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VfGH vom 25.06.1998, b125/97

VfGH vom 25.06.1998, b125/97

Sammlungsnummer

15229

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Nichtberücksichtigung von Fremdkapitalzinsen für einen Beteiligungserwerb bei Ermittlung der Körperschaftsteuer für Einkünfte aus der Veräußerung der Beteiligung; Berücksichtigung aufgewendeter Schuldzinsen im Fall der Erzielung eines steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnes verfassungsrechtlich geboten

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat mit eine 95%-Beteiligung an einer Bankkommanditgesellschaft, die zum gemäß Art 3 StrukturverbesserungsG in die Deutsche Bank (Austria) AG, Wien, eingebracht wurde, um 69.129.775 S erworben und am um 75.000.000 S an die Deutsche Bank AG Frankfurt veräußert. Den Erwerb der Beteiligung durch die beschwerdeführende Gesellschaft hat die Deutsche Bank Luxembourg SA finanziert, wobei Zinsen von 1.983.120,82 S (für 1989) und 3.319.919,81 S (für 1990) angefallen sind.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion, der unter anderem über die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer für 1989 und 1990 abspricht, wurde der Abzug der Zinsen unter Berufung auf § 12 Abs 2 KStG 1988 nicht anerkannt.

Die dagegen erhobene, am eingegangene Beschwerde erachtet dies als eine denkunmögliche - weil gleichheitswidrige - Auslegung der genannten Gesetzesstelle. Sie nimmt dabei auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 13724/1994 Bezug, worin die Nichtberücksichtigung von Zinsen für aufgenommene Fremdmittel bei Ermittlung der Einkommensteuer für Einkünfte aus einem Spekulationsgeschäft (§30 EStG 1988) als gleichheitswidrig erkannt wurde, und zieht daraus unter Berufung auf das dadurch ausgelöste Schrifttum den Schluß, gleiches müsse auch für einen Fall wie den vorliegenden gelten. Auch hier bestehe ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Finanzierungsaufwand und dem Veräußerungsgewinn. Die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, daß solche Schuldzinsen nur mit Kapitalerträgen wie Dividenden in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang gebracht werden können und daher bei den nach § 10 KStG 1988 steuerfreien Erträgen aus Schachtelbeteiligungen gemäß § 12 Abs 2 KStG 1988 nicht abgezogen werden dürften, sei nicht mehr haltbar. Die neue Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nähere sich diesem Ergebnis auch schon an.

Die Gegenschrift der belangten Behörde nimmt bereits auf das mittlerweile ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs VfSlg. 14784/1997 Bezug, worin der Beschwerde gegen die Verweigerung des Zinsenabzuges bei Berechnung des Gewinnes aus der Veräußerung einer keine Dividenden ausschüttenden "reinen Thesaurierungsgesellschaft" mit nachstehender Begründung stattgegeben wurde:

"Jedenfalls dann, wenn - so wie im vorliegenden Fall - der wirtschaftliche Vorteil, der aus dem Erwerb einer Beteiligung gezogen werden kann, ausschließlich in einem (körperschaftsteuerpflichtigen) Veräußerungsgewinn und nicht in einem (körperschaftsteuerfreien) Beteiligungsertrag im Sinne des § 10 KStG 1988 bestehen kann, ist es aus der Sicht des Gleichheitssatzes geboten, § 12 Abs 2 KStG 1988 so zu verstehen, daß zwischen den Aufwendungen zur (Fremd)Finanzierung dieses Beteiligungserwerbes und dem Veräußerungserlös ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Unter solchen Umständen kann der VfGH nämlich keinen Grund erkennen, der es rechtfertigen würde, die aus dem Erwerb der Beteiligung entstandene Zinsenbelastung vom Veräußerungserlös nicht abzuziehen. Vielmehr wäre es - ähnlich wie in dem VfSlg. 13724/1994 entschiedenen Fall - durch nichts zu rechtfertigen, daß ein Veräußerer, der das Wirtschaftsgut mit Fremdkapital angeschafft hat, ungeachtet des größeren Aufwandes, der nötig war, einen Veräußerungserlös zu erzielen, ebenso besteuert wird, wie ein Veräußerer, der dazu eigenes Vermögen verwenden konnte.

