OGH vom 06.04.1994, 9ObA604/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Hans Peter Bobek und Erwin Macho als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Österreichischer Gewerkschaftsbund für die Fachgewerkschaft der Chemiearbeiter, Stumpergasse 60, 1060 Wien, wider den Antragsgegner Fachverband der chemischen Industrie Österreichs in der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Wiedner Hauptstraße 63, 1040 Wien, vertreten durch den Geschäftsführerstellvertreter Ing.Friedrich Radelwimmer, ebendort, über den vom Antragsteller gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Antrag auf Feststellung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Es wird festgestellt, daß Arbeitnehmern, denen nach dem Rahmenkollektivvertrag für die Arbeiter und Arbeiterinnen der chemischen Industrie vom eine Schichtzulage (Punkt 32) oder eine Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage (Punkt 35) gebührt, Anspruch auf Einbeziehung dieser Zulagen in die Berechnung des Überstundenentgeltes haben, soweit im Kollektivvertrag nicht ohnehin ein höherer Zuschlag als 50 % vorgesehen ist.
Hingegen wird das Mehrbegehren, insbesondere auf unbeschränkte Einbeziehung obgenannter Zulagen und auf Feststellung der Einbeziehung einer Qualifikationszulage oder Prämie (Punkt 38) oder einer vereinbarten Dienstalterszulage in die Berechnung des Überstundenentgeltes abgewiesen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller begehrt die Feststellung, daß Arbeitnehmern, denen nach dem Rahmenkollektivvertrag für die Arbeiter und Arbeiterinnen der chemischen Industrie vom eine Schichtzulage (Punkt 32), eine Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage (Punkt 35), eine Qualifikationszulage oder Prämie (Punkt 38) oder vereinbarungsgemäß eine Dienstalterszulage gebührt, Anspruch auf Einbeziehung dieser Zulagen in die Berechnung des Überstundenentgelts haben. Zur Begründung seines Antrags führte der Antragsteller aus, daß zwischen den Parteien die mehr als drei Arbeitnehmer betreffende Frage strittig geworden sei, ob nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag bestimmte Zulagen in die Ermittlung des Überstundenentgelts einzubeziehen seien.
Der Rahmenkollektivvertrag für die Arbeiter und Arbeiterinnen der chemischen Industrie vom (kurz KV) enthält ua folgende Bestimmungen:
IV. Entlohnung
(29) Die Entlohnung erfolgt auf Monatsbasis. Sie besteht aus dem Monatsbezug, den Schichtzulagen, der Nachtarbeitszulage und allen anderen im Betrieb vereinbarten Zulagen und Zuschläge.
Kollktivvertraglicher Monatsbezug
(30) Die Festsetzung des kollektivvertraglichen Monatsbezuges ist den zwischen den Organisationen abzuschließenden Verträgen (siehe Bezugstabellen) vorbehalten.
Monatsbezug
(31) Der Monatsbezug ist der effektiv gezahlte laufende Bezug einschließlich allfällig gewährter Zulagen, jedoch mit Ausnahme vom Schutz-, Gefahren- und Erschwerniszulagen, Schichtzulagen, Nachtarbeitszulagen, Dienstalterszulagen und Sozialzulagen. Variable Entgeltbestandteile und nicht auf den Bezug bezogene Zuwendungen gehören nicht zum Monatsbezug.
Schicht- und Nachtarbeitszulagen
(32) Arbeitnehmern, die im Dreischichtbetrieb oder in nicht kontinuierlichen Zweischichtbetrieben arbeiten, erhalten während der Schicht Schichtzulagen, deren Höhe in der jeweils geltenden Tabelle Beilage ./E geregelt ist ... .
Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage
(35) Sofern in einzelnen Betrieben gemäß der Eigenart der zu verrichtenden Arbeiten in erheblichem Maße Schmutz, Gefahr oder eine Erschwernis vorhanden ist, sind den davon betroffenen Arbeitnehmern Zulagen zu gewähren.
Qualifikationszulagen und Prämien
(38) Für besonders qualifizierte Arbeitnehmer können betrieblich Qualifikationszulagen sowie auch Prämien vereinbart werden.
