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VfGH vom 29.02.2012, B945/11

VfGH vom 29.02.2012, B945/11

19615

Leitsatz

Keine Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm durch die Versagung der Abzugsfähigkeit von Darlehenszinsen für den Erwerb von Beteiligungen bei Festsetzung der Körperschaftsteuer; keine Verletzung des Vertrauensschutzes durch die Rückgängigmachung der steuerlichen Abzugsfähigkeit eines fremdfinanzierten Beteiligungserwerbs

Spruch

Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt

1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist eine Holding in der Rechtsform der GmbH mit Sitz in Wien. Im Jahr 2006 wurde bei einer 100 %igen Tochtergesellschaft der beschwerdeführenden Gesellschaft eine Kapitalerhöhung zwecks Erwerbs weiterer Beteiligungen an zum Konzern passenden Gesellschaften durchgeführt. Die Kapitalerhöhung wurde von der beschwerdeführenden Gesellschaft mit Fremdkapital finanziert; der für 2011 erwartete Zinsenaufwand betrug rund € 456.000,-. Im Jahr 2009 erwarb die beschwerdeführende Gesellschaft 50 % der Anteile an einer ebenfalls zum Konzern gehörigen Gesellschaft. Auch dieser Erwerb wurde fremdfinanziert; der für 2011 erwartete Zinsenaufwand betrug rund € 1,173.000,-.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (UFS) wurden gegenüber der beschwerdeführenden Gesellschaft die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für das Jahr 2011 festgesetzt. Dabei wurden die Zinsen für die beiden genannten Darlehen unter Verweis auf § 11 Abs 1 Z 4 zweiter Teilstrich Körperschaftsteuergesetz 1988 (in Folge: KStG 1988) idF des Budgetbegleitgesetzes 2011 (in Folge: BBG 2011), BGBl. I 111/2010, nicht als abzugsfähig anerkannt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich des § 11 Abs 1 Z 4 und des § 26c Z 23 litb KStG 1988 idF BBG 2011 behauptet.

II. Rechtslage

1. Bis zum Steuerreformgesetz 2005 (in Folge: StReformG 2005), BGBl. I 57/2004, konnten Zinsen im Zusammenhang mit dem fremdfinanzierten Erwerb einer Beteiligung iSd § 10 KStG 1988 auf Grund des § 12 Abs 2 KStG 1988 (Zusammenhang mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen) steuerlich nicht abgesetzt werden. Das StReformG 2005 eröffnete hingegen in § 11 Abs 1 Z 4 KStG 1988 die Möglichkeit des Abzugs solcher Zinsen. Die Vorschrift hatte folgenden Wortlaut:

"§11 (1) Bei der Gewinnermittlung gelten auch

folgende Aufwendungen als Betriebsausgaben im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988:

1. - 3. [...]

4. Die Zinsen in Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung des Erwerbes von Kapitalanteilen im Sinne des § 10, soweit sie zum Betriebsvermögen zählen."

Nach den Materialien (RV 451 BlgNR 22. GP) sollte die Möglichkeit des steuerlichen Abzugs von Finanzierungszinsen für Beteiligungserwerbe neben anderen Maßnahmen den Wirtschaftsstandort Österreich stärken.

2. Mit dem BBG 2011, BGBl. I 111/2010, wurde § 11 Abs 1 Z 4 KStG 1988 novelliert. Die Bestimmung lautet in dieser Fassung nunmehr wie folgt:

"Abzugsfähige Aufwendungen und Ausgaben

§11. (1) Bei der Gewinnermittlung gelten auch

folgende Aufwendungen als Betriebsausgaben im Sinne des Einkommensteuergesetzes 1988:

1. - 3. [...]

4. Die Zinsen in Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung des Erwerbes von Kapitalanteilen im Sinne des § 10. Dies gilt nicht in folgenden Fällen:


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-
Die Kapitalanteile gehören nicht zu einem Betriebsvermögen.


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Die Kapitalanteile sind unmittelbar oder mittelbar von einem konzernzugehörigen Unternehmen bzw. unmittelbar oder mittelbar von einem einen beherrschenden Einfluss ausübenden Gesellschafter erworben worden.


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Bei Kapitalerhöhungen oder Zuschüssen, die in Zusammenhang mit einem Erwerb von Kapitalanteilen im Sinne des vorherigen Teilstrichs stehen.

(2) [...]"