Übertragen auf den hier vorliegenden Fall ergibt sich somit folgendes: Im Streitjahr, in dem sowohl die Finanzierungsaufwendungen für den Beteiligungserwerb als auch der Erlös aus der Veräußerung der Beteiligung angefallen sind, sind keine Beteiligungserträge erzielt worden und konnte dies wegen der besonderen Konstruktion der Aktiengesellschaft, an der die Beteiligung bestand, offenkundig auch nicht geschehen. Die bel. Beh. hat nun die Abzugsfähigkeit der Finanzierungsaufwendungen für den Beteiligungserwerb im wesentlichen mit dem Argument verweigert, daß diese Kosten ausschließlich mit allfälligen Beteiligungserträgen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Solche Erträge kommen aber im vorliegenden Fall von vornherein nicht in Betracht. Damit hat die bel. Beh. ihrer Entscheidung eine Rechtsauffassung zugrundegelegt, derzufolge § 12 Abs 2 KStG denkunmöglich angewendet und der Bestimmung zu dem ein dem Gleichheitssatz widersprechender, also verfassungswidriger Inhalt unterstellt wird."

Daran anknüpfend weist die belangte Behörde darauf hin, daß im vorliegenden Fall sowohl beim Ankauf wie auch beim Verkauf Vereinbarungen über die Gewinnverteilung im jeweils laufenden Geschäftsjahr getroffen wurden, die auf die Möglichkeit der Erzielung von (dann steuerfreien) Gewinnen für die beschwerdeführende Gesellschaft abstellen. Entscheidend sei allein, ob die Gesellschaft als Erwerber die Möglichkeit hatte, aus dieser Beteiligung Erträge zu erzielen, unbeachtlich hingegen, ob solche tatsächlich erzielt wurden:

"Daß die Bf. für das Geschäftsjahr vom bis keine Dividende erhielt, ist alleine ihrer rechtsgeschäftlichen Gestion zuzuschreiben, da sie im Aktienkaufvertrag vom in § 4 der Käuferin Deutsche Bank Aktiengesellschaft eine allenfalls zur Ausschüttung gelangende Dividende der Deutschen Bank (Austria) AG für das laufende Geschäftsjahr zugesteht. Es muß daher angenommen werden, daß die Bf., in dem sie auf einen möglichen Dividendenvorhalt verzichtete, eine andere vertragliche Begünstigung erhalten hat."

II. Die Beschwerde ist begründet.

Nach § 12 Abs 2 KStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Vermögensvermehrungen und Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht abgezogen werden. Nach § 10 Abs 1 KStG 1988 sind Beteiligungserträge von der Körperschaftsteuer generell befreit. Beteiligungserträge sind - wie sich aus der folgenden Definition, aber auch aus der Gegenüberstellung zur Befreiung der Erträge aus internationalen Schachtelbeteiligungen ergibt - (lediglich) die laufenden Gewinnanteile (jeder Art), nicht jedoch die Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung; letztere sind vielmehr steuerpflichtig.

Erwirbt eine Kapitalgesellschaft oder sonstige Körperschaft eine Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft, so ist zunächst offen, ob die Erträge aus dieser Beteiligung in der Form laufender Ausschüttungen oder anderer Vorteile (verdeckter Gewinnausschüttungen) oder in der Form von Veräußerungsgewinnen erzielt werden. Auch wenn Beteiligungen in erster Linie im Hinblick auf erwartete Ausschüttungen eingegangen werden, kann angesichts der Vielgestaltigkeit der Sachverhaltskonstellationen und der bei qualifizierten Beteiligungen in vielen Fällen gegebenen Möglichkeit, laufende Erträge in Veräußerungserfolge zu verwandeln und umgekehrt, doch nicht gesagt werden, daß die Erzielung von Veräußerungsgewinnen aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften einen atypischen und daher vernachlässigbaren Ausnahmefall darstellt. Wirtschaftlich bedeutet der Erwerb einer Beteiligung die Anschaffung einer Erwerbsquelle, deren Ertrag sich entweder in laufenden Gewinnausschüttungen oder in entsprechenden Veräußerungserfolgen oder in beiden niederschlagen kann.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur zum EStG 1988 für rechtens erachtet, daß bei der Ermittlung der Spekulationseinkünfte nach § 30 EStG 1988 die in den Vorjahren angefallenen Werbungskosten (Schuldzinsen) in dem Jahr zu berücksichtigen sind, in dem der Veräußerungserlös zufließt (erstmals ). Im Erkenntnis VfSlg. 13724/1994 erkannte der Verfassungsgerichtshof, dieses Ergebnis sei auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten: es sei nämlich "durch nichts zu rechtfertigen, daß ein Veräußerer, der das Wirtschaftsgut mit Fremdkapital angeschafft hat, ungeachtet des größeren Aufwandes, der nötig war, den Veräußerungserlös zu erzielen, ebenso besteuert wird wie ein Veräußerer, der dazu eigenes Vermögen verwenden konnte".

Die Behandlung einer Beschwerde wegen Versagung der Abzugsmöglichkeit von Fremdkapitalzinsen für eine Beteiligung hat der Verfassungsgerichtshof gleichwohl mit Beschluß B2186/93 vom vor dem Hintergrund seiner ständigen Rechtsprechung als aussichtslos abgelehnt, weil die Beteiligung "im Streitjahr ... nur steuerfreie Gewinne erbringen konnte".