Entlohnung der Sonn-, Feiertags- und Überstundenarbeit
Grundvergütung
(52) Für die Zwecke der Berechnung der Grundvergütung bei Sonn-, Feiertags- und Überstundenarbeit ist der Monatsbezug im Sinne des Punktes 31 durch 165 zu teilen.
Überstundenarbeit an Wochentagen
(55) Für Überstunden gebührt ein Zuschlag von 50 % auf die Grundvergütung, soweit es sich nicht um besonders qualifizierte Überstunden handelt, für welche in der Folge ein höherer Zuschlag als 50 % vorgesehen ist. ... .
Der Antragsteller behauptete folgenden Sachverhalt (vgl Kuderna, ASGG § 54 Erl 13):
In manchen Betrieben werden diese Zulagen bei der Berechnung des Überstundenentgelts berücksichtigt, in anderen Betrieben jedoch nicht. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Zulagen während der Normalarbeitszeit sind auch während der Überstundenarbeit gegeben. In zahlreichen Betrieben werden auch Dienstalterszulagen ausgezahlt.
Dazu brachte der Antragsteller vor, daß gemäß § 10 Abs 2 AZG der Berechnung des Zuschlags der auf die einzelne Arbeitsstunde entfallende Normallohn (= Überstundengrundlohn) zugrunde zu legen sei. Der Begriff des "Normallohns" sei nach Lehre und Judikatur weit auszulegen; er umfasse das gesamte für eine Arbeitsstunde gebührende Entgelt, einschließlich der Zulagen, Zuschläge, Prämien udgl. Nach den Intentionen des Gesetzgebers sollte dem Arbeitnehmer die Zusatzbelastung finanziell abgegolten und für die Arbeitgeber dadurch der Anreiz zur Anordnung von Überstunden hintangehalten werden. Es sei daher nicht einzusehen, warum sich der Grundlohn für die Mehrarbeit gegenüber dem Grundlohn für eine Normalarbeitsstunde plötzlich verringern sollte.
Nach § 10 Abs 2 letzter Satz AZG könne durch Kollektivvertrag zwar eine andere Berechnungsart vereinbart, nicht aber der zwingende Anspruch auf die Höhe des Überstundenzuschlags (mindestens 50 % des Normallohns) beschnitten werden. Da die angeführten Zulagen bei Erfüllung der angegebenen Bedingungen sämtlichen Arbeitnehmern für die in der Normalarbeitszeit erbrachte Arbeitsleistung in "regelmäßigen Zeitabschnitten" zusammen mit den übrigen Entgeltbestandteilen gebührten, seien sie ein Teil des Normallohns im Sinne des § 10 Abs 2 AZG und damit der Disposition der Kollektivvertragsparteien entzogen.
Der Antragsgegner beantragte, den Feststellungsantrag abzuweisen. Schon aus dem Zweck der Zulagen ergebe sich, daß die Voraussetzungen für ihre Gewährung schon während der Normalarbeitszeit nicht regelmäßig vorhanden seien. Es handle sich dabei um außerordentliche Entgeltbestandteile, die nicht unter den gesetzlichen Begriff des Normallohns zu subsumieren seien.
Schicht- und Nachtarbeitszulagen:
Diese gebührten ausschließlich für die Erbringung von Arbeitsleistungen in einer ganz bestimmten Arbeitszeit und seien ihrer Natur nach Sondervergütungen für die Mehrleistung der Arbeitnehmer. Eine nochmalige Berücksichtigung würde zu einer ungerechtfertigten und nicht gewollten Vervielfachung der Zuschläge führen. Durch die unterschiedliche Lagerung der einzelnen Schichten und die daran anknüpfende Höhe der Schichtzulage weise eine Überstunde jedenfalls einen von der vorangegangenen Schicht abweichenden Schichtzuschlag auf. Der vom Antragsteller behauptete Sachverhalt sei in dieser pauschalen Form logisch nicht ableitbar; der Antrag sei unschlüssig.
Die Beilage ./E lege lediglich Mindestzulagen fest, die häufig durch innerbetriebliche höhere (und anrechenbare) Zulagen ersetzt würden. Diese betrieblichen Regelungen seien sowohl nach den Anspruchsvoraussetzungen als auch in der Höhe der Zuschlagen verschieden. Es werde auch bezüglich der Höhe der betrieblichen Zulagen auf den Regelungszusammenhang des Kollektivvertrags abgestellt und von der Grundvergütung als Bemessungsgrundlage ausgegangen.
Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen:
Dabei handle es sich um Entgeltbestandteile, die ausschließlich für die Erbringung einer bestimmten - nicht regelmäßig anfallenden - Arbeitsleistung gebührten, wobei diese Leistungen keineswegs zwingend in der Normalarbeitszeit oder in der darüber hinausgehenden Arbeitszeit erbracht würden. Die Forderung des Antragstellers nach Einbeziehung sei schon deshalb unzulässig, da diese Zulagen - bei unterschiedlicher innerbetrieblicher Regelung der Anspruchsvoraussetzungen - sowohl stundenbezogen als auch pauschal für die gesamte Arbeitszeit (Normalarbeitszeit und geleistete Überstunden) vorkämen. Es trete auch oft der von der abstrakten Sachverhaltsdarstellung des Antragstellers nicht umfaßte Fall ein, daß eine anspruchsbegründende Belastung während der Arbeitszeit nur unregelmäßig anfalle oder entweder nur in der Normalarbeitszeit oder nur während der Überstunden vorliege. Es bestehe kein Grund, diese Zulagen, die bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen in der Überstundenvergütung ohnehin berücksichtigt würden, durch Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage nochmals zu berücksichtigen.
Qualifikationzulagen und Prämien sowie Dienstalterszulagen:
Diese Zulagen seien bewußt nicht in den Begriff des Monatsbezugs aufgenommen worden, da sie ihrer Natur nach nicht zwingend regelmäßig gebührten. Je nach betrieblicher Vereinbarung seien diese Zulagen als Einmalbezug (Qualifikationszulage) vorgesehen oder von einem wirtschaftlichen Erfolg im jeweiligen Geschäftsjahr (Prämie) abhängig und nicht mit der Erbringung einer bestimmten Arbeitsleistung verknüpft.
Dienstalterszulagen seien vom Dienstalter abhängige Sozialzulagen, die mangels jeglichen Leistungsbezugs nicht in den Normallohn einzubeziehen seien und häufig als Sonderzahlungen vereinbart würden. Der gegenständliche Antrag sei auch in diesem Punkt nicht schlüssig, da zwar eingeräumt werde, daß die Möglichkeit der Vereinbarung und Zahlung der Zulagen den einzelnen Betrieben vorbehalten sei, der Antrag aber, ohne derartige Vereinbarungen konkret zu bezeichnen, offensichtlich von einer regelmäßigen Gewährung ausgehe. Werde aber eine solche Gewährung nur für möglich gehalten, könne nicht mit Gewißheit behauptet werden, daß - zutreffendenfalls - derartiges mit Regelmäßigkeit geschehe.
Die Bestimmungen des Kollektivvertrags über den Monatsbezug, die Grundvergütung und die Überstundenzuschläge seien Bestandteil einer aufeinander abgestimmten einheitlichen Entlohnungsregelung, welche die Arbeitnehmer - verglichen mit der zwingenden gesetzlichen Berechnungsgrundlage des Normallohns - günstiger stelle. Mangels zwingender gesetzlicher Bestimmungen könne die geforderte Einbeziehung der Zulagen jedenfalls nicht für jene Überstunden zur Anwendung kommen, für die im Kollektivvertrag ohnehin bereits ein höherer Zuschlag als 50 % vorgesehen sei. Die auf der Grundvergütung beruhenden Bestimmungen, die in weiten Bereichen einen das gesetzliche Ausmaß übersteigenden Zuschlag gewährten, beruhten somit auf einer ausgewogenen Regelung, die der Zielsetzung des AZG entspreche.
