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OGH vom 30.04.2012, 9ObA83/11p

OGH vom 30.04.2012, 9ObA83/11p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon. Prof Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Dr. Helwig Aubauer und Dr. Heinrich Ehmer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat Bord der T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Adalbert Laimer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung nach § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert 21.800 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Ra 10/11k 63, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 43 Cga 77/08i 58, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.329,84 EUR (darin 221,64 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der von der Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband der Luftfahrtunternehmungen, und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr, mit Wirksamkeit ab abgeschlossene Kollektivvertrag für das Bordpersonal der Austrian Airlines AG und der Lauda Air GmbH gilt gemäß § 1 für das Bordpersonal der Austrian Airlines AG, das Bordpersonal der Lauda Air Luftfahrt GmbH und das Bordpersonal aller österreichischen Luftfahrtunternehmen, die die Austrian Airlines AG kontrolliert oder an denen die Austrian Airlines AG Anteile hält, und die nicht ausschließlich Regionalverkehr betreiben. Dieser Kollektivvertrag wurde in der Folge überarbeitet und auch inhaltlich geändert. Die Neufassung trat mit in Kraft. Der Geltungsbereich in § 1 blieb unverändert. Der Begriff „Regionalverkehr“ wird in § 1 beider Kollektivverträge (im Folgenden kurz KV Bord) übereinstimmend wie folgt definiert:

„ Regionalverkehr umfasst den Betrieb von Flugzeugen mit Turbopropeller Antrieb und von Flugzeugen mit Strahltriebwerken (oder Unducted Fan) mit 30 bis 80 Sitzplätzen sowie von Derivaten mit mehr als 80 Sitzplätzen bis maximal 110 Sitzplätzen, die mit dem gleichen Typerating oder im Rahmen von CCQ mit einem vom Luftfahrtunternehmen tatsächlich betriebenen Regionalflugzeug mit bis zu 80 Sitzen geflogen werden dürfen, wenn ein gemischter Einsatz laut Operations Manual (OM) zulässig ist. Als Sitzplatzanzahl gilt die maximale zulässige Sitzanzahl bei 31 inch seat pitch und all passenger configuration. “

Unter „Bordpersonal“ sind nach § 1 KV Bord das Cockpitpersonal (Piloten) und das Kabinenpersonal (Flugbegleiter) zu verstehen. „CCQ“ steht für „cross crew qualification“, ein etwas weniger aufwändiges Ausbildungskonzept als Typerating. „Operations Manual“ steht für das Betriebshandbuch eines bestimmten Flugzeugtyps.

Unstrittig ist, dass es sich bei der Beklagten um ein österreichisches Luftfahrtunternehmen handelt, an dem die Austrian Airlines AG Anteile hält. Strittig ist jedoch die Frage des Regionalverkehrs. Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass sie ausschließlich Regionalverkehr betreibe, weshalb die oben genannten Kollektiverträge nicht für ihr Bordpersonal gelten. Der Kläger vertritt demgegenüber die Auffassung, dass die Beklagte nicht ausschließlich Regionalverkehr iSd KV Bord betreibe.

Der Begriff „Regionalverkehr“ wird im KV Bord nicht über die angeflogenen Destinationen, sondern über den Betrieb bestimmter Flugzeuge definiert. Die Beklagte setzt verschiedene Flugzeugtypen ein, unter anderem auch Flugzeuge der Marke „Fokker“ des Modells F28 Mark 0070 (Fokker 70) und des Modells F28 Mark 0100 (Fokker 100). Sowohl die Fokker 100 als auch die Fokker 70 bei beiden Typen handelt es sich um Flugzeuge mit Strahltriebwerken gehören zur selben Flugzeugfamilie, nämlich zur Fokker F28. Diese Flugzeugfamilie unterteilt sich in die Baureihe F28 Fellowship und in die Baureihe Fokker 100 und Fokker 70. Das erste Modell der Flugzeugfamilie Fokker F28 ist das mit maximal 70 Passagieren einsetzbare Modell F28 Mark 1000, das am genehmigt wurde. Über die Modelle F28 Mark 2000 und der F28 Mark 4000 wurde die Fokker 100 (F28 Mark 0100) mit bis zu 107 Passagieren bei einem vorgegebenen Sitzplatzabstand von 31 Zoll („31 inch seat pitch“) und „all passenger configuration“ entwickelt und am genehmigt. Die Fokker 70 ist eine verkürzte und weiterentwickelte Version der Fokker 100 mit einem geringeren Passagiervolumen von maximal 80 Sitzplätzen bei einem vorgegebenen Sitzplatzabstand von 31 Zoll „31 inch seat pitch“ und „all passenger configuration“; sie wurde am genehmigt. Die Fokker 100 und die Fokker 70 können mit der gleichen Flugberechtigung und im Rahmen von CCQ geflogen werden.