2.1. Die Inkrafttretens-Bestimmung des § 26c Z 23 KStG 1988 idF BBG 2011 lautet (auszugsweise):

"In der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010,

a) [...]

b) sind § 10 Abs 7 und § 11 Abs 1 Z 4 erstmals auf Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem beginnen;

c) [...]"

2.2. Die Materialien zum BBG 2011 (RV 981 BlgNR 24. GP, 132) führen zu § 11 KStG 1988 Folgendes aus:

"Seit dem Steuerreformgesetz 2005 sind Fremdfinanzierungszinsen bei Beteiligungen im Sinne des § 10 KStG steuerlich abzugsfähig. In Hinblick auf die Steuerfreiheit der Beteiligungserträge stellt dies eine Begünstigung dar. Die Abzugsfähigkeit soll in Hinblick auf ihre Bedeutung für den Wirtschaftsstandort grundsätzlich beibehalten, unerwünschte Gestaltungen im Konzern sollen aber ausgeschlossen werden.

Im Konzernverbund konnte die bisher bestehende Abzugsfähigkeit benutzt werden, um durch fremdfinanzierte Beteiligungsverkäufe Betriebsausgaben künstlich zu generieren. In Anlehnung an den Konzernausschluss bei der Firmenwertabschreibung gemäß § 9 Abs 7 KStG 1988 sollen solche Gestaltungen künftig unterbunden werden.

Zinsen für fremdfinanzierte Kapitalerhöhungen und Zuschüsse sollen auch weiterhin abzugsfähig bleiben, es sei denn, die Kapitalerhöhungen oder Zuschüsse stehen in Zusammenhang mit Beteiligungsveräußerungen im Konzern. Dies soll Umgehungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Neuregelung verhindern, wie zB die Zwischenschaltung einer eigenfinanzierten Erwerbs-Holding oder den Erwerb einer Beteiligung mit anschließender Kapitalerhöhung."

III. Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. In der Beschwerde wird insbesondere eine verfassungsrechtlich relevante Verletzung des Vertrauensschutzes geltend gemacht. Der Standort Österreich sei durch die beschwerdeführende Gesellschaft im Vertrauen auf den steuerlichen Zinsenabzug bei fremdfinanzierten Beteiligungserwerben gestärkt worden. Bei der Kaufpreisfindung sei auch der steuerliche Effekt des Zinsenabzuges einkalkuliert worden. Hätten die Organe der beschwerdeführenden Gesellschaft gewusst, dass die steuerliche Abzugsfähigkeit der Zinsen nicht gewährleistet ist, hätten sie entweder die Beteiligung nicht fremdfinanziert, zu einem eventuell geringeren Kaufpreis oder vielleicht gar nicht erworben.

1.1. Unter Berufung auf die hg. Judikatur bringt die Beschwerde vor, die Versagung des Zinsenabzuges auch für Beteiligungserwerbe vor dem sei ein plötzlicher, schwerwiegender Eingriff in Rechtspositionen, auf deren Bestand die beschwerdeführende Gesellschaft vertraut hätte.

1.2. Die rasche Gesetzwerdung - zwischen dem Beginn der Begutachtungsfrist und dem Inkrafttreten der Neuregelung seien lediglich rund 60 Tage vergangen - habe keine Reaktion des Rechtsunterworfenen auf die geänderte Rechtslage ermöglicht. Der Steuerpflichtige habe aufgrund der ausdrücklichen Regelung des § 11 Abs 1 Z 4 KStG 1988 idF StReformG 2005 ein begründetes Vertrauen auf die Abzugsfähigkeit der Fremdkapitalzinsen gehabt, da der Gesetzgeber damit einen gezielten Anreiz für eine langfristige Investition geschaffen habe. Unter Hinweis auf

VfSlg. 13.657/1993 führt die beschwerdeführende Gesellschaft aus, dass zwar das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand einer gesetzlichen Regelung keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genieße, allerdings müsse dem Rechtsunterworfenen unter besonderen Umständen zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse die Gelegenheit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen. Im gegenständlichen Fall sei dies jedoch aufgrund der raschen Gesetzwerdung nicht möglich gewesen und das Vertrauen auf die Möglichkeit des Zinsenabzugs für Beteiligungserwerbe nach § 11 Abs 1 Z 4 KStG 1988 idF StReformG 2005, die der Anreiz für eine langfristige Investition der beschwerdeführenden Gesellschaft gewesen sei, enttäuscht worden.

1.3. Die pauschale Abschaffung des Zinsenabzuges bei Konzernerwerben gehe bei weitem über die Zielsetzung des Gesetzgebers ("unerwünschte Gestaltungen im Konzern" und die künstliche Generierung von fremdfinanzierten Beteiligungsverkäufen sollen vermieden werden) hinaus. Zur Erreichung dieser Ziele hätte es dieser Maßnahme nicht bedurft, da für derartige Fälle ohnedies § 22 BAO eine Schranke biete. Die Tatsache, dass die Bestimmung zur Vermeidung von Missbräuchen geeignet ist, sei für sich allein als Rechtfertigungsgrund nicht ausreichend.

2. Die Bundesministerin für Finanzen, die vom Verfassungsgerichtshof eingeladen worden war, zu den in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen, erstattete eine Äußerung, in der sie die durch das BBG 2011 vorgenommene Einschränkung verteidigt.

2.1. Zum Hintergrund der Gesetzesänderung wird

wörtlich ausgeführt (Zitat ohne die darin enthaltenen Fußnoten):

"Vor diesem Hintergrund wurde im StReformG 2005 in § 11 Abs 1 KStG 1988 eine neue Z 4 eingefügt, durch die erreicht werden sollte, dass bei Fremdfinanzierungen von zum Betriebsvermögen gehörenden Kapitalbeteiligungen, trotz der Steuerneutralität der laufenden Beteiligungserträge (Dividenden), die Finanzierungskosten als Betriebsausgabe abgesetzt werden können. Diese Regelung stellte sich somit als Durchbrechung des in § 12 Abs 2 KStG 1988 generell normierten Abzugsverbotes dar und ist Ausfluss der höchstgerichtlichen Judikatur zum Nettoprinzip bei Aufwendungen, die im Zusammenhang mit steuerfreien Beteiligungserträgen stehen. Damit sollte ein weiterer Impuls für die in- und ausländische Expansion österreichischer Unternehmen gesetzt werden und ein zusätzlicher Anreiz zur Erweiterung der Konzernstruktur geschaffen werden.

Entgegen dem ursprünglichen Ziel und Zweck der im Rahmen der Steuerreform 2005 eingeführten Abzugsfähigkeit für Finanzierungsaufwendungen hinsichtlich des Erwerbs von Beteiligungen zur Stärkung des Wachstumspotentials, wurde diese Begünstigung in Randbereichen, insbesondere bei Veräußerungsvorgängen innerhalb des Konzerns, verstärkt dazu genutzt, weitgehend rein steuerlich motivierte Gestaltungen vorzunehmen.

Bereits in dem am vom Bundesminister für Finanzen zur Begutachtung versendeten Ministerialentwurf zum Betrugsbekämpfungsgesetz 2010, BBKG 2010, war daher vorgesehen in § 11 Abs 1 Z 4 KStG 1988 die Abzugsfähigkeit von Finanzierungsaufwendungen hinsichtlich des Erwerbs von Beteiligungen, deren Erträge gemäß § 10 KStG 1988 steuerfrei sind, auf den Erwerb nationaler Beteiligungen sowie solcher aus dem EU/EWR-Raum einzuschränken. Des Weiteren sollten Fremdfinanzierungszinsen für Beteiligungsanschaffungen im Konzern ebenfalls nicht mehr abzugsfähig sein, um solcherart die künstliche Erzeugung von abzugsfähigem Finanzierungsaufwand zu verhindern. Die beabsichtigte Änderung des § 11 Abs 1 Z 4 KStG 1988 fand sich dann aber nicht mehr in der Regierungsvorlage zum BBKG 2010, sondern wurde auf das Budgetbegleitgesetz 2011 verschoben. Ziel und Zweck der Einschränkung blieb weiterhin die Verhinderung von unerwünschten Gestaltungen bei An- und Verkaufsbeteiligungen innerhalb des Konzerns. Zinsen, die für fremdfinanzierte Beteiligungsanschaffungen im Konzern anfallen, sollten nicht mehr abzugsfähig sein und dadurch die künstliche Erzeugung von abzugsfähigem Fremdfinanzierungsaufwand verhindert werden."

