OGH vom 06.12.1989, 9ObA329/89
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Schrank und Franz Murmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Walter L***, Angestellter, Waidhofen/Ybbs,
Reichenauerstraße 15, vertreten durch Dr. Wolfgang Hanke, Rechtsanwalt in Waidhofen/Ybbs, wider die beklagte Partei T***-Handels-Gesellschaft mbH, Stockerau, Schießstattgasse 24, vertreten durch Dr. Brigitta Weis, Rechtsanwalt in Wien, wegen 570.000 S sA, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Ra 83/89-12, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 15 b Cga 101/88-7, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Das Verfahren ist in der in den §§ 11 und 12 ASGG vorgesehenen Gerichtsbesetzung fortzuführen."
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit der beim Erstgericht als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Klage begehrt der Kläger den Betrag von 570.000 S sA als ausstehendes Geschäftsführergehalt für 19 Monate. Er sei seit allein zeichnungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten gewesen. Er habe den Warenversand der Beklagten in den Ostblock und etwaige damit verbundene Gespräche zur Warenkreditgewährung mit den osteuropäischen Handelspartnern herzustellen und zu führen gehabt. Neben dem Einsatz seiner Arbeitskraft habe er auch seinen umfangreichen Kundenstock zur Verfügung gestellt. Obwohl die Beklagte als Dienstgeber zur Gehaltszahlung verpflichtet gewesen wäre, habe er kein, ihm schon nach § 1152 ABGB zustehendes Geschäftsführergehalt erhalten. Aus diesem Grunde habe er sich veranlaßt gesehen, das Arbeitsverhältnis zur Beklagten per aufzukündigen.
Die Beklagte wendete vorerst die (sachliche) "Unzuständigkeit des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht" ein, da der Rechtsstreit vor das Kreisgericht Korneuburg als Handelsgericht gehöre. Im übrigen beantragte die Beklagte, das Klagebegehren abzuweisen. Mit dem Kläger sei ein Geschäftsführerentgelt von 10.000 S pro Monat vereinbart worden, das er auch erhalten habe. Da er nur eine geringe Leistung erbracht habe, stehe ihm nicht mehr zu. Eine Anstellung als Arbeitnehmer habe der Kläger selbst abgelehnt. Zur einvernehmlichen Lösung sei es deshalb gekommen, weil der Kläger eigenmächtig und rechtswidrig Beträge vom Konto der Beklagten auf sein Privatkonto überwiesen habe. Das Erstgericht erklärte sich als Arbeits- und Sozialgericht für unzuständig und wies die Klage zurück. Der Kläger könne seine Ansprüche gegen die Beklagte nicht im arbeits- und sozialrechtlichen Verfahren geltend machen, da er weder Arbeitnehmer der Beklagten gewesen noch als arbeitnehmerähnlich anzusehen sei. Er habe nach dem Vorbringen der Beklagten ein Arbeitsverhältnis abgelehnt. Die von ihm anhängig gemachte Streitigkeit falle gemäß § 51 Abs. 1 Z 3 JN in die Zuständigkeit des Kreisgerichtes Korneuburg als Handelsgericht. Eine Überweisung der Rechtssache gemäß § 38 Abs. 2 ASGG komme nach dem Wortlaut dieser Gesetzesstelle nicht in Frage.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß hinsichtlich des Ausspruches über die Unzuständigkeit des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht. Es gab ferner dem Rekurs des Klägers dahin Folge, daß der Ausspruch über die Zurückweisung der Klage zu entfallen habe und überwies die Rechtssache an das Kreisgericht Korneuburg als Handelsgericht. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger kein Angestelltenverhältnis behauptet, sondern sich (unter anderem) auf einen Gesellschaftsvertrag berufen habe; dies spreche ebenfalls gegen die Annahme eines Arbeitsvertrages. Auch aus der Bestimmung des § 1152 ABGB ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß ein Arbeitsvertrag oder eine arbeitnehmerähnliche Stellung vorliegen müsse, bei der eine wirtschaftliche Unselbständigkeit eines Teils gegeben wäre. Der Kläger habe zwar keinen fristgerechten Überweisungsantrag gestellt, die Überweisung der Rechtssache an das Erstgericht als Handelsgericht entspreche aber den Bestimmungen des § 37 Abs. 3 ASGG und der §§ 260 Abs. 4 und 412 Abs. 2 ZPO. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag, die Beschlüsse der ersten und zweiten Instanz aufzuheben und dem Erstgericht eine erneute Entscheidung im Sinne einer Zuständigkeitserklärung aufzutragen.
