhaltungsschutz kein Absolutheitsanspruch zukomme. Vielmehr müsse das nationale Recht hinreichende Schutzvorkehrungen bieten, die sicherstellen würden, dass die Fairness des Verfahrens garantiert sei, wozu auch ─ insbesondere unter dem Aspekt der Waffengleichheit ─ der Zugang zu den Verfahrensakten zähle (VfSlg 19.996/2015 mwN). Mit diesem Aufeinandertreffen grundrechtlich verbürgter Informations- bzw Zugangsansprüche auf der einen sowie ebenfalls grundrechtlich gewährleisteter Geheimhaltungsansprüche auf der anderen Seite habe sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom , Rs. C450/06, , eingehend auseinandergesetzt.
Auf dieser Grundlage werde ersichtlich, dass die Einschränkung grundrechtlich geschützter Geheimhaltungsinteressen an Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen in einem behördlichen bzw gerichtlichen Verfahren im Wege der Akteneinsicht und der Gewährung rechtlichen Gehörs zugunsten anderer Verfahrensparteien zwar prinzipiell in Betracht komme. Jedoch sei dafür auf dem Boden der Bestimmung des § 17 Abs 3 AVG eine strengen Anforderungen unterworfene Abwägung der gegenläufigen geschützten Interessen durch die Behörde im Einzelfall vorzunehmen, welche ihrerseits der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliege (in diesem Sinne VfSlg 19.996/2015).
4.2.Zur Verletzung von Art 8 EMRK und Art 1 DSG 2000 (sowie Art 7 GRC und Art 8 GRC) durch Gewährung der Akteneinsicht trotz überwiegender Geheimhaltungsinteressen des ORF bringt dieser Folgendes vor:
Bei jenen Informationen, zu deren Herausgabe der ORF durch die KommAustria verhalten und bezüglich derer die jeweils gestellten Anträge des ORF auf Ausnahme von der Akteneinsicht von der KommAustria abgelehnt worden seien, lägen grundrechtlich geschützte, vertrauliche Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse vor. Es handle sich um die behördliche Ermittlung und Weitergabe von Informationen, die entweder Auskünfte über Marktstrategien des ORF gäben, Rückschlüsse auf dessen interne Entscheidungsprozesse und Planungszeiten erlaubten, Einblicke in dessen Kalkulationsgrundlagen für den Erwerb der betreffenden Übertragungsrechte gewährten oder überhaupt die dafür bezahlten Preise offenlegten. Sämtliche dieser Informationen seien selbst innerhalb der organisatorischen Struktur des ORF nur einer begrenzten Zahl von Personen bekannt gewesen und es habe an der Nichtoffenbarung dieser Tatsachen gerade angesichts der unmittelbaren Konkurrenzsituation zur nunmehr beteiligten Partei ein rechtlich geschütztes Interesse bestanden.
Den ─ auch grundrechtlich ─ schützenswerten Charakter der damit verbundenen Geheimhaltungsinteressen, den der ORF in seinen beiden schriftlichen Anträgen auf Ausnahme von der Akteneinsicht gemäß § 17 Abs 3 AVG ausdrücklich zum Ausdruck gebracht habe, habe die KommAustria durch ihr Vorgehen im Verlauf des Ermittlungsverfahrens sowie in ihrem Bescheid vom jedoch zur Gänze negiert. Entgegen der gebotenen Feststellung darüber, welche konkreten Themen in welchem Umfang vom Geheimhaltungsanspruch erfasst seien, sowie entgegen der geforderten begründeten Abwägung, ob im jeweiligen Fall ein überwiegendes Interesse an der Geheimhaltung des jeweiligen Vorbringens bestehe bzw in welchen konkreten Punkten die Geheimhaltung der effektiven Rechtsverfolgung durch die beteiligte Partei entgegenlaufe, habe es die KommAustria dabei belassen, schlichtweg die Verfahrenserheblichkeit aller vom ORF (verlangten und) vorgelegten Informationen zu behaupten, um daraus sogleich ─ pauschal ─ zu schließen, dass im Fall einer (teilweisen) Nichtgewährung der Akteneinsicht ein faires Verfahren nicht sichergestellt wäre. Anstatt der in grundrechtskonformer Weise gemäß § 17 Abs 3 AVG vorzunehmenden Einzelfallbeurteilung, inwieweit ein überwiegendes Interesse des ORF bestehe, der nunmehr beteiligten Partei bestimmte Informationen vorzuenthalten, ziehe sich die Behörde weitestgehend auf bloße Generalaussagen hinsichtlich der vermeintlichen Erheblichkeit der eingeholten Informationen für ihre Entscheidung in der Sache zurück.
