VfGH 29.02.2008, B900/06
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | B-VG Art7 Abs1 / Verordnung Allgemeiner und ergänzender Bebauungsplan der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom Flächenwidmungsplanänderung der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom und vom Tir RaumOG 2001 §27 Abs2 litc, §36, §47, §54, §56 |
Rechtssatz | Der Umstand, dass eine Baulichkeit im Widerspruch zu einem Raumplan errichtet wurde, schließt nicht aus, dass aus wichtigen Gründen eine die betreffende Baulichkeit im Nachhinein rechtfertigende Planänderung beschlossen wird. Ein solcher wichtiger Grund liegt ua dann vor, wenn eine fehlerhafte Planung durch eine dem Gesetz entsprechende Planung ersetzt wird. Wenn die Erlassung eines allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplanes erforderlich war, etwa um zur Vermeidung von nachteiligen Umwelteinflüssen die Errichtung von innerhalb der Mindestabstandsflächen an sich zulässigen baulichen Anlagen zu verhindern, so war die Festlegung des Sondergebietes mit den Umrissen der verbauten Fläche des Pferdestalles zu gering bemessen und widersprach daher dem im §27 Abs2 litc Tir RaumOG 2001 genannten Ziel der örtlichen Raumordnung, Nutzungskonflikte und wechselseitige Beeinträchtigungen beim Zusammentreffen verschiedener Widmungen weitestmöglich zu vermeiden. Es widersprach weder den Zielen der örtlichen Raumordnung noch stellte es eine dem Gleichheitsgebot widersprechende Begünstigung des Bauwerbers dar, wenn die Bauplatzgröße durch die neuerliche Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht mit der äußeren Begrenzung des Pferdestalles, sondern mit einer auch die Abstände zu benachbarten Grundstücken sowie Nebengebäude und Nebenanlagen berücksichtigenden Bauplatzgröße von 460 m² festgesetzt wurde. Mit der Erweiterung der Bauplatzgröße geht nicht auch eine Vergrößerung des mit Gebäuden verbauten Teils einher. Denn die Größe, Ausstattung und sonstige Beschaffenheit von Gebäuden auf einer Sonderfläche für sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude richtet sich gemäß §47 Tir RaumOG 2001 nach den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen für einen bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Schließlich konnte die Gemeinde auch davon ausgehen, dass die Änderung des Flächenwidmungsplanes für die weitere Entwicklung der Gemeinde vorteilhaft ist, da das Gebäude der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt wird. |
Entscheidungstext
Leitsatz
Keine Bedenken gegen die neuerliche Änderung eines Flächenwidmungsplanes hinsichtlich der Umwidmung einer Grundfläche in Sonderfläche "sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude - Pferdestall" und gegen die Erlassung eines allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplans; keine unsachliche Anpassung an eine dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan widersprechende rechtswidrige Bauführung; ausreichende Ermittlungstätigkeit vor den Planerlassungen
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Eingabe vom regte der Eigentümer der
Parzelle 246/1 - im Folgenden als Bauwerber bezeichnet - bei der Gemeinde Kirchdorf in Tirol die Umwidmung einer Teilfläche dieser als Freiland gewidmeten Parzelle mit der Begründung an, er wolle ein landwirtschaftliches Stallgebäude mit Remise mit einer verbauten Fläche von 275 m² (25,00 x 11,00 m) errichten. Die Gemeinde ersuchte daher den Ortsplaner um Stellungnahme zur Frage der Vereinbarkeit einer Widmung "Sonderfläche sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude - Wirtschaftsgebäude" mit dem Raumordnungskonzept der Gemeinde und zur Frage der "Vermeidung von Nutzungskonflikten zwischen den bebauten Nachbargrundstücken und der geplanten Bauführung". Die Gemeinde ersuchte außerdem die Abteilung Agrarwirtschaft des Amtes der Tiroler Landesregierung, zur Frage Stellung zu nehmen, ob für den geplanten Neubau "die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit im Bezug zum bestehend[en] landwirtschaftlichen Betrieb" gegeben ist.
Der Ortsplaner stellte in seinem Gutachten vom zusammenfassend fest, dass der Bedarf nach der Errichtung eines derartigen Gebäudes nicht "argumentierbar" sei "bzw. auch die Situierung im unmittelbaren Anschluss an Wohngebiet nicht mit dem Grundsatz der Abstimmung unterschiedlicher Widmungen" vereinbar sei. Der agrartechnische Sachverständige hielt in seinem Gutachten vom die Errichtung eines Stallgebäudes für "grundsätzlich vertretbar". Auf Grund der vorhandenen Flächenausstattung und der daraus resultierenden Futterbasis sei ein Stallgebäude für zwei Pferde erforderlich, sodass die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit für ein Wirtschaftsgebäude mit max. 50 m² Stall- und Lagerraumfläche "bestätigt werden" könne.
Der Bauwerber legte daraufhin der Gemeinde einen Projektsentwurf betreffend einen Pferdestall vor und ersuchte, "die dazu notwendige Widmung durchzuführen." Die Gemeinde befasste neuerlich den Ortsplaner und die Abteilung Agrarwirtschaft des Amtes der Tiroler Landesregierung. Der Ortsplaner wies in seiner Stellungnahme vom darauf hin, dass "durch die Landwirtschaftsabteilung die vertretbare Größenordnung gutachtlich bestätigt" werde. Er beurteilte die Umwidmung "aus ortsplanerischer Sicht" nunmehr positiv, da dem Abstimmungserfordernis unterschiedlicher Widmungen Rechnung getragen werde. Der agrartechnische Sachverständige hielt in seiner Stellungnahme vom die Unterkellerung und dortige Einrichtung landwirtschaftlicher Lagerräume für "denkbar", da sich die verbaute Fläche dadurch nicht ändern würde. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass der gewünschte Standort und damit die Ausnutzung des Geländes in weiterer Folge im Einklang mit den Zielen der örtlichen Raumordnung stünden.
Gemäß §68 Abs1 lita Tiroler Raumordnungsgesetz 2001 (in der Folge: TROG 2001) beschloss der Gemeinderat in seiner Sitzung vom sowohl die Auflegung des Entwurfs einer Änderung des Flächenwidmungsplanes als auch die Änderung des Flächenwidmungsplanes. Diese Änderung sah eine Umwidmung einer 5,80 m x 10,60 m großen Fläche des Grundstücks 246/1 in Sonderfläche "sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude - Pferdestall" gemäß §47 TROG 2001 vor. Der Entwurf wurde in der Zeit vom bis zur allgemeinen Einsicht aufgelegt. Nachdem in dieser Zeit keine Einwendungen erhoben wurden, legte die Gemeinde die Änderung des Flächenwidmungsplanes am der Tiroler Landesregierung zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung vor. Diese erteilte der Änderung des Flächenwidmungsplanes mit Bescheid vom gemäß §68 Abs1 iVm §66 Abs4 TROG 2001 die aufsichtsbehördliche Genehmigung.
Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister dem Bauwerber die Baubewilligung zur Errichtung eines unterkellerten Pferdestalles mit darüber liegender Scheune mit einer Außenabmessung von 5,80 m x 10,60 m.
2. Am gab der Nachbar und nunmehrige Beschwerdeführer der Gemeinde bekannt, dass die Höhe der inzwischen teilweise errichteten Baulichkeit, ihre Außenmaße, die verbaute Fläche und der Grenzabstand nicht mit dem Baubewilligungsbescheid übereinstimmen. Durch einen Bausachverständigen wurde festgestellt, dass ohne Baubewilligung beim Neubau des Pferdestalles auf dem Grundstück 246/1 ein zusätzlicher Anbau errichtet wurde. Der Bürgermeister untersagte gemäß §33 Tiroler Bauordnung 2001 (in der Folge: TBO 2001) mit Bescheid vom dem Bauwerber die weitere Ausführung des Vorhabens "und zwar solange, bis über ein eingereichtes Bauansuchen rechtskräftig abgesprochen wurde." Außerdem erging die Aufforderung, innerhalb eines Monats ein entsprechendes Bauansuchen vorzulegen, widrigenfalls die Beseitigung des Bauvorhabens aufgetragen werde. Mit Schreiben vom teilte die Gemeinde der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel mit, dass "wieder Bauarbeiten getätigt" worden seien und ersuchte um Einleitung eines "Straf- und Vollstreckungsverfahrens".
Mit Eingabe vom ersuchte der Bauwerber, "eine Widmungsänderung bzw. eine Ergänzung" durchzuführen. In seiner Stellungnahme vom wies der agrartechnische Sachverständige darauf hin, dass es nunmehr "deutliche Abweichungen zur genehmigten Variante" gebe. So sei der landwirtschaftliche Garagenteil etwas größer ausgeführt, der Grund "Richtung Paddocks" betoniert sowie ein zusätzlicher Kellerraum seitlich angebaut worden. Während eine etwas größere Garage sowie ein betonierter Platz noch vertretbar erschienen, sei der zusätzlich angebaute Kellerraum keinesfalls mehr notwendig.
Mit Bescheid vom trug der Bürgermeister dem Bauwerber gemäß §33 Abs5 TBO 2001 die Herstellung des der Bewilligung entsprechenden Zustandes auf.
In ihrem Schreiben vom beurteilte die Bezirkslandwirtschaftskammer Kitzbühel die baulichen Änderungen "aus betriebs- und arbeitswirtschaftlicher Sicht" - mit Ausnahme des nicht unbedingt notwendigen zusätzlichen Kellerraumes - als "sinnvolle Maßnahme" und daher als "gerechtfertigt". Sie regte an, es solle ein baurechtlicher Konsens in diesem Sinne angestrebt werden.
3. Gemäß §68 Abs1 lita TROG 2001 beschloss der Gemeinderat daraufhin in seiner Sitzung vom sowohl die Auflegung des Entwurfs einer Änderung des Flächenwidmungsplanes als auch die Änderung des Flächenwidmungsplanes. Diese Änderung sah eine Umwidmung einer 17,45 m bzw. 17,80 m x 25,41 m bzw. 25,39 m großen Fläche des Grundstücks 246/1 in Sonderfläche "sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude - Pferdestall" gemäß §47 TROG 2001 vor. Der Entwurf wurde in der Zeit vom bis zur allgemeinen Einsicht aufgelegt. Nachdem in dieser Zeit (auch vom nunmehrigen Beschwerdeführer) keine Einwendungen erhoben wurden, legte die Gemeinde die Änderung des Flächenwidmungsplanes am der Tiroler Landesregierung zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung vor. Da die Änderung des Flächenwidmungsplanes mit der "Auflage" beschlossen worden war, dass für das Gesamtprojekt "Pferdestall" ein Bebauungsplan zu erstellen ist, welcher eine weitere Verbauung der Mindestabstandsfläche an der Grenze zum Nachbargrundstück 215/1 nicht mehr zulässt, ersuchte die Tiroler Landesregierung die Gemeinde u.a. den Bebauungsplan für die gewidmete Sonderfläche vorzulegen.
4. Mit Schreiben vom übersendete der Bauwerber der Gemeinde den vom Ortsplaner verfassten Entwurf eines Bebauungsplanes und ein Gutachten des Raumplaners für das gewidmete Teilstück der Parzelle 246/1. Der Gemeinderat beschloss in seiner Sitzung am den Entwurf eines allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplanes und legte ihn in der Zeit von bis zur allgemeinen Einsicht auf. In seiner Sitzung am trug der Gemeinderat der eingelangten Stellungnahme keine Rechnung und beschloss die Erlassung eines allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplanes für das Grundstück 246/1. Die Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom bis kundgemacht. Der Bebauungsplan sieht eine Höchstgrenze des Bauplatzes gemäß §56 Abs2 TROG 2001 im Ausmaß von 460 m² vor. Die Bauhöhe wurde gemäß §62 TROG 2001 mit
745.50 m über NN, die Höhenlage mit 738.00 m über NN festgesetzt. Die Mindestbebauungsdichte wurde gemäß §61 Abs3 TROG 2001 mit 0.1 festgesetzt. Gemäß §60 Abs3 TROG 2001 wurde die offene Bauweise sowie der Mindestabstand gemäß §6 Abs1 TBO 2001 festgesetzt. Zum Nachbargrundstück 215/1 wurde gemäß §59 Abs3 TROG 2001 eine Baugrenzlinie im Abstand von 3 m gezogen.
5. Die Tiroler Landesregierung erteilte schließlich der Änderung des Flächenwidmungsplanes mit Bescheid vom gemäß §68 Abs1 iVm §66 Abs4 TROG 2001 die aufsichtsbehördliche Genehmigung. Die Verordnung über die Änderung des Flächenwidmungsplanes wurde durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom bis kundgemacht.
6. Mit Eingabe vom hatte der Bauwerber die nachträgliche Genehmigung "der Bodenplatten mit Fundamenten und Stiegenabgang" vom Erdgeschoß in das Untergeschoß beantragt. Mit Bescheid vom erteilte der Bürgermeister dem Bauwerber gemäß §51 Abs1 iVm §26 Abs6 und 7 der TBO 2001 die Baubewilligung zur Errichtung eines Sattelplatzes, einer Tennenauffahrt, eines Holzlagers im Obergeschoß, zur geringfügigen Änderung des Kellergeschoßes, zur zusätzlichen Errichtung einer Miststätte und zur Errichtung von betonierten Bodenplatten mit Fundamenten (Paddocks) sowie zum Einbau einer Treppe vom Kellergeschoß in das Erdgeschoß beim bereits genehmigten Pferdestall, der eine Abmessung von 15,10 m x 11,80 m (einschließlich der Paddocks und des Sattelplatzes) hat. In der Begründung des Bescheides ist festgehalten, dass das Stallgebäude entsprechend dem Baubescheid vom ausgeführt wurde. Die nachträgliche Genehmigung erstrecke sich auf Nebenanlagen zum Pferdestall (ein Sattelplatz, eine Tennenauffahrt, ein Holzlager, eine zusätzliche Miststätte und betonierte Bodenplatten mit Fundamenten [Paddocks] sowie eine Treppe vom Untergeschoß in das Erdgeschoß).
7. Der Nachbar und nunmehrige Beschwerdeführer erhob gegen den Baubewilligungsbescheid Berufung, die vom Gemeindevorstand mit Bescheid vom abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Vorstellung wies die Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom ab.
8. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen, nämlich des Flächenwidmungsplanes und des allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplanes, geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Im Hinblick auf Vorgespräche des Bauwerbers mit dem Amtssachverständigen und unter Berücksichtigung des Inhaltes dessen Stellungnahme vom würden im Hinblick auf die Ausführungen im Bebauungsplan Zweifel an der Unbefangenheit des Sachverständigen auftreten. Dieser habe sich durch logisch nicht nachvollziehbare Argumente in Widerspruch zu den seinerzeitigen Wertungen und Überlegungen bei Erlassung des ursprünglichen Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes gesetzt. Es wäre daher von Amts wegen ein neuer (unbefangener) Sachverständiger zu bestellen gewesen, der zum Ergebnis gelangt wäre, dass die beantragte Änderung nicht zu befürworten sei.
Mit der in der angefochtenen Verordnung vorgesehenen Erweiterung der Sonderflächenwidmung auf 460 m2 samt dem damit verbundenen Bebauungsplan werde in gesetzwidriger Weise versucht, nachträglich eine widerrechtlich erfolgte Bauausführung genehmigungsfähig zu machen. Dies sei nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ausgeschlossen, weil verhindert werden solle, dass die Behörden durch das Schaffen eines rechtswidrigen Zustandes dazu bewegt werden sollten, diesen nachträglich durch die Bewilligung nachgeschobener Änderungsanträge zu sanieren. Dies sei im vorliegenden Fall geschehen.
Die Behörde lasse in der Entscheidungsfindung gänzlich unberücksichtigt, dass der Bauwerber vor der Verlegung des Stallgebäudes bereits auf einem anderen Teil seines Grundstückes einen Pferdestall betrieben habe, sodass keine Veranlassung und Notwendigkeit für eine Umwidmung bestanden hätte. Der ursprüngliche Standort habe sich in einem Bereich befunden, der unter Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen weit besser mit den Zielsetzungen des TROG 2001 vereinbar gewesen wäre. Dieser Umstand sei nicht einmal geprüft worden, weshalb ein weiterer Verfahrensmangel vorliege, bei dessen Vermeidung die beantragte Änderung nicht bewilligt worden wäre. Auch aus diesem Grund sei die Verordnung gesetzwidrig.
Bei der in den angefochtenen Verordnungen vorgesehenen Ausweitung der Sonderfläche auf 460 m² würde es sich um die fast zehnfache Fläche des vom agrarfachlichen Sachverständigen für notwendig befundenen Stallgebäudes im Ausmaß von 50 m² handeln. In den ursprünglichen Gutachten zum geplanten Gebäude im Ausmaß von 25 m x 11 m sei einhellig ausgeführt worden, dass ein derartiges Flächenausmaß weit überdimensioniert wäre. Es sei nicht nachvollziehbar und völlig verfehlt, weshalb in weiterer Folge eine Fläche von 460 m² bewilligt worden sei. Die ursprüngliche im Jahr 2003 durchgeführte Flächenwidmungsplanänderung im Ausmaß von 77,21 m² wäre bei gesetzmäßiger Ausführung des Gebäudes bei weitem ausreichend gewesen.
Sämtliche der Erlassung der angefochtenen Verordnung vorausgegangenen Stellungnahmen würden unzulässigerweise von dem vom Grundstückseigentümer widerrechtlich geschaffenen Ist-Zustand (ein unter Missachtung der gesetzlichen Bestimmungen und entgegen der behördlichen Baueinstellung in vollem Umfang fertig gestelltes Gebäude) ausgehen. Einziger Zweck der Flächenwidmungsplanänderung sei offensichtlich die Sanierung eines gesetzwidrigen Zustandes gewesen, was nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht rechtmäßig sei. Ein gewissenhafter Bauwerber, der sich an die Flächenwidmungsplanänderung und an die darauf aufbauende Baubewilligung halten würde, wäre schlechter gestellt als der Nachbar des Beschwerdeführers, der nach der das genehmigte Gebäudemaß bei weitem überschreitenden Bauausführung nachträglich um eine neuerliche Änderung des Flächenwidmungsplanes zur Sanierung des gesetzwidrigen Zustandes ansuche.
Außerdem habe die belangte Behörde den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) verletzt, indem sie den Bestimmungen der Tiroler Raumordnung einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt bzw. Willkür geübt habe. Zu den Änderungen des Flächenwidmungsplanes und der Erlassung des allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplanes sei es nur gekommen, weil der Bauwerber unter Missachtung der seinerzeit maßgeblichen Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen sowie des erteilten Baubewilligungsbescheides ein Bauprojekt errichtet habe, das auf der Basis der damaligen Rechtslage nicht haltbar gewesen sei. Aufgabe der Behörde wäre es gewesen, auf die Einhaltung der Verordnungen und rechtskräftigen Bescheide zu bestehen und für die Wiederherstellung des gesetzes- und verordnungsgemäßen Zustandes zu sorgen. Tatsächlich sei eine nachträgliche Sanierung des rechtswidrigen Vorgehens des Bauwerbers erfolgt. Der Sachverständige habe beim ursprünglichen Flächenwidmungsplan die Ansicht vertreten, dass das Erfordernis der Errichtung eines weiteren Stallgebäudes nur äußerst schwer zu begründen wäre und maximal 77,21 m² widmungsrechtlich vertretbar seien. Derselbe Sachverständige habe später die Umwidmung von 460 m² befürwortet, ohne dafür logisch nachvollziehbare Gründe ins Treffen zu führen. Die Ermittlungstätigkeit fehle im entscheidenden Punkt, weil die Gemeindeorgane der Gemeinde Kirchdorf die für die Erlassung oder Änderung einer Verordnung notwendigen Sachverhaltselemente nicht "peinlichst genau" aufgezeigt hätten. Ein leichtfertiges Abgehen vom Inhalt der Akten und ein Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes sei in der unbegründeten Feststellung, dass die Erweiterung der Grundfläche für Zwecke der Errichtung eines Stallgebäudes den Zielen der Raumordnung entsprechen oder zumindest nicht widersprechen würde, zu erblicken.
9. Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Argumenten der Beschwerde entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Die §§36 Abs1 und 2, 47, 54 Abs1 und 56 Abs1 und 2 TROG 2001, LGBl. 93/2001, lauten:
"§36
Änderung
(1) Flächenwidmungspläne sind zu ändern, soweit dies
a) aufgrund einer Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes;
b) zur Verwirklichung einer dem örtlichen Raumordnungskonzept entsprechenden weiteren räumlichen Entwicklung der Gemeinde;
c) aufgrund von Raumordnungsprogrammen oder anderen vorrangigen raumbedeutsamen Planungen oder Maßnahmen des Landes zur Vermeidung von Planungswidersprüchen;
d) aufgrund von gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs im Rahmen der Europäischen Union oder aufgrund der verfassungsrechtlich gebotenen Berücksichtigung raumbedeutsamer Planungen oder Maßnahmen des Bundes zur Vermeidung von Planungswidersprüchen oder
e) aufgrund der §§11 Abs5, 43 Abs4, 52 Abs6 und 53 Abs2
erforderlich ist.
(2) Der Flächenwidmungsplan darf geändert werden, wenn die Änderung
a) den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept nicht widerspricht und für die weitere räumliche Entwicklung der Gemeinde vorteilhaft ist;
b) einer den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept entsprechenden Abrundung von Widmungsbereichen dient;
c) eine Festlegung nach §12 Abs2 zweiter und dritter Satz zum Inhalt hat.
...
§47
Sonderflächen für sonstige land- und
forstwirtschaftliche Gebäude
Die Widmung von Grundflächen als Sonderflächen für sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude, wie Almgebäude, Kochhütten, Feldställe, Städel in Massivbauweise und dergleichen, ist nur zulässig, wenn
a) die Gebäude nach Größe, Ausstattung und sonstiger Beschaffenheit für einen bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb betriebswirtschaftlich erforderlich sind und
b) die Widmung insbesondere den Zielen der örtlichen Raumordnung nach §27 Abs2 lite, f, g und h nicht widerspricht.
4. Abschnitt
Bebauungspläne
§54
Allgemeines
(1) In den allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplänen sind unter Berücksichtigung der Ziele der örtlichen Raumordnung, des örtlichen Raumordnungskonzeptes, des Flächenwidmungsplanes und der Ergebnisse der Bestandsaufnahme die verkehrsmäßige Erschließung und die Art der Bebauung des Baulandes, der Sonderflächen für Beherbergungsgroßbetriebe, der Sonderflächen für Einkaufszentren sowie jener sonstigen Sonderflächen und jener Vorbehaltsflächen, bei denen dies im Hinblick auf den besonderen Verwendungszweck im Interesse einer geordneten baulichen Entwicklung erforderlich ist, festzulegen. Die allgemeinen Bebauungspläne sind möglichst für größere funktional zusammenhängende Gebiete, die ergänzenden Bebauungspläne möglichst für funktional zusammenhängende Gebiete, zu erlassen.
...
§56
Inhalte
(1) Im allgemeinen Bebauungsplan sind hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinien (§58) der Straßen nach §53 Abs1 und hinsichtlich der Bebauung die Mindestbaudichten (§61) festzulegen. Im allgemeinen Bebauungsplan können weiters die Bauweisen (§60) festgelegt werden.
(2) In den ergänzenden Bebauungsplänen sind hinsichtlich der verkehrsmäßigen Erschließung die Straßenfluchtlinien der Straßen, die der inneren Erschließung des jeweiligen Gebietes dienen, und hinsichtlich der Bebauung die Höchstgröße der Bauplätze, die Baufluchtlinien (§59 Abs1 und 2), die Bauhöhen (§62 Abs1 bis 5) und, sofern diese nicht bereits im allgemeinen Bebauungsplan festgelegt worden sind, die Bauweisen festzulegen. In den ergänzenden Bebauungsplänen können weiters die Firstrichtungen und Dachneigungen, die Baugrenzlinien (§59 Abs3) und die Höhenlage (§62 Abs6) festgelegt sowie ergänzende Festlegungen über die Baudichten (§61) getroffen werden. Weiters kann in den ergänzenden Bebauungsplänen festgelegt werden, dass statt der Mindestabstände nach §6 Abs1 litb der Tiroler Bauordnung 2001 jene nach §6 Abs1 lita der Tiroler Bauordnung 2001 einzuhalten sind. Gegenüber den Grenzen zu Grundstücken, für die diese Festlegung nicht gilt, sind jedoch stets die Mindestabstände nach §6 Abs1 litb der Tiroler Bauordnung 2001 einzuhalten.
..."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß §36 Abs2 lita TROG 2001 darf der Flächenwidmungsplan geändert werden, wenn die Änderung den Zielen der örtlichen Raumordnung und dem örtlichen Raumordnungskonzept nicht widerspricht und für die weitere räumliche Entwicklung der Gemeinde vorteilhaft ist.
1. Die Beschwerde bringt vor, dass die Änderung des Flächenwidmungsplanes und die Erlassung des allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplanes allein deshalb vorgenommen wurde, um für die nachträgliche Erteilung der Baubewilligung für das auf dem Grundstück 246/1 entgegen der Baubewilligung errichtete landwirtschaftliche Gebäude die (bis dahin fehlende) rechtliche Grundlage zu schaffen.
Dieses Vorbringen könnte das Bedenken aufwerfen, dass diese Änderung nicht durch sachliche Erwägungen begründet, sondern ausschließlich dazu bestimmt war, - entgegen der Aufgaben des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, Bauvorhaben in die durch öffentliche Rücksichten gebotenen Bahnen zu lenken (vgl. in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse VfSlg. 4240/1962, 5794/1968, 12.171/1989 und 15.104/1998) - durch Anpassung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes an eine ihm widersprechende (und deshalb rechtswidrige) Bauführung für diese nachträglich die rechtliche Grundlage zu schaffen und solchermaßen den Bewilligungswerber zu begünstigen. Damit hätte aber der Verordnungsgeber gegen das - auch für ihn geltende (vgl. dazu etwa VfSlg. 4211/1962, 5581/1967, 10.492/1985) - Gleichheitsgebot verstoßen (vgl. VfSlg. 12.171/1989, 15.104/1998 und 17.014/2003).
2. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass der Bauwerber durch die Änderung der Flächenwidmung zwar keine Vergrößerung der Nutzfläche des Stallgebäudes erreicht hat, aber durch den seitlichen Anbau im Erdgeschoß einen Sattelplatz (24 m²) und im Obergeschoß ein Holzlager (18,90 m²), eine zusätzliche Miststätte (6 m²) sowie eine zusätzliche Auslauffläche für die Pferde gewonnen hat. Die Auffahrtsrampe in das Obergeschoß war im ersten Bauplan ebenfalls nicht enthalten. Dennoch sieht sich der Verfassungsgerichtshof aus folgenden Gründen nicht veranlasst, ein Verfahren zur Prüfung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes einzuleiten:
Der Umstand, dass eine Baulichkeit im Widerspruch zu einem Raumplan errichtet wurde, schließt nämlich nicht aus, dass aus wichtigen Gründen eine die betreffende Baulichkeit im Nachhinein rechtfertigende Planänderung beschlossen wird. Ein solcher wichtiger Grund liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. dann vor, wenn eine fehlerhafte Planung durch eine dem Gesetz entsprechende Planung ersetzt wird (vgl. VfSlg. 12.555/1990, 13.354/1993 und 15.056/1997).
Zunächst sei darauf verwiesen, dass gemäß §54 Abs1 TROG 2001 in den allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplänen u.a. die Art der Bebauung jener Sonderflächen festzulegen ist, bei denen dies im Hinblick auf den besonderen Verwendungszweck im Interesse einer geordneten Entwicklung erforderlich ist. Der Verfassungsgerichtshof zweifelt nicht daran, dass diese Voraussetzung für die als Sonderfläche "sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude - Pferdestall" gewidmete Teilfläche des Grundstücks 246/1 vorliegt. Wenn aber die Erlassung eines allgemeinen und ergänzenden Bebauungsplanes erforderlich war, etwa um zur Vermeidung von nachteiligen Umwelteinflüssen die Errichtung von gemäß §6 TBO 2001 innerhalb der Mindestabstandsflächen an sich zulässigen baulichen Anlagen zu verhindern, so war die Festlegung des Sondergebietes mit den Umrissen der verbauten Fläche des Pferdestalles zu gering bemessen und widersprach daher dem im §27 Abs2 litc TROG 2001 genannten Ziel der örtlichen Raumordnung, Nutzungskonflikte und wechselseitige Beeinträchtigungen beim Zusammentreffen verschiedener Widmungen weitestmöglich zu vermeiden.
Es hat zunächst den Anschein, als ob das Ausmaß der Sonderfläche durch die neuerliche Änderung der Flächenwidmung gegenüber der früheren Festlegung (ca. 61,5 m²) auf das nahezu achtfache Ausmaß erhöht wurde (460 m²). Dabei ist jedoch zu bedenken, dass sich die Baubewilligung vom auch auf die - außerhalb der Sonderfläche angeordnete - Düngerstätte bezog, die offenbar als Nebenanlage im Freiland gemäß §41 Abs2 TROG 2001 beurteilt wurde. Gemäß §41 Abs2 TROG 2001 dürfen nämlich im Freiland Nebengebäude und Nebenanlagen errichtet werden. Da allgemeine und ergänzende Bebauungspläne für das Freiland aber nicht erlassen werden dürfen, ist eine entsprechende Widmung im Flächenwidmungsplan Voraussetzung. Es widersprach weder den Zielen der örtlichen Raumordnung noch stellte es eine dem Gleichheitsgebot widersprechende Begünstigung des Bauwerbers dar, wenn die Bauplatzgröße durch die neuerliche Änderung des Flächenwidmungsplanes nicht mit der äußeren Begrenzung des Pferdestalles sondern mit einer auch die Abstände zu benachbarten Grundstücken sowie Nebengebäude und Nebenanlagen berücksichtigenden Bauplatzgröße von 460 m² festgesetzt wurde.
Weiters ist zu bedenken, dass mit der Erweiterung der Bauplatzgröße nicht auch eine Vergrößerung des mit Gebäuden verbauten Teils einhergeht. Denn die Größe, Ausstattung und sonstige Beschaffenheit von Gebäuden auf einer Sonderfläche für sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude richtet sich gemäß §47 TROG 2001 nach den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen für einen bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb.
Schließlich konnte die Gemeinde auch davon ausgehen, dass die Änderung des Flächenwidmungsplanes für die weitere Entwicklung der Gemeinde vorteilhaft ist, da das Gebäude der landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt wird. Die Voraussetzungen für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes waren daher gegeben.
3. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften könnte eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nur dann vorliegen, wenn die Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides Willkür geübt hätte. Die Beschwerde wirft den Baubehörden die Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit im Zusammenhang mit der Erweiterung des Ausmaßes der Sonderfläche vor. Da - wie oben ausgeführt - den Planerlassungen ausreichende Ermittlungstätigkeiten vorangegangen sind, bestehen gegen die Änderung des Flächenwidmungsplanes und gegen den Bebauungsplan keine Bedenken, sodass der Vorwurf der Beschwerde ins Leere geht.
4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Zusatzinformationen
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Normen | B-VG Art7 Abs1 / Verordnung Allgemeiner und ergänzender Bebauungsplan der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom Flächenwidmungsplanänderung der Gemeinde Kirchdorf in Tirol vom und vom Tir RaumOG 2001 §27 Abs2 litc, §36, §47, §54, §56 |
Sammlungsnummer | 18374 |
Schlagworte | Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan |
ECLI | ECLI:AT:VFGH:2008:B900.2006 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAE-10992