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OGH vom 15.02.2001, 8ObS293/00x

OGH vom 15.02.2001, 8ObS293/00x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Ing. Hugo Jandl und Dr. Helmut Szongott als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Wolfgang M*****, Arbeiter, ***** vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Bundessozialamt Steiermark, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17 - 19, wegen S 1.010,-

netto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 109/00m-9, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 33 Cgs 1/00v-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 1.010,-

samt 4 % Zinsen vom bis zum binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.169,60 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin S 361,60 Umsatzsteuer) und die mit S 2.372,16 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 395,36 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen".

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 1.626,24 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 271,04 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Über den Arbeitgeber des Klägers wurde am zu 25 S 448/98i des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz das Konkursverfahren eröffnet. In der Berichtstagsatzung vom wurde die unbefristete Fortführung des Unternehmens beschlossen. In weiterer Folge wurde das Unternehmen jedoch mit Beschluss des Konkursgerichtes vom mit sofortiger Wirkung geschlossen. Der Kläger erklärte daraufhin wegen Vorenthaltung des Lohns vom bis zum sowie der in diesem Zeitraum angelaufenen Reisekosten seinen vorzeitigen Austritt. Diese den Gegenstand des Verfahrens bildenden Reisekosten sind für Dienstreisen aufgelaufen, die vom Masseverwalter angeordnet wurden. Der Masseverwalter hat schriftlich erklärt, zu ihrer Zahlung nicht in der Lage zu sein.

Die Beklagte hat dem Kläger Insolvenzausfallgeld von S 37.735,- sA zuerkannt, den Antrag auf Zuerkennung weiterer S 1.010,-

(Reisekosten) hingegen abgelehnt.

Der Kläger begehrt nunmehr mit seiner Klage den Zuspruch dieses Betrages, weil die ihm aufgelaufenen Reisekosten als "sonstige Ansprüche gegen den Arbeitgeber" iS des § 1 Abs 2 Z 3 IESG gesichert seien.

Die beklagte Partei beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Der geltend gemachte Anspruch sei weder laufendes Entgelt iS des § 3a Abs 2 IESG noch ein Beendigungsanspruch iS des § 3b Z 4 IESG. Es handle sich um nach der Konkurseröffnung entstandene "sonstige Ansprüche" die nach dem Wortlaut des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers nicht gesichert seien.

Das Erstgericht schloss sich der Argumentation der beklagten Partei an und wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes und verwies auf die aus den Gesetzesmaterialien ersichtliche Absicht des Gesetzgebers, Missbräuche bei jenen Ansprüchen zu verhindern, zu deren Zahlung ohnehin der Masseverwalter verpflichtet sei. Ab dem Zeitpunkt, ab dem im Konkursverfahren der Beschluss gefasst werde, das Unternehmen unbefristet fortzuführen, bestehe nur mehr eine - von einer schriftlichen Bestätigung des Masseverwalters, nicht zahlen zu können, abhängige - Ausfallshaftung für die anfallenden laufenden Entgelte. Für weitere Ansprüche normiere § 3b IESG eine solche Ausfallshaftung aber nur, soweit es sich um Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses handle. Da Aufwandsentschädigungen - und daher auch Reisekosten - nicht dem Entgeltbegriff zu unterstellen seien, habe das Erstgericht die Sicherung der hier geltend gemachten Reisekosten zu Recht verneint.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur hier zu lösenden Rechtsfrage fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

Richtig ist, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung der in den §§ 3a, 3b und 3d IESG vorgesehenen Ausfallshaftung die "Zwangskreditfunktion" des Insolvenzausfallgeldfonds einschränken wollte. Diese bestand bis dahin darin, dass dem Arbeitnehmer unabhängig davon, ob der Schuldner bzw der Masseverwalter die laufenden Entgelte, die bevorrechtete Forderungen bzw. Masseforderungen darstellen, dem Arbeitnehmer tatsächlich zahlen konnte, jedenfalls Insolvenzausfallgeld gebührte (Liebeg, IESG**2, Rz 19 zu § 3a). Im Fall des Konkurses soll daher nunmehr gemäß § 3a Abs 2 IESG ab der Berichtstagsatzung, wenn dort das Konkursgericht - wie hier - den Beschluss fasst, dass das Unternehmen unbefristet fortgeführt wird, Insolvenzausfallgeld für die laufenden Entgelte einschließlich anteiliger Sonderzahlungen nicht mehr gebühren. Anders ist dies nur dann, wenn der Masseverwalter schriftlich erklärt, dass die Masse zur Zahlung nicht in der Lage ist, und daher der Arbeitnehmer seinen berechtigten vorzeitigen Austritt wegen der nicht erfolgten Zahlung erklären muss (§ 3a Abs 2 Z 5, Abs 4 IESG; Liebeg, aaO, Rz 19 unter Hinweis auf ErläutRV 737 BlgNR 20. GP 10).

§ 3b Z 1 bis 4 IESG begrenzt zwar den Anspruch auf Insolvenzausfallgeld für weitere Ansprüche ab Konkurseröffnung ebenfalls mit dem Ende der nach § 3a Abs 2 Z 1 - 4, Abs 3 oder Abs 5 IESG in Frage kommenden Frist, sieht aber für das Konkursverfahren eine der Regelung des § 3a IESG (für das laufende Entgelt) vergleichbare Ausfallshaftung für den Zeitraum ab der Berichtstagsatzung im Falle der Fortführung des Unternehmens nur für die - hier nicht interessierenden - Beendigungsansprüche vor. Für "sonstige Ansprüche" wird eine derartige Ausfallshaftung daher nicht normiert.

Geht man daher - wie die Vorinstanzen - auch im hier interessierenden Zusammenhang vom im Arbeitsrecht herrschenden Entgeltbegriff aus, nachdem Reisekosten - als Aufwandersatz - nicht als "Entgelt" zu qualifizieren sind (DRdA 1993,387; RIS-Justiz RS0030847), führt dies zum von den Vorinstanzen erzielten Ergebnis, dass zwar das dem Kläger zustehende laufende Entgelt (im Wege der Ausfallshaftung) gesichert ist, nicht aber die im gleichen Zeitraum durch vom Masseverwalter angeordnete Tätigkeiten aufgelaufenen Reisekosten. Diese Differenzierung ist sachlich in keiner Weise gerechtfertigt und kann auch aus den von den Vorinstanzen zitierten Gesetzesmaterialien nicht erklärt werden. Zwar ist richtig, dass daraus die schon oben zitierte Absicht des Gesetzgebers erkennbar ist, Ansprüche auf Insolvenzausfallgeld dort einzuschränken, wo ohnedies eine Haftung des Masseverwalters besteht. Dieser Gedanke liegt aber auch der für das laufende Entgelt geschaffenen Regelung zugrunde und hinderte den Gesetzgeber nicht an der hiefür normierten Ausfallshaftung des Fonds. Warum diese Ausfallshaftung für die von der maßgebenden Interessenlage völlig vergleichbaren Reisekosten nicht gelten soll, wird hingegen in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage mit keinem Wort begründet, woraus nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs der Schluss gezogen werden kann, dass dem Gesetzgeber die Möglichkeit der Schaffung einer Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte nicht bewusst war und ihm die Absicht, eine solche Ungleichbehandlung herbeizuführen, auch nicht unterstellt werden kann.

Die in der oben zitierten Rechtsprechung vorgenommene Unterscheidung zwischen laufendem Entgelt einerseits und Aufwandersatz andererseits findet ihre Ursache in der Notwendigkeit einer Differenzierung der entsprechenden Ansprüche etwa im Falle der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, beim Urlaubsentgelt oder bei der Abfertigung. Dort muss aus sachlich zwingenden Gründen sichergestellt sein, dass bei der Bemessung der entsprechenden Arbeitnehmeransprüche Leistungen, durch die lediglich ein tatsächlich entstandener Aufwand abgegolten wurde, unberücksichtigt bleiben. Auch im Sozialversicherungs- und Steuerrecht muss gewährleistet sein, dass echter Aufwandsersatz bei der Beitrags- oder Steuerbemessung nicht berücksichtigt wird (vgl etwa § 49 Abs 3 ASVG). All diese Überlegungen kommen im hier interessierenden Zusammenhang jedoch überhaupt nicht zum Tragen, in dem es vielmehr dem Gesetzgeber durch die in § 3a für "laufendes Entgelt" geschaffene Ausfallhaftung erkennbar darum ging, die unmittelbar durch die weiter erbrachte Arbeitsleistung laufend entstehenden Arbeitnehmeransprüche zu sichern.

Der Oberste Gerichtshof geht daher davon aus, dass unter "laufendem Entgelt" iS des § 3a IESG auch der durch die Arbeitsleistung laufend entstehende Anspruch auf Aufwandersatz - und daher auch auf Reisekosten - zu verstehen ist, sodass die in § 3a Abs 2 Z 5 und Abs 4 normierte Ausfallhaftung auch für derartige Arbeitnehmeransprüche besteht.

Damit erweist sich aber der hier strittige Reisekostenanspruch als gesichert, sodass in Stattgebung der Revision die Entscheidungen der Vorinstanzen wie im Spruch ersichtlich abzuändern waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 ASGG.