Durch die punktuelle Herauslösung nur eines Zuschlags werde die Vertragsfreiheit und die Günstigkeitsklausel auf unangemessene und sachlich nicht gerechtfertigte Weise eingeschränkt. Dem Versuch, Entgelterhöhung durch Gerichtsentscheidung herbeizuführen, fehle auch das rechtliche Feststellungsinteresse. Für derartige Forderungen stehe der nicht unökonomischere Weg der Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern offen. Wäre für die Überstundenvergütung nicht die Grundvergütung, sondern der nunmehr geforderte Normallohn als Bemessungsbasis heranzuziehen, hätte der Antragsgegner der kollektivvertraglichen Regelung nicht zugestimmt. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung der Kollektivvertragsbestimmungen sei der vom Antragsteller behauptete pauschale Sachverhalt nicht schlüssig ableitbar; konkrete zutreffende Behauptungen seien aber vom Antragsteller nicht aufgestellt worden.
Rechtliche Beurteilung
Der Feststellungsantrag ist zum Teil berechtigt.
Vorauszuschicken ist, daß das für einen Antrag nach § 54 Abs 2 ASGG erforderliche rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses nicht dadurch zum Wegfall kommt, daß die Kollektivvertragsparteien eine andere Entgeltregelung treffen könnten oder eine Bereinigung des streitigen Rechtsverhältnisses schon durch eine Leistungsklage möglich wäre (Kuderna, ASGG § 54 Erl 23 ff). Soweit sich der Antragsteller auf nur pauschale Behauptungen beschränkte, ohne auf die in den verschiedenen Betrieben der Mitgliedsunternehmen des Antragsgegners bestehenden Vereinbarungen differenzierend einzugehen, wird der Antrag zwar noch nicht unschlüssig, aber dadurch entwertet, daß ihm allenfalls im Einzelfall keine streitvermindernde Wirkung zukommen kann. Aus diesem Grund kann die Beurteilung der angeschnittenen Rechtsfragen auch nur in allgemeiner und pauschaler Form erfolgen.
Wie der Oberste Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, sind in den der Berechnung der Überstundenvergütung gemäß § 10 Abs 2 AZG zugrunde zu legenden "Normallohn" alle Entgeltbestandteile (einschließlich der Zulagen, Zuschläge und Prämien udgl.) einzubeziehen, die einem Arbeitnehmer für die während der normalen Arbeitszeit erbrachte (und während der Überstunden fortgesetzte) Arbeitsleistung gebühren. Überstundenarbeit ist insoferne nichts anderes als die Fortsetzung der Normalarbeit. Nur jene Entgeltbestandteile, die ausschließlich für die Erbringung einer ganz bestimmten Arbeitsleistung gebühren, scheiden aus dem Normallohn und damit aus der Berechnung des Überstundenentgelts aus, wenn der Arbeitnehmer diese bestimmte Arbeitsleistung während der Zeit seiner Überstundenarbeit nicht erbringt. Erhält der Arbeitnehmer jene Entgeltbestandteile aber auch für den Zeit seiner Normalarbeit ohne Rücksicht darauf, ob er die betreffende Leistung erbringt, sind diese Entgeltbestandteile auch in den Normallohn einzubeziehen.
Andererseits fallen außerordentliche Entgeltbestandteile, die
insbesondere nicht an eine bestimmte Arbeitsleistung anknüpfen oder
wenn sie nicht in regelmäßigen Zeitabschnitten gewährt werden, nicht
unter den Begriff des Normallohns. Nach diesen Grundsätzen scheiden
sohin etwa Aufwandsentschädigungen, Sonderzahlungen, nicht an die
Arbeitsleistung anknüpfende außerordentliche Entgeltbestandteile (wie
Kinder- und Familienzulagen) und Entgeltbestandteile, die
ausschließlich für die Erbringung einer bestimmten, vom Arbeitnehmer
während der Überstundenarbeit nicht verrichtete Arbeitsleistung
gebühren, aus dem Normallohn und damit aus der Berechnung des
Überstundenentgelts aus (vgl Grillberger, AZG § 10 Erl 3.3; Cerny,
Arbeitszeitrecht2 100; Spielbüchler in
Floretta-Spielbüchler-Strasser, ArbR3 I 192; Schwarz-Löschnigg, ArbR4
314 nwH; Klein in FS Strasser (1983), Das Überstundenentgelt 125 ff,
133; Arb 10.357 = ZAS 1985, 179 [zust Kohlmaier]; RdW 1988, 297; 9
ObA 515/89 = Infas 1990 A 142 ua).
So wurde bereits entschieden, daß Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Nachtarbeitszulagen bei Verrichtung der gleichen Arbeiten außerhalb der Normalarbeitszeit nicht nur im einfachen Ausmaß zu gewähren, sondern grundsätzlich auch in die Berechnung des Überstundenzuschlags einzubeziehen sind, wenn diese Zulagen auch für eine bestimmte während der Normalarbeitszeit geleistete Arbeit zusätzlich zum Grundstundenlohn regelmäßig gewährt werden (9 ObA 147/87 = teilweise Infas 1988 A 54). Diese Erwägungen treffen nach den behaupteten Voraussetzungen auf die im Kollektivvertrag geregelten Schicht- und Nachtarbeitszulagen (vgl auch 4 Ob 145/77) sowie die Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage zu. Ebenso bildet die Dienstalterszulage einen Teil des Normallohns iS des § 10 Abs 2 AZG, soweit sie den Arbeitnehmern für die in der normalen Zeit erbrachte Arbeitsleistung in regelmäßigen Zeitabschnitten zusammen mit den übrigen Entgeltbestandteilen gebührt (9 ObA 515/89 betreffend den Kollektivvertrag für die Speditionsangestellten Österreichs: Auszahlung 14-mal jährlich). Werden diese Zahlungen aber nicht in regelmäßigen Zeitabschnitten gewährt und gebühren losgelöst vom "laufenden Entgelt" etwa zu bestimmten Fälligkeitsterminen, zwischen denen ein wesentlich längerer Zeitraum liegt als der eines normalen Lohnzahlungszeitraumes (etwa Sonderzahlungen), verlieren sie ihren Bezug zu einer bestimmten Arbeitsleistung, so daß sie in die Berechnungsgrundlage des mit der konkreten Arbeit im engsten Zusammenhang stehenden Überstundenentgelts nicht einzubeziehen sind (Arb 10.357). Insoweit ist der Begriff des "Normallohns" gegenüber dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff des "Entgelts" eingeschränkt. Zu dieser Frage fehlt es aber an jeglichen zwischen den möglichen Individualvereinbarungen differenzierenden Behauptungen (Art der Vereinbarung, Anfall, Fälligkeit, Auszahlung, Periodizität udgl.), da sich der Antragsteller mit dem Hinweis begnügte, daß in zahlreichen Betrieben "Dienstalterszulagen" zur Auszahlung kämen.
Gemäß Punkt 38 des Kollektivvertrags "können" für besonders qualifizierte Arbeitnehmer Qualifikationszulagen und Prämien vereinbart werden. Es kommt daher dabei ebenfalls auch die individuell-konkrete Ausgestaltung dieser Vereinbarungen an. Auch diesbezüglich bleibt offen, ob es sich bei dieser vertraglich zuerkannten Zulage oder Prämie um außerordentliche Entgeltbestandteile handelt, die im oben aufgezeigten einschränkenden Sinn "regelmäßig" mit dem übrigen Entgelt zustehen oder ob diese, wie der Antragsgegner einwendet, je nach betrieblicher Vereinbarung nur einmal gezahlt werden oder überhaupt vom wirtschaftlichen Erfolg im jeweiligen Geschäftsjahr abhängig sind, so daß der Zusammenhang mit der konkreten Arbeit nicht mehr angenommen werden könnte. Die Behauptung, diese Leistungen würden in "regelmäßigen Zeitabschnitten" gewährt, ist bereits eine vorweggenommene Wertung ohne sachliches Substrat (Periodizität udgl.).