Im Jahr 2003 wurden die Flugbetriebe der Austrian Airlines AG und der Lauda Air GmbH zusammengelegt. Die dringende Notwendigkeit von Einsparungsmaßnahmen führte damals zu Arbeitskämpfen, die schließlich in Verhandlungen über einen Kollektivvertrag zwischen der Unternehmensleitung der Austrian Airlines Gruppe und der Belegschaftsvertretung mündeten. Die Verhandlungspartner erkannten bei den Verhandlungen die Gefahr der potenziellen „Unterwanderung“ des zu verhandelnden KV Bord. Es bestand die Sorge, dass die Konzernleitung Flugzeuge im Überregionalverkehr der Austrian Airlines oder der Lauda Air an die Beklagte verschieben und diese damit in die Lage versetzen könnte, Überregionalflugverkehr unter dem Regime des für den Konzern günstigeren Kollektivvertrags der Beklagten zu betreiben, sofern die Beklagte als Ganzes vom Anwendungsbereich des zu verhandelnden KV Bord ausgenommen werde. Um diese „Unterwanderung“ zu verhindern, sollten nur jene österreichischen Luftfahrtunternehmungen der Austrian Airlines Gruppe ausgenommen werden, die ausschließlich Regionalverkehr betreiben, womit in erster Linie die Beklagte gemeint war. Solange die Beklagte also ihren Charakter als Unternehmen im Regionalverkehr aufrecht halte, solle sie vom Anwendungsbereich des KV Bord ausgenommen bleiben. Weil dieser Charakter von der tatsächlich betriebenen Flugzeugflotte geprägt werde, wurde es als Bedingung betrachtet, dass ein verwandtes Flugzeug vom gleichen Piloten ohne zusätzliche Ausbildung geflogen werden könne. Eine taxative Aufzählung der Flugzeugmodelle der bestehenden Flugzeugflotte unterblieb, weil auch nachträgliche Änderungen in der Flugzeugflotte der Beklagten möglich sein mussten.

Zum Zeitpunkt der Verhandlungen über den KV Bord im Jahr 2003 wurden bei der Beklagten bereits Flugzeuge der Type Fokker 70 eingesetzt, noch nicht jedoch Flugzeuge der Type Fokker 100. Es war aber beiden Verhandlungsseiten bekannt, dass die Konzernleitung den Einsatz von Flugzeugen der Type Fokker 100 ergänzend zur bestehenden Flugzeugflotte bei der Beklagten erwog. Tatsächlich wurde die Fokker 100 nach dem Inkrafttreten des KV Bord ab Juli 2004 bei der Beklagten eingesetzt.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage nach § 54 Abs 1 ASGG die gerichtliche Feststellung, dass für Dienstnehmer der Beklagten, die als Bordpersonal beschäftigt werden, die einleitend genannten Kollektivverträge gelten. Die Beklagte sei nicht (mehr) ausschließlich im Regionalverkehr iSd § 1 KV Bord tätig. In der Flotte der Beklagten befänden sich nämlich auch Flugzeuge der Type Fokker 100. Diese seien keine Derivate der Fokker 70, die ein Flugzeug mit Strahltriebwerk sei und mit maximal 80 Sitzen betrieben werde.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte die Klageabweisung und wendete ein, dass sie nach wie vor ausschließlich Regionalverkehr betreibe. Die Flugzeuge der Type Fokker 70 und Fokker 100 gehören derselben Flugzeugfamilie an. Beide seien eine technische Weiterentwicklung und damit ein Derivat der Fokker F28 und können mit demselben Typerating geflogen werden. Auch die übrigen Voraussetzungen des Regionalverkehrs nach § 1 KV Bord seien bei der Beklagten gegeben.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren des Klägers unter Zugrundelegung der vorstehend wiedergegebenen Feststellungen ab. Da die Fokker 100 mit dem gleichen Typerating bzw im Rahmen von CCQ mit der von der Beklagten betriebenen Fokker 70 geflogen werden dürfe und ein gemischter Einsatz laut Operations Manual zulässig sei, liege bei der Beklagten weiterhin ein ausschließlicher Regionalflugverkehr vor, sodass der KV Bord auf das Bordpersonal der Beklagten nicht anzuwenden sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Der Begriff „Derivat“ könne mit „Abkömmling“ gleichgesetzt werden. Ein Derivat setze aber keine Ableitung von einem unmittelbar davor bestehenden Gegenstand voraus. Unter Derivat sei auch ein abgeleiteter Gegenstand von einem Vor Vorgänger zu verstehen. Beispielsweise beschränke sich auch der „derivative (abgeleitete) Erwerb“ nicht zwingend auf einen Eigentumserwerb vom unmittelbaren Vormann. Der Betrieb der Fokker 100 nehme der Beklagten nicht die Eigenschaft, ausschließlich Regionalverkehr zu betreiben. Die den Begriff „Derivat“ konkretisierenden Eingrenzungen in § 1 KV Bord reichten schon für sich für die Abgrenzung der Zulässigkeit des Betriebs eines Flugzeugs aus, ohne dass es darauf ankäme, von welchem Flugzeug dieses Flugzeug abgeleitet werde. Unter den Begriff „Derivat“ sei daher auch der Betrieb von Flugzeugen zu subsumieren, die aus länger zurückliegenden Vorgängermodellen abgeleitet und weiterentwickelt worden seien. Somit sei auch die Fokker 100 erfasst, weil sie ursprünglich von der F28 Mark 1000 abstamme, die mit maximal 70 Passagieren besetzt gewesen sei. Auch eine Auslegung der Natur der Sache sowie die Heranziehung historischen Interpretationsmaterials zeige dasselbe Ergebnis. Die ordentliche Revision sei nicht zuzulassen, weil der gegenständlichen Rechtsfrage keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn der Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Zwischen den Parteien ist strittig, ob der KV Bord, bei dem es sich um einen „unechten“ Firmenkollektivvertrag handelt (vgl Gutachten des Bundeseinigungsamts vom , ON 19; Klein , Rechtspolitisches und Rechtsdogmatisches zum „unechten“ Firmenkollektivvertrag, in FS Cerny 407 ua), auch für das Bordpersonal der Beklagten gilt. Dies hängt nach § 1 KV Bord von der Beantwortung der Frage ab, ob die Beklagte noch immer ausschließlich „Regionalverkehr“ betreibt. Dies hängt wiederum von der Frage ab, ob der Einsatz der Flugzeugtype Fokker F 100 der Beklagten die Eigenschaft, ausschließlich Regionalverkehr zu betreiben, nimmt. Dies wird vom Revisionswerber wiederum von der Frage abhängig gemacht, ob es sich bei der Fokker 100 um ein „Derivat“ der Fokker 70 iSd § 1 KV Bord handle.

Die Einengung in der letzten Fragestellung des Revisionswerbers überzeugt nicht. Die Definition des „Regionalverkehrs“ in § 1 KV Bord wurde oben wörtlich wiedergegeben. Legt man, wie vom Revisionswerber gefordert, den Blickwinkel auf den Begriff „Derivat“, dann geht es um folgende Passage im § 1 KV Bord:

„Regionalverkehr umfasst den Betrieb ... von Flugzeugen mit Strahltriebwerken … mit 30 bis 80 Sitzplätzen sowie von Derivaten mit mehr als 80 Sitzplätzen bis maximal 110 Sitzplätzen, ...“

Der Revisionswerber argumentiert, dass die Flugzeugtype Fokker 100 kein Derivat der Fokker 70 sein könne, weil nicht die Fokker 100 aus der Fokker 70, sondern vielmehr die Fokker 70 aus der Fokker 100 entwickelt worden sei. Die Fokker 100 sei das ältere Flugzeug und könne kein „Derivat“ eines jüngeren Flugzeugs sein.

Im vorliegenden Fall geht es um die Auslegung eines Kollektivvertrags. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist der normative Teil eines Kollektivvertrags nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten (§§ 6 und 7 ABGB), auszulegen, und zwar nach seinem objektiven Inhalt. Für „unechte“ Firmenkollektivverträge, die von überbetrieblichen kollektivvertragsfähigen Körperschaften abgeschlossen werden, sich jedoch im Geltungsbereich auf einen oder mehrere namentlich genannte Arbeitgeber beschränken, gilt nichts anderes. Maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS Justiz RS0010080 ua). In erster Linie ist bei der Auslegung eines Kollektivvertrags der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen. Eine von den Parteien mit einer Regelung verfolgte Absicht kann nur dann berücksichtigt werden, wenn sie im Text in hinreichender Weise ihren Niederschlag gefunden hat (8 ObA 39/10h; RIS Justiz RS0010089 ua). Bei der Auslegung einer kollektivvertraglichen Norm darf den Kollektivvertragsparteien unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollen. Bei mehreren in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten ist, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RIS Justiz RS0008828, RS0008897 ua).

Der Begriff „Derivat“, auf dem der Revisionswerber seine Argumentation aufbaut, um zu einer Anwendung des KV Bord auf das Bordpersonal der Beklagten zu kommen, ist kein Begriff, dem in der Luftfahrt eine spezifische Bedeutung zukommt (unstrittig). Der Begriff „Derivat“ (Abkömmling) wird vor allem in der Biologie, Chemie und Wirtschaft, aber auch im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet. Mit „Derivat“ wird in der Regel etwas bezeichnet, das sich von etwas anderem ableitet (vgl Brockhaus , Enzyklopädie 21 466; Duden , Deutsches Universalwörterbuch 6 391; Meyers Enzyklopädisches Lexikon 9 456 ua). Insoweit ist dem Revisionswerber durchaus beizupflichten, dass es mit dem Begriff „Abkömmling“ schwer vereinbar ist, den älteren Gegenstand als ein Derivat des jüngeren zu sehen. Gegenteiliges behauptet hier aber ohnehin niemand. Der Revisionswerber widerlegt mit seinem Resümee, die Fokker 100 könne als ältere Flugzeugtype kein Derivat der jüngeren Fokker 70 sein, etwas, was der KV Bord gar nicht verhindern will. Der KV Bord erhebt nicht die Fokker 70 zur maßgeblichen Bezugsgröße, an der sich die Fokker 100 messen und die Frage gefallen lassen muss, ob sie ein Derivat der Fokker 70 sei.

Es besteht bei der maßgebenden kollektivvertraglichen Regelung kein Anlass, dem Begriff „Derivat“ mehr Gewicht zu geben, als ihm nach seiner systematischen Stellung im § 1 KV Bord und nach dem unstrittigen Zweck der Regelung zukommt. Nach dem Inhalt der Regelung steht „Derivat“ für Flugzeuge, die in Bezug auf andere Flugzeuge bestimmte Eigenschaften aufweisen müssen. Der in § 1 KV Bord näher beschriebene Zusammenhang macht unter bestimmten Voraussetzungen ein Flugzeug zum „Derivat“ eines anderen. Nach § 1 KV Bord soll bzw kann der Regionalverkehr sowohl den Betrieb von Flugzeugen mit Strahltriebwerken mit 30 bis 80 Sitzplätzen als auch den Betrieb von Flugzeugen mit Strahltriebwerken mit 81 bis 110 Sitzplätzen umfassen. Die größeren Flugzeuge mit Strahltriebwerken sind im Regionalverkehr aber nicht uneingeschränkt zulässig. Insofern hat der Revisionswerber Recht. Um also noch von einem ausschließlichen Regionalverkehr iSd KV Bord sprechen zu können, muss es sich daher nicht nur um Flugzeuge mit Strahltriebwerken handeln, die eine bestimmte Zahl von Sitzplätzen nicht übersteigen (maximal 110); sie müssen auch mit dem gleichen Typerating oder im Rahmen von CCQ mit einem vom Luftfahrtunternehmen tatsächlich betriebenen Regionalflugzeug mit bis zu 80 Sitzen geflogen werden dürfen, wenn ein gemischter Einsatz laut Operations Manual zulässig ist. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann ist ein Flugzeug das „Derivat“ eines anderen Flugzeugs.

Dieses Verständnis trifft auch auf die Fokker 100 zu. Zutreffend weist die Revisionsgegnerin darauf hin, dass die Fokker 100 wie die Fokker 70 zur selben Flugzeugfamilie, nämlich zur Fokker F28, gehört und sich somit über verschiedene Typen von dieser ableitet. Sie kann mit dem gleichen Typerating oder im Rahmen von CCQ mit einem anderen von der Beklagten tatsächlich betriebenen Regionalflugzeug mit bis zu 80 Sitzen, nämlich der Fokker 70, geflogen werden. Der gemischte Einsatz laut Operations Manual ist zulässig. Die zusammenfassende rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Beklagte trotz Einsatzes der Fokker 100 im Flugbetrieb ausschließlich Regionalverkehr betreibe, ist daher nicht zu beanstanden. Diese Auslegung wird sowohl dem Wortsinn als auch dem Zusammenhang der einzelnen Voraussetzungen des Regionalverkehrs iSd § 1 KV Bord gerecht. Sie steht auch mit der aus der Regelung erkennbaren Absicht der Kollektivvertragsparteien, den Regionalverkehr auf bestimmte Flugzeugtypen zu beschränken, die einerseits eine bestimmte Größe nicht überschreiten, und andererseits mit dem gleichen Typerating oder im Rahmen von CCQ mit einem vom Luftfahrtunternehmen tatsächlich betriebenen Regionalflugzeug mit bis zu 80 Sitzen geflogen werden dürfen, wenn ein gemischter Einsatz laut Operations Manual zulässig ist, im Einklang.

Die abweichende Auslegung des Revisionswerbers schränkt die im Regionalverkehr zulässigen Flugzeuge mit Strahltriebwerken mit 81 bis 110 Sitzplätzen in einer überzogenen Art und Weise ein, die weder der Wortlaut noch der Zweck der Regelung des KV Bord gebietet. Eines Eingehens auf ergänzende („kontrollierende“) historische Überlegungen des Berufungsgerichts insbesondere im Zusammenhang mit einer älteren Betriebsvereinbarung und einem Resümeeprotokoll der Sozialpartner aus dem Jahr 2003 im Vorfeld des KV Bord 2004, die ebenfalls das vorstehende Ergebnis belegen sollen, bedarf es im Hinblick auf das eindeutige Auslegungsergebnis nicht. Auf die von der Revisionsgegnerin erstmals angestellten Überlegungen zur Unzulässigkeit der gegenständlichen Klausel im KV Bord im Zusammenhang mit dem unechten Firmenkollektivvertrag der Beklagten kann zufolge des im Revisionsverfahren geltenden Neuerungsverbots (§ 504 Abs 2 ZPO) nicht eingegangen werden. Im Hinblick auf das Verfahrensergebnis kommt es auch nicht auf hypothetische Überlegungen der Revisionsgegnerin zu „unabsehbaren“ Auswirkungen des Standpunkts des Klägers auf verschiedene Betriebsvereinbarungen an.

Der unbegründeten Revision des Klägers muss ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.