Im Erkenntnis vom , 94/15/0187, hat zwar der Verwaltungsgerichtshof den im Zusammenhang mit dem Erwerb der Beteiligung angefallenen Schuldzinsen in den Jahren des Anfalls dieser Aufwendungen die Abzugsfähigkeit nach § 17 KStG 1966 (= § 12 Abs 2 KStG 1988) ungeachtet der späteren Veräußerung ebenfalls versagt, er hat dabei jedoch ausdrücklich offengelassen, was im Jahr der Veräußerung rechtens wäre. Schließlich hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 14784/1997, zu § 10 bzw. § 12 Abs 2 KStG 1988 unter Verweis auf das schon genannte Erkenntnis VfSlg. 13724/1994 ausgesprochen, daß jedenfalls dann, wenn - wie in diesem Fall - der wirtschaftliche Vorteil aus dem Erwerb einer Beteiligung ausschließlich in einem körperschaftsteuerpflichtigen Veräußerungsgewinn bestehen kann, es aus der Sicht des Gleichheitssatzes geboten ist, § 12 Abs 2 KStG 1988 so zu verstehen, daß zwischen den Aufwendungen zur Finanzierung dieses Beteiligungserwerbes und dem Veräußerungserlös ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.

Das gilt auch für den vorliegenden Fall. Zwar besteht - auch wenn das Motiv der Vermeidung einer Doppelbegünstigung in Ansehung des sogenannten Schachtelprivilegs seit dem KStG 1988 angesichts der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers für die Einmalbesteuerung von Körperschaftsgewinnen (vgl. die Materialien zum KStG 1988, ÖStZ 1988, S 146) an Gewicht verloren hat - nach wie vor gegen eine Anwendung des § 12 Abs 2 KStG 1988 auf weiter gehaltene Beteiligungen kein verfassungsrechtlicher Einwand. Der Gerichtshof sieht aber kein Hindernis, das in VfSlg. 13724/1994 aus dem Gleichheitssatz abgeleitete Gebot der Berücksichtigung von Aufwendungen bei Besteuerung von Veräußerungserlösen auf Fälle zu übertragen, in denen nicht schon von vornherein bloß ein solcher Veräußerungserlös in Betracht kommt. Denn auch wenn es verfassungsrechtlich zulässig ist, zunächst von einem Zusammenhang der Zinsen mit steuerfreien Beteiligungserträgen auszugehen und den Finanzierungsaufwand vorderhand vom Abzug auszuschließen, steht doch jedenfalls im Veräußerungszeitpunkt fest, ob und in welchem Ausmaß die Erwerbsquelle "Beteiligung" zu steuerfreien oder steuerpflichtigen Einkünften geführt hat. Das Verbot des Abzuges von Aufwendungen ist aber nur gerechtfertigt, "soweit" sie mit nichtsteuerpflichtigen Vermögensvermehrungen und Einnahmen im Zusammenhang stehen.

Für die Fälle des Zusammentreffens von Ausschüttungen und einer späteren Veräußerung steht es dem Gesetzgeber wohl frei, auch unter Bedachtnahme auf die seit dem Beteiligungserwerb verstrichene Zeit eine ihm angemessen erscheinende und auch Mißbräuche verhindernde Lösung zu treffen. Eine vollständige Außerachtlassung eindeutig für den Beteiligungserwerb aufgewendeter Schuldzinsen in jedem Fall der Erzielung eines Veräußerungsgewinnes kann vor dem Gleichheitssatz jedoch nicht bestehen. Der Veräußerer, der die Beteiligung mit Fremdkapital angeschafft hat, würde nämlich dann ungeachtet des größeren Aufwandes, der nötig war, einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn zu erzielen, ebenso besteuert wie ein Veräußerer, der dazu eigenes Vermögen verwenden konnte. Der vorliegende Fall macht das unsachliche Ergebnis deutlich: Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen, an dem der allgemeine Hinweis der Gegenschrift auf nicht näher umschriebene mögliche Manipulationen nichts ändern kann, hat die beschwerdeführende Gesellschaft aus einer nur ein Jahr gehaltenen Beteiligung keine laufenden (steuerfreien) Erträge, sondern nur einen (steuerpflichtigen) Veräußerungsgewinn von an die 5,9 Mio S erzielt, dem Zinsen von rund 5,3 Mio S gegenüberstehen. Es gelten daher hier dieselben Überlegungen, die auch den Erkenntnissen VfSlg. 13724/1994 und 14784/1997 zugrunde liegen.

Der Bescheid ist daher wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz als verfassungswidrig aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 3.000 S an Umsatzsteuer enthalten.

Diese Entscheidung wird gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen.