VfGH vom 21.02.2013, a6/12

VfGH vom 21.02.2013, a6/12

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Zulässigkeit einer Klage gegen den Bund auf Herausgabe der in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Glücksspielgesetz beschlagnahmten Internet-Terminals; Berechtigung der - nach Ausfolgung der Geräte auf die Kostenersatzforderung eingeschränkten - Klage im Hinblick auf die Aufhebung des Beschlagnahmebescheides durch den UVS Vorarlberg;

Kostenzuspruch nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz; Abweisung des Mehrbegehrens

Spruch

I. Der Bund (Bundesministerin für Finanzen) ist schuldig, der klagenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2448,29 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Klage und Vorbringen

1. Gestützt auf Art 137 B-VG begehrte die klagende

Partei mit ihrer Klage vom , den Bund schuldig zu erkennen, der klagenden Partei vier beschlagnahmte Internet-Terminals mit der Bezeichnung "MVP FV 623" (Seriennummern 201810-180239, 201810-360481, 201810-360491, 201810-360507) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution auszufolgen sowie der klagenden Partei den Ersatz der Prozesskosten zuhanden ihres Rechtsvertreters binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu erstatten. Die beklagte Partei könne sich von der Herausgabeverpflichtung auch durch die Bezahlung eines Geldbetrages in der Höhe von € 32.160,-

befreien.

2. Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom seien diese vier im Eigentum der klagenden Partei stehenden Internet-Terminals gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lita iVm § 52 Abs 1 Z 1 Glücksspielgesetz (in der Folge: GSpG) zur Sicherung der Einziehung beschlagnahmt worden. Der dagegen von der klagenden Partei erhobenen Berufung habe der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg mit Erkenntnis vom Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der vier Internet-Terminals aufgehoben.

Mit Schreiben vom habe die klagende

Partei die Bezirkshauptmannschaft Bludenz ersucht, die Ausfolgung der Geräte zu veranlassen; darauf habe die Bezirkshauptmannschaft nicht reagiert. Mit Schreiben vom habe die klagende Partei bei der Bezirkshauptmannschaft die Ausfolgung urgiert. Gleichzeitig habe sie mitgeteilt, sich dazu gezwungen zu sehen, den Rechtsweg zu beschreiten, sollten die Internet-Terminals nicht bis ausgefolgt werden.

Eine Zuständigkeit zum bescheidmäßigen Abspruch über den geltend gemachten Anspruch sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die beklagte Partei sei zur Ausfolgung der beschlagnahmten Internet-Terminals verpflichtet, da der Rechtstitel, auf Grund dessen die Beschlagnahme erfolgt sei, mit dem Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg weggefallen sei.

3. Am folgte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz der klagenden Partei die vier Internet-Terminals aus.

4. Die beklagte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Klage beantragte und dem geltend gemachten Anspruch wie folgt entgegentrat:

Eine frühere Übergabe der Internet-Terminals an die klagende Partei sei "aufgrund faktischer Gegebenheiten (oftmalige Änderung der zuständigen Ansprechpartner)" seitens der klagenden Partei nicht möglich gewesen.

Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes sei nicht gegeben, da der Verwaltungsweg zu beschreiten gewesen wäre: Über die Herausgabe eines beschlagnahmten Gegenstandes habe die Behörde zu entscheiden, die die Beschlagnahme verfügt habe. So habe der Verwaltungsgerichtshof betreffend eine Beschlagnahme nach dem GSpG ausgesprochen, dass die Berufungsbehörde den Antrag auf Herausgabe nicht zurückweisen hätte dürfen, sondern an die erstinstanzliche Behörde zur Entscheidung darüber weiterleiten hätte müssen (). Hingegen habe der Verfassungsgerichtshof einer Klage gegen den Bund auf Herausgabe von zwei mit Bescheid beschlagnahmten und für verfallen erklärten Schimpansen nach Aufhebung der Bescheide stattgegeben (VfSlg. 11.180/1986). Darin sei zur Frage der Erledigung im Verwaltungsweg nur ausgeführt worden, dass eine Kompetenz zur bescheidmäßigen Absprache über den geltend gemachten Anspruch für Fälle der vorliegenden Art dem Gesetz nicht zu entnehmen sei. Der Bund habe damals aber den Anspruch bloß dem Grunde und der Höhe nach bestritten und die Frage einer Zurückweisung der Klage wegen Subsidiarität nicht aufgeworfen.