4.3.Es sei auch nicht ersichtlich, dass eine Ausnahme der in Rede stehenden Unterlagen des ORF von der Akteneinsicht die nunmehr beteiligte Partei in ihrer effektiven Rechtsverfolgung im Hinblick auf § 31c ORF-G beeinträchtigt hätte. Die in näher bezeichneten Unterlagen enthaltenen Informationen seien, wären sie in dieser Form der beteiligten Partei vorenthalten worden, in keiner Hinsicht geeignet, eine effektive Rechtsverfolgung auszuschließen oder zu verunmöglichen. Diese Rechtsverfolgung wäre durch die Feststellung des Nichtüberschreitens der amtssachverständig ermittelten Schwellen ebenso effektiv erreicht worden.
4.4.Zur Verletzung von Art 13 EMRK (und Art 47 GRC) durch Zurückweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht bringt der ORF vor:
Soweit das Bundesverwaltungsgericht davon ausgehe, der ORF könne durch den Bescheid der KommAustria vom nicht in seinen Rechten verletzt sein, weil mit dem genannten Bescheid die von der nunmehr beteiligten Partei angestrengte Rechtssache abweisend entschieden worden sei, übersehe es, dass die Rechtsverletzung nicht im Spruch der Verwaltungsbehörde enthalten sei, mit dem das unbegründet gegen den ORF geführte Verwaltungsverfahren entschieden worden sei. Auch die Abweisung der Bescheidbeschwerde der nunmehr beteiligten Partei durch das Bundesverwaltungsgericht vermöge daran nichts zu ändern, denn der günstige Ausgang eines Beschwerdeverfahrens verschaffe für sich noch keine angemessene Abhilfe.
Im vorliegenden Fall werde dieser Grundsatz deutlich am Umstand demonstriert, dass die der KommAustria anzulastende Grundrechtsverletzung eben gerade in ihrem Vorgehen im Verfahren realisiert worden sei, indem sie es unterlassen habe, der in § 17 Abs 3 AVG normierten Pflicht zur Interessenabwägung nach Maßgabe der grundrechtlichen Rahmenbedingungen zu entsprechen.
Auf dem Boden dessen habe der ORF in seiner Bescheidbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht den Antrag gestellt, die Rechtsverletzung, die durch die ohne Rücksichtnahme auf eine Interessenabwägung iSd § 17 Abs 3 AVG getätigte Ausfolgung grundrechtlich geschützter Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse verwirklicht worden sei, allenfalls analog zu § 28 Abs 6 VwGVG und damit in Zusammenschau mehrerer Rechtsbehelfe festzustellen. Indem das Bundesverwaltungsgericht diesen Antrag zurückgewiesen habe, stehe diese Entscheidung jedoch in einem nicht aufzulösenden Spannungsverhältnis mit dem Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäß Art 13 EMRK wie insgesamt mit der in ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Forderung nach einem Mindestmaß an faktischer Effizienz des Rechtsschutzes (vgl VfSlg 11.196/1986; siehe auch VfSlg 18.809/2009).
Auch der Verfassungsgerichtshof sei in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, dass es zur Wahrung der rechtsstaatlich erforderlichen Effektivität des Rechtsschutzes sowie des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf eine wirksame Beschwerde zur effektiven Rechtsverfolgung durch den Rechtsschutzsuchenden geboten sein könne, im Wege eines Feststellungserkenntnisses das Vorliegen einer Grundrechtsverletzung auszusprechen. Dies gelte insbesondere dann, wenn die betreffende Rechtsverletzung ─ vor allem, weil sie sich bereits unumkehrbar verwirklicht habe ─ nicht mehr beseitigt werden könne (für die Rechtsprechung zu den Fällen überlanger Verfahrensdauer siehe nur VfSlg 18.014/2006 mwN).
