OGH vom 30.08.2011, 10ObS69/11m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter (Senat nach § 11a Abs 3 ASGG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Bernhard Wörgötter, Rechtsanwalt in St. Johann in Tirol, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84 86, vertreten durch Bachmann Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erwerbsunfähigkeitspension und Rückforderung eines Überbezugs von 27.175,03 EUR, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 27.175,03 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 25/11d 28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 43 Cgs 5/10z 24, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass der Revision wird das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung in einem Senat aufgetragen, in dem alle fachkundigen Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber angehören.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gemäß § 194 GSVG fest, dass dem Kläger die Erwerbsunfähigkeitspension gemäß § 132 Abs 5 bis 7 GSVG im Zeitraum vom bis in näher festgestellter Höhe nur als Teilpension gebühre, und sprach gemäß § 76 GSVG weiters aus, dass der Überbezug von 27.175,03 EUR vom Kläger zurückgefordert werde.
Das Erstgericht wies die vom Kläger dagegen erhobene Klage ab. Es stellte im Wesentlichen fest, dass dem Kläger die Erwerbsunfähigkeitspension als Teilpension in der im außer Kraft getretenen Bescheid festgesetzten Höhe gebühre und der Kläger zur Rückzahlung des entstandenen Überbezugs von 27.175,03 EUR an die beklagte Partei verpflichtet sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es wies das auf Gewährung der Erwerbsunfähigkeitspension für den Zeitraum vom bis im vollen gesetzlichen Umfang und nicht nur als Teilpension gerichtete Klagebegehren ab, stellte aber gleichzeitig gegenüber der beklagten Partei fest, dass der Kläger nicht zum Rückersatz des Betrags von 27.175,03 EUR verpflichtet sei. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht entschied über die Berufung des Klägers in nichtöffentlicher Sitzung. Dem Senat gehörten neben den drei Berufsrichtern ein fachkundiger Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber und ein fachkundiger Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitnehmer an.
Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils.
Der Kläger beantragt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil aus Anlass des Rechtsmittels eine Nichtigkeit von Amts wegen wahrzunehmen ist und dieser Frage immer erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (vgl 10 ObS 169/09i mwN ua).
Gemäß § 12 Abs 3 zweiter Halbsatz ASGG haben in Streitsachen ua nach dem GSVG alle fachkundigen Laienrichter dem Kreis der Arbeitgeber anzugehören. Das Berufungsgericht, dem auch ein fachkundiger Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitnehmer angehörte, war daher nicht vorschriftsmäßig besetzt, was die Entscheidung nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO nichtig macht (RIS Justiz RS0042176). Gemäß § 37 Abs 1 ASGG hat die Heilung einer unrichtigen Gerichtsbesetzung nach § 12 Abs 3 zweiter Halbsatz ASGG gemäß § 260 Abs 4 ZPO nur dann einzutreten, wenn die Parteien zur Zeit des Verstoßes durch qualifizierte Personen (§ 40 Abs 1 ASGG) vertreten waren. Der dem Berufungsgericht unterlaufene Verstoß gegen § 12 Abs 3 zweiter Halbsatz ASGG wurde im vorliegenden Fall nicht nach § 37 Abs 1 ASGG geheilt, weil die Entscheidung des Berufungsgerichts in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung erfolgte und die qualifiziert vertretenen Parteien daher keine Möglichkeit hatten, ihn geltend zu machen (RIS Justiz RS0042176 [T4]; RS0040259; RS0113739). Diese nicht geheilte unrichtige Gerichtsbesetzung ist in Verfahren, auf die § 37 ASGG anzuwenden ist, im Rechtsmittelverfahren auch ohne ausdrückliche Geltendmachung von Amts wegen aufzugreifen (vgl zuletzt 10 ObS 117/10v; 10 ObS 169/09i; 9 ObA 132/07p; 8 ObA 345/99i; 10 ObS 283/98k, SSV NF 12/116 mwN ua; RIS Justiz RS0040259).
Es musste daher aus Anlass des zulässigen Rechtsmittels der beklagten Partei der vorliegende Nichtigkeitsgrund von Amts wegen wahrgenommen, das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung in vorschriftsgemäßer Besetzung aufgetragen werden (vgl zuletzt 10 ObS 117/10v mwN).
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.