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VfGH vom 10.12.2014, B967/2012 ua

VfGH vom 10.12.2014, B967/2012 ua

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Feststellung der Verpflichtung eines Arztes zur Verrichtung eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes auch an Samstagen; keine Anwendbarkeit des Verbots der Zwangsarbeit der EMRK auf die auf vertraglicher Grundlage beruhende Verpflichtung zur Teilnahme am notärztlichen Dienst

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin und steht jeweils in einem kurativen Einzelvertragsverhältnis zu den beteiligten Sozialversicherungsträgern der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (B967/2012) sowie der Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (B1038/2012). Er stellte am zwei Anträge an die paritätische Schiedskommission für Niederösterreich mit dem Begehren festzustellen, dass der Antragsteller aus dem jeweiligen Gesamt- und Einzelvertrag nicht verpflichtet sei, "Wochenenddienste an Samstagen zu verrichten, selbst wenn solche Samstagsdienste durch die Ärztekammer Niederösterreich eingerichtet [worden] sein sollten". Die paritätische Schiedskommission wies die Anträge des Beschwerdeführers mit zwei im Wesentlichen gleichlautenden Bescheiden ab.

2. Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Berufungen an die Landesberufungskommission für Niederösterreich, welche den Berufungen keine Folge gab. Die belangte Behörde führte in den angefochtenen Bescheiden (im Wesentlichen gleichlautend) jeweils begründend aus (zitiert ist im Folgenden der angefochtene Bescheid zu B967/2012):

"Die Paritätische Schiedskommission ist in ihrer Entscheidung von nachstehenden Erwägungen ausgegangen[:]

Die Regelung des § 17 des Gesamtvertrages soll die ärztliche Versorgung sozialversicherter Patienten auch während der Wochenenden sicherstellen. In der Praxis gibt es kaum Vertragsärzte die mit der Antragsgegnerin vereinbarte Ordinationszeiten an Samstagen anbieten. De facto ist das Wochenende also sowohl der Sonntag wie auch der Samstag allgemein ordinationsfrei. § 17 würde seinem Regelungszweck nicht gerecht, würde man die Bestimmung wie dies der Antragsteller vertritt im Sinn eines rein wörtlichen Verständnisses dahingehend auslegen, dass damit nur die Verpflichtung begründet würde an Samstagsdiensten teilzunehmen. Das würde zum Ergebnis führen dass für die Versicherten der Antragsgegnerin am Samstag keine Möglichkeit zu einer Inanspruchnahme einer vertragsärztlichen Behandlung bestünde. Wenn sich auch die Regelung der Honorarordnung vordergründig nur auf die Honorierung von Diensten in der allgemein ordinationsfreien Zeit bezieht, so ergibt sich aus dieser Regelung doch, dass die Gesamtvertragsparteien die Regelung für den Sonntagsdienst als solche für einen Wochenenddienst verstanden haben. Nur bei einem solchen Verständnis ist die vertragsärztliche Behandlung von Versicherten auch am Wochenende durchgehend sichergestellt. In Abweichung des vom Antragsteller vertretenen Standpunkts ergibt sich damit aus dem Gesamtvertrag sehr wohl eine Verpflichtung von Vertragsärzten zur Teilnahme an von der Ärztekammer eingerichteten Samstagsdiensten sodass sein Antrag abzuweisen war. Die Berufung des Antragstellers ist rechtzeitig und zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

In seiner Berufung bemängelt der Antragsteller, dass der Wortlaut des § 17 Gesamtvertrag mit der BVA nicht festgestellt wurde. Dieser Wortlaut lautet:

Sonn- und Feiertagsdienst

§17

Der Vertragsarzt ist zur Teilnahme an dem von der zuständigen Ärztekammer eingerichteten Sonn- und Feiertagsdienst verpflichtet. Ist ein solcher eingerichtet, ist die BVA von der Diensteinteilung zu verständigen.

[…]

Aus sämtlichen vorgelegten Urkunden und der Zeugeneinvernahme des [D.] ergibt sich eindeutig, dass kein Vorstandsbeschluss und kein Vollversammlungsbeschluss der Ärztekammer für NÖ bezüglich der Sonn- und Feiertagsdienste bestehen. Die Wochenenddienste sind eine tatsächliche Übung seit über 40 Jahren. Die Wochenenddienste werden von der Ärztekammer eingeteilt und der Wochenenddienst wird ohne diesbezügliche Vorstands- oder Vollversammlungsbeschlüsse tatsächlich gelebt. Auf diese tatsächliche Übung wurde auch in sämtlichen Gesamtvertragsverhandlungen Bedacht genommen.

Im Zusatzübereinkommen vom zum Gesamtvertrag mit der Ver-sicherungsanstalt öffentlich Bediensteter wurde vereinbart, dass der Honorierung der Leistungen während des Bereitschaftsdienstes die in den einzelnen Bundesländern zwischen der örtlichen Ärztekammer und den § 2 Krankenkassen vereinbarte Diensteinteilung zu Grunde gelegt wird. Laut Schreiben der Ärztekammer für NÖ vom wurde seitens der Ärztekammer für NÖ mitgeteilt, dass zwischen den niederösterreichischen § 2 Kassen und der Ärztekammer für NÖ der Wochenendbereitschaftsdienst für die Zeit zwischen Samstag 7:00 Uhr Früh und Montag 7:00 Uhr Früh festgelegt wurde. Diese Regelung war allen in Niederösterreich tätigen Ärzten bekannt und wurde auch zumindest seit dem Jahr 1969 gelebt. Die Paritätische Schiedskommission hat daher ohne Rechtsirrtum den § 17 Gesamtvertrag BVA dahingehend ausgelegt, dass ein Wochenenddienst eingerichtet ist.

Es ist dem Antragsteller zuzubilligen, dass Kollektivverträge wie Gesetze nach §§6 und 7 ABGB auszulegen sind. Der Antragsteller übersieht dabei allerdings die Bestimmung des § 10 ABGB wonach auf Gewohnheiten nur in den Fällen in welchen sich ein Gesetz darauf beruft Rücksicht genommen werden kann. Wenn auch ein ausdrücklicher Vorstandsbeschluss fehlt, so ist eine mehr als 40 Jahre lang geübte Praxis auf die sich die Gesamtvertragsparteien immer wieder berufen jedenfalls eine relevante Gewohnheit und damit der Wochenenddienst seitens der Ärztekammer für NÖ tatsächlich eingerichtet. Der Berufung war daher keine Folge zu geben."

3. Gegen diese – keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (vgl. § 345 Abs 3 iVm § 346 Abs 7 ASVG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung BGBl I 61/2010) – Bescheide richten sich die vorliegenden im Wesentlichen gleich lautenden, auf Art 144 B VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie ein Verstoß gegen das Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit gemäß Art 4 Abs 2 EMRK behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.

4. Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor. Die beteiligten Versicherungsträger erstatteten jeweils Äußerungen, in denen sie dem Beschwerdevorbringen entgegentreten und die Abweisung der Beschwerden beantragen.

II. Rechtslage

1. Die im Beschwerdefall in Betracht zu ziehenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes – ASVG, BGBl 189/1955, in der hier maßgeblichen Fassung lauten auszugsweise:

"Regelung durch Verträge

§338. (1) Die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung (des Hauptverbandes) zu den freiberuflich tätigen Ärzten/Ärztinnen, Zahnärzten/Zahnärztinnen, Gruppenpraxen nach den §§52a und 52b des Ärztegesetzes 1998 und § 26 des Zahnärztegesetzes, BGBl I Nr 126/2005, Dentisten/Dentistinnen, Hebammen, Apothekern/Apothekerinnen, freiberuflich tätigen klinischen Psychologen/Psychologinnen, freiberuflich tätigen Psychotherapeuten/Psychotherapeutinnen, freiberuflich tätigen Heilmasseuren/Heilmasseurinnen, Pflegepersonen, die medizinische Hauskrankenpflege nach § 151 erbringen, und anderen Vertragspartnern/Vertragspartnerinnen werden durch privatrechtliche Verträge nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen geregelt. Diese Verträge bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der schriftlichen Form. Die Verträge sowie allfällige Änderungen und Zusatzvereinbarungen sind vom Hauptverband im Internet zu veröffentlichen.

(2) Durch die Verträge nach Abs 1 ist die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen sicherzustellen. Eigene Einrichtungen der Versicherungsträger dürfen für die Versorgung mit diesen Leistungen nur nach Maßgabe der hiefür geltenden gesetzlichen Vorschriften herangezogen werden.

(3) - (4) […]"

"Gesamtverträge

§341. (1) Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten sowie den Gruppenpraxen werden jeweils durch Gesamtverträge geregelt. Diese sind für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen. Die Gesamtverträge bedürfen der Zustimmung des Trägers der Krankenversicherung, für den der Gesamtvertrag abgeschlossen wird. Die Österreichische Ärztekammer kann mit Zustimmung der beteiligten Ärztekammer den Gesamtvertrag mit Wirkung für diese abschließen.

(2) [Aufgehoben].

(3) Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes oder für den Sitz der Gruppenpraxis geltenden Gesamtvertrages verstoßen.

(4) […]"

"Inhalt der Gesamtverträge

§342. (1) Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln:

1. - 2. […]

3. die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte/Vertragsärztinnen und Vertrags-Gruppenpraxen, insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung sowie die im Zweifelsfall vorzunehmende Überprüfung der Identität des/der Patienten/Patientin und die rechtmäßige Verwendung der e-card;

[…]"

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des jeweiligen Gesamtvertrages, abgeschlossen zwischen der Österreichischen Ärztekammer, Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte, für die Kurie der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer für Niederösterreich – sowie für die Ärztekammern aller übrigen Bundesländer – einerseits und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (im Folgenden: BVA) bzw. für die Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (im Folgenden: VAEB) andererseits lauten (im Wortlaut jeweils unverändert, aber zT unter anderer Paragraphenbezeichnung seit dem Abschluss des ersten Gesamtvertrages vom ):

2.1. Gesamtvertrag BVA:

"Sonn- und Feiertagsdienst

§17 Der Vertragsarzt ist zur Teilnahme an dem von der zuständigen Ärztekammer eingerichteten Sonn- und Feiertagsdienst verpflichtet. Ist ein solcher eingerichtet, ist die BVA von der Diensteinteilung zu verständigen."

2.2. Gesamtvertrag VAEB:

"Sonn- und Feiertagsdienst;

Wochentags-Nachtbereitschaftsdienst

§20 (1) Der Vertragsarzt ist zur Teilnahme an dem von der zuständigen Ärztekammer eingerichteten Sonn- und Feiertagsdienst verpflichtet. Ist ein solcher eingerichtet, ist die VAEB von der Diensteinteilung zu verständigen.

(2) Regelungen über einen Wochentags-Nachtbereitschaftsdienst können zwischen zuständiger Ärztekammer und VAEB vereinbart werden.

(3) Der 24. und der 31. Dezember sind dem Sonn- und Feiertagsdienst gleichgestellt."

3. Die Zusatzübereinkommen zum jeweiligen Gesamtvertrag mit der Versicherungsanstalt der österreichischen Eisenbahnen bzw. der Krankenversicherungsanstalt der Bundesangestellten (nunmehr: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter) vom haben folgenden (identen) Wortlaut:

"I.

(1) Der Honorierung der Leistungen während des Bereitschaftsdienstes für die von der zuständigen Ärztekammer zum Bereitschaftsdienst eingeteilten praktischen Vertragsärzte wird die in den einzelnen Bundesländern zwischen der örtlichen Ärztekammer und den § 2 Kassen vereinbarte Dienstleistung zugrunde gelegt.

(2) Es werden daher die von den praktischen Vertragsärzten in Ausübung des Bereitschaftsdienstes an Samstagen ab Beginn des Bereitschaftsdienstes bis zum Beginn der Nachtzeit, an den einem gesetzlichen Feiertag unmittelbar vorangehenden Werktagen ab 18 Uhr bis zum Beginn der Nachtzeit und am 24. sowie am 31. Dezember ab 13 Uhr bis zum Beginn der Nachtzeit erbrachten Leistungen sowohl hinsichtlich der Honorierung der Grundleistungen als auch hinsichtlich der Verrechnung von Weggebühren bzw. Entfernungszuschlägen den an einem Sonn- oder Feiertag erbrachten Leistungen gleichgehalten.

[…]

III.

Dieses Zusatzübereinkommen tritt am in Kraft."

4. Die Zusatzvereinbarung vom über die Einführung der e-card enthält u.a. Bestimmungen zur Regelung des Sonn- und Feiertagsdienstes:

"Zusatzvereinbarung

zu dem zwischen der Ärztekammer für Niederösterreich und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger abgeschlossenen Gesamtvertrag vom für das Bundesland Niederösterreich, abgeschlossen zwischen der Ärztekammer für Niederösterreich, Kurie der niedergelassenen Ärzte, einerseits und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die in § 2 des Gesamtvertrages vom angeführten Krankenversicherungsträger andererseits über die Einführung der e-card.

[…]

Abschnitt A, Allgemeine Bestimmungen, Punkt 3 der Honorarordnung lautet.

'3. a) Sofern gemäß § 16 des Gesamtvertrages ein Sonn- und Feiertagsdienst eingerichtet ist, gilt als

aa) Sonntagsdienst die Zeit von Samstag 7 Uhr bis Montag 7 Uhr,

bb) Feiertagsdienst die Zeit von 20 Uhr des dem gesetzlichen Feiertag vorausgehenden Tages bis 7 Uhr des dem gesetzlichen Feiertag folgenden Tages,

cc) Feiertagsdienst an Doppelfeiertagen (z.B. Ostern, Pfingsten) die Zeit von 7 Uhr des zweiten Feiertages bis 7 Uhr des folgenden Tages.

Der 24. Dezember (Heiliger Abend) und 31. Dezember (Silvester) gelten als Feiertage im Sinne litb), sofern sie nicht an einen Samstag bzw. Sonntag und somit in die normale Sonntagsdienstzeit fallen."

III. Erwägungen

1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die – gemäß §§187, 404 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen – zulässigen Beschwerden erwogen:

2. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Verpflichtung zur Verrichtung eines Wochenenddienstes auch an Samstagen verstoße gegen das in Art 4 Abs 2 EMRK geregelte Verbot der Zwangs- und Pflichtarbeit.

2.1. Gemäß § 338 Abs 1 ASVG werden die Beziehungen der Träger der Sozialversicherung u.a. zu den freiberuflich tätigen Ärzten durch privatrechtliche Verträge nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen geregelt: Gemäß § 338 Abs 2 leg.cit. ist durch diese Verträge "die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen sicherzustellen". Die Beziehungen zwischen Sozialversicherungsträgern und Ärzten werden nach Abschnitt II. des 6. Teils des ASVG durch Gesamtverträge iSd § 341 ASVG geregelt. Die Gesamtverträge haben insbesondere gemäß § 342 Abs 1 Z 3 ASVG u.a. die Rechte und Pflichten der Vertragsärzte, insbesondere auch ihre Ansprüche auf Vergütung der ärztlichen Leistung zu enthalten.

