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VfGH vom 11.10.1988, B933/87

VfGH vom 11.10.1988, B933/87

Sammlungsnummer

11870

Leitsatz

GSVG; Festsetzung der Beitragsleistung für die Pensionsversicherung im Fall mehrerer Erwerbseinkommen; keine Bedenken gegen § 25 Abs 5 idF vor der 12. GSVG-Nov. BGBl. 158/1987 iVm. § 26 Abs 3 idF BGBl. 586/1980 im Hinblick auf das Gleichheitsgebot

Spruch

Der Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Der Bf. ist ein in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis stehender Lehrer an einer Bundes-Handelsakademie. Auf Grund einer 1986 erfolgten Bestellung zum Wirtschaftstreuhänder übt er überdies eine selbständige Erwerbstätigkeit als Steuerberater aus.

b) Mit dem im Instanzenzug ergangenen, rechtskräftig gewordenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom wurde festgestellt, daß der Bf. gemäß § 3 Abs 3 Z 1 des Gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes - GSVG seit seiner am erfolgten Bestellung zum Wirtschaftstreuhänder in der Pensionsversicherung nach dem GSVG pflichtversichert ist. Auf Grundlage dieser Entscheidung wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom die Beitragsgrundlage für die Pensionsversicherung für den Bf. gemäß § 25 Abs 5 Z 1 GSVG (idF vor der 12. GSVG-Nov. BGBl. 158/1987) mit S 5.869,-monatlich festgesetzt.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in der sich der Bf. in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie in seinen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verletzt erachtet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt. Der Bf. begründet seine Behauptung ausschließlich damit, daß § 26 Abs 3 GSVG verfassungswidrig sei (näheres s. unter III.)

3. Die bel. Beh. hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die zur Beurteilung der vorliegenden Berschwerde in erster Linie in Betracht zu ziehenden Vorschriften des GSVG bestimmen folgendes:

1. Nach § 25 GSVG wird die Beitragsgrundlage für Pflichtversicherte in der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft grundsätzlich nach den Einkünften aus den die Versicherungspflicht nach diesem Gesetz begründenden Erwerbstätigkeiten im drittvorangegangenen Kalenderjahr bemessen.

§25 Abs 5 GSVG sieht jedoch eine Mindestbeitragsgrundlage vor; in der bis zum geltenden Fassung lautete der erste Satz dieser Bestimmung (mit den Beträgen für das Kalenderjahr 1986 gemäß § 5 der V des Bundesministers für soziale Verwaltung vom , BGBl. 5/1986):

"(5) Die Beitragsgrundlage gemäß Abs 2 beträgt,

1. wenn Einkünfte bei Beginn der Versicherung und in den folgenden zwei Kalenderjahren mangels Vorliegens der hiefür notwendigen Nachweise (§27 Abs 4 und 5) nicht festgestellt werden können, 5 869 S monatlich;

2. in allen übrigen Fällen mindestens 7 335 S (Mindestbeitragsgrundlage)."

Seit lautet § 25 Abs 5 erster Satz GSVG gemäß der 12. GSVG-Nov., ArtII des BGBl. 158/1987:

"Die Beitragsgrundlage gemäß Abs 2 beträgt mindestens 7.335 S monatlich (Mindesbeitragsgrundlage)."

2. Diese Bestimmungen über die Mindestbeitragsgrundlage sind jedoch in bestimmten Fällen einer anderen eine Pensionsversicherungspflicht begründenden Erwerbstätigkeit nicht anzuwenden; § 26 Abs 3 GSVG idF BGBl. 586/1980 normiert nämlich:

"(3) Übt ein nach den Bestimmungen dieses BG in der Pensionsversicherung Pflichtversicherter auch eine oder mehrere Erwerbstätigkeiten aus, die

1. die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz oder

2. die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz oder

3. die Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz und nach dem Freiberuflichen-Sozialversicherungsgesetz begründen, so sind bei Ermittlung der Beitragsgrundlage nach diesem BG die Vorschriften des § 25 Abs 5 bzw. des § 236 lita nicht anzuwenden."

3. Die Bestimmung des § 26 Abs 3 GSVG wurde durch die

3. GSVG-Nov. eingeführt. Die Erläuterungen (536 BlgNR, XV. GP) führen zur ratio dieser Vorschrift ua. aus:

"Wie dem Bundesminister für soziale Verwaltung aus Eingaben von Versicherten und aus dem Vorbringen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft bekannt geworden ist, wird es in den Fällen der Mehrfachversicherung von den Betroffenen als unbillige Härte empfunden, daß die für die Beitragsbemessung zu bildende Beitragsgrundlage in den Fällen des § 217a GSVG - (Anm. d.s. Vorschriften über die Beitragsgrundlagen bei gleichzeitiger Ausübung mehrerer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeiten) ungeachtet der Tatsache, daß nur geringe oder überhaupt keine Einkünfte aus der selbständigen Erwerbsstätigkeit vorliegen, mit den Beträgen nach § 25 Abs 5 bzw. nach § 236 lita GSVG (Mindestbeitragsgrundlage) herangezogen wird. ...

Den aufgezeigten Härten soll dadurch begegnet werden, daß bei gleichzeitiger Ausübung mehrerer Erwerbstätigkeiten, welche die Pflichtversicherung in mehreren gesetzlichen Pensionsversicherungen begründen, die Beitragsgrundlage nach dem GSVG ... unter Außerachtlassung der Vorschriften des § 25 Abs 5 bzw. auch des § 236 lita GSVG über die Mindestbeitragsgrundlage, demnach ausschließlich nach den Bestimmungen des § 25 Abs 1 bis 4 zu bilden ist. Dies bedeutet, daß sich in den Fällen des § 25 Abs 5 Z 1 GSVG jedenfalls eine Beitragsgrundlage mit dem Betrag Null ergibt, weil keine für die Bildung der Beitragsgrundlage maßgebenden Einkünfte vorliegen. Derartige Maßnahmen erscheinen vertretbar, weil die Einrichtung der Mindestbeitragsgrundlage das Ziel verfolgt, bei geringen bzw. bei völligen Fehlen von Einkünften noch eine Beitragsleistung in einem versicherungstechnisch vertretbaren Verhältnis zu erreichen, eine solche Zielsetzung jedoch nicht gegeben ist, wenn die Gesamtbeitragsgrundlage unter Berücksichtigung der Summe aller Einkünfte aus den versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeiten die `Mindestbeitragsgrundlage` des GSVG übersteigt."

III. Der Bf. begründet die behaupteten Rechtsverletzungen (s.u. I.2.) damit, daß der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendete § 26 Abs 3 GSVG verfassungswidrig sei, weil er gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Diese Bestimmung bewirke, daß

"die Beitragsgrundlage für die gleiche selbständige Tätigkeit als Wirtschaftstreuhänder (bei gleich hohen Einkünften aus dieser Tätigkeit) und bei Vorhandensein gleich hoher Einkünfte aus der gleichen unselbständigen Erwerbstätigkeit als Lehrer für kaufmännische Gegenstände, unterschiedlich ermittelt werde, je nachdem ob die gleiche Tätigkeit des Unterrichtens im öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis erfolgt, oder als Vertragslehrer und damit dem ASVG unterliegend".

Der Wechsel vom privatrechtlichen ins öffentlichrechtliche Dienstverhältnis habe eine - sachlich nicht zu rechtfertigende - Schlechterstellung zur Folge. § 26 Abs 3 GSVG differenziere unsachlich zwischen öffentlichrechtlich und privatrechtlich Bediensteten; durch diese Vorschrift seien die öffentlichrechtlich Bediensteten "automatisch der Mindestbeitragsgrundlage (§25 Abs 5) unterworfen", während die privatrechtlich Bediensteten "von der Mindestbeitragsgrundlage unter der Voraussetzung des § 26 Abs 4 ausgenommen" seien; der Sinn der Ausnahme von der Verpflichtung, einen Mindestbeitrag zu leisten, bestehe darin, daß hier ein weiterer Pensionsanspruch bestehe (sodaß die wirtschaftliche Existenz im Pensionsfall auch noch anders abgesichert sei); ein Ruhegenußanspruch (eines Beamten) sei aber einem Pensionsanspruch (nach dem ASVG) "materiell gleichzuhalten".

IV. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) Den oben (unter II.) wiedergegebenen Vorschriften zufolge wird auf die Beitragsleistung auf Basis der Vorschriften über die Mindestbeitragsgrundlage zwar verzichtet, wenn der nach dem GSVG Versicherte ein Erwerbseinkommen bestimmter Höhe aus einer die Versicherungspflicht nach dem ASVG oder FSVG begründenden Erwerbstätigkeit bezieht, nicht aber auch dann, wenn diese Einkünfte aus einer einen öffentlichrechtlichen Pensionsanspruch begründenden Erwerbstätigkeit erfließen.

b) Der VfGH teilt die vom Bf. ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung vorgebrachten Bedenken (s.o. III.) nicht. Die Ungleichbehandlung der Erwerbseinkommen aus öffentlichrechtlichen Dienstverhältnissen und solchen, die eine Sozialversicherungspflicht nach dem ASVG oder FSVG begründen, in Bezug auf die Beurteilung der Beitragsgrundlage nach dem GSVG ist nämlich sachlich gerechtfertigt:

Keiner weiteren Begründung bedarf, daß der Gesetzgeber den Rahmen des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes nicht verlassen hat, wenn er von der Verpflichtung zur Entrichtung eines Mindestbeitrages für Fälle absah, in denen (aufgrund einer zweiten Erwerbstätigkeit) nach Übertritt in den Ruhestand - auch ohne daß aus der ersten (dem GSVG unterliegenden) Tätigkeit wenigstens eine Mindestpension gebührt - (insgesamt) eine Pension in ausreichender Höhe gesichert ist. Das bestreitet auch der Bf. nicht.

Dem Gesetzgeber kann aber weiters nicht vorgeworfen werden, das auch an ihn gerichtete Gleichheitsgebot verletzt zu haben, wenn er hiebei nur eine solche zweite Erwerbstätigkeit berücksichtigt hat, die dem Regime der Sozialversicherung unterliegt (wie beispielsweise privatrechtliche Dienstverhältnisse auch zu einer Gebietskörperschaft), nicht aber eine solche, die diesem Regime nicht unterworfen ist (wie beispielsweise öffentlichrechtliche Dienstverhältnisse). Es geht hier nicht um die Differenzierung zwischen Beamten und Vertragsbediensteten, sondern darum, daß sich die Regelung auf ein im Sozialversicherungsrecht zusammengefaßtes System beschränkte und auf außerhalb dieses Systems erfolgende Erwerbstätigkeiten nicht Bedacht nahm.

c) Der VfGH hegt unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles auch sonst nicht das Bedenken, daß die den angefochtenen Bescheid stützenden Rechtsvorschriften dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen. Anhaltspunkte für ein willkürliches Vorgehen der Behörde hat das Verfahren nicht ergeben.

Daraus folgt, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt wurde.

2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.