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VfGH vom 12.12.1988, B13/88

VfGH vom 12.12.1988, B13/88

Sammlungsnummer

11931

Leitsatz

GewerbesteuerG 1953 § 2 Z 6; BAO §§34 bis 47; Einräumung abgabenrechtlicher Begünstigungen als Folge der - rechtlich durchsetzbaren - Anerkennung als Religionsgesellschaft verfassungsrechtlich unbedenklich

Spruch

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Das Finanzamt für Körperschaften in Wien setzte mit elf Bescheiden vom die Steuermeßbeträge nach der Lohnsumme für die Jahre 1974 bis 1984 von der Betriebsstätte der

"S Kirche Österreich" (eines Vereines iS des Vereinsgesetzes 1951) und mit Bescheid vom den Steuermeßbetrag nach der Lohnsumme für das Jahr 1977 von der Betriebsstätte der "S Mission Wien" (gleichfalls eines Vereines iS des Vereinsgesetzes 1951) fest. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wies mit zwei Bescheiden vom die dagegen von den Vereinen erhobenen Berufungen ab.

2. Gegen diese Berufungsbescheide wenden sich die vorliegenden, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden der Vereine, in denen die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.

Die bf. Vereine machen vor allem geltend, die Benachteiligung der gesetzlich nicht anerkannten Religionsgesellschaften gegenüber den gesetzlich anerkannten wie sie sich aus den §§34 und 38 BAO iVm § 2 Z 6 des Gewerbesteuergesetzes 1953 ergebe - sei sachlich nicht zu rechtfertigen.

3. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland erstattete Gegenschriften, in denen die Abweisung der Beschwerden beantragt wird.

II. Der VfGH hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:

1. a) Die "S Kirche Österreich" und die "S Mission Wien" wurden weder aufgrund des Gesetzes vom 20. Mai 1874, RGBl. Nr. 68, betreffend die gesetzliche Anerkennung von Religionsgesellschaften (AnerkennungsG), noch durch eine spezielle gesetzliche Bestimmung anerkannt.

b) Nach § 34 Abs 1 BAO sind die abgabenrechtlichen Begünstigungen, die in einzelnen Abgabenvorschriften u.a. bei Betätigung für kirchliche Zwecke gewährt werden, an bestimmte Voraussetzungen gebunden.

Dem § 38 Abs 1 BAO zufolge sind kirchlich solche Zwecke, durch deren Erfüllung gesetzlich anerkannte Kirchen und Religionsgesellschaften gefördert werden.

Gemäß § 2 Z 6 GewerbesteuerG 1953 sind von der Gewerbesteuer u.a. Körperschaften und Personenvereinigungen, die kirchlichen Zwecken dienen, nach Maßgabe der Vorschriften der §§34 bis 47 BAO befreit.

2. Die bf. Vereine erachten die damit bewirkte Schlechterstellung der nicht anerkannten gegenüber den anerkannten Religionsgesellschaften als gleichheitswidrig. Der VfGH teilt diese Bedenken nicht:

a) Gegen die Unterscheidung zwischen anerkannten und nichtanerkannten Religionsgesellschaften bestehen an sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg. 6919/1972, S 1169, und 9185/1981, S 659); sie ist vielmehr verfassungsrechtlich durch Art 15 StGG vorgegeben.

Art 15 StGG garantiert zwar allen gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften bestimmte Rechte. Über die Frage aber, wie die Anhänger eines Bekenntnisses die gesetzliche Anerkennung erwirken können, enthält das StGG keine Bestimmungen.

Die (im Verfassungsrang stehenden) Art 63 und 66 des Staatsvertrages von St. Germain vom , StGBl. Nr. 303/1920 brachten gegenüber der vorher auf diesem Gebiet bestehenden Rechtslage nur insofern Neues, "als sie das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, das nach Art 15 StGG nur den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften gestattet war, auf alle religiösen Vereinigungen und überhaupt auf alle Einwohner des Staates ausdehnen, falls nicht Rücksichten der öffentlichen Ordnung oder die guten Sitten dem entgegenstehen" (vgl. VfSlg. 802/1927, 6919/1972). Gleiches gilt für Art 9 MRK.

b) Die einfachgesetzlichen Rechtsvorschriften, die an die Unterscheidung zwischen anerkannten und nichtanerkannten Religionsgesellschaften verschiedene Rechtsfolgen knüpfen, sind nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn diese Unterscheidung sachlich begründbar ist, und wenn ferner die Anerkennung nach sachlichen Gesichtspunkten erfolgt und - bei Vorliegen der im Gesetz umschriebenen Voraussetzungen - auch durchsetzbar ist.

Der VfGH hat nicht das Bedenken, daß diese Voraussetzungen fehlen:

aa) Gegen die abgabenrechtliche Begünstigung von Religionsgesellschaften bringen auch die bf. Vereine nichts vor. Dem Gesetzgeber kann nicht entgegentreten werden, wenn er schon um einen Mißbrauch hintanzuhalten - für die Einräumung abgabenrechtlicher Begünstigungen die bloße Behauptung einer steuerpflichtigen Vereinigung, sie sei eine Religionsgesellschaft, nicht ausreichend sein läßt, sondern hiefür eine entsprechende Prüfung vorsieht; diese aber kann sinnvoll nicht im jeweiligen Einzelfall den Finanzbehörden überlassen werden; dann aber ist es geradezu selbstverständlich, die abgabenrechtlichen Begünstigungen als Folge der Anerkennung als Religionsgesellschaft vorzusehen.

bb) Abgesehen von den durch Konkordat oder unmittelbar durch Gesetz anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften kommt hiefür das AnerkennungsG in Betracht.

Die darin postulierten Voraussetzungen für eine Anerkennung sind nicht unsachlich. Solches wurde im Verfahren auch von niemandem behauptet.

Wie oben dargetan wurde, ist es, um den ganzen Regelungskomplex als sachlich gerechtfertigt zu beurteilen, schließlich noch erforderlich, daß die Anerkennung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen rechtlich durchsetzbar ist. Auch dies ist der Fall:

Das AnerkennungsG geht vom Grundsatz aus, daß die Anerkennung nicht im Weg eines Spezialgesetzes erfolgt, sondern daß im jeweiligen Fall von der Verwaltung zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des AnerkennungsG für eine Anerkennung vorliegen oder nicht. Sind die Voraussetzungen gegeben, so besteht ein Rechtsanspruch auf Anerkennung (vgl. Klecatsky-Weiler, Österreichisches Staatskirchenrecht, 1958, FN 7 Abs 2 zu § 1 AnerkennungsG und die dort zitierte Literatur; weiters: Klecatsky,

Die Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Rechtsstellung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften in Österreich, EuGRZ, 1982, 444 f.; Pree, Österreichisches Staatskirchenrecht, 1984, 77). Wird die Anerkennung - sogleich - durch V ausgesprochen (wie dies nach herrschender Praxis geschieht - vgl. zB VfSlg. 11624/1988; VwSlg. 2965 A/1953, 10833 A/1982), erübrigt sich die Erlassung eines Bescheides gegenüber dem Antragsteller. Gelangt die Behörde jedoch zum Ergebnis, daß es an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung mangelt, so hat sie über den Antrag bescheidmäßig (negativ) abzusprechen. Der Antragsteller kann also - entgegen der vom VwGH in den Erkenntnissen VwSlg. 2965 A/1953 und 10833 A/1982 vertretenen Meinung - im Weg der Säumnisbeschwerde an den VwGH seinen Rechtsanspruch auf Anerkennung der Religionsgesellschaft durchsetzen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür gegeben sind.

Eine andere Auslegung verstieße einerseits gegen den Grundsatz, daß Gesetze im Zweifel verfassungskonform auszulegen sind; würde die Rechtsordnung diese Rechtsschutzmöglichkeit nicht einräumen, dürften - wie oben ausgeführt - an die Unterscheidung zwischen anerkannten und nichtanerkannten Religionsgesellschaften keine Rechtsfolgen geknüpft werden. Eine gegenteilige Interpretation würde auch das aus Art 18 B-VG fließende Prinzip verletzen, daß ein vom Gesetz eingeräumter Anspruch (wie hier auf Anerkennung als Religionsgesellschaft bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen) auch rechtlich durchsetzbar sein muß (vgl. zB VfSlg. 5240/1966; siehe auch Rill, Demokratie, Rechtsstaat und staatliche Privatwirtschaftsverwaltung, in: Wenger-FS, Wien 1983, 61, und die dort in Anm. 18 enthaltenen weiteren Literaturhinweise).

3. Der VfGH hegt also unter dem Gesichtspunkt der vorliegenden Beschwerdefälle gegen die Rechtsgrundlagen der angefochtenen Bescheide keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Vollziehung anzulastende, in die Verfassungssphäre reichende Fehler hat das Verfahren nicht ergeben.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen und antragsgemäß dem VwGH abzutreten.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.