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OGH vom 06.09.2017, 13Os54/17s

OGH vom 06.09.2017, 13Os54/17s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Gerald F***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG aF sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 181 Hv 41/16i-15, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der dem Angeklagten angelasteten Finanzvergehen nach § 38 FinStrG sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerald F***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1, 38 Abs 1 und § 13 FinStrG idF BGBl I 2010/104 (A) und §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 FinStrG idF BGBl I 2010/104 (B) schuldig erkannt.

Danach hat er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes GrazStadt vorsätzlich und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Abgabenverkürzungen bewirkt, nämlich

A) unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige, Offenlegungs oder Wahrheitspflichten

I) als Einzelunternehmer, indem er Umsätze und Erlöse gegenüber der Abgabenbehörde nur zum Teil oder gar nicht offenlegte, und zwar

1) an Umsatzsteuer für das Jahr 2011 um 7.769,08 Euro, wobei es hinsichtlich eines Betrags von 2.000 Euro beim Versuch blieb, und für das Jahr 2012 um 5.440 Euro;

2) an Einkommensteuer für das Jahr 2011 um 8.774 Euro, für das Jahr 2012 um 5.877 Euro und für das Jahr 2013 um 1.933 Euro;

II) als Geschäftsführer der M***** GmbH, indem er Umsätze und Erlöse gegenüber der Abgabenbehörde nicht offenlegte, eine Verkürzung an Umsatzsteuer, und zwar für das Jahr 2011 um 33.066,11 Euro und für das Jahr 2012 um 23.923,14 Euro;

B) als Geschäftsführer der M***** GmbH unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen spätestens bis zum 15. des auf den Umsatz zweitfolgenden Monats eine Verkürzung von Umsatzsteuer, und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten, und zwar für Mai 2013 um 85,93 Euro, für Dezember 2013 um 36.352,44 Euro, für Jänner 2014 um 936 Euro, für Februar 2014 um 1.503,47 Euro, für März 2014 um 928,52 Euro, für April 2014 um 641,84 Euro, für Mai 2014 um 891,92 Euro, für Juni 2014 um 9.549,64 Euro, für Juli 2014 um 4.798,44 Euro, für August 2014 um 4.542,92 Euro, für September 2014 um 4.131,58 Euro, für Oktober 2014 um 700,19 Euro, für November 2014 um 3.406,34 Euro und für Dezember 2014 um 3.693,10 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider blieb weder die hinsichtlich des Grunddelikts geständige (ON 14 S 3, US 7) noch die (im Widerspruch dazu) Vorsatz in Abrede stellende Verantwortung des Beschwerdeführers bei den Feststellungen entscheidender Tatsachen unberücksichtigt, sondern wurde vielmehr Letztere vom Schöffensenat

als unglaubwürdig verworfen (US 7). Ausgehend davon waren die Tatrichter schon mit Blick auf das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten, sich mit sämtlichen Details der Aussage auseinanderzusetzen (RISJustiz RS0098778).

Mit der Berufung auf den

Zweifelsgrundsatz „in dubio pro reo“ wird kein Begründungsmangel geltend gemacht (RISJustiz RS0102162).

Der Hinweis, dass ein Gebrauch der „verba legalia“ nicht ausreichend sei, lässt nicht erkennen, welche Feststellung davon betroffen sei und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Mängelrüge ist nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie die Gesamtheit der Entscheidungsgründe berücksichtigt (RIS-Justiz RS0119370). Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde, indem sie unter Vernachlässigung der gebotenen Gesamtbetrachtung (US 7) die Feststellungen „teilweise“, insbesondere jene zur gewerbsmäßigen Intention, als „unrichtig“, „unbegründet“, „nicht ausreichend“, „nicht überzeugend“ oder „nicht objektiv nachvollziehbar“ bezeichnet und aus der Verantwortung des Beschwerdeführers anhand eigener Beweiswerterwägungen für diesen günstige Schlüsse zieht.

Mit dem Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten weckt die Tatsachenrüge (Z 5a) beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (vgl RIS-Justiz RS0118780).

