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VfGH vom 27.06.1991, B793/90

VfGH vom 27.06.1991, B793/90

Sammlungsnummer

12782

Leitsatz

Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richer durch die Zurückweisung seines Antrages auf Erlassung eines seine Bewerbung um die Verleihung einer Schulleiterstelle unter Angabe von Gründen ablehnenden Bescheides mangels Parteistellung; Parteistellung des in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerbers im Verfahren betreffs die Verleihung einer schulfesten Leiterstelle

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Unterricht und Kunst) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer steht als Lehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; seine Dienststelle ist das Bundesoberstufenrealgymnasium Mistelbach.

2. Er bewarb sich - neben anderen Personen (darunter die beteiligten Parteien) - um die im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom , Nr. 46, ausgeschriebene Planstelle des Direktors des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums Bruck an der Leitha.

3. Das Kollegium des Landesschulrates für Niederösterreich beschloß in seiner Sitzung am gemäß Art 81b Abs 1 lita und Abs 2 B-VG iVm Art 81a Abs 3 litc B-VG einen Besetzungsvorschlag (Dreiervorschlag), in den der Beschwerdeführer und die beteiligten Parteien aufgenommen waren, wobei die erstbeteiligte Partei an erster, der Beschwerdeführer an zweiter und die zweitbeteiligte Partei an dritter Stelle gereiht waren.

4. Nachdem die erstbeteiligte Partei mit Entschließung des Bundespräsidenten vom (diese Erledigung wurde dem Beschwerdeführer nicht zugestellt) mit Wirksamkeit vom auf diese Planstelle ernannt worden war (dies wurde im Verordnungsblatt des Landesschulrates für Niederösterreich vom , Stück I, verlautbart), richtete der Beschwerdeführer an den Landesschulrat für Niederösterreich ein mit datiertes Schreiben, das im wesentlichen folgenden Inhalt hatte:

"Dem Verordnungsblatt des LSRfNÖ vom entnehme ich, daß der Herr Bundespräsident einen Direktor für das BG und BRG Bruck/Leitha ernannt hat. Da ich für diese Direktion ein in den 'Besetzungsvorschlag aufgenommener Bewerber' bin, habe ich Parteistellung. Ich ersuche daher dringend um einen Bescheid, in dem meine Bewerbung mit Angabe von Gründen abgelehnt wird, ebenso um eine Rechtsmittelbelehrung."

5. Der Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport ließ daraufhin an den Beschwerdeführer folgenden Bescheid (vom ) ergehen:

"B e s c h e i d

Ihr Antrag vom auf Bekanntgabe der Gründe für Ihre nicht erfolgte Erstreihung im Dreiervorschlag über die Besetzung der Direktorstelle des Bundesrealgymnasiums Bruck/Leitha wird gemäß § 3 Dienstrechtsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 29/84, mangels Parteistellung zurückgewiesen.

B e g r ü n d u n g

Gemäß § 3 Dienstrechtsverfahrensgesetz zu § 8 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 sind im Verfahren in Dienstrechtsangelegenheiten die Personen Parteien, deren öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis oder deren Rechte oder Pflichten aus einem solchen Dienstverhältnis Gegenstand des Verfahrens sind. Die Leiterbestellung gemäß § 8 Absatz 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333/79, stellt eine Ernennung im bestehenden Dienstverhältnis dar. Auf Ernennung besitzt jedoch der Bewerber keinen Rechtsanspruch. Hiezu kommt noch, daß die Ernennung eines Bewerbers zum Direktor einer Schule gemäß § 10 Dienstrechtsverfahrensgesetz keiner Begründung bedarf. Aus diesen Gründen war daher Ihr Begehren mangels Parteistellung zurückzuweisen."

6. Gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht, Kunst und Sport richtet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

7. Der Bundesminister für Unterricht, Kunst und Sport als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).

2. Der Vorgang der Besetzung von Planstellen des Bundes (ua. solcher von Direktoren) an den Landesschulräten unterstehenden Schulen - zu diesen gehören (mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen) auch die höheren Schulen (§3 Abs 1 Z 1 litb Bundes-Schulaufsichtsgesetz, BGBl. 240/1962 idgF) - hat seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art 81b B-VG: Danach haben die Landesschulräte (gemäß Art 81a Abs 3 litc B-VG das Kollegium des jeweiligen Landesschulrates) ua. für die Besetzung derartiger Planstellen Dreiervorschläge zu erstatten (Art81b Abs 1 lita B-VG), und zwar an den gemäß Art 66 Abs 1 oder Art 67 Abs 1 B-VG oder auf Grund sonstiger Bestimmungen zuständigen Bundesminister, dem die Auswahl unter den vorgeschlagenen Personen obliegt (Art81b Abs 2 B-VG). Die Ernennung eines Direktors steht - da der Bundespräsident von der ihm durch Art 66 Abs 1 B-VG eingeräumten Befugnis, das ihm zustehende Recht der Ernennung von Bundesbeamten bestimmter Kategorien dem zuständigen Mitglied der Bundesregierung zu übertragen, hinsichtlich der Ernennung von Direktoren höherer Schulen nicht Gebrauch gemacht hat - gemäß Art 65 Abs 2 lita B-VG dem Bundespräsidenten zu.

3. Im vorliegenden Fall geht es um die Ernennung auf die Planstelle eines Direktors an einer (allgemeinbildenden) höheren Schule. Die einfachgesetzlichen Vorschriften hiefür enthält das Beamtendienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979, BGBl. 333 idgF, in den §§202 ff.: Der Besetzung einer freien Planstelle eines Lehrers hat ein Ausschreibungs- und Bewerbungsverfahren voranzugehen, wenn es sich nicht um eine Planstelle handelt, die mit einem Vertragslehrer besetzt ist, der die Ernennungserfordernisse erfüllt und nach einem dem Abs 2 oder 3 entsprechenden Ausschreibungsverfahren auf dieser Planstelle verwendet wird (§203 Abs 1). Die im § 204 Abs 1 genannten schulfesten Stellen - es sind dies die Planstellen eines Direktors, Direktorstellvertreters, Abteilungsleiters, Abteilungsvorstandes, Fachvorstandes und Erziehungsleiters - werden gemäß § 206 Abs 1 erster Satz mit der Ernennung auf die betreffende Planstelle besetzt.

4. Der Gang dieses Verfahrens (Ausschreibung, Bewerbung, Besetzungsvorschlag des Landesschulrates, Auswahl und Ernennung) führt nur in seinem letzten Stadium - der Ernennung - zu einer bescheidmäßigen Erledigung.

Aus Art 81b Abs 2 B-VG ergibt sich, daß nur ein Bewerber ernannt werden darf, der in den Besetzungsvorschlag des Kollegiums des Landesschulrates aufgenommen worden ist, daß also der Besetzungsvorschlag verbindlich ist (s. etwa auch VfSlg. 7084/1973, 456).

Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl. VfSlg. 6151/1970, 6806/1972, 6894/1972, 7094/1973, 7843/1976, 9923/1984; , B1242/89, B51/90), berührt die Aufnahme in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag das Dienstverhältnis des Bewerbers und verleiht ihm iS des § 3 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, Parteistellung. Die in einen verbindlichen Besetzungsvorschlag aufgenommenen Bewerber bilden, wie der Verfassungsgerichtshof in den erwähnten Erkenntnissen weiters dargelegt hat, eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft; sie haben ein Recht auf Teilnahme an dem durch den Besetzungsvorschlag konkretisierten Verwaltungsverfahren. Die Verwaltungsbehörde kann nicht als befugt angesehen werden, durch einen der Rechtskontrolle nicht unterworfenen Verleihungsakt unter den Bewerbern eine Auswahl zu treffen (vgl. zum Begriff der Verwaltungsverfahrensgemeinschaft weiters VfSlg. 6806/1972, 8066/1977, 8524/1979).

Dem Beschwerdeführer kam somit, da er in den (verbindlichen) Besetzungsvorschlag des Landesschulrates für Niederösterreich aufgenommen war, im Ernennungsverfahren Parteistellung zu.

5. Da die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage die Parteistellung des Beschwerdeführers verneint, seinen (unter I. 4. wiedergegebenen) Antrag vom zurückgewiesen und ihm gegenüber somit zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hat, ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

Der Bundesminister für Unterricht und Kunst wird die (als Bescheid zu wertende) Erledigung betreffend die Ernennung der erstbeteiligten Partei dem Beschwerdeführer (ebenso wie der zweitbeteiligten Partei) zuzustellen haben, und zwar zugleich mit einem entsprechend begründeten, seine Bewerbung (und jene der zweitbeteiligten Partei) abweisenden Bescheid der belangten Behörde (vgl. in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 937/77, VwSlgNF 9556 A/1978, und vom , 1075/77, die gleichfalls Fälle betrafen, in denen eine Verwaltungsverfahrensgemeinschaft gegeben war, die Zuständigkeit allerdings bei ein und derselben Behörde lag). Die Auswahl unter den vom Landesschulrat vorgeschlagenen Personen obliegt gemäß Art 81b Abs 2 zweiter Satz B-VG dem Bundesminister für Unterricht und Kunst. Die seinem Vorschlag (der angenommen oder abgelehnt werden kann) entsprechende Ernennung ist die Voraussetzung dafür, daß diese Auswahl mit Zustellung der eine Einheit bildenden Bescheide nach außen Wirksamkeit erlangt und solchermaßen den Beschwerdeführer (ebenso wie die zweitbeteiligte Partei) in die Lage versetzt, sowohl die Ernennung der erstbeteiligten Partei als auch die dadurch bedingte Abweisung seiner (ihrer) Bewerbung anzufechten.

6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88 VerfGG. In den zuerkannten Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 2.500 S enthalten.