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OGH vom 16.01.2008, 8ObS27/07i

OGH vom 16.01.2008, 8ObS27/07i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Johann Ellersdorfer als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Veronique-Marie M*****, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Dr. Roland Gerlach, Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei IAF Service GmbH, ***** wegen 25.250,77 EUR netto sA (Revisionsinteresse 12.825,31 EUR netto sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 25/07f-16, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 34 Cgs 156/06i-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im angefochtenen Umfang (von 12.825,31 EUR netto sA) aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom bis für die Firma A***** AG (in der Folge: Gemeinschuldnerin) zunächst in der Rechtsabteilung tätig. Ein Aufsichtsratmitglied und Haupteigentümer der Gemeinschuldnerin erkundigte sich bei der Klägerin, ob sie - weil ein langjähriges Vorstandsmitglied nicht mehr zur Verfügung stehe und zugleich ein Fortführungskonzept für die Firma erarbeitet werden solle - Vorstandsmitglied werden wolle. Mit Beschluss des Aufsichtsrats der (späteren) Gemeinschuldnerin vom wurde die Klägerin befristet für ein Jahr zum Mitglied des Vorstands der Gesellschaft bestellt. Mit Anstellungsvertrag für Vorstandsmitglieder vom wurden die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen ihr und der Arbeitgeberin schriftlich geregelt. Bereits im Juni/Juli 2005 führte die Klägerin mit der Buchhaltung einen Kassasturz durch und bemerkte, dass keine Gelder vorhanden waren. Sowohl Kundengelder als auch Geschäftskontogelder fehlten. Die Klägerin versuchte noch eine Lösung mit der Depotbank zu erreichen. Im Jahr ihrer Vorstandstätigkeit führte die Klägerin „mehr oder weniger" das Unternehmen, nahm aber nie an Aufsichtsratssitzungen teil. Am wurde über das Vermögen der Aktiengesellschaft der Konkurs eröffnet. Über Ersuchen des Masseverwalters arbeitete sie für die Gemeinschuldnerin „unter der Federführung des Masseverwalters" weiter. Das oben erwähnte Aufsichtsratsmitglied/Haupteigentümer war bereits Ende Oktober 2005 geflohen. Die beiden anderen Vorstandsmitglieder wurden vom Masseverwalter kurz nach Konkurseröffnung entlassen. Der Vorstandsvertrag der Klägerin endete am . Die Klägerin wurde vom Masseverwalter bis März 2006 entlohnt.

Bereits bei Abschluss des Vorstandsvertrags war zwischen der Gemeinschuldnerin und der Klägerin vereinbart worden, dass diese nach einem Jahr in die Rechtsabteilung bei einer Tochterfirma der Gemeinschuldnerin „zurückkehren" sollte.

Ab war die Klägerin einzige Mitarbeiterin im Betrieb der Gemeinschuldnerin. Bis dahin gab es noch zwei weitere Mitarbeiterinnen. Nachdem das Vorstandsmandat der Klägerin zu Ende ging, räumte sie noch bis in den Juni hinein Büroräumlichkeiten aus und richtete alles zur Übergabe der Büroräumlichkeiten her. Überdies beantwortete sie weitere Fragen des Masseverwalters und unterstützte ihn soweit möglich.

Mit Schreiben vom kündigte der Masseverwalter das Dienstverhältnis der Klägerin als Vorstandsmitglied nach § 25 KO auf. Zugleich bedankte er sich für die wertvolle Mitarbeit der Klägerin im Konkursverfahren herzlich und erklärte ihr, dass eine Abwicklung des Verfahrens ohne ihre aktive Mitwirkung nicht möglich gewesen wäre.

Mit Schreiben vom teilte der Masseverwalter der Klägerin mit, dass er auch ihr Dienstverhältnis zur Gemeinschuldnerin gemäß § 25 KO aufkündige.

Am trat die Klägerin vorzeitig aus.

Bei Beendigung des Dienstverhältnisses hatte die Klägerin noch einen Resturlaub von 67 Werktagen; davon entfielen 62 Werktage auf ihre Angestelltentätigkeit vor Begründung des Vorstandsmandats.

Die Klägerin begehrt - nach Ablehnung ihrer Forderung durch die Beklagte mit Bescheid vom - Insolvenz-Ausfallgeld von (der Höhe nach unstrittigen) 25.250,77 EUR netto, bestehend aus laufendem Entgelt (inklusive SZ) für den Zeitraum 23. 5. bis , Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 1. 6. bis und Urlaubsersatzleistung für 67 Werktage. Ihr Angestelltenverhältnis zur Gemeinschuldnerin sei nur kurzfristig für den einjährigen Zeitraum ihrer Bestellung zum Vorstandsmitglied unterbrochen worden, weshalb ihr Insolvenz-Ausfallgeld in geltend gemachter Höhe zustehe.

Die beklagte Partei stellte die rechnerische Richtigkeit der Klagsforderung außer Streit, bestritt im Übrigen das Klagebegehren und beantragte Klagsabweisung. Die Klägerin sei als Vorstandsmitglied kein Arbeitnehmer im Sinn des § 1151 ABGB gewesen, weshalb sie nicht in den Kreis der Anspruchsberechtigten des Insolvenzentgeltsicherungsgesetzes falle. Der Vorstandsvertrag sei zwar bereits am ausgelaufen, ihre Organmitgliedschaft wirke aber darüber hinaus fort.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von 12.425,46 EUR netto und wies das Mehrbegehren von 12.825,31 EUR netto sA ab. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der Klägerin Urlaubsersatzleistung für bereits vor Ernennung zum Vorstandsmitglied erworbene 62 Werktage zustehe. Die Abweisung des Mehrbegehrens begründete das Erstgericht mit der Fortwirkung ihrer Organstellung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, dass nach § 1 Abs 6 Z 2 IESG in der bis geltenden Fassung die Mitglieder eines Organs einer juristischen Gesellschaft, die zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen sind, ausdrücklich vom Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld ausgenommen waren. In Entsprechung der Richtlinie 80/987/EWG des Rats vom über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in der Fassung der Richtlinie Nr 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom („Insolvenz-Richtlinie") sei § 1 Abs 6 Z 2 IESG mit BGBl I Nr 102/2005 dahin geändert worden, dass nur mehr Gesellschafter, denen ein beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft zustehe (...), keinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld haben sollten. Gemäß § 17a Abs 42 IESG sei diese Neufassung mit in Kraft getreten und auf alle inländische Beschlüsse über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (...), die nach dem gefasst worden seien, - sohin auch im gegenständlichen Fall - anzuwenden.

Nach ständiger Rechtsprechung richte sich der in § 1 Abs 1 IESG genannte Arbeitnehmerbegriff nach dem innerstaatlichen Recht und sei daher ident mit jenem des Arbeitsvertragsrechts des ABGB. An dieser Rechtslage habe auch die Novellierung der Insolvenz-Richtlinie durch die RL 2002/74/EG nichts geändert. Zusammenfassend verneinte das Berufungsgericht für den Zeitraum der Vorstandsfunktion der Klägerin unter Hinweis auf Lehre und herrschende Rechtsprechung deren Arbeitnehmereigenschaft.

Nach der zu § 1 Abs 6 Z 2 IESG idF bis ergangenen Rechtsprechung seien die Zeiten der Organmitgliedschaft pauschal aus dem IESG ausgenommen gewesen und hätten daher bei der Prüfung der Frage, in welchem Umfang Insolvenz-Ausfallgeld für dienstzeitabhängige Ansprüche gebühre, außer Betracht zu bleiben gehabt. Darauf, ob der Anspruchswerber im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch vertretungsbefugtes Organ gewesen sei, sei es nicht angekommen. Für den Fall, dass ein Organmitglied abberufen und noch für kurze Zeit als Angestellter beschäftigt gewesen sei, sei die insolvenzentgeltsicherungsrechtliche Fortwirkung der Organtätigkeit zu berücksichtigen gewesen. Werde ein Organmitglied abberufen, bleibe dessen bisheriger Anstellungsvertrag aber mangels Koppelung mit der Abberufung noch aufrecht, könne nicht von einer relevanten Neubegründung eines Angestelltenverhältnisses mit einer von der bisherigen Tätigkeit abgrenzbaren Arbeitsleistung gesprochen werden. Der Ausschluss sei auch dann angenommen worden, wenn der Anspruchswerber nur kurze Zeit alle Rechte und Pflichten eines Organs gehabt habe.

Das Erstgericht habe festgestellt, dass die Klägerin „bis in den Juni hinein" die Büroräumlichkeiten zur Übergabe vorbereitet und den Masseverwalter unterstützt habe. Es habe damit erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin auch nach Ablauf des Vorstandsmandats weiterhin für die Gemeinschuldnerin tätig gewesen sei, obwohl dies ursprünglich nicht vereinbart worden sei. Es sei daher zu prüfen, ob diese faktische Tätigkeit der Klägerin ihren Anspruch begründen könne.

Nach Ansicht des Berufungssenats sei die zu § 1 Abs 6 Z 2 aF IESG in der bis geltenden Fassung ergangene Rechtsprechung im Hinblick auf die gleich gebliebene Wertungslage weiter anzuwenden. Auch wenn die ausdrückliche Ausnahmebestimmung für Mitglieder einer juristischen Person mit Wirksamkeit vom aufgehoben worden sei, sei die Interessenlage insoweit unverändert geblieben. In Bezug auf Vorstandsmitglieder einer AG habe § 1 Abs 6 Z 2 aF IESG ohnehin nur deklarative Bedeutung, da die herrschende Rechtsprechung die Arbeitnehmereigenschaft in diesen Fällen ablehne, weil dieser Personenkreis niemals persönlich abhängig sei. Die zu § 1 Abs 6 Z 2 aF IESG ergangene Rechtsprechung sei daher weiterhin anzuwenden, sodass aufgrund der insolvenzentgeltsicherungsrechtlichen Fortwirkung der Organmitgliedschaft der Klägerin auch Ansprüche aus dem Zeitraum ihrer Tätigkeit nach Ablauf des Vorstandsvertrags weiterhin ausgeschlossen seien. Jede andere Interpretation würde der Missbrauchsmöglichkeit, die diese Rechtsprechung zu verhindern suche, neuerlich Tür und Tor öffnen, weil ein Organmitglied nach Abberufung oder Rücktritt durch Beschäftigung nur für kurze Zeit als Angestellter Insolvenz-Ausfallgeld erlangen könnte. Der Klägerin sei zwar zuzugestehen, dass Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch hier aufgrund der von vornherein vorgesehenen Befristung ihres Vorstandsmandats nicht vorliegen, jedoch wäre denkbar, dass sie den Abschluss ihrer finalisierenden Tätigkeiten hinausgezögert habe, um als Arbeitnehmer in den Genuss des Insolvenz-Ausfallgelds zu gelangen. Selbst wenn die Klägerin unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Ausübung dieser Tätigkeit überredet worden sein sollte, wofür die Feststellungen tatsächlich zumindest ansatzweise Anhaltspunkte bieten, könne dies allenfalls Schadenersatzansprüche gegen die handelnden Personen auslösen.

Die Abweisung der sich allein auf den Zeitraum nach Beendigung des Vorstandsmandats beziehenden Forderungen durch das Erstgericht sei daher im Ergebnis berechtigt erfolgt. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, soweit überblickbar, zur Frage der insolvenzentgeltsicherungsrechtlichen Fortwirkung der Organtätigkeit seit der Änderung des § 1 Abs 6 Z 2 IESG mit Wirksamkeit vom nicht existiere.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie ist auch im Sinn eines in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags berechtigt .

§ 1 Abs 6 Z 2 IESG in der bis geltenden Fassung nahm pauschal Mitglieder des Organs einer juristischen Person, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist, vom Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld aus. Diese Bestimmung stellte nur auf die Organmitgliedschaft und nicht auf die rechtlichen und faktischen Einflussmöglichkeiten der als Organ bestellten Personen ab (8 ObS 339/97d = RdW 1999, 102; 8 ObS 268/98i = SZ 72/116; 8 ObS 9/04p = ecolex 2005, 555; 8 ObS 21/05d ua). Zeiten der Organmitgliedschaft im Sinn des § 1 Abs 6 Z 2 aF waren pauschal aus dem IESG ausgenommen und daher auch bei der Prüfung der Frage, in welchem Umfang Insolvenz-Ausfallgeld für dienstzeitabhängige Ansprüche gebührt, gänzlich außer Betracht zu lassen (8 ObS 6/96 = SSV-NF 10/19; 8 ObS 199/97s = SSV-NF 11/82 uva). In ständiger Rechtsprechung judizierte der Oberste Gerichtshof, dass es darauf, ob der Anspruchswerber im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch vertretungsbefugtes Organ war, bei der Prüfung, ob und in welchem Umfang Insolvenz-Ausfallgeld gebühre, nicht ankomme. Gerade wegen der bei einer GmbH relativ einfach zu handhabenden Missbrauchsmöglichkeiten sei für den Fall, dass ein Organmitglied nach Abberufung oder Rücktritt noch für kurze Zeit als Angestellter beschäftigt werde, die Organtätigkeit auch bei der Beurteilung der Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen. Bleibe nach Abberufung oder Rücktritt des Organmitglieds, aber mangels Koppelung der Beendigung der Organmitgliedschaft und der Auflösung des Anstellungsvertrags letzterer aufrecht, könne nicht von einer relevanten Neubegründung eines Angestelltenverhältnisses mit einer von der bisherigen Tätigkeit abgrenzbaren Arbeitsleistung gesprochen werden; es sei dann überhaupt von einer insolvenzentgeltsicherungsrechtlichen „Fortwirkung " der Organtätigkeit auszugehen. Der Zweck des § 1 Abs 6 Z 2 aF IESG schließe aus, dass ein Geschäftsführer gesicherte Ansprüche dadurch erlangen könnte, dass er im Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit oder knapp davor zurücktrete, aber weiterhin zu den Bedingungen seines bisherigen Anstellungsvertrags Angestellter bleibe und die Kündigung durch den Masseverwalter abwarte (8 ObS 1018/95 = RdW 1997, 32; 8 ObS 199/97s = SSV-NF 11/82; 8 ObS 206/98x = Arb 11.820; 8 ObS 9/04p = ecolex 2005, 555 uva).

In Umsetzung der Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom („Insolvenz-Richtlinie") wurde § 1 Abs 6 Z 2 IESG dahin geändert (BGBl I Nr 102/2005), dass nur mehr „Gesellschafter, denen ein beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft zusteht, (...)" vom Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld ausgenommen werden. Die geänderte Bestimmung trat gemäß § 17a Abs 42 IESG mit in Kraft und ist dann anzuwenden, wenn ein Insolvenztatbestand nach dem verwirklicht wird.

Konsequenterweise sind die Vorinstanzen auch davon ausgegangen, dass die bloße „Organstellung" für sich allein angesichts der hier anzuwendenden neuen Rechtslage den Ausschluss von Insolvenz-Ausfallgeld nicht rechtfertigen könne. Im Einklang mit der insoweit herrschenden Rechtsprechung haben die Vorinstanzen aber die Ansicht vertreten, dass ein Vorstandsmitglied mangels persönlicher Abhängigkeit kein Arbeitnehmer, sondern „freier Dienstnehmer" sei (Arb 10.406; 9 ObA 68/99m; Strasser in Jabornegg/Strasser, AktG4, §§ 75, 76 Rz 65 ff).

Der in § 1 Abs 1 IESG verwendete Arbeitnehmerbegriff richtet sich nach dem innerstaatlichen Recht und ist ident mit jenem des Arbeitsvertragsrechts des ABGB (RIS-Justiz RS0076462; Liebeg, Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz³ § 1 Rz 2 mwH). Die Versagung von Insolvenz-Ausfallgeld kann daher nicht auf die Organstellung eines Vorstandsmitglieds, wohl aber auf das Fehlen der Arbeitnehmereigenschaft gestützt werden.

Den Revisionsausführungen ist insoweit beizupflichten, als eine „Fortwirkung" der Vorstandseigenschaft im Geltungsbereich der IESG-Novelle 2005 grundsätzlich ausscheidet.

Die beklagte Partei vertritt in ihrer Revisionsbeantwortung unter Berufung auf Liebeg (aaO Rz 568 f) die Auffassung, dass die zu § 1 Abs 6 Z 2 aF IESG ergangene Rechtsprechung über die Fortwirkung der Organstellung weiterhin anzuwenden sei. Zeiten der mit einer Organmitgliedschaft verbundenen „Nichtarbeitnehmereigenschaft" im Sinn des IESG seien weiterhin pauschal aus dem IESG ausgenommen und daher auch bei der Prüfung der Frage, in welchem Umfang IAG für dienstzeitabhängige Ansprüche gebühre, außer Betracht zu lassen. Werde kurz vor Insolvenzeröffnung die „Nichtarbeitnehmereigenschaft" beendet und eine Arbeitnehmereigenschaft begründet, sei auch hier von einer insolvenzentgeltsicherungsrechtlichen „Fortwirkung" der Nichtarbeitnehmereigenschaft auszugehen.

Diese Ausführungen können nicht überzeugen. Die zur „Fortwirkung der Organtätigkeit" zu § 1 Abs 6 Z 2 aF IESG ergangene Judikatur geht vom Kernargument aus, dass im Fall der Abberufung eines Organmitglieds nicht von einer relevanten Neubegründung eines Angestelltenverhältnisses mit einer von der bisherigen Tätigkeit abgrenzbaren Arbeitsleistung gesprochen werden könne (8 ObS 9/04p; 8 ObS 21/05d; RIS-Justiz RS0077312 ua). Diese Argumentation geht grundsätzlich vom aufrechten Bestand eines (echten) Arbeitsverhältnisses auch während der Organtätigkeit aus. Die rechtliche Schlussfolgerung, dass die ausdrückliche Versagung des Bezugs von Insolvenz-Ausfallgeld für „Organmitglieder" nicht zwangsläufig bedeutet, dass dieser Ausschluss nur bis zur formellen Beendigung der Organtätigkeit wirkt, war somit nach der Rechtslage vor dem Insolvenzrechts-Änderungsgesetz 2005 im Sinn der Vermeidung von Missbräuchen durchaus konsequent.

Völlig anders stellt sich die vorliegende Situation dar. Die Klägerin war während ihrer Zeit als Vorstandsmitglied mangels „Arbeitnehmereigenschaft" im Sinn des § 1 Abs 1 IESG, der ausdrücklich auf „Arbeitnehmer" abstellt, überhaupt nicht vom Regime dieses Gesetzes erfasst. Aus den Feststellungen ergibt sich nun, dass die Klägerin nach Beendigung der (mit einem Jahr befristeten) Vorstandsfunktion Tätigkeiten im Rahmen eines - unstrittig - „echten" Arbeitsverhältnisses ausübte. Da das bereits im Jahr 2003 zur späteren Gemeinschuldnerin begründete Dienstverhältnis der Klägerin - ausgehend vom Sachverhalt - faktisch für die Dauer der Vorstandsfunktion karenziert war, war die Klägerin jedenfalls vom 22. 5. bis zu ihrem vorzeitigen Austritt am Arbeitnehmerin iS des § 1 Abs 1 IESG. Sowohl die Vorinstanzen als auch die beklagte Partei sind sich offenbar im Klaren darüber, dass eine „Fortwirkung der Organtätigkeit" nach der seit geltenden Rechtslage schon deshalb ausscheidet, weil die Organe (als solche) nicht mehr vom Bezug von Insolvenz-Ausfallgeld ausgenommen sind.

Eine Fortwirkung der „Nichtarbeitnehmereigenschaft" entbehrt aber jeder gesetzlichen Grundlage und ist auch mit der Zielsetzung der Insolvenz-Richtlinie in der Fassung der Richtlinie 2002/74/EG nicht vereinbar. Nach Art 2 Abs 3 dieser Richtlinie dürfen die Mitgliedsstaaten den Anspruch der Arbeitnehmer auf Schutz nach dieser Richtlinie nicht von einer Mindestdauer des Arbeitsvertrags oder Arbeitsverhältnisses abhängig machen. Wollte man der Klägerin den Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld deshalb versagen, weil sich an die Zeit der „Nichtarbeitnehmereigenschaft" als Vorstandsmitglied lediglich ein kurzfristiges „echtes" Arbeitsverhältnis anschloss, würde dies zu einem eklatanten Widerspruch mit der Insolvenz-Richtlinie führen. Ob in besonders gelagerten Fällen zur Vermeidung von Missbräuchen im Sinn des Art 10 der Insolvenz-Richtlinie einem vormaligen Vorstandsmitglied Insolvenz-Ausfallgeld für ein an die Vorstandsfunktion anschließendes Arbeitsverhältnis ausnahmsweise versagt werden kann, ist hier nicht zu prüfen, weil der vorliegende Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für einen derartigen Missbrauch durch die Klägerin liefert.

Allerdings haben die Vorinstanzen - offenbar aufgrund der von ihnen vertretenen Rechtsansicht - weder mit den Parteien erörtert noch ausreichende Feststellungen darüber getroffen, inwieweit hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch strittigen Ansprüche die Voraussetzungen der §§ 3a Abs 2 (laufendes Entgelt ab Konkurseröffnung) bzw 3b IESG (hinsichtlich der offenen Beendigungsansprüche) erfüllt sind.

Insbesondere wird zu beachten sein, dass dann, wenn nicht ein Anwendungsfall des § 3a Abs 2 Z 1-4 bzw § 3b Z 1-2 leg cit vorliegt, das Insolvenzausfallgeld nur als Ausfallhaftung unter den Voraussetzungen des § 3a Abs 4 IESG gebührt (§ 3a Abs 2 Z 5 und § 3b Z 3-4 IESG).

Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher - soweit sie nicht bereits in Rechtskraft erwachsen waren - aufzuheben und die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur Klärung der aufgezeigten Fragen zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 ZPO.