OGH vom 13.09.2012, 8Ob93/12b

OGH vom 13.09.2012, 8Ob93/12b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** AG, *****, vertreten durch Dr. Michael Drexel, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei DI C***** R*****, vertreten durch die Kadlec Weimann Rechtsanwalts KG in Wien, wegen 873.596,39 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 11 R 223/11m 98, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 20 Cg 292/06t 94, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.533,40 EUR (darin enthalten 588,90 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die „H“ Verwaltungs GmbH (in der Folge GmbH) hatte im Jahr 2000 Schulden bei der Klägerin. Zur Sicherstellung der Sollstände gab (unter anderem) der Beklagte eine unwiderrufliche Garantieerklärung ab. Am schloss die Klägerin mit der GmbH und dem Beklagten sowie zwei weiteren Mitschuldnern einen Darlehensvertrag über 15.000.000 ATS mit einer Endfälligkeit zum ab. Dieses Darlehen wurde der GmbH zugezählt. Die Darlehensnehmer bestellten diverse Sicherheiten.

Die „M S“ Vertriebs GmbH (später „BB S“ GmbH) war Schuldnerin der Bank ***** AG. Die Forderung der Bank war auf der im Eigentum der Schuldnerin stehenden Liegenschaft in R***** mit einer Höchstbetragshypothek in Höhe von 18.750.000 ATS sichergestellt. Die GmbH löste diese Forderung der Bank ein und erhielt dafür am die Pfandbestellungsurkunde betreffend die erwähnte Liegenschaft übermittelt. Mit Eingabe vom beantragten die Klägerin und die BB S GmbH ob der Liegenschaft in R***** beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz die Anmerkung der Änderung der Pfandgläubigerin von Bank ***** AG in L***** AG. Dieser Antrag wurde im Jänner 2002 zurückgezogen. Mit Eingabe vom wiederholte die Klägerin diesen Antrag, der mit Beschluss vom abgewiesen wurde.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung von 873.596,39 EUR sA. Der Beklagte sei Mitschuldner aus dem endfälligen Darlehen vom über 15.000.000 ATS. Dieses Darlehen sei zum fällig gestellt worden und hafte mit dem eingeklagten Saldo unberichtigt aus. Der Beklagte sei selbstständig als Unternehmer im Sinn des KSchG tätig gewesen. Unrichtig sei der Standpunkt des Beklagten, dass die Darlehensforderung durch Forderungseinlösung erloschen sei. Richtig sei lediglich, dass auf Wunsch der Darlehensschuldner der Versuch unternommen worden sei, eine Liegenschaft, an der die GmbH ein außerbücherliches Pfandrecht innegehabt habe, auf die Klägerin zu übertragen. Dies sei grundbuchsrechtlich jedoch nicht möglich gewesen. Der eingeklagte Anspruch sei zunächst mündlich und dann im November 2005 schriftlich anerkannt worden.

Der Beklagte entgegnete, dass die Klägerin die Schuld der BB S GmbH bei der GmbH eingelöst habe, weshalb die Darlehensschuld der Mitschuldner gegenüber der Klägerin erloschen sei. Dafür sei der Klägerin die Pfandurkunde der Bank ***** AG betreffend die Liegenschaft in R***** von der GmbH übergeben worden. Davon abgesehen sei das Darlehen nicht fällig. Außerdem habe er den Schuldbeitritt ausschließlich als Verbraucher erklärt. Aus einer nicht durchgeführten YEN Umschuldung sowie aufgrund des Umstands, dass er im Zusammenhang mit der vorzeitigen Fälligstellung eines Kredits von der Klägerin auf die Warnliste gesetzt worden sei, stünden ihm Gegenforderungen zu.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren (so wie schon im ersten Rechtsgang) ab. Aufgrund des festgestellten Forderungsübergangs von der GmbH auf die Klägerin seien die Darlehensschuldner, und damit auch der Beklagte, aus ihrer Haftung entlassen worden. Aus diesem Grund bestehe kein Anspruch der Klägerin gegenüber den vier Darlehensnehmern.