Nach dem allgemein zu berücksichtigenden pauschalen Sachverhalt kann daher dem Antragsteller lediglich darin beigepflichtet werden, daß die im Antrag angeführten Schicht-, Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen grundsätzlich in die Berechnung des Überstundenentgelts einzubeziehen sind. Dies unter der Voraussetzung, daß ein kollektivvertraglicher Anspruch darauf besteht und daß diese Zulagen für diese Arbeiten auch während der Normalarbeitszeit regelmäßig zum Grundstundenlohn gewährt werden. In diesem Fall sind diese Zulagen bei Verrichtung der gleichen Arbeit außerhalb der Normalarbeitszeit nicht nur im einfachen Ausmaß zu gewähren, sondern mit der nachfolgenden Ausnahme auch in die Berechnung des Überstundenzuschlags einzubeziehen. Hinsichtlich der übrigen Zulagen ist es zwar möglich, daß diese im Einzelfall einem Arbeitnehmer auch für die während der normalen Arbeitszeit erbrachte (und während der Zeit der Verrichtung der Überstunden fortgesetzte) Arbeitsleistung gebühren, doch kann dazu keine abschließende Beurteilung vorgenommen werden. Das Begehren des Antragstellers erweist sich daher in diesem Umfang als nicht feststellungsfähig.
Soweit diese Zulagen einen Teil des "Normallohns" iS des § 10 Abs 2 AZG bilden, sind sie entgegen der Ansicht des Antragsgegners der Disposition der Kollektivvertragsparteien hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die Überstundenvergütung nicht mehr zugänglich, da der im ursprünglichen Wortlaut des § 10 Abs 1 AZG, BGBl 1969/461 enthaltene Vorbehalt einer abweichenden Regelung der Überstundenvergütung durch Kollektivvertrag durch Art I Z 2 der Nov BGBl 1971/238 mit Wirkung vom beseitigt worden ist. Der gesetzliche Anspruch auf Überstundenvergütung, der bis dahin nur subsidiär für den Fall des Fehlens einer kollektivvertraglichen Regelung gegolten hatte, ist seither zu einer unabdingbaren Mindestnorm geworden. Durch Kollektivvertrag kann gemäß § 10 Abs 2 dritter Satz AZG zwar noch eine vom Gesetz abweichende "Berechnungsart" der Überstundenvergütung vereinbart werden, nicht aber der Vergütungsanspruch als solcher ausgeschlossen oder etwa im Wege einer abweichenden Regelung der Bemessungsgrundlage eingeschränkt werden (vgl Grillberger aaO § 10 Erl 3.4; Cerny aaO 101; Arb 10.451 mwH ua). Nur für den Fall, daß im Kollektivvertrag über § 10 AZG hinaus Ansprüche festgelegt werden, wie etwa der Anspruch auf einen 100 %igen Überstundenzuschlag für bestimmte (qualifizierte) Überstunden ist die Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien nicht beschränkt. In diesem Umfang ist es auch zulässig, eine von § 10 Abs 2 AZG abweichende Berechnungsgrundlage für die Ermittlung des Überstundenzuschlags zu statuieren, sofern der gesetzliche Mindestanspruch dadurch nicht unterschritten wird. Daß allenfalls bei Leistung einer größeren Zahl von Überstunden, die nach dem Kollektivvertrag mit einem 100 %igen Zuschlag abzugelten sind, die Stellung des Arbeitnehmers gegenüber den Bestimmungen des AZG günstiger ist, steht der Unwirksamkeit der gesetzwidrigen Bestimmungen insbesondere des Punktes 55 des Kollektivvertrags hinsichtlich der Regelung der Vergütung für "Normalüberstunden" nicht entgegen. Die Regelungen über die Entlohnung von Normalüberstunden und höherwertigen Überstunden müssen vielmehr getrennt beurteilt werden, da anderenfalls in allen Fällen, in denen ausschließlich Normalüberstunden geleistet werden und der Arbeitnehmer daher von der Begünstigung des Kollektivvertrags für höherwertige Überstunden ausgeschlossen ist, durch die kollektivvertragliche Regelung eine Verschlechterung gegenüber den günstigeren Ansprüchen gemäß § 10 AZG eintreten würde (9 ObA 60/90 = Infas 1991 A 21, ergangen zum Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe).