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OGH vom 25.11.1997, 10ObS56/97a

OGH vom 25.11.1997, 10ObS56/97a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Edith Matejka und Dr.Dietmar Strimitzer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elfriede K*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Hierzenberger, Jaksch und Schoeller, Rechtsanwaltskanzlei in Wien, als Aufnahmeberechtigte nach dem am verstorbenen Josef W*****, ehemals Pensionist in *****, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1053 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Paul Bachmann ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 92/96t-57, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 2 Cgs 39/94b-49, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die beklagte Partei schuldig erkannt wird, der klagenden Partei für die Zeit vom bis Pflegegeld der Stufe 1 binnen 14 Tagen zu zahlen und das Mehrbegehren auf Zahlung eines Pflegegeldes über den hinaus abgewiesen wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.681,24 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 89,-- Barauslagen und S 932,04 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde der Antrag des ursprünglichen Klägers Josef W***** auf Gewährung von Pflegegeld abgewiesen.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren ab und stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger leidet an Harninkontinenz, weshalb ein tägliches Vollbad oder eine Dusche erforderlich ist. Er benötigt Hilfe bei der Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, bei der Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände und bei der Pflege der Leib- und Bettwäsche. Er verfügt über eine Nachtspeicherheizung, die er bedienen kann.

Aus diesen Feststellungen schloß das Erstgericht rechtlich, daß der Kläger im Betreuungsbereich einen Pflegebedarf von vier Stunden pro Monat für das Aufsuchen der Badewanne und im Hilfsbereich einen Pflegebedarf von je 10 Stunden bei der Beschaffung von Lebensmitteln und Medikamenten bei der Reinigung der Wohnung und bei der Besorgung der Wäsche habe. Sein Pflegebedarf übersteige daher nicht monatlich 50 Stunden, weshalb er keinen Anspruch auf Pflegegeld habe.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung Folge und erkannte die Beklagte schuldig, ihm ab Pflegegeld der Stufe 1 zu zahlen. Es stellte aufgrund einer Beweisergänzung fest, daß der Kläger in seiner Wohnung nur über ein Badezimmer mit Wanne verfügt, sodaß er Hilfe beim Besteigen der Badewanne benötige. Weiters stellte das Berufungsgericht fest, daß beim Kläger eine Stenokardie mit Mangeldurchblutungen, Gleichgewichtsstörungen und Schwindelanfällen vorliegt. Der Kläger ist auch praktisch taub. Die akuten Durchblutungsstörungen des Gehirnes lösen auch Durchblutungsstörungen des Ohres aus. Er benötigt auch für den Ausgang fremde Hilfe.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Berufungsgericht, daß der damalige Kläger während der gesamten Dauer des Wannenvollbades, das infolge der Harninkontinenz täglich erforderlich sei, fremde Hilfe benötige, was einen täglichen Zeitaufwand von 25 Minuten oder einen monatlichen Aufwand von 12,5 Stunden ergebe. Weiters brauche er Hilfe bei der Herbeischaffung von Nahrungsmitteln und Medikamenten, der Reinigung der Wohnung und der persönlichen Gebrauchsgegenstände, der Pflege der Leib- und Bettwäsche und Mobilitätshilfe im weiteren Sinne, weil infolge von Schwindelanfällen und Gleichgewichtsstörungen Gefahrenmomente beim Bewegen außer Haus gegeben seien. Insgesamt ergebe sich damit ein Pflegebedarf des Klägers von 52,5 Stunden monatlich, womit die Voraussetzungen für den Zuspruch eines Pflegegeldes in Höhe der Stufe 1 erfüllt seien (§ 4 Abs 2 BPGG).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Wiederherstellung des erstgerichtlichen klagsabweisenden Urteils.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof, dem die Revision zur Entscheidung vorgelegt wurde, sprach mit Beschluß vom aus, daß das Verfahren durch den Tod des (ursprünglichen) Klägers Josef W***** am unterbrochen wurde und daß zur Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens die in § 19 BPGG genannten Personen in der dort festgelegten Rangordnung und unter den dort geregelten Voraussetzungen berechtigt sind.

Am beantragte die nunmehrige Klägerin Elfriede K***** die Fortsetzung des Verfahrens. Sie gab bekannt, daß sie den ehemaligen Kläger vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zu seinem Tod gepflegt habe, sodaß sie gemäß § 19 BPGG anspruchsberechtigt sei.

Das Erstgericht führte über diesen Aufnahmeantrag eine mündliche Verhandlung durch und sprach mit Beschluß aus, daß der nunmehrigen Klägerin die Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens bewilligt werde.

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Z 2 ZPO liegt allerdings nicht vor; diese Beurteilung bedarf nach § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung. In Kürze sei den Revisionsausführungen daher nur entgegengehalten, daß die Feststellung oder Nichtfeststellung bestimmter Tatsachen aus der freien Beweiswürdigung der Vorinstanzen resultiert, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann. Insoweit ist daher der Oberste Gerichtshof an die von den Vorinstanzen festgestellte Tatsachengrundlage gebunden, wonach der inzwischen verstorbene Kläger wegen der Harninkontinenz Hilfe beim täglichen Wannenbad und auch Mobilitätshilfe im weiteren Sinne benötigte. Der Einwand der Beklagten, der seinerzeitige Kläger hätte anstelle des Wannenbades auch eine Dusche benützung können, übersieht, daß er an Gleichgewichtsstörungen und Schwindelanfällen litt, weshalb davon ausgegangen werden kann, daß er auch beim Duschen täglicher Hilfe bedurft hätte, abgesehen davon, daß sein Badezimmer mit einer Dusche nicht ausgestattet war. Was die Mobilitätshilfe im weiteren Sinne betrifft, so hat das Berufungsgericht zutreffend darauf verwiesen, daß wegen der Schwindelanfälle und Gleichgewichtsstörungen erhebliche Gefahrenmomente nicht nur bei der Überquerung von Straßen, sondern überhaupt beim Bewegen außer Haus gegeben waren, was sich ja auch dadurch zeigte, daß der Kläger selbst für das Herbeischaffen von Medikamenten fremder Hilfe bedurfte. Die Annahme des Berufungsgerichtes, der Pflegebedarf des Klägers betrage nach § 1 EinstV 12,5 Stunden und nach § 2 EinstV 40 Stunden monatlich, insgesamt daher 52,5 Stunden monatlich, ist daher zu billigen. Für Personen, deren Pflegebedarf durchschnittlich mehr als 50 Stunden monatlich beträgt, besteht aber Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 (§ 4 Abs 2 BPGG).

Der Revision kommt im Ergebnis nur insoweit teilweise Berechtigung zu, als der Anspruch auf Pflegegeld mit dem Todestag des Anspruchsberechtigten erlischt und in diesem Kalendermonat nur der verhältnismäßige Teil des Pflegegeldes gebührt (§ 9 Abs 1 letzter Satz BPGG idF Art 21 Z 3 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl Nr 201). Diese Regelung ist mit in Kraft getreten (§ 48 BPGG idgF) und daher mangels einer Ausnahmebestimmung auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Der Anspruch auf Pflegegeld endete daher mit dem Todestag des Anspruchsberechtigten (ursprünglichen Klägers), also mit . In diesem Sinne war das Urteil des Berufungsgerichtes abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG. Kosten für die beiden Schriftsätze vom 7.5. und waren nicht zuzuerkennen, weil deren Inhalt ebenso zweckentsprechend bei der mündlichen Verhandlung hätte vorgetragen werden können.

Fundstelle(n):
WAAAE-09648