2.2. Gesamtverträge sind – hierin ähnlich den Kollektiverträgen nach dem Arbeitsverfassungsgesetz – privatrechtliche Normenverträge, wie aus § 341 Abs 3 ASVG hervorgeht, wonach der Inhalt des Gesamtvertrages auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt abzuschließenden Einzelvertrages ist.

2.3. Vor dem Hintergrund der Bestimmungen des § 342 Abs 1 Z 3 iVm § 338 Abs 2 ASVG ist Regelungsgegenstand des Gesamtvertrages insbesondere auch, in welchem Umfang ein Vertragsarzt seine Ordination offen zu halten hat, wozu gehört, ob und in welchem Umfang ein Vertragsarzt an notärztlichen Diensten zur Versorgung sozialversicherter Patienten (gegen Leistungsverrechnung mit dem Krankenversicherungsträger) an Tagen mitzuwirken hat, an denen üblicherweise Ordinationen geschlossen bleiben, wie an Wochenenden und Feiertagen. Es bestehen insbesondere keine Bedenken dagegen, dass der Gesamtvertrag zur Teilnahme an solchen notärztlichen Diensten dem Grunde nach verpflichtet und die Konkretisierung der einzelnen Dienste der Erstellung eines Dienstplans durch die zuständige Ärztekammer überlässt, nach welchem die Vertragsärzte der Reihe nach herangezogen werden. Insoweit liegt eine nähere Bestimmung der durch Abschluss eines Einzelvertrages begründeten privatrechtlichen Leistungspflicht der Vertragsärzte durch Dritte (nämlich durch die gesetzliche Interessenvertretung) vor, die ihre Grenzen im Vertrag oder in einer für den Verpflichteten offenbaren Unbilligkeit findet (analog § 1056 ABGB; vgl. im Zusammenhang mit dem Gesamtvertrag ganz allgemein , RdW 1993, 350; ferner Verschraegen in Kletecka-Schauer (Hrsg.), ABGB-ON 1.02 , § 1056 Rz 22). Soweit daher die Verpflichtung zur Teilnahme am notärztlichen Dienst auf vertraglicher Grundlage beruht, ist Art 4 Abs 2 EMRK darauf von vornherein nicht anzuwenden.

3. Der Beschwerdeführer behauptet ferner eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz.

3.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

3.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte. Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg 10.065/1984, 14.776/1997, 16.273/2001).

4. Den Behauptungen des Beschwerdeführers, dass der jeweilige Gesamtvertrag seinem Wortlaut nach nur einen "Sonn- und Feiertagsdienst" vorsehe, ist entgegenzuhalten, dass die Parteien des Gesamtvertrages bereits in der Zusatzvereinbarung zum Gesamtvertrag vom – als der Samstag anders als zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesamtvertrages im Jahr 1957 (wie im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof unwidersprochen vorgetragen wurde) üblicherweise kein Arbeits- und Ordinationstag mehr war – und in der Folge in der Zusatzvereinbarung vom den Zeitraum für den Wochenendbereitschaftsdienst von Samstag 7 Uhr Früh bis Montag 7 Uhr Früh festgelegt haben, und jedenfalls die Zusatzvereinbarung den Zeitraum für einen Wochenenddienst verbindlich festlegt. Der belangten Behörde kann daher aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, dass eine einzelvertragliche Verpflichtung zur Verrichtung eines ärztlichen Bereitschaftsdienstes für Vertragsärzte in Niederösterreich nicht nur an Sonn- und Feiertagen, sondern auch am Samstag besteht.

5. Die behaupteten Rechtsverletzungen liegen sohin nicht vor. Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie hier – gegen den Bescheid einer Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richtet, der gemäß dem (im vorliegenden Fall weiterhin anzuwendenden) Art 133 Z 4 B VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann (zB VfSlg 9541/1982 mwN).

IV. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

3. Die Beschwerden sind daher als unbegründet abzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:B967.2012