Das Berufungsgericht hob das abweisende Urteil des Erstgerichts neuerlich auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Die vom Erstgericht unterstellte Forderungseinlösung zwischen der GmbH und der Klägerin übergehe den Umstand, dass für die Klägerin gemäß § 5 Abs 1 Z 12 BWG das Vier Augen Prinzip gelte. Der handelnde Mitarbeiter der Klägerin sei kein vertretungsbefugtes Organ gewesen. Auch die Voraussetzungen für einen Rechtsscheinstatbestand seien nicht gegeben. Ein solcher hätte nur mit dem Zutun aller Kollektivvertretungsbefugten zustande kommen können. Stamme eine Erklärung nur von einem Vertretungsbefugten, genüge zwar, dass zugleich von einem weiteren Vertretungsbefugten ein äußerer Tatbestand geschaffen werde. Dies sei hier aber nicht der Fall. Unbeschadet dieser Beurteilung sei ein Anscheinsbevollmächtigter nur zu jenen Handlungen ermächtigt, die nach dem Geschäftsgebrauch oder nach den Umständen des Falls in den Bereich des aufgetragenen Geschäfts gehörten. Die Wirksamkeit der Forderungseinlösung scheitere jedenfalls auch an der Außergewöhnlichkeit des abgeschlossenen Geschäfts. Die vom Erstgericht unterstellte Vereinbarung über die Forderungseinlösung zwischen der GmbH und der Klägerin sei damit nicht rechtswirksam zustande gekommen. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil die Frage, inwieweit eine Bank für Erklärungen oder Schritte zu haften habe, die ihre Mitarbeiter in Überschreitung des in § 5 Abs 1 Z 12 BWG verankerten Vier Augen Prinzips gesetzt hätten, über den Einzelfall hinausgehe.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs des Beklagten, der auf die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.

Mit ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof erweist sich als unzulässig.

1. Nicht strittig ist, dass die GmbH die Schuld der BB S GmbH bei der Bank ***** AG eingelöst hat. Ebenso unstrittig ist, dass die Hypothek der Bank ob der von der BB S GmbH bestellten Liegenschaft in R***** (außerbücherlich) auf die GmbH übergegangen ist.

Mit der vorliegenden Klage wird die Forderung aus dem Darlehensvertrag vom geltend gemacht. Nach dem Vorbringen der Klägerin wurde dieses Darlehen zum fällig gestellt. Nach den Feststellungen erfolgten die Zinszahlungen bis vom Konto der GmbH.

2. Im ersten Rechtsgang hat das Erstgericht festgestellt, dass das Darlehen der GmbH zugezählt wurde, die dafür „die pfandrechtliche Sicherung“ (gemeint hinsichtlich der Liegenschaft der BB S GmbH in R*****) „zur Verfügung gestellt hat“. Demnach sollte die Klägerin eine neue Sicherheit für die Darlehensschuld erhalten.

Eine privative Schuldübernahme (vgl dazu RIS Justiz RS0032942) der Darlehensschuld (aus dem Darlehen vom ) durch die BB S GmbH wird nicht einmal vom Beklagten behauptet. Vielmehr gehen er und das Erstgericht von einer Forderungseinlösung durch die Klägerin (Neugläubigerin) gegenüber der GmbH (Altgläubigerin) in Ansehung der Schuld der BB S GmbH aus.

3. Zur unterstellten Forderungseinlösung der Klägerin gegenüber der GmbH hat das Erstgericht festgestellt, dass die Klägerin als Neugläubigerin die Verbindlichkeiten (der BB S GmbH gegenüber der GmbH) übernommen hat und von der GmbH das Pfandrecht zur Besicherung der Forderung gegenüber der BB S GmbH übertragen erhielt. Daraus ist abzuleiten, dass die unterstellte Forderungseinlösung als Vehikel dienen sollte, um der Klägerin die Stellung als Hypothekargläubigerin ob der Liegenschaft in R***** zu verschaffen.