Diese Wertungen seien auf den vorliegenden Fall übertragbar. Gerade im Lichte der Anforderungen des Art 13 EMRK dürfe es dem Rechtsschutzsuchenden in einer Konstellation, in der durch das behördliche Verfahren unumkehrbare Rechtsnachteile durch Verletzung seines (grundrechtlich geschützten) Geheimhaltungsinteresses verwirklicht worden seien, nicht versagt werden, zur wirksamen Rechtsverfolgung (und zwar gerade auch dann, wenn – wie hier – der eigentliche Verfahrensausgang für ihn nicht nachteilig gewesen sei) einen Antrag auf Feststellung dieser Grundrechtsverletzung beim Bundesverwaltungsgericht zu stellen. Was für die Verweigerung der Akteneinsicht gelte, müsse auch für die überschießende Gewährung von Akteneinsicht gelten: nämlich, dass die behördliche Entscheidung über die (zu weitgehende) Gewährung der Akteneinsicht der inhaltlichen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht zugänglich sein müsse (VfSlg 19.996/2015).
Einem derartig grundrechtlich gebotenen Vorgehen des Bundesverwaltungsgerichtes würden auch weder Art 130 bzw 132 BVG noch ─ bei verfassungskonformer Interpretation ─ Bestimmungen des VwGVG, insbesondere auch nicht dessen § 28, entgegenstehen.
4.5.Zur Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG führt der ORF aus:
Statt über die gegen den Bescheid der KommAustria vom vom ORF gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG erhobene Beschwerde in der Sache zu entscheiden, habe das Bundesverwaltungsgericht diese als unzulässig zurückgewiesen. Im Lichte der obigen Ausführungen habe das Bundesverwaltungsgericht damit seine Zuständigkeit zur Entscheidung über die an ihn gerichtete Beschwerde – insbesondere, indem es dem ORF entgegen der grundrechtlichen Verpflichtung, eine Feststellung über die eingetretene Rechtsverletzung zu treffen, jeglichen wirksamen Rechtsschutz versagt habe – zu Unrecht verneint und den ORF damit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
5.Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
6.Die nunmehr beteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet, in der Folgendes vorgebracht wird:
6.1.Zur behaupteten Verletzung von Art 8 EMRK (Art7 GRC) und § 1 DSG 2000:
Der Gerichtshof der Europäischen Union habe auf Grundlage seiner Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Art 6 und 8 EMRK in seiner Entscheidung vom , Rs. C-450/06, Varec SA, festgelegt, dass der Grundsatz des Schutzes von vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnissen so gestaltet werden müsse, dass er mit den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes und der Wahrung der Verteidigungsrechte der am Rechtsstreit Beteiligten in Einklang stehe und dass sichergestellt sei, dass in dem Rechtsstreit insgesamt das Recht auf ein faires Verfahren beachtet werde. Hiezu müsse die Nachprüfungsinstanz über sämtliche Informationen verfügen, die erforderlich seien, um in voller Kenntnis der Umstände entscheiden zu können, also auch über vertrauliche Informationen und Geschäftsgeheimnisse. Es sei Sache der Nachprüfungsinstanz zu entscheiden, inwieweit und nach welchen Modalitäten die Vertraulichkeit und die Geheimhaltung dieser Angaben im Hinblick auf die Erfordernisse eines wirksamen Rechtsschutzes und der Wahrung der Verteidigungsrechte der am Rechtsstreit Beteiligten zu gewährleisten seien, damit in dem Rechtsstreit insgesamt das Recht auf ein faires Verfahren beachtet werde. Aus dieser Entscheidung lasse sich daher zweifellos ableiten, dass ein Eingriff in das Grundrecht gemäß Art 8 EMRK zur Wahrung des Grundrechtes auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK zulässig sei.
Der dem Grundrecht auf ein faires Verfahren entsprechende und für ein rechtsstaatliches Verfahren fundamentale Grundsatz der Wahrung des Parteiengehörs beinhalte unter anderem das Recht der Partei, zum Zwecke der Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zur Sache selbst und zum Ergebnis der Beweisaufnahmen Stellung zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes sei die Wahrung des Parteiengehörs eine kardinale Voraussetzung eines gesetzmäßigen Verwaltungsverfahrens. Diesem Grundsatz werde in Verwaltungsverfahren insbesondere durch die Bestimmung des § 45 Abs 3 AVG entsprochen. Demnach sei den Parteien die Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Eine Einschränkung dieses Rechtes werde durch den Verwaltungsgerichtshof – wie sich aus seinem zum Telekommunikationsrecht ergangenen Erkenntnis vom , 2003/03/0157, ergebe – nicht geduldet.