2.2. Die Bundesministerin für Finanzen verweist

weiters darauf, dass das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der Rechtslage als solches ohne das Vorliegen besonderer Umstände keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genieße. Ein solcher besonderer Umstand, der das Vertrauen auf den Fortbestand der Rechtslage schützenswert mache, sei nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der sog. "Anlockeffekt". Ein solcher liege vor, wenn ein vom Gesetzgeber gezielt veranlasster Aufwand frustriert werde oder nach Inangriffnahme der Maßnahme durch Wegfall einer Begünstigung gar nicht mehr aufgebracht werden könne, somit also Aufwendungen des Normunterworfenen, die dieser im Vertrauen auf die Inanspruchnahme einer Begünstigung getätigt hat, nach Wegfall dieser Begünstigung nahezu sinnlos geworden seien.

In dem der Beschwerde zugrunde liegenden Fall liege jedoch kein solcher "Anlockeffekt" vor: Die beschwerdeführende Gesellschaft habe zwar angegeben, aufgrund der günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen den Standort Österreich durch den Erwerb weiterer Beteiligungen gestärkt zu haben. Dies führe jedoch nicht zu einem Vertrauensschutz begründenden "Anlockeffekt" im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes.

3. Die beschwerdeführende Gesellschaft legte dazu

eine Äußerung vor, in der sie den Argumenten der Bundesministerin für Finanzen entgegentritt und den Standpunkt der Beschwerde bekräftigt.

IV. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Strittig ist im Beschwerdefall die Frage, ob der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht berechtigt war, die mit dem StReformG 2005 eingeführte steuerliche Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen ab dem Jahr 2011 für jene Fälle wieder rückgängig zu machen, in denen der Erwerb im Rahmen eines Konzerns erfolgt. Es geht somit nicht um die rückwirkende Versagung eines Zinsenabzuges für bereits abgelaufene Jahre, sondern um die Beseitigung des Zinsenabzuges für bestimmte Fälle pro futuro, allerdings für einen Zinsenaufwand, der mit Beteiligungserwerben in Zusammenhang steht, die vor diesem Zeitpunkt erfolgten.

1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Vielmehr bleibt es dem Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes unbenommen, eine einmal geschaffene Rechtsposition auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern. Nur unter besonderen Umständen muss den Betroffenen zur Vermeidung unsachlicher Ergebnisse die Gelegenheit gegeben werden, sich rechtzeitig auf die neue Rechtslage einzustellen (vgl. etwa VfSlg. 13.657/1993, 15.373/1998, 15.739/2000, 16.754/2002 mwN; ). Besondere Umstände hat der Verfassungsgerichtshof etwa dann angenommen, wenn der Normunterworfene durch eine in Aussicht gestellte Begünstigung zu einem bestimmten Aufwand veranlasst werden sollte, der dann wegen des Wegfalls der Begünstigung frustriert wurde (vgl. VfSlg. 12.944/1991 betreffend Nachtfahrverbot für lärmarme LKW; VfSlg. 15.373/1998 betreffend Wegfall der Steuerbegünstigung für Assanierungsaufwendungen; dort letztlich offen gelassen) oder nach Inangriffnahme der geplanten Maßnahmen nicht mehr aufgebracht werden konnte (vgl. VfSlg. 13.655/1993 betreffend Abschaffung der Energieförderungsrücklage).

1.2. Auch im Erkenntnis VfSlg. 15.739/2000 betreffend die vorzeitige Beseitigung der Firmenwertabschreibung beim vorbereitenden Anteilserwerb im Umgründungssteuerrecht hat der Verfassungsgerichtshof solche besonderen Umstände angenommen. Er ging davon aus, dass der Gesetzgeber mit der Firmenwertabschreibung gezielt eine steuerlich attraktive Alternative zum direkten Betriebserwerb eröffnen wollte und dass diese Regelung geeignet war, Steuerpflichtige dazu zu veranlassen, den Weg des mittelbaren Betriebserwerbes (share deal) an Stelle des unmittelbaren (asset deal) zu beschreiten. Es schien dem Verfassungsgerichtshof plausibel, dass bei Fehlen dieser Abschreibungsmöglichkeit der Erwerber von vornherein einen anderen Weg des Betriebserwerbes eingeschlagen oder vom Erwerb überhaupt Abstand genommen hätte. Der Verfassungsgerichtshof hat die Beseitigung dieser Abschreibungsmöglichkeit auch als Eingriff von erheblichem Gewicht gewertet, weil der Barwert der erzielbaren Steuerersparnis eine Höhe erreichte, die bei der Kaufpreisbestimmung ins Gewicht fallen musste. Von Bedeutung war für den Verfassungsgerichtshof auch, dass die Steuerpflichtigen ihre entsprechenden Dispositionen nicht mehr rückgängig machen oder an die neue Situation anpassen konnten und dass die Gründe für die Rücknahme der Abschreibung ausschließlich budgetärer Natur waren.

2. Vergleichbare besondere Umstände sind im

vorliegenden Fall letztlich nicht gegeben:

2.1. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Ertragsteuerrechts sind Fremdkapitalzinsen im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen, weil es sich um Aufwendungen handelt, die im Zusammenhang mit Einnahmen (Ausschüttungen) stehen, die nach § 10 KStG 1988 steuerfrei sind. In diesem Sinne schließt § 12 Abs 2 KStG 1988 ausdrücklich Aufwendungen, die mit nicht steuerpflichtigen Vermögensmehrungen oder Einnahmen stehen, vom Abzug bei der Gewinnermittlung aus (dazu etwa Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr [Hrsg.], KStG, 2011, § 11 Tz 13 und § 12 Tz 155 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen - auch zur Kritik).

2.2. Vor diesem Hintergrund war die Neufassung des § 11 Abs 1 Z 4 KStG 1988 durch das StReformG 2005 als begünstigende Regelung zu qualifizieren, mit der der Gesetzgeber in Verfolgung bestimmter wirtschafts- und standortpolitischer Ziele eine Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen im Zusammenhang mit Beteiligungserwerben ermöglichen wollte. Die Einschränkung, die diese Begünstigung nunmehr durch das BBG 2011 erfahren hat, wird von den Materialien damit begründet, dass unerwünschte Gestaltungen und Umgehungsmöglichkeiten verhindert werden sollen. Die Bundesministerin für Finanzen weist darauf hin, dass die 2005 eingeführte Begünstigung in Randbereichen, insbesondere bei Veräußerungsvorgängen innerhalb des Konzerns, verstärkt dazu genutzt wurde, weitgehend rein steuerlich motivierte Gestaltungen vorzunehmen. Wörtlich heißt es in dieser Stellungnahme:

"Die bloße steuermotivierte Verschiebung von

Vermögen, das sich ohnehin unter demselben Konzerndach befindet, scheint somit nicht von der generellen Zielsetzung des StReformG 2005 getragen. Besonders deutlich tritt dies in jenen Fällen zu Tage, in denen der Verkauf einer Gesellschaft im Konzern dahingehend steueroptimiert wurde, dass es beim Verkauf praktisch zu keiner Besteuerung der stillen Reserven kommt, während der Erwerb in vollem Ausmaß durch eine Konzernfinanzierungsgesellschaft in einem Niedrigsteuerland fremdfinanziert wurde. Auch im Beschwerdefall hat sich die Beschwerdeführerin zur Finanzierung der im Konzern erworbenen Beteiligungen einer im Kanton Zug/CH, der für seine niedrige Besteuerung bekannt ist, gelegenen konzernzugehörigen Finanzierungsgesellschaft bedient.

Konzerninterne Restrukturierungen, die aus betriebswirtschaftlichen Gründen sinnvoll erscheinen mögen, sind auch ohne einen fremdfinanzierten Verkauf im Konzern mittels Umgründungen im Sinne des UmgrStG - sogar ohne Aufdeckung stiller Reserven - durchführbar, sodass dem Gesetzgeber wohl nicht zugesonnen werden kann, speziell für die Fälle einer Umschichtung aus außersteuerlichen Gründen eine Begünstigung geschaffen zu haben."

3. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht gehindert ist, die Abzugsfähigkeit der Fremdfinanzierungsaufwendungen bei Beteiligungserwerben pro futuro zur Gänze zurückzunehmen. Ebenso wenig ist er gehindert, die Abzugsfähigkeit einzuschränken, sofern für diese Einschränkung sachliche Gründe ins Treffen geführt werden können. Die Zielsetzung, unerwünschte, rein steuerlich motivierte Gestaltungen in Konzernen zu vermeiden, ist dabei grundsätzlich als sachliches Motiv für eine derartige Einschränkung anzusehen (vgl. zu solchen Gestaltungen bereits instruktiv Pernegger, Die Zwischenholding als Steuersparmodell, SWK 2004, S 815; ferner Plott, Einschränkung des Zinsenabzugs in § 11 Abs 1 Z 4 KStG - Auswirkung des Budgetbegleitgesetzes 2011 auf die Konzernfinanzierung, ÖStZ 2011, 18; Andreaus, Mit Kanonen auf Spatzen? Geplante Änderungen im KStG und UmgrStG,taxlex 2010, 454 [455]). Dabei ist von Bedeutung, dass es sich um Erwerbs- und Finanzierungsvorgänge handelt, die sich innerhalb einer unter einheitlicher Leitung stehenden, finanziell verflochtenen Unternehmensgruppe abspielen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen darf der Gesetzgeber in diesem Fall, in dem es um die Beurteilung der Angemessenheit der Finanzierung von Beteiligungserwerben geht, davon ausgehen, dass das einzelfallbezogene Instrument des § 22 BAO für eine effiziente Missbrauchsbekämpfung nicht ausreicht. Er orientiert sich mit der Neuregelung im Übrigen an der Vorschrift des § 9 Abs 7 KStG 1988, die eine gleichartige Konzernklausel bei der Firmenwertabschreibung in der Gruppenbesteuerung vorsieht.

4. Im Hinblick darauf ist aus verfassungsrechtlicher Sicht allein die Frage relevant, ob der Gesetzgeber berechtigt war, die Einschränkung auch für jene Fälle vorzunehmen, in denen der Beteiligungserwerb unter Geltung der ursprünglichen Vorschriften des StReformG 2005 erfolgte und die Fremdkapitalzinsen bisher abzugsfähig waren. Der Beschwerde ist einzuräumen, dass die Zurücknahme der Begünstigung plötzlich und ohne Übergangsregelung erfolgte. Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt auch nicht, dass die mit dem StReformG 2005 eröffnete Abzugsfähigkeit der Zinsen bei Beteiligungserwerben bei der Entscheidung über solche Erwerbe eine Rolle gespielt hat. Die Bedeutung dieses Faktors ist jedoch entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht mit der steuerlichen Anerkennung der Firmenwertabschreibung beim vorbereitenden Anteilserwerb nach dem Umgründungssteuergesetz (VfSlg. 15.739/2000) zu vergleichen. Dort ging es um die steuerliche Behandlung der gesamten Anschaffungskosten des Firmenwertes über einen Zeitraum von 15 Jahren, wobei der Gesetzgeber diese Abschreibungsmöglichkeit bewusst als steuerlich attraktive Alternative zum direkten Betriebserwerb eröffnet hatte. Hier geht es darum, ob ein Beteiligungserwerb durch Eigen- oder Fremdkapital finanziert wird und ob im Fall der Fremdfinanzierung der Zinsenaufwand als Betriebsausgabe anerkannt wird oder nicht, wobei die Abzugsfähigkeit vom Gesetzgeber allgemein aus Gründen der Verbesserung der Standortattraktivität eröffnet wurde und nicht, um gezielt fremdfinanzierte Beteiligungserwerbe anzuregen.

Aber selbst wenn die seit dem StReformG 2005 gegebene Abzugsfähigkeit der Zinsen die Entscheidung für einen Anteilserwerb und/oder die Kaufpreishöhe beeinflusst hat, ist zusätzlich zu bedenken, dass die Einschränkung Vorgänge betrifft, die sich im Rahmen desselben Konzerns, somit zwischen organisatorisch und finanziell verbundenen Unternehmen abspielen, so dass die Bedeutung von Vermögensverschiebungen deutlich relativiert wird. Anders als beim Wegfall der steuerlichen Firmenwertabschreibung bestehen im vorliegenden Fall auch Anpassungsmöglichkeiten. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Zurücknahme der Abzugsmöglichkeit nicht allein auf budgetären Überlegungen beruhte, sondern Gestaltungen in der Konzernfinanzierung verhindern will, die im Widerspruch zur Zielsetzung der eröffneten Abzugsmöglichkeit für Zinsaufwendungen stehen.

5. Zusammengefasst kann der Verfassungsgerichtshof somit besondere Umstände, die den Gesetzgeber von Verfassung wegen hindern, die Abzugsfähigkeit von Fremdkapitalzinsen bei Beteiligungserwerben im Konzern pro futuro wieder zu beseitigen, nicht erkennen.

V. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.