Das Erstgericht geht nun weiters davon aus, dass aufgrund der Forderungseinlösung die Darlehensschuldner (hinsichtlich des Darlehens vom ) aus ihrer Haftung entlassen worden seien. Dementsprechend hat es (im Rahmen der Tatsachenfeststellungen) festgehalten, dass die BB S GmbH als (alleinige) Schuldnerin der Klägerin verblieben sei.

Diese Annahme des Erstgerichts würde eine Tilgung der Darlehensschuld im Zuge der unterstellten Forderungseinlösung voraussetzen. Das Erstgericht setzt somit so wie auch der Beklagte den Vorgang der unterstellten Forderungseinlösung durch die Klägerin gegenüber der GmbH mit dem Erlöschen der Schuld aus dem Darlehen vom gleich. Eine automatische Tilgung der Darlehensschuld konnte mit der in Rede stehenden Forderungseinlösung allerdings nicht verbunden sein. Vielmehr hätte es einer Aufrechnung der Forderung der GmbH aus der Einlösung gegen deren Schuld aus dem Darlehen vom bedurft. Das Berufungsgericht hat im ersten Rechtsgang auf das Erfordernis der Kompensation mit der Darlehensforderung der Klägerin auch ausdrücklich Bezug genommen.

Zu einer allfälligen Aufrechnung wurden jedoch weder Behauptungen aufgestellt noch Feststellungen getroffen. Die Beurteilung des Erstgerichts zur unterstellten Tilgung der Darlehensforderung (aus dem Darlehen vom ) findet in den Feststellungen somit keine tragfähige Grundlage.

4.1 Unbeschadet dieses Ergebnisses ist das Berufungsgericht mit seiner Ansicht im Recht, dass die vom Erstgericht unterstellte Vereinbarung über die Forderungseinlösung zwischen der Klägerin (Neugläubigerin) und der GmbH (Altgläubigerin) bereits dann unbeachtlich bleibt, wenn die entsprechenden rechtsgeschäftlichen Erklärungen des handelnden Mitarbeiters der Klägerin mangels Vertretungsmacht dieser nicht zugerechnet werden können.

Der Beklagte beruft sich in dieser Hinsicht in seinem Rekurs auf das Vorliegen einer „Anscheinsvollmacht“. Der äußere Tatbestand, auf den der Geschäftspartner vertrauen dürfe, könne nicht nur durch die vertretungsbefugten Organe, sondern auch durch andere Mitarbeiter der Klägerin gesetzt werden. Das Vertrauen Dürfen bezieht er dabei darauf, dass der handelnde Mitarbeiter der Klägerin für den Abschluss der Forderungseinlösung die Genehmigung des Vorstands eingeholt hat. Aufgrund der Ausführungen im Rekurs steht der Beklagte konkret auf dem Standpunkt, dass der handelnde Mitarbeiter der Klägerin hinsichtlich der Forderungseinlösung einen wirksamen Rechtsschein für eine Vertretungshandlung durch den Vorstand der Klägerin gesetzt habe.

4.2 Das in § 5 Abs 1 Z 12 BWG verankerte „Vier Augen Prinzip“ stellte eine besondere gesetzliche Regelung über den Umfang der Vertretungsmacht (im Sinn einer zwingenden Kollektivvertretung ) dar (3 Ob 317/04w).

Eine Anscheinsvollmacht setzt voraus, dass ein äußerer Tatbestand vorliegt, der geeignet ist, im Dritten das begründete Vertrauen an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu erwecken (RIS Justiz RS0019609). Der äußere Tatbestand muss für eine entsprechende Zurechnung vom Vertretenen selbst ausgehen (RIS Justiz RS0020145; RS0020004). Im Fall einer kollektiven Vertretungsbefugnis muss der das Vertrauen des Dritten rechtfertigende äußere Tatbestand von allen Gesamtvertretungsbefugten geschaffen werden (RIS Justiz RS0017976; RS0048336; RS0020448). Ein Dritter kann sich nur dann auf den äußeren Tatbestand berufen, wenn er bei Anwendung gehöriger Aufmerksamkeit davon ausgehen durfte, dass der Handelnde tatsächlich eine entsprechende Vertretungsmacht habe (RIS Justiz RS0020251). Muss der Dritte aufgrund der gegebenen Umstände bei gehöriger Aufmerksamkeit Zweifel an der Vertretungsmacht bzw an deren Umfang haben, so kann er nicht darauf vertrauen, sondern muss in Erfüllung der ihn treffenden Diligenzpflicht nachfragen.

4.3 Im gegebenen Zusammenhang hat das Erstgericht festgestellt, dass sich der handelnde Mitarbeiter der Klägerin vom Vorstand „K“ die Sanktionierung der Vereinbarung über die Forderungseinlösung geholt hat. Der handelnde Mitarbeiter der Klägerin hat dies gegenüber dem Vertreter der Beklagten auch zum Ausdruck gebracht.

Aus diesen Feststellungen lässt sich ein Verhalten des Vorstands „K“, das eine Zurechnung des äußeren Rechtsscheins an ihn als Vorstandsmitglied der Klägerin rechtfertigen würde, nicht ableiten. Der vom handelnden Mitarbeiter der Klägerin gesetzte Rechtsschein könnte aber jedenfalls nur einem Vorstandsmitglied zugerechnet werden. Der Vertreter der Beklagten, der unbestritten Fachkenntnisse im Bankgeschäft aufwies, hätte daher auf eine wirksame Vertretung der Klägerin nicht vertrauen dürfen.

4.4 Das Vorliegen einer Rechtsscheinshaftung kann immer nur anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls geklärt werden (8 Ob 77/00g). Das Berufungsgericht hat den Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze nicht überschritten. Seine Beurteilung, dass eine Vereinbarung über die behauptete Forderungseinlösung zwischen der Klägerin als Neugläubigerin und der GmbH als Altgläubigerin nicht wirksam zustande gekommen sei, stellt daher keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar. An diesem Ergebnis vermag die Feststellung des Erstgerichts nichts zu ändern, wonach von einem anderen Mitarbeiter der Klägerin gegenüber dem Vertreter der Beklagten erklärt wurde, dass der handelnde Mitarbeiter der Klägerin, wenn er etwas zusage, dies mit dem Vorstand abgeklärt habe. Auch darin ist kein vom Vorstand ausgehender und diesem zurechenbarer Rechtsschein zu erblicken.

4.5 Entgegen der Ansicht des Beklagten stellen die nachträglichen Grundbuchsanträge schon aufgrund des zeitlichen Ablaufs hinsichtlich des Abschlusses der Forderungseinlösung kein Zurechnungselement für einen vom Vorstand der Klägerin ausgehenden Rechtsscheinstatbestand dar. Außerdem führt die Beklagte in dieser Hinsicht selbst aus, dass diese Grundbuchsgesuche vom Vorstand „K“, also wiederum von nur einem Vorstandsmitglied, unterfertigt worden seien.

5. Die besonderen gesetzlichen Regeln über den Umfang der Vertretungsmacht, wie die zwingende Kollektivvertretung gemäß § 5 Abs 1 Z 12 BWG, bleiben selbst bei Vorliegen eines Verbrauchergeschäfts gemäß § 10 Abs 1 KSchG unberührt (3 Ob 317/04w). Der Berufung des Beklagten auf seine angebliche Verbrauchereigenschaft kommt für die Wirksamkeit der behaupteten Forderungseinlösung damit keine Bedeutung zu.

6. Insgesamt zeigt der Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Aus diesem Grund war der Rekurs trotz Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts im Sinn des § 519 Abs 2 ZPO zurückzuweisen (8 Ob 31/12k).

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.