Lege man diese Grundsätze auf den konkreten Fall um, so ergebe sich zwangsläufig, dass die KommAustria zu Recht die ihr vom ORF offengelegten, relevanten Informationen der mitbeteiligten Partei weitergegeben habe. Nicht nur sei diese Weitergabe im Rahmen der Wahrung des Parteiengehörs nach § 45 Abs 3 AVG und des Rechtes auf ein faires Verfahren gemäß Art 6 EMRK erfolgt, sondern habe sie auch ein legitimes Ziel verfolgt und sei zur Durchführung einer effektiven beihilfenrechtlichen Finanzkontrolle der beschwerdeführenden Partei nach den Bestimmungen des ORF-G auch notwendig gewesen.
6.2.Zur behaupteten Verletzung von Art 13 EMRK, Art 83 B-VG sowie Art 2 StGG und Art 7 B-VG führt die nunmehr beteiligte Partei aus:
Es treffe zwar zu, dass Art 13 EMRK jedermann, der eine Verletzung der in der EMRK festgelegten Rechte behaupte, das Recht auf eine wirksame Beschwerde vor einer nationalen Instanz gewähre. Richtig sei auch, dass der Verfassungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung aus dem rechtsstaatlichen Prinzip ableite, dass die Rechtschutzeinrichtungen ihrer Zweckbestimmung nach ein bestimmtes Maß an faktischer Effizienz für den Rechtsschutzwerber aufweisen müssen (Gebot faktisch effizienten Rechtsschutzes). Der ORF übersehe jedoch offenbar, dass sowohl Art 13 EMRK als auch das vom Verfassungsgerichtshof abgeleitete Gebot des faktisch effizienten Rechtschutzes einzig und allein den Gesetzgeber – und nicht die Verwaltungsbehörden – zur wirksamen Ausgestaltung von Rechtsschutzeinrichtungen verpflichte. Der Verfassungsgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung mehrfach betont, dass der Sinn des rechtstaatlichen Prinzips darin gipfle, dass alle Akte staatlicher Organe im Gesetz und mittelbar letzten Endes in der Verfassung begründet sein müssten und ein System von Rechtsschutzeinrichtungen die Gewähr dafür biete, dass nur solche Akte in ihrer rechtlichen Existenz als dauernd gesichert erscheinen würden, die in Übereinstimmung mit den sie bedingenden Akten höherer Stufe erlassen worden seien (VfSlg 11.196/1986).
Das Bundesverwaltungsgericht habe daher zu Recht erkannt, dass die Beschwerde des ORF gegen den Bescheid der KommAustria vom , in der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit beantragt habe, unzulässig gewesen sei. Denn für eine solche Feststellung gebe es keine (verfassungs-)gesetzliche Grundlage.
II.Rechtslage
1.§§17 und 45 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl 51/1991 idF BGBl I 161/2013, lauten:
"Akteneinsicht
§17. (1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien bei der Behörde in die ihre Sache betreffenden Akten Einsicht nehmen und sich von Akten oder Aktenteilen an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder auf ihre Kosten Kopien oder Ausdrucke erstellen lassen. Soweit die Behörde die die Sache betreffenden Akten elektronisch führt, kann der Partei auf Verlangen die Akteneinsicht in jeder technisch möglichen Form gewährt werden.
(2) Allen an einem Verfahren beteiligten Parteien muß auf Verlangen die Akteneinsicht in gleichem Umfang gewährt werden.
(3) Von der Akteneinsicht sind Aktenbestandteile ausgenommen, insoweit deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen einer Partei oder dritter Personen oder eine Gefährdung der Aufgaben der Behörde herbeiführen oder den Zweck des Verfahrens beeinträchtigen würde.
(4) Die Verweigerung der Akteneinsicht gegenüber der Partei eines anhängigen Verfahrens erfolgt durch Verfahrensanordnung.
[…]
Allgemeine Grundsätze über den Beweis
§45. (1) Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.
(2) Im übrigen hat die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
(3) Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen."
2.§§31c Abs 1 und 36 des Bundesgesetzes über den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz, ORF-G), BGBl 379/1984 idF BGBl I 115/2017, lauten:
"Marktkonformes Verhalten
§31c.(1) Dem Österreichischen Rundfunk aus Programmentgelt zufließende Mittel dürfen nicht in einer zur Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags nicht erforderlichen wettbewerbsverzerrenden Weise verwendet werden. Insbesondere darf der Österreichische Rundfunk diese Mittel nicht dazu verwenden:
1. Senderechte zu überhöhten, nach kaufmännischen Grundsätzen nicht gerechtfertigten Preisen zu erwerben;
2. Kommerzielle Kommunikation zu Preisen zu vergeben, die gemessen an kaufmännischen Grundsätzen zu niedrig sind und lediglich dazu dienen, den Marktanteil am Werbemarkt zu Lasten der Mitbewerber anzuheben. […]
Rechtsaufsicht
§36. (1) Die Regulierungsbehörde entscheidet neben den anderen in diesem Bundesgesetz und im KommAustria-Gesetz genannten Fällen – soweit dafür nicht eine andere Verwaltungsbehörde oder ein Gericht zuständig ist – über die Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes mit Ausnahme der Be-stimmungen des 5a. Abschnittes oder über die Verletzung des Umfangs eines Angebotskonzepts einschließlich allfälliger nach § 6b Abs 2 erteilten Auflagen
1. auf Grund von Beschwerden
a. einer Person, die durch eine Rechtsverletzung unmittelbar geschädigt zu sein behauptet;
b. eines die Rundfunkgebühr entrichtenden oder von dieser befreiten Rundfunkteilnehmers im Sinne des Rundfunkgebührengesetzes, sofern die Beschwerde von mindestens 120 solchen Personen oder Personen, die mit einem die Rundfunkgebühr entrichtenden oder mit einem von dieser Gebühr befreiten Rundfunkteilnehmer im gemeinsamen Haushalt wohnen, unterstützt wird sowie
c. eines Unternehmens, dessen rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch die behauptete Verletzung berührt werden.
[…]
(3) Beschwerden sind innerhalb von sechs Wochen, Anträge sind innerhalb von sechs Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt der behaupteten Verletzung dieses Bundesgesetzes, einzubringen. Offensichtlich unbegründete Beschwerden und Anträge sind ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
[…]"
III.Erwägungen
A. Die Beschwerde ist, soweit sie sich gegen Spruchpunkt B) II. richtet, unzulässig:
Eine Beschwerde gemäß Art 144 Abs 1 B-VG ist unzulässig, soweit das Erkenntnis oder der Beschluss des Verwaltungsgerichtes die Zulässigkeit der Revision zum Inhalt hat (Art144 Abs 5 B-VG). Gemäß § 88a Abs 2 Z 1 VfGG ist eine Beschwerde gegen Aussprüche gemäß § 25a Abs 1 VwGG, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist, nicht zulässig. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen, soweit sie sich gegen den in Spruchpunkt B) II. getroffenen Ausspruch der Zulässigkeit bzw Unzulässigkeit der Revision richtet (vgl ).
B. Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt A) II. richtet, ist sie zulässig und auch begründet:
1.Die KommAustria ist in ihrem im Ausgangsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheid erkennbar davon ausgegangen, dass einschlägige, ua vom ORF vorgelegte Unterlagen in gewissem Ausmaß Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten. Die betroffenen Unterlagen seien aber, weil für die Entscheidungsfindung der Behörde wesentlich, allen Verfahrensparteien und damit auch der nunmehr beteiligten Partei zu übermitteln, um das Parteiengehör zu wahren.
Die KommAustria hat also das insbesondere in Mehrparteienverfahren wie dem vorliegenden öfters auftretende Spannungsfeld zwischen der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und der Wahrung des Rechts auf Parteiengehör bei der Akteneinsicht erkannt. Mangels diesbezüglich spezieller gesetzlicher Regelung (wie sie der Gesetzgeber in anderen Zusammenhängen, beispielsweise in § 337 BVergG 2018 oder in Umsetzung der Richtlinie 2016/943/EU über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen [Geschäftsgeheimnisse] vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, ABl. 2016 L 157, 1, nunmehr in § 26h UWG vorsieht) hat die KommAustria im hier maßgeblichen Kontext der Wettbewerbsaufsicht nach dem Abschnitt 6a des ORF-G die damit erforderliche Abwägung (siehe Hanslik, Parteiengehör und Geheimnisschutz im Verwaltungsverfahren, 2013, 139 ff.) auf Grundlage von § 17 Abs 3 und § 45 Abs 3 AVG dahingehend vorgenommen, dass – im Anschluss an zum Telekommunikationsrecht ergangene Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (jeweils mwN ; , 2011/07/0006) – zur Hintanhaltung "geheimer Beweismittel" der Verfahrenstransparenz zur Wahrung der Rechte gegenbeteiligter Verfahrensparteien jedenfalls der Vorzug gegenüber Geheimhaltungsinteressen zu geben sei. Dementsprechend hat die KommAustria die einschlägigen Unterlagen der nunmehr beteiligten Partei ebenso übermittelt wie deren Unterlagen, für die ebenso Geheimhaltungsansprüche geltend gemacht wurden, dem ORF.
2.Die KommAustria hat ihre diesbezügliche Entscheidung in Ansehung des § 17 Abs 4 AVG nicht in einem selbstständig anfechtbaren verfahrensrechtlichen Bescheid getroffen, sondern die jeweiligen Unterlagen der jeweils anderen Verfahrenspartei zur Kenntnis gebracht. Dagegen ist eine gesonderte Beschwerde an das Verwaltungsgericht nicht möglich; eine allfällige Verletzung von Verfahrensvorschriften kann (nur) im Wege einer Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht gegen die das Verfahren abschließende (Sach-)Entscheidung geltend gemacht werden. Dass die Rechtsverletzung nicht im Eigentlichen durch die Anordnung des verwaltungsbehördlichen Bescheides (im Spruch) selbst, sondern durch eine Entscheidung der Behörde während des Verfahrens erfolgt, ist die Konsequenz der Verfahrensvorschrift des § 17 Abs 3 AVG. Wie durch den das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheid das Recht auf Parteiengehör verletzt sein kann, weil die Behörde im Verfahren dieses nicht entsprechend gewahrt hat, kann dieser Bescheid auch das in § 17 Abs 3 AVG zum Ausdruck kommende Recht auf Ausnahme bestimmter Aktenbestandteile von der Einsichtnahme verletzen, wenn eine solche zu Unrecht nicht erfolgt.
3.Der ORF hat in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gerade (auch) eine solche Verletzung in seinem Recht aus § 17 Abs 3 AVG geltend gemacht. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Prüfung dieser Rechtsverletzungsbehauptung mit der Begründung abgelehnt, dass im Spruch des vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheides die KommAustria über ein solches Recht des ORF nicht abgesprochen habe und die Frage, ob die KommAustria die einschlägigen Unterlagen des ORF zu Recht oder zu Unrecht der Einsicht durch die Verfahrensparteien unterworfen hat, nicht zur Sache zähle, über die das Bundesverwaltungsgericht zu entscheiden habe. Damit verkennt das Bundesverwaltungsgericht aber, wie oben ausgeführt, den Zusammenhang zwischen möglicher Verletzung von Verfahrensrechten und abschließender Sachentscheidung.
Da das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes ua auch dann verletzt wird, wenn das Verwaltungsgericht seine Zuständigkeit in gesetzwidriger Weise ablehnt, etwa in dem es zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 16.079/2001 und 16.737/2002), hat das Bundesverwaltungsgericht durch seine zurückweisende Entscheidung den beschwerdeführenden ORF in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlass des vorliegenden Falles entgegen dem Beschwerdevorbringen keine Bedenken dagegen, dass eine solche behauptete Rechtsverletzung (erst) mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht gegen den die Verwaltungssache erledigenden Bescheid geltend gemacht werden kann:
4.1. Der Schutz von Geheimnissen in der beruflichen Sphäre, insbesondere von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, ist vom Schutzbereich des Rechtes auf Achtung des Privatlebens gemäß Art 8 EMRK erfasst (VfSlg 19.996/2015; EGMR , Fall Niemietz, Appl 13.710/88 [Z29 ff.]; , Fall Société Colas Est ua, Appl 37.971/97 [Z41]; vgl , Varec SA, Rz 48; Grabenwarter/Pabel, EMRK6, 2016, § 24 Rz 100).
Zu den verfassungsrechtlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens zählt die Gewährleistung eines fairen Verfahrens mit entsprechenden Garantien, wie sie insbesondere in Art 6 EMRK verankert sind. Der Verfassungsgerichtshof hat sich wiederholt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zum Prinzip der Waffengleichheit angeschlossen, wonach das staatliche Recht hinreichende Schutzvorkehrungen bieten muss, die sicherstellen, dass die Fairness des Verfahrens garantiert ist, wozu auch der Zugang zu den Verfahrensakten zählt (VfSlg 16.560/2002, 19.730/2012, 19.959/2015, 19.996/2015). Aus Art 6 EMRK erfließt daher ein auf den Grundsatz der Waffengleichheit gegründetes selbstständiges Recht auf Akteneinsicht (Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1997, 601). Daraus ergibt sich im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens aus Sicht der Behörde die Pflicht, Akteneinsicht zu gewähren, bzw aus Sicht einer Verfahrenspartei ein subjektives Recht darauf, Einsicht in Verfahrensakten zu nehmen.
In Mehrparteienverfahren können die Interessen von Verfahrensparteien auf Zugang zu verfahrensrelevanten Informationen mit den Interessen von Verfahrensparteien auf Schutz vertraulicher Angaben und Geschäftsgeheimnisse in Konkurrenz treten. Weder das grundrechtlich durch Art 6 EMRK im Rahmen des Prinzips der Waffengleichheit gewährleistete Recht auf Zugang zu Verfahrensakten noch das grundrechtlich insbesondere durch Art 8 EMRK geschützte Recht auf Geheimhaltung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vermögen eine absolut geschützte Rechtsposition zu begründen. Vielmehr ist im Verwaltungsverfahren bzw im verwaltungsgerichtlichen Verfahren das Zugangsrecht zu entscheidungsrelevanten Informationen gegen das Recht anderer Verfahrensparteien auf Schutz ihrer vertraulichen Angaben und ihrer Geschäftsgeheimnisse abzuwägen. Der Grundsatz des Schutzes von vertraulichen Informationen und Geschäftsgeheimnissen muss so ausgestaltet sein, dass er mit den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes und der Wahrung der Verfahrensrechte der am Verfahren Beteiligten im Einklang steht und dass sichergestellt ist, dass insgesamt das Recht auf ein faires Verfahren beachtet wird.
4.2. Der Umstand, dass einzelne Aktenbestandteile nach § 17 Abs 3 AVG von der Akteneinsicht ausgenommen werden, bedeutet vor diesem Hintergrund daher noch nicht zwingend, dass damit eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs 3 AVG einhergeht, wenn die Behörde die entsprechenden Aktenbestandteile dennoch heranzieht. Zwar stellt es den Grundsatz jedes rechtsstaatlich geordneten behördlichen Verfahrens dar, dass es keine geheimen Beweismittel geben darf (so jeweils fallbezogen ; , 2011/07/0006). In bestimmten, außergewöhnlichen Fällen kann es aber zur Wahrung der Grundrechte eines Dritten bzw anderer Verfahrensbeteiligter oder zum Schutz wichtiger Interessen der Allgemeinheit erforderlich sein, den Parteien bestimmte Informationen vorzuenthalten, solange sichergestellt ist, dass sowohl die Behörde als auch das im Rechtsmittelweg angerufene Verwaltungsgericht über alle entscheidungserheblichen Unterlagen vollumfänglich verfügen (vgl , Varec SA; weiters Hanslik, aaO, 139 ff.) Die den Verfahrensparteien vorenthaltenen Informationen sind dabei auf das unbedingt notwendige Ausmaß zu beschränken und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Entscheidungsgrundlagen so zu begrenzen, dass vorzuenthaltende Informationen zur Entscheidungsfindung nicht herangezogen werden müssen. Die Behörde bzw das Verwaltungsgericht haben dabei die ihrer Vorgangsweise zugrunde liegende Abwägung zwischen Geheimhaltungsanspruch und Recht auf Akteneinsicht und damit Transparenz der Entscheidungsgrundlage nachvollziehbar zu begründen, sodass die Verfahrensparteien diese zum Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Kontrolle bzw einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof machen können.
Grundsätzlich sind damit auf dem Boden des § 17 AVG effektiver Rechtsschutz (VfSlg 13.699/1994) und wirksame Beschwerde (Art13 EMRK) gewährleistet.
4.3. Zwar entsteht im Fall eines Streits über die Notwendigkeit der Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, wenn der Informationsfluss einmal erfolgt ist, der "Schaden" für die betroffene Partei bereits im Zeitpunkt der Offenlegung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und kann auch – anders als etwa eine Verweigerung der Akteneinsicht und die daraus folgende Verletzung des Parteiengehörs – im Rechtsschutzweg nicht wieder rückgängig gemacht werden. Dies ist aber in Fällen von Informationsweitergaben unumgänglich (vgl für eine insoweit vergleichbare Konstellation VfSlg 18.747/2009). Der "Schaden" könnte entweder nur durch einen unbedingten Vorrang des Geheimhaltungsanspruchs oder dadurch vermieden werden, dass mit selbstständig bekämpfbarem verfahrensrechtlichen Bescheid über die Informationsweitergabe im Verfahren entschieden wird, sodass im Rechtsschutzweg geklärt werden kann, ob die Offenlegung der Information rechtmäßig ist. In beiden Fällen ginge der Geheimhaltungsanspruch jedenfalls vor und wäre insoweit absolut: einmal gegenüber gegenläufigen, ebenso grundrechtlich verankerten Rechten anderer Verfahrensparteien, das andere Mal gegenüber dem öffentlichen Interesse und dem ebenso grundrechtlich verankerten Interesse anderer Verfahrensparteien an einer raschen Erledigung des Verfahrens. Einen solchen absoluten Vorrang der Geheimhaltungsinteressen gegenüber verfahrensrechtlichen Gewährleistungen begründet Art 8 EMRK aber, wie dargelegt (siehe oben Pkt. III.B.4.1.), ebenso wenig wie umgekehrt Art 6 EMRK einen absoluten Vorrang verfahrensrechtlicher Gewährleistungen gegenüber Geheimhaltungsinteressen.
5. Die im vorliegenden Fall bereits erfolgte Offenlegung der einschlägigen Informationen kann durch eine den angefochtenen Bescheid aufhebende oder abändernde Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache freilich nicht (mehr) beseitigt werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich daher im fortgesetzten Verfahren – falls es eine einschlägige Rechtsverletzung gegenüber dem ORF für gegeben erachtet – auf den Ausspruch zu beschränken, dass eine Verletzung der beschwerdeführenden Partei in ihrem Recht aus § 17 Abs 3 AVG stattgefunden hat.
Einer solchen Feststellung durch das Bundesverwaltungsgericht stehen weder die Art 130 und 132 B-VG noch Bestimmungen des VwGVG, insbesondere nicht deren § 9, 27 und 28, entgegen (vgl zum Verfahren nach Art 144 B-VG VfSlg 13.893/1994, 18.014/2006). In der hier vorliegenden besonderen Konstellation entscheidet das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdesache inhaltlich durch Feststellung (vgl allgemein zur deklaratorischen Sachentscheidung Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht, Bd 2: Staatliche Organisation3, 2014, Rz 37.018).
IV.Ergebnis
1.Die beschwerdeführende Partei ist somit durch Spruchpunkt A) II. der angefochtenen Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art 83 Abs 2 B-VG verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2.Im Übrigen ist die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt B) II. richtet, zurückzuweisen.
3.Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4.Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
5.Dem Antrag der beteiligten Partei auf Kostenersatz ist nicht stattzugeben, weil es sich bei dem von ihr eingebrachten Schriftsatz, mit dem sie von der ihr eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Äußerung Gebrauch gemacht hat, nicht um einen abverlangten Schriftsatz handelt (zB VfSlg 10.957/1986, 13.847/1994, 15.300/1998) und die von ihr erstattete Äußerung nichts zur Rechtsfindung beigetragen hat (zB VfSlg 14.214/1995, 15.916/2000, 18.315/2007, 19.016/2010).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VFGH:2019:E1025.2018 |
Schlagworte: | Rundfunk, Privatfernsehen, Parteiengehör, Privat- und Familienleben, fair trial, Wettbewerbsrecht |
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