OGH vom 06.09.2017, 13Os5/17k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Hatice S***** und andere Angeklagte wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Hatice S***** und Adnan U***** gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 24 Hv 10/16z-98, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der von den Schuldsprüchen erfassten Taten unter § 38 Abs 1 FinStrG, demzufolge auch in den Strafaussprüchen, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Linz verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Hatice S***** und Adnan U***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Den genannten Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen – verfehlt, aber unschädlich auf § 259 Z 3 StPO anstelle von § 214 FinStrG gestützten (vgl Lässig in WK² FinStrG § 214 Rz 1) – Freispruch eines weiteren Angeklagten enthält, wurden Hatice S***** und Adnan U***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1, 38 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.
Danach haben sie im Zuständigkeitsbereich des Zollamts Linz Wels dadurch, dass sie jeweils als Einzelunternehmer bei diesem Zollamt eine Bewilligung zum registrierten Empfang von Alkohol und alkoholhältigen Waren und damit verbunden die Erteilung einer Verbrauchsteuernummer erwirkten, nämlich
Adnan U***** (Firma „U***** Handel“) am in L***** und
Hatice S***** (Firma „Hatice S*****“) am in W*****,
und nachfolgend in Absprache mit dem unmittelbaren Täter Ali A***** jeweils wahrheitswidrig den Empfang der jeweils auf ihren Namen bestellten, zu I (U*****) und II (S*****) angeführten Alkohollieferungen gegenüber dem Zollamt Linz Wels und den deutschen Steuerlagern bestätigten, vorsätzlich zur Ausführung des Finanzvergehens des (in der Bundesrepublik Deutschland) gesondert verfolgten Ali A***** beigetragen. Dieser hat im Zuständigkeitsbereich des Zollamts Hamburg gewerbsmäßig unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht, nämlich der ihn nach § 144 Abs 2 des deutschen Branntweinmonopolgesetzes (das eine durch Rechtsvorschriften der Europäischen Union, nämlich die Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom , harmonisierte Verbrauchsteuer [§ 2 Abs 1 lit c FinStrG] normiert) treffenden Pflicht zur unverzüglichen Anmeldung und Entrichtung von Branntweinsteuer (§§ 130 f BranntwMonG) nach Überführung von Spirituosen in den steuerrechtlich freien Verkehr (§ 143 Abs 1, Abs 2 Nr 5, Abs 6 Nr 5 iVm §§ 132 Nr 3, 142 BranntwMonG), eine Verkürzung an deutscher Branntweinsteuer bewirkt. Dies tat er, indem er unter dem Vorwand steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen (vgl §§ 135, 140 BranntwMonG) mit zwei gutgläubigen, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Steuerlagerinhabern (§§ 133 Abs 1, 134 Abs 1 BranntwMonG) die Lieferung von insgesamt 143.007 Litern unversteuerter Spirituosen (darin 56.179,1 Liter reinen Alkohols) an die in Österreich ansässigen Unternehmen der Angeklagten vereinbarte, jedoch – nachdem die Steuerlagerinhaber daraufhin den jeweils vereinbarten Transport von Spirituosen im elektronischen Versandverfahren an das vorgebliche (österreichische) Empfängerunternehmen eröffnet hatten – bei der jeweiligen Abholung veranlasste, dass der Fahrer des von ihm beauftragten Transportunternehmens den Alkohol nicht nach Österreich, sondern an verschiedene Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland transportierte, und zwar
(I) vom bis zum in vier Angriffen vorgeblicher Lieferung von zusammen 33.130 Liter Spirituosen (darin 12.337,50 Liter reinen Alkohols) an Adnan U***** – Verkürzung an Branntweinsteuer um 160.757,63 Euro sowie
(II) vom bis zum in fünf Angriffen vorgeblicher Lieferung von zusammen 58.902 Liter Spirituosen (darin enthalten 23.051,60 Liter reinen Alkohols) an Hatice S***** – Verkürzung an Branntweinsteuer um 300.354 Euro.
Hatice S***** und Adnan U***** handelten dabei in der Absicht, „sich durch die wiederkehrende Begehung der Tathandlungen einen nicht bloß geringfügigen fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil in Form der Entlohnung durch Ali A***** von jeweils mindestens EUR 1.000.- pro vorgetäuschter Lieferung nach Österreich, herrührend von A***** abgabenrechtlich erlangten Vorteilen, wobei sie jeweils bereits mindestens zwei solcher Taten begangen haben, und zwei weitere konkrete Lieferungen im Einzelnen geplant waren“.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die gemeinsam ausgeführten, auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der beiden genannten Angeklagten.
Sie bekämpfen ausschließlich die rechtliche Annahme einer Strafbarkeit der von den Schuldsprüchen erfassten Finanzvergehen im Inland (§ 5 Abs 1 FinStrG).
Nach dem Urteilssachverhalt förderten die Angeklagten, die keine österreichischen Staatsbürger sind, durch im Inland gesetzte Handlungen von Ali A***** (als unmittelbarem Täter) in der Bundesrepublik Deutschland verübte Verkürzungen an Branntweinsteuer (US 5 bis 10).
Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) nicht dieses Feststellungssubstrat oder die diesbezügliche Begründung sondern bloß Rechtsausführungen des Erstgerichts beanstandet, verfehlt sie von vornherein ihren gesetzlichen Bezugspunkt (Ratz, WKStPO § 281 Rz 391).
Mit dem Einwand, „das Finanzstrafvergehen“ sei zwar „durch Ali A***** in Deutschland“ (also im Zollgebiet der Europäischen Union) begangen, aber nicht im Inland entdeckt worden, bestreitet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Vorliegen einer Inlandstat (§ 5 Abs 1 FinStrG) nach § 5 Abs 2 zweiter Satz FinStrG. Sie unterlässt jedoch darzulegen, weshalb eine solche angesichts der in Österreich geleisteten Beiträge (§ 11 dritter Fall FinStrG) der Angeklagten nicht jeweils schon nach § 5 Abs 2 erster Satz FinStrG gegeben sein sollte, und bringt damit den geltend gemachten materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RISJustiz RS0116565).
Hinzugefügt sei, dass die Bestimmung des § 5 Abs 1 FinStrG materiell der des § 62 StGB, die Regelung des ersten Satzes des § 5 Abs 2 FinStrG der des § 67 Abs 2 StGB entspricht (Lässig in WK2 FinStrG § 5 Rz 1). Auch nach § 5 Abs 2 erster Satz FinStrG begeht daher eine – die Strafbarkeit im Inland begründende (§ 5 Abs 1 FinStrG) – Inlandstat, wer (wie hier die Angeklagten) im Inland zu einer im Ausland verübten, mit Strafe bedrohten Handlung beiträgt (RISJustiz RS0130929).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).
Aus ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass das angefochtene Urteil mit – zugunsten der Angeklagten nicht geltend gemachter – materieller Nichtigkeit behaftet ist, die diesen jedoch zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Das Erstgericht subsumierte die von den Schuldsprüchen erfassten Taten (auch) § 38 FinStrG (idgF). Diese Qualifikationsnorm verlangt (in Abs 2) die Absicht des Täters, durch wiederkehrende Begehung des in Rede stehenden Finanzvergehens (und nicht etwa einem Dritten) einen Vorteil – also eine Steuerersparnis oder Steuergutschrift – zu verschaffen (Fellner, FinStrG § 38 Rz 14; 13 Os 127/16z; 13 Os 13/17m).
Die Tatrichter konstatierten zwar – dem Wortlaut des § 38 Abs 2 FinStrG entsprechend – eine auf das Sich-Verschaffen eines solchen Vorteils gerichtete Absicht der Angeklagten (US 8, 10). Den – für die rechtliche Beurteilung insoweit maßgebenden (RISJustiz RS0119090) – Sachverhaltsbezug aber stellten sie dahin her, dass die Angeklagten auf das Erlangen einer von A***** für ihre wiederkehrenden Tatbeiträge geleisteten „Entlohnung herrührend aus den abgabenrechtlichen Vorteilen“ des Genannten (US 10) abzielten.
Diese Sachverhaltsgrundlage reicht für die Subsumtion nach § 38 FinStrG nicht hin, weil Vermögensbestandteile, die (der unmittelbare Täter und Abgabenschuldner) A***** den Angeklagten als Entgelt für ihre Tatbeiträge zukommen ließ – auch wenn sie aus seiner Steuerersparnis herrühren – keinen Vorteil bedeuten.
Der darin gelegene Subsumtionsfehler (Z 10) führte – abermals im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten darauf zu verweisen.
Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WKStPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Bleibt für den zweiten Rechtsgang anzumerken, dass § 38 FinStrG mit BGBl I 2015/163 (Inkrafttreten am ) – somit zwischen Tat- und Urteilszeit – geändert wurde. Bei dem deshalb vorzunehmenden, vom Erstgericht im ersten Rechtsgang jedoch unterlassenen Günstigkeitsvergleich (zur von § 61 zweiter Satz StGB verschiedenen Regelung desselben für das Finanzstrafverfahren Lässig in WK2 FinStrG § 4 Rz 4 ff) wird daher zu beachten sein:
Sollten – nach der im zweiten Rechtsgang zu schaffenden Feststellungsbasis – alle oder einzelne Taten der Angeklagten die Tatbestandselemente des § 38 FinStrG sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage erfüllen, wäre insoweit (infolge fallkonkret gleicher Günstigkeit beider Rechtsschichten – vgl RISJustiz RS0119085 [insbesondere T 1]) gemäß § 4 Abs 2 FinStrG Tatzeitrecht anzuwenden (vgl 13 Os 47/16k). Sollte hingegen diese Qualifikationsnorm nur in ihrer Tatzeitfassung, nicht aber in der zum Urteilszeitpunkt geltenden Fassung erfüllt sein, wäre infolge (fallkonkret) günstigeren Urteilszeitrechts eben Letzteres mit der Konsequenz anzuwenden, dass ein Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nach dieser Bestimmung nicht zu fällen wäre (vgl RISJustiz RS0118096).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00005.17K.0906.000 |
Schlagworte: | 3 Alle Os-Entscheidungen |
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