Der Verweis der Tatsachenrüge auf das Vorbringen der Mängelrüge entspricht ebenso wenig der Strafprozessordnung wie jener der Subsumtionsrüge (Z 10) auf „das zu den Nichtigkeitsgründen § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO“ Ausgeführte (RISJustiz RS0115902, RS0116733, RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Das in allen in Rede stehenden Fassungen des § 38 FinStrG enthaltene Tatbestandsmerkmal der „fortlaufenden“ Einnahme (nach BGBl I 2015/163 des „fortlaufenden“ abgabenrechtlichen Vorteils) meint weder eine dauernde noch eine regelmäßige, sondern bloß eine solche, die über einen längeren Zeitraum fließen soll (RISJustiz RS0083584), wobei die Rechtsprechung insoweit keine fixen Grenzen nennt, vielmehr jeweils den Einzelfall betrachtet (Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 70 Rz 7, Lässig in WK2 FinStrG § 38 Rz 2). Unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion folgt, dass stets ein konkreter Sachverhaltsbezug hinsichtlich der Länge des Zeitraums, für den der Angeklagte beabsichtigte, sich einen Vorteil iSd § 38 FinStrG zu verschaffen, herzustellen ist (RISJustiz RS0107402 [T2 und T 6], vgl auch RS0119090). Diesem Erfordernis entspricht die angefochtene Entscheidung mit der Formulierung, wonach der Angeklagte sowohl als Einzelunternehmer als auch als Geschäftsführer der M***** GmbH in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Hinterziehung von Umsatzsteuer und Einkommensteuer „eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, das heißt die Abgabenhinterziehung gewerbsmäßig zu begehen“ (US 6), nicht.

Bei dem nach § 4 Abs 2 FinStrG anzustellenden Günstigkeitsvergleich ging das Erstgericht sowohl beim Handeln als Geschäftsführer als auch bei jenem als Einzelnehmer davon aus, dass die nach dem AbgÄG 2015 BGBl I 2015/163 geltende Fassung des § 38 FinStrG für den Angeklagten nicht günstiger sei als die vor dieser Novelle geltende Fassung, und gelangte solcherart zur Anwendung des Tatzeitrechts.

Feststellungen, wonach der Angeklagte iSd § 38 Abs 2 FinStrG (auch) in der Absicht handelte, sich durch die wiederkehrende Begehung von Abgabenverkürzungen einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden Vorteil zu verschaffen, sind dem Urteil (auch unter Beachtung der Feststellungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, wonach er sich – objektiv – durch sein Handeln einen fortgesetzten abgabenrechtlichen Vorteil von durchschnittlich monatlich über 400 Euro verschaffte, US 8) nicht zu entnehmen, weshalb dem Günstigkeitsvergleich und damit auch der Subsumtion nach § 38 FinStrG die Feststellungsbasis fehlt.

In Ansehung der dem Angeklagten als Geschäftsführer einer GmbH vorgeworfenen Abgabenverkürzungen sei darauf hingewiesen, dass § 38 FinStrG nach wie vor die Absicht verlangt, einen Vorteil zu verschaffen. Durch die Absicht, (bloß) einem Dritten– also beispielsweise dem vom Täter vertretenen Unternehmen – den vom Gesetz verlangten Vorteil zu verschaffen, wird der Qualifikationstatbestand des § 38 FinStrG in der Fassung BGBl I 2015/163 nicht erfüllt (vgl 13 Os 34/01, EvBl 2002/39, 155; RISJustiz RS0092444 [T2]; Lässig in WK2 FinStrG § 38 Rz 2; 13 Os 46/17i). Die zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung, wonach die Absicht genüge, sich mittelbar über die Beteiligung an dem von der Abgabenverkürzung profitierenden Unternehmen einen Vermögensvorteil zu verschaffen (vgl RISJustiz RS0086571, RS0086573 und RS0086909), kann in Bezug auf die neue Rechtslage nicht aufrecht erhalten werden, weil die Norm nunmehr die Absicht verlangt, einen (nicht bloß geringfügigen fortlaufenden) Vorteil zu verschaffen (vgl auch Fellner, FinStrG § 38 Rz 14; Kert/Leitner, Highlights zur neuen Gewerbsmäßigkeit, ZWF 2017, 171).

Aufgrund des aufgezeigten Rechtsfehlers war die angefochtene Entscheidung in der Subsumtion nach § 38 FinStrG von Amts wegen aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Dies hatte die Aufhebung des Strafausspruchs zur Folge, worauf der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war.

Die Kostenentscheidung, die die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WKStPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00054.17S.0906.000
Schlagworte:
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