Rechtliche Beurteilung
Dem Revisionsrekurs kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Seit dem Inkrafttreten des ASGG () ist ein Gerichtshof erster Instanz als Arbeits- und Sozialgericht nur dann sachlich unzuständig, wenn die anhängig gemachte Rechtssache keine Arbeits- und Sozialrechtssache ist und entweder vor ein Bezirksgericht oder vor einem anderen Gerichtshof erster Instanz gehört (Fasching ZPR, Erg.Heft Rz 2255). Das ASGG hat nämlich abweichend von der für das Verhältnis zwischen allgemeinen Zivilsachen und Handelssachen herrschenden Auffassung (vgl. §§ 61 und 62 JN; Fasching ZPR Rz 173), die Anrufung oder das Tätigwerden eines unrichtigen Spruchkörpers desselben Gerichtshofes lediglich als unrichtige Besetzung dieses Gerichts (§ 477 Abs. 1 Z 2 ZPO) qualifiziert (Kuderna, ASGG § 37 Erl. 4; Feitzinger-Tades, ASGG § 37 Anm. 9). Die sachliche Zuständigkeit des vom Kläger angerufenen Gerichtshofes als Erstgericht ergibt sich schon aus der Höhe des Streitwerts (§ 49 Abs. 1 iVm § 50 JN), so daß sowohl die Entscheidungen der Vorinstanzen über die sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichts als auch die Zurückweisung der Klage bzw. die Überweisung der Klage an das Erstgericht als Handelsgericht nicht der Rechtslage entsprechen (9 Ob A 41/88, 9 Ob A 198/89, 9 Ob A 271/89 ua).
Der Unzuständigkeitseinrede der Beklagten kommt folglich nur insoweit Beachtlichkeit zu, als mit ihr implicite auch ein Besetzungsmangel im Sinne des § 37 Abs. 1 ASGG geltend gemacht wird. Wird die Richtigkeit der Gerichtsbesetzung von einer Partei oder von Amts wegen bezweifelt, hat das Gericht, sofern nicht eine Heilung nach § 37 Abs. 1 ASGG eingetreten ist, mit Beschluß auszusprechen, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen ist (§ 37 Abs. 3 ASGG). Für die Wahl der richtigen Gerichtsbesetzung ist in Analogie zu § 40 a JN nicht ein entsprechender Antrag oder eine bestimmte Bezeichnung durch die Partei, sondern der Inhalt des Begehrens und des ihm zugrundeliegenden Vorbringens maßgeblich (Kuderna aaO § 37 Erl. 10; SZ 44/64, SZ 45/117, SZ 50/70, SZ 60/18; 9 Ob A 271/89 ua). Nach § 51 Abs. 3 Z 2 ASGG sind auch Geschäftsführer von Gesellschaften mbH von der Geltendmachung ihrer Ansprüche im arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren nicht mehr ausgeschlossen (vgl. die bewußt in das ASGG nicht übernommene, eine Ausnahme vom Arbeitnehmerbegriff enthaltende Bestimmung des § 2 Abs. 2 ArbGG), falls sie zumindest in einem sogenannten freien Dienstverhältnis zu der von ihnen vertretenen Gesellschaft stehen. Dies ist nach dem Vorbringen des Klägers entgegen den insoweit mit der Aktenlage (insbes. AS 4) nicht übereinstimmenden Ausführungen der Untergerichte der Fall. Auf die Einwendungen der Beklagten kommt es nicht an (vgl. Kuderna aaO, § 51 Erl. 1 sowie 9 bis 14; 9 Ob A 117/88, 9 Ob A 320/88). Das Erstgericht wird daher den Rechtsstreit durch einen gemäß den §§ 11 f ASGG gebildeten Senat weiterzuführen haben.
Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.