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OGH vom 18.10.1989, 9ObA286/89

OGH vom 18.10.1989, 9ObA286/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Pipin Henzl und Leo Samwald als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Christian L***, technischer Angestellter, Enns, Grillparzerstraße 3, vertreten durch Dr. Erhard Hackl und Dr. Karl Hatak, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Horst R***, Filmkaufmann, Enns, Stadlgasse 2, vertreten durch Dr. Thomas Watzenböck, Rechtsanwalt in Kremsmünster, wegen S 159.858,88 brutto sA, infolge Rekurses und Revision der beklagten Partei gegen den Beschluß und das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 55/89-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 13 Cga 1038/87-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch


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1.
Der Rekurs des Beklagten wird zurückgewiesen.
2.
Der Antrag des Beklagten, gemäß Art 89 Abs 2, 140 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des § 434 ZPO und § 39 Abs 1 Z 1 ASGG beim Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit anzufechten, wird zurückgewiesen.
3. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 6.791,40 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.131,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

1. Zum Rekurs des Beklagten:

Das Berufungsgericht wies den im Berufungsverfahren gestellten Antrag des Beklagten, den (das Anbringen zu Protokoll regelnden) § 434 ZPO (sowie die Verweisungsnorm des § 2 Abs 1 ASGG) beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, zurück, weil den Parteien ein solches Antragsrecht nicht zukomme; die zweite Instanz begründete aber eingehend, warum sie gegen die Anwendung dieses Gesetzes aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit keine Bedenken habe und daher von Amts wegen einen solchen Antrag nicht stelle.

Der gegen diesen Zurückweisungsbeschluß erhobene Rekurs des Beklagten ist unzulässig. Grundsätzlich hat zwar derjenige, dessen Sachantrag mit der Begründung zurückgewiesen wurde, daß ihm kein Antragsrecht zustehe, das Recht, die Frage seiner Antragslegitimation im Instanzweg überprüfen zu lassen. Hier steht jedoch einer solchen Befugnis der auch für das Verfahren in Arbeits- und Sozialrechtssachen geltende (Kuderna, ASGG 244)§ 519 Abs 1 ZPO entgegen, wonach gegen die im Berufungsverfahren ergangenen Beschlüsse des Berufungsgerichtes der Rekurs nur aus den Gründen der Z 1 bis 3 dieser Gesetzesstelle statthaft ist. Von diesen Gründen kommt hier auch § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht nur den in der Berufung enthaltenen Antrag des Berufungswerbers, es möge ein anzuwendendes Gesetz beim Verfassungsgerichtshof anfechten, nicht aber die Berufung selbst aus formellen Gründen zurückgewiesen hat. Ein Anwendungsfall der Neuerungszulässigkeit (§ 63 ASGG) liegt nicht vor (siehe zur Unanwendbarkeit der Rekursbeschränkungen des § 519 ZPO in einem solchen Fall Kuderna, ASGG 244).

2. Zum Antrag des Beklagten im Revisionsverfahren, § 434 ZPO und § 39 Abs 1 Z 2 ASGG anzufechten:

Im Revisionsverfahren stellte der Beklagte neuerlich den Antrag, der Oberste Gerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des § 434 ZPO - und nunmehr auch des § 39 Abs 2 Z 1 ASGG, (gemeint offenbar Z 2) - beantragen.

Dieser Antrag ist unzulässig:

Die Parteien des Zivil- und Strafverfahrens sind nach ständiger Rechtsprechung nicht befugt, zu begehren, daß der Oberste Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit stelle. Ein solcher Antrag ist zurückzuweisen, da den Parteien ein solches Antragsrecht nicht zukommt (für das Zivilverfahren: ImmZ 1985, 174;

EvBl 1983/18 ua; für das Strafverfahren: EvBl 1980/191; 1982/35;

1983/114 ua).

Der erkennende Senat hat aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit (insbesondere wegen eines Verstosses gegen Art 87 Abs 1 B-VG) gegen die Anwendung des § 434 ZPO und § 39 Abs 2 Z 2 ASGG (im Umfang der Verweisung auf § 434 ZPO) keine Bedenken. § 434 ZPO regelt das Recht nicht anwaltlich vertretener Parteien, die Klage sowie alle außerhalb der mündlichen Verhandlung vorzubringenden Gesuche, Anträge und Mitteilungen zu Protokoll anzubringen. Eine Regelung, daß derartiges Anbringen, insbesondere Klagen, nur von einem Richter oder von jenem Richter zu Protokoll zu nehmen ist, der nach der Geschäftsordnung über die Klage zu entscheiden hat, enthalten die § 434 ZPO und § 39 Abs 1 Z 2 ASGG nicht. Die Geschäftsordnung für die Gerichte I. und II. Instanz sieht vor, daß mündliches Anbringen der Parteien, soweit es nicht nach gesetzlicher Vorschrift vom Richter entgegenzunehmen ist, von der Geschäftsstelle zu Protokoll genommen werden kann (§ 34 Abs 2 GeO; § 56 Abs 1 GOG). Gemäß § 536 Abs 1 GeO ist bei Bezirksgerichten in Streitsachen mündliches Parteivorbringen aller Art in der Geschäftsstelle entgegenzunehmen, soweit es die Ausbildung und Belastung der eingeteilten Kräfte gestatten (§ 34 Abs 2). Insbesondere können Klagen von rechtlich einfacher Art in der Geschäftsstelle zu Protokoll genommen werden. Soweit die protokollarische Aufnahme von Klagen beim Wohnsitzgericht vorgesehen ist, sind der protokollierende und der erkennende Richter ohnehin nicht identisch. Soweit aber aus organisatorischen Gründen der erkennende Richter selbst die Klage zu Protokoll nimmt, bietet in jenen - wohl sehr seltenen - Ausnahmsfällen, in denen sich ein solcher Richter mit der Partei, für die er in Wahrung der gesetzlichen Rechtsfürsorgepflicht einen Protokollarantrag aufgenommen hat, bei der Verhandlung so stark identifiziert, daß ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen, das Ablehnungsrecht (§ 19 Z 2 JN) ausreichende Abhilfe. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist die Zurückweisung der Ablehnung mit Rekurs anfechtbar (§ 24 Abs 2 JN). Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, hat der Gesetzgeber durch die Statuierung einer richterlichen Anleitungspflicht gegenüber einer unvertretenen Partei zum Ausdruck gebracht, daß von einem verantwortungsbewußten Richter erwartet werden kann, daß er sich dadurch bei der später erforderlichen Würdigung des Prozeßstoffes bei der endgültigen Entscheidung nicht beeinflussen läßt. Diesbezüglich ist den weiteren zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes nichts hinzuzufügen.


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3. Zur Revision des Beklagten:
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht als nicht gegeben erachtet worden sind, können nicht nach § 503 Z 2 ZPO geltend gemacht werden. Da die Begründung der angefochtenen Entscheidung zutreffend ist, reicht es aus, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG). Die vom Beklagten behaupteten Entlassungsgründe sind nicht erwiesen. Der bloße Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung reicht unter keinen Umständen für eine Entlassung aus (vgl Kuderna, Entlassungrecht 63). Das äußere Erscheinungsbild des Klägers während seiner Berufsausübung (saloppe Kleidung mit Jeans und T-Shirt, lange Haare und lange Fingernägel) kann schon deshalb nicht als Entlassungsgrund angesehen werden, weil nachteilige Auswirkungen auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten - der Kläger war Kinovorführer - nicht festgestellt werden konnten und sich zudem das Aussehen von Dezember 1985 bis zur Entlassung am nicht wesentlich geändert hat.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.