OGH vom 12.09.2013, 10ObS65/13a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Weitergewährung der Berufsunfähigkeitspension, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 51/12i-24, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 28 Cgs 92/11s-15, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten der Revisionsbeantwortung des Klägers sind weitere Verfahrenskosten. Die beklagte Partei hat ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Der Kläger bezog von bis durchgehend (jeweils befristet) die Berufsunfähigkeitspension.
Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Partei seinen Antrag auf Weitergewährung der Berufsunfähigkeitspension über den hinaus ab.
Das Erstgericht sprach aus, dass das gegen diesen Bescheid gerichtete Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger eine über den hinausgehende unbefristete Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, dem Grunde nach zu Recht bestehe und verpflichtete die beklagte Partei ab bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides zu einer vorläufigen Zahlung von 700 EUR monatlich.
Bisher steht folgender Sachverhalt fest:
„Der am geborene Kläger schloss 1985 eine Lehre als Textilveredler ab und beendete 1990 erfolgreich die Ausbildung zum Gärtnergehilfen. Er erwarb insgesamt 249 Beitragsmonate in der Pensionsversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag () erwarb er 156 Beitragsmonate. Von November 1990 bis Oktober 1998 war er mit einer kurzen Unterbrechung in einer Gärtnerei als Gärtner beschäftigt und erwarb 92 Beitragsmonate. Während seiner Beschäftigung in der Gärtnerei war er 18 Monate als Arbeiter und 74 Monate als Angestellter bei der Sozialversicherung angemeldet. Von Juli 1999 bis Oktober 2004 arbeitete der Kläger bei einem Gartencenter als Erstverkäufer und erwarb dort 64 Beitragsmonate. Seine Ausbildung als Gärtner war Voraussetzung für die im Gartencenter ausgeübte Tätigkeit. Seine Aufgaben waren die Kundenberatung und bedienung, die Warenpräsentation, die Qualitätsüberwachung, die Erstellung von Personaleinsatzplänen, die fachliche Anleitung der Mitarbeiter, die Warendisposition, die Regalpflege und die Preisauszeichnung. Vom bis war der Kläger bei der B***** geringfügig beschäftigt. Er war mit einfachen Arbeiten, wie zB Blumengießen befasst. Eine Besserung des (im Einzelnen festgestellten) medizinischen Leistungskalküls des Klägers ist ausgeschlossen. Auf Grund seines Leistungskalküls sind dem Kläger weder Tätigkeiten als Gärtner noch als Verkäufer in einem Gartencenter bzw in einer Gärtnerei möglich. Rein kaufmännische Tätigkeiten, zB im Bereich von Einkaufsabteilungen oder im Lagerbereich, wären ihm hingegen noch zumutbar. Diese Tätigkeiten kommen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter den dort vorherrschenden aktuellen Arbeitsbedingungen ausreichend vor.“
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag 18 Monate als Arbeiter und 138 Monate als Angestellter bei der Sozialversicherung gemeldet gewesen sei und daher der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten leistungszugehörig sei. Für die Frage, ob die Anspruchsvoraussetzungen für eine Pension aus der geminderten Arbeitsfähigkeit nach § 255 ASVG oder § 273 ASVG zu prüfen seien, sei jedoch die tatsächlich verrichtete Tätigkeit maßgeblich. Stelle man die Zahl der Beitragsmonate in beiden Zweigen der Pensionsversicherung einander gegenüber, ergebe sich, dass der Kläger von 1990 bis 1998 insgesamt 92 Beitragsmonate aufgrund seiner Tätigkeit als Gärtner erworben habe und somit im Beurteilungszeitraum überwiegend als Gärtner tätig gewesen sei. Es sei daher von einer überwiegend ausgeübten Arbeitertätigkeit auszugehen. Weil für die vom Kläger während 64 Beitragsmonaten zwischen 1999 und 2004 ausgeübte Tätigkeit bei dem Gartencenter die Gärtnerausbildung Voraussetzung gewesen sei, sei sie als eine berufsschutzerhaltende Tätigkeit des Gärtnerberufs anzusehen und nicht als eine rein kaufmännische Tätigkeit. Ausgehend vom Berufsschutz als Gärtner sei der Kläger am Arbeitsmarkt nicht verweisbar. Eine Verweisung auf kaufmännische Tätigkeiten im Bereich von Einkaufsabteilungen oder im Lagerbereich komme zufolge des Berufsschutzes nicht in Betracht. Da eine Besserung des Gesundheitszustands des Klägers ausgeschlossen sei, sei ihm die Invaliditätspension unbefristet zuzuerkennen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es legte seiner Entscheidung als unbestritten zugrunde, dass der Kläger den Beruf des Gärtners erlernt habe. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts, nach der eine Verweisung auf Arbeitertätigkeiten wegen des Berufsschutzes als Gärtner ausscheide. Die Berufsunfähigkeit des Klägers sei aber auch nach § 273 Abs 1 ASVG in der zum Stichtag gültigen Fassung zu prüfen. Danach werde das Verweisungsfeld durch den Beruf bestimmt, den der Versicherte zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt habe, im vorliegenden Fall also durch die beim Gartencenter zwischen 1999 und 2004 ausgeübte Angestelltentätigkeit. Allerdings stehe einer Verweisung des Klägers auf sonstige kaufmännische Tätigkeiten der Umstand entgegen, dass für die Anstellung beim Gartencenter eine abgeschlossene Gärtnerlehre Voraussetzung gewesen sei. Eine Verweisung auf rein kaufmännische Tätigkeiten würde dem Berufsschutz als Gärtner demnach nicht Rechnung tragen und sei deshalb ausgeschlossen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, der Revision Folge zu geben und das Urteil des Berufungsgerichts in ein klageabweisendes abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
In der dem Kläger freigestellten Revisionsbeantwortung beantragte er, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung der Vorinstanzen nicht mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Einklang steht, nach der durch die Tätigkeit als Angestellter ein eigener und von einer anderen erlernten oder angelernten Tätigkeit unabhängiger Berufsschutz nach § 273 Abs 1 ASVG erworben wird und ein gelernter Facharbeiter, der zuletzt eine Angestelltentätigkeit verrichtet hat, in der die im erlernten Beruf erworbenen Kenntnisse von Bedeutung waren, auch auf kaufmännische Angestelltentätigkeiten verweisbar ist. Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Die Revisionswerberin macht zusammengefasst geltend, eine Angestelltentätigkeit, deren Ausübung die Kenntnisse eines vorher ausgeübten Arbeiterberufs voraussetze, stehe einer weiteren Verweisung im Angestelltenbereich nicht entgegen.
Dazu ist auszuführen:
1. Nach den Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Kläger Versicherungszeiten zunächst in der Pensionsversicherung der Arbeiter und in der Folge auch in der Pensionsversicherung der Angestellten erworben hat.
Hat ein Versicherter Versicherungsmonate in mehreren Zweigen der Pensionsversicherung nach dem ASVG (nämlich der Arbeiter und der Angestellten) erworben, kommen für ihn gemäß § 245 Abs 1 ASVG die Leistungen des Zweiges der Pensionsversicherung in Betracht, dem er leistungszugehörig ist. Im vorliegenden Fall ist der Kläger unbestritten zur Pensionsversicherung der Angestellten gemäß § 245 Abs 3 ASVG leistungszugehörig, weil die Versicherungsmonate, die er in den letzten 15 Jahren vor dem gemäß § 223 Abs 2 ASVG als Stichtag geltenden erworben hat, weitaus überwiegend in der Pensionsversicherung der Angestellten vorliegen.
2.1. Aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ist aus der Pensionsversicherung der Angestellten die Berufsunfähigkeitspension zu leisten. Die besonderen Leistungsvoraussetzungen für die Berufsunfähigkeitspension finden ihre Regelung im § 273 ASVG.
Im Hinblick auf die Neuregelung des Berufsschutzes durch das BudgetbegleitG 2011 (§ 273 Abs 1 ASVG) ist vorerst zu prüfen, welche Rechtslage bei einer Weitergewährung einer befristeten Berufsunfähigkeitspension Anwendung zu finden hat, nämlich ob dies die Rechtslage zum ursprünglichen Stichtag oder die Rechtslage zum Zeitpunkt der Weitergewährung ist.
Nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung löst ein Weitergewährungsantrag nach einer befristeten Berufsunfähigkeitspension keinen neuen Stichtag aus (RIS Justiz RS0083653, RS0085389). Das Vorliegen von Berufsschutz ist zum ursprünglichen Stichtag zu prüfen ( Sonntag , ASVG 3 § 255 Rz 77; § 256 Rz 26 mwN).