Die am und am ergangenen Ersuchen seien als Anträge iSd § 73 Abs 1 AVG zu qualifizieren, die in erster Linie auf eine faktische behördliche Tätigkeit gerichtet gewesen seien. Der klagenden Partei sei gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Bludenz grundsätzlich ein Anspruch auf bescheidförmige Erledigung zugekommen. Da das Anbringen aber primär auf die Erbringung einer faktischen behördlichen Leistung abgezielt habe und dem Begehren vollinhaltlich entsprochen worden sei, sei eine Erledigung in Form eines Bescheides nicht erforderlich gewesen.

Da die Herausgabe der Internet-Terminals am erfolgt sei, erweise sich das Klagebegehren als gegenstandslos und sei daher abzuweisen. Die beklagte Partei habe keine Veranlassung zur Klage gegeben und den eingeforderten Anspruch bei der ersten Gelegenheit erfüllt. Mangels Erforderlichkeit der Klagsführung sei die klagende Partei in sinngemäßer Anwendung des § 45 ZPO zum Ersatz der auf Seiten der beklagten Partei entstandenen Kosten verpflichtet.

5. Mit Schriftsatz vom schränkte die klagende Partei das Klagebegehren auf den Ersatz der Verfahrenskosten ein. Es könne keine Rede davon sein, dass keine Veranlassung zur Klagsführung gegeben worden wäre und dass der eingeforderte Anspruch bei der ersten Gelegenheit erfüllt worden wäre. Die Bezirkshauptmannschaft habe erst mehr als zwei Monate nach Einbringung der Klage die klagende Partei um Mitteilung ersucht, ob die Internet-Terminals nach Terminvereinbarung abgeholt werden könnten.

Die klagende Partei bestritt ausdrücklich, dass eine frühere Übergabe durch die Bezirkshauptmannschaft wegen oftmaliger Änderung der zuständigen Ansprechpartner nicht möglich gewesen sei. Die klagende Partei sei zu den Bürozeiten selbstverständlich erreichbar gewesen; mit dem Klagevertreter sei nach den Schreiben vom und vom weder schriftlich noch telefonisch Kontakt aufgenommen worden. Der Bezirkshauptmannschaft Bludenz wäre es spätestens dann möglich gewesen, dem Klagevertreter kurzfristig einen Termin zur Ausfolgung bzw. Abholung der Internet-Terminals bekannt zu geben.

Zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes führt die klagende Partei aus, dass der Verfassungsgerichtshof seine Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen habe, auch wenn in VfSlg. 11.180/1986 die Frage der Zurückweisung der Klage nicht aufgeworfen worden sei. Eine behördliche Erledigung im Bescheidweg wäre gar nicht möglich gewesen und sei demzufolge auch nie erfolgt.

II. Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die auf

Kostenersatz eingeschränkte Klage erwogen:

1. Die Klage erweist sich als zulässig.

1.1. Gemäß Art 137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

1.2. Ein solcher Anspruch wird mit der vorliegenden Klage geltend gemacht. Dass es sich in diesem Fall, in welchem vom Bund die Herausgabe bestimmter, im Verwaltungsstrafverfahren beschlagnahmter Sachen begehrt wird, um einen vermögensrechtlichen Anspruch handelt, ist augenscheinlich.

1.3. Es liegen auch die weiteren durch Art 137 B-VG geforderten Voraussetzungen vor, nämlich ein im öffentlichen Recht begründeter Anspruch, der nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen ist und auch nicht im ordentlichen Rechtsweg ausgetragen werden kann. Weder besteht eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Rückforderungsansprüche, wenn ein Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht, insbesondere im Fall der Verweigerung der Rückstellung zu Unrecht beschlagnahmter Sachen, noch ermächtigt die Rechtsordnung Verwaltungsbehörden dazu, über Ansprüche dieser Art bescheidmäßig abzusprechen. Weder das GSpG noch das VStG sehen vor, dass über die Rückgabepflicht ein Bescheid zu erlassen ist; vielmehr tritt diese Pflicht unmittelbar kraft Gesetzes ein (vgl. VfSlg. 11.180/1986, 14.971/1997, 17.531/2005, 17.850/2006). Der Umstand, dass die klagende Partei mit zwei Schriftsätzen um Ausfolgung der Internet-Terminals ersucht hat, ändert nichts daran, dass es keine gesetzliche Grundlage für die Erlassung eines Bescheides über die Rückgabepflicht hinsichtlich der beschlagnahmten Internet-Terminals gibt.

2. Die auf die Kostenersatzforderung eingeschränkte Klage ist auch berechtigt.

2.1. Auf Grund des Vorbringens der Parteien und der vorgelegten Unterlagen geht der Verfassungsgerichtshof von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom wurden die vier im Eigentum der klagenden Partei stehenden Internet-Terminals gemäß § 53 Abs 1 Z 1 lita iVm § 52 Abs 1 Z 1 GSpG zur Sicherung der Einziehung beschlagnahmt. Der dagegen von der klagenden Partei erhobenen Berufung gab der UVS Vorarlberg mit Bescheid vom statt und hob die Anordnung der Beschlagnahme der vier Internet-Terminals auf.

Mit den Schreiben vom sowie vom ersuchte die klagende Partei die Bezirkshauptmannschaft Bludenz erfolglos um die Ausfolgung der Geräte.

Mit der auf Art 137 B-VG gestützten Klage vom (eingelangt am ) begehrte die klagende Partei, den Bund zur Herausgabe der Geräte zu verurteilen; diese Klage wurde der beklagten Partei am zugestellt.

Am folgte die Bezirkshauptmannschaft Bludenz der klagenden Partei die vier Internet-Terminals aus.

Mit Schriftsatz vom schränkte die klagende Partei das Klagebegehren auf den Ersatz der Verfahrenskosten ein.

2.2. Der Rechtstitel, mit dem der Bund in den Besitz der Internet-Terminals gelangt ist, besteht seit der Aufhebung des Beschlagnahmebescheides durch Bescheid vom nicht mehr. Die Internet-Terminals haben sich zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage nach wie vor im Besitz des Bundes befunden. Die diesbezüglichen Klagebehauptungen blieben von der beklagten Partei im Wesentlichen unbestritten. Die klagende Partei hätte mit ihrem Ausfolgungsbegehren obsiegt, wenn die beklagte Partei diesem nach Einbringung der Klage nicht entsprochen hätte.

III. Ergebnis

1. Die klagende Partei hat die Klage zu Recht erhoben und das Klagebegehren nach Ausfolgung der Internet-Terminals rechtzeitig eingeschränkt. Dem Begehren auf Ersatz der Prozesskosten ist daher stattzugeben.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 35 Abs 1 VfGG und § 41 Abs 2 ZPO. Die Einbringung der Klage ist im vorliegenden Fall als ein zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendiges Mittel anzusehen.

Die der klagenden Partei zustehenden Kosten sind nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz auszumessen. Für die Abfassung der Klage steht der klagenden Partei bei einem Streitwert von € 32.160,- der Betrag der TP3C von € 1010,60 zu. Die Klagseinschränkung ist als kurzer Schriftsatz iSd TP1 zu qualifizieren (s. zB VfSlg. 15.839/2000), wofür der klagenden Partei bei dem angegebenen Streitwert von € 1450,- ein Betrag von € 11,90 zusteht. In den zugesprochenen Kosten sind der doppelte Einheitssatz gemäß § 23 