Die Übergangsbestimmung des § 658 Abs 1 ASVG enthält dafür keine ausdrückliche Regelung, sondern sieht nur vor, dass § 255 Abs 2 bis 4 und § 273 Abs 1 und 2 ASVG idF des BudgetbegleitG 2011 mit in Kraft treten. Demgegenüber enthält beispielsweise die Übergabsbestimmung des § 669 Abs 6 ASVG die ausdrückliche Regelung, dass auf Personen, die am eine zeitlich befristet zuerkannte Invaliditätspension oder Berufsunfähigkeitspension beziehen, § 256 ASVG in der am geltenden Fassung bis zum Ablauf der jeweiligen Befristung weiterhin anzuwenden ist. Offensichtlich geht der Gesetzgeber demgegenüber bei der hier maßgebenden Gesetzesbestimmung des § 658 ASVG im Sinne der bisherigen ständigen Rechtsprechung davon aus, dass bei nahtlosem Weiterbestehen von Invalidität bzw Berufsunfähigkeit weiterhin die alte Rechtslage zu den Voraussetzungen eines Berufsschutzes gelten solle.
Nach Abs 1 des § 273 ASVG in der zum Stichtag geltenden Fassung des 2. SVÄG 2003, BGBl 2003/145 gilt der Versicherte als berufsunfähig, dessen Arbeitsfähigkeit infolge seines körperlichen oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs handelt es sich bei der Pensionsversicherung der Angestellten um eine Berufs-(Gruppen-)Versicherung, deren Leistungen einsetzen, wenn der Versicherte infolge seines körperlichen und/oder geistigen Zustands einen Beruf seiner Berufsgruppe nicht mehr ausüben kann (RIS-Justiz RS0084904).
2.2. Durch die Tätigkeit als Angestellter wird ein eigener und von einer anderen erlernten oder angelernten Tätigkeit unabhängiger Berufsschutz erworben. Eine Verweisung auf eine andere Angestelltentätigkeit kommt daher insoweit in Betracht, als durch deren Ausübung der Berufsschutz nach § 273 ASVG nicht verloren geht (RIS Justiz RS0083709). Dabei ist von jenem Angestelltenberuf auszugehen, den der Versicherte zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübt hat (RIS Justiz RS0084943). Dieser Beruf bestimmt das Verweisungsfeld, also die Summe aller Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen sind, weil sie eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen (RIS Justiz RS0084904 [T1]).
3. Die Voraussetzungen für den Anspruch eines Pensionswerbers auf Berufsunfähigkeitspension, dessen Versicherungszeiten überwiegend auf eine Beschäftigung zurückgehen, die gemäß § 13 ASVG die Zugehörigkeit zur Pensionsversicherung der Arbeiter begründet hätte, sind aber nicht nach § 273 ASVG, sondern unter analoger Anwendung des Invaliditätsbegriffs des § 255 ASVG zu beurteilen („Vertragsangestellte“ RIS-Justiz RS0084342; RS0083723). Welchem Zweig eine Tätigkeit zuzuordnen ist, richtet sich nach deren Inhalt (10 ObS 220/02d, SSV-NF 16/84).
4. Im vorliegenden Fall legte das Erstgericht seiner Entscheidung zugrunde, dass der Kläger, der zwar der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten leistungszugehörig ist, inhaltlich in den letzten 15 Jahren aber überwiegend eine Arbeiterberufstätigkeit als Gärtner ausgeübt hat.
4.1. Die besonderen Leistungsvoraussetzungen für die Invaliditätspension finden ihre Regelung in § 255 ASVG. Nach § 255 Abs 1 ASVG (in der hier anzuwendenden Fassung des 2. SVÄG 2003, BGBl I 2003/145) gilt der Versicherte dann als invalid, wenn er nicht nur in dem zuletzt ausgeübten, sondern in jedem der in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausgeübten erlernten (angelernten) Berufe nicht mehr die Hälfte des Normalverdienstes gesunder Personen erreichen könnte. War ein Versicherter in mehreren erlernten (Arbeiter-)Berufen tätig, verfügt er über vielfältigere Ausbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten als ein nur in einem Beruf tätig gewesener, weshalb er in allen Berufssparten verwiesen werden kann, auf die sich sein Berufsschutz erstreckt (RIS-Justiz RS0084523).
4.2. Zu 10 ObS 323/00y, SSV-NF 15/5 (= RIS Justiz RS0084523 [T4]) wurde in Fortentwicklung dieser Rechtsprechung ausgeführt, dass ein Versicherter, der mehrfach Berufsschutz genießt ob als Angestellter oder als qualifizierter Arbeiter in einem erlernten oder angelernten Beruf , in allen Berufssparten verwiesen werden darf, auf die sich sein Berufsschutz erstreckt. Dies wurde damit begründet, dass es einen unüberbrückbaren Wertungswiderspruch bedeuten würde, bei einer Gesamtschau der in den letzten 15 Jahren zurückgelegten Tätigkeiten eine Berufsschutz begründende Angestelltentätigkeit anders zu beurteilen als einen ebenfalls Berufsschutz begründenden, erlernten oder angelernten Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG, auf den ein Versicherter selbst dann verwiesen werden könnte, wenn er einen anderen, in den letzten 15 Jahren ebenfalls ausgeübten erlernten oder angelernten Beruf nicht mehr ausüben könnte. War daher ein Versicherter in den letzten 15 Jahren sowohl in erlernten (angelernten) Berufen im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG als auch in Angestelltenberufen im Sinn des § 273 ASVG tätig, so können dann, wenn die Voraussetzungen des Versicherungsfalls des § 255 Abs 1 ASVG zu beurteilen sind, jedenfalls die als Angestellter erworbenen Versicherungszeiten nicht anders behandelt werden als diejenigen aus einem erlernten oder angelernten Beruf. Dieser Grundsatz muss jedenfalls dann gelten, wenn die Angestelltentätigkeit im Rahmen einer zulässigen Verweisungstätigkeit weiterhin verrichtet werden kann (10 ObS 125/12y mwN).
5.1. Im vorliegenden Fall ist der Kläger nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht mehr in der Lage, seine zuletzt ausgeübte Angestelltentätigkeit als Erstverkäufer in einem Gartencenter bzw in einer Gärtnerei auszuüben, sodass zu prüfen ist, ob für ihn eine andere Berufstätigkeit in Betracht kommt.
5.2. Für die Bestimmung des Verweisungsfelds ist zunächst maßgeblich, ob der zuletzt ausgeübte Beruf des Erstverkäufers nicht bloß vorübergehend ausgeübt wurde (10 ObS 125/12y), was im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Ausübung dieser Tätigkeit im Zeitraum von 1999 bis 2004 jedenfalls zu bejahen ist. Dass es sich dabei um kaufmännische Tätigkeiten gehandelt hat, ist im Hinblick auf den konkret festgestellten Tätigkeitsbereich (Kundenberatung und -bedienung, Warenpräsentation, Qualitätsüberwachung, Erstellung von Personaleinsatzplänen, fachliche Anleitung der Mitarbeiter, Warendisposition, Regalpflege und Preisauszeichnung) evident. Es steht weiters fest, dass die Ausbildung als Gärtner Voraussetzung für die im Gartencenter ausgeübte Tätigkeiten war.
6.1. Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Frage der Verweisbarkeit eines Facharbeiters, dessen im erlernten Beruf erworbene Kenntnisse bei seiner zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübten kaufmännischen Angestelltentätigkeit von wesentlicher Bedeutung waren, bereits in den Entscheidungen 10 ObS 71/06y, SSV NF 20/48 und 10 ObS 93/06h, SSV-NF 20/50 (jeweils vom ) auseinandergesetzt. So ist bei der Beurteilung der Verweisbarkeit eines Versicherten, der nach erfolgreicher Absolvierung einer Lehre und Ausübung dieser erlernten Tätigkeit zuletzt über einen längeren Zeitraum als Angestellter tätig war, von diesem zuletzt nicht nur vorübergehend ausgeübten Angestelltenberuf auszugehen; die (einschlägige) Arbeitertätigkeit hat hingegen außer Betracht zu bleiben. Dies wurde vor allem damit begründet, dass Voraussetzung für den Berufsschutz als Angestellter nach § 273 ASVG nicht die Absolvierung einer bestimmten Ausbildung, sondern allein der Umstand ist, dass der Versicherte Tätigkeiten verrichtet, die als kaufmännische, höhere nicht kaufmännische oder Kanzleidienste im Sinn des § 1 AngG anzusehen sind. Ein einmal erworbener Berufsschutz kann durch die Aufgabe der bisherigen Tätigkeit und die Ausübung anderer Tätigkeiten wieder verloren gehen und der Versicherte kann durch die Ausübung einer kaufmännischen Tätigkeit einen eigenen und von einer anderen erlernten oder angelernten Tätigkeit unabhängigen Berufsschutz nach § 273 Abs 1 ASVG erwerben (10 ObS 71/06y, SSV-NF 20/48; 10 ObS 93/06h, SSV NF 20/50; 10 ObS 110/06h).
Ausgehend von diesen Grundsätzen wurde ausgesprochen, dass ein gelernter Schriftsetzer, der als Schriftsetzer und Druckstufentechniker als kaufmännischer Außendienstangestellter in der Druckereibranche im Verkauf von Druckmaschinen und -zubehör tätig war, auf Angestelltentätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 verweisbar sei (10 ObS 71/06y, SSV NF 20/48). Es wurde auch die Verweisbarkeit eines gelernten Fleischers, der als Außendienstverkäufer und Servicebetreuer im Bereich von Räucheranlagen beschäftigt war, auf einfache Tätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrags der Handelsangestellten bejaht (10 ObS 93/06h, SSV NF 20/50). Zu 10 ObS 110/06h wurde ausgesprochen, dass ein Bäcker, der zuletzt im Angestelltenverhältnis als Fahrverkäufer für Backwaren tätig war, auf einfache Angestelltentätigkeiten verwiesen werden könne. Nach der Entscheidung 10 ObS 80/09a, SSV NF 23/41 bewirkt die frühere Ausübung eines technischen Berufs (etwa des Berufs des gelernten Wasser- und Heizungsinstallateurs) keine Einschränkung der Verweisbarkeit im Rahmen des zuletzt ausgeübten (überwiegend) kaufmännischen Berufs, mögen auch die im erlernten Beruf erworbenen technischen Kenntnisse bei der zuletzt ausgeübten Angestelltentätigkeit von wesentlicher Bedeutung gewesen sein.
6.2. Auch wenn man darauf abstellt, dass die vom Kläger im Gartencenter ausgeübte Angestelltentätigkeit für den erlernten Beruf als Gärtner berufsschutzerhaltend gewesen war und er deshalb neben seiner Angestelltentätigkeit auch weiterhin den Berufsschutz als gelernter Gärtner genießt, ist für ihn im Ergebnis nichts gewonnen. Ein Versicherter, der mehrfach Berufsschutz als Angestellter und auch als qualifizierter Arbeiter in einem erlernten oder angelernten Beruf genießt, kann nach ständiger Rechtsprechung nämlich in allen Berufssparten verwiesen werden, auf die sich sein Berufsschutz erstreckt, weil er über vielfältigere Ausbildungen, Kenntnisse und Fähigkeiten als ein nur in einem Beruf tätig gewesener Versicherter verfügt (10 ObS 80/09a, SSV NF 23/41).
6.3. Auf die erlernte Arbeitertätigkeit als Gärtner muss somit nicht deshalb Bedacht genommen werden, weil die dabei erworbenen Kenntnisse für die vom Kläger im Gartencenter zuletzt (nicht nur vorübergehend) ausgeübte Tätigkeit als Erstverkäufer von wesentlicher Bedeutung waren. Vielmehr ist für die Verweisbarkeit (allein) die zuletzt ausgeübte kaufmännisch geprägte Angestelltentätigkeit im Gartencenter maßgeblich. Die frühere Ausübung des Berufs als Gärtner vermag zu keiner entsprechend fachspezifischen Einschränkung der Verweisbarkeit des Klägers im Rahmen seines zuletzt ausgeübten kaufmännischen Berufs als Erstverkäufer führen.
7. Ausgehend von den für den Beruf des Erstverkäufers erforderlichen kaufmännischen Kenntnissen und Fähigkeiten kommen wie bereits ausgeführt für den Kläger als Verweisungsberufe alle Berufe in Betracht, die eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige (kaufmännische) Fähigkeiten verlangen.
Da die Vorinstanzen jedoch von einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten eingeschränkten Verweisbarkeit unter Bedachtnahme auf die früher ausgeübte Arbeitertätigkeit als Gärtner ausgegangen sind, fehlen sowohl Feststellungen zu den im Beruf eines Erstverkäufers erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten als auch zu den Anforderungen in möglichen, kaufmännisch geprägten Verweisungsberufen.
Da es somit weiterer Feststellungen bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt hinsichtlich der vom Kläger verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen (§ 77 Abs 1 Z 1 ASGG).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00065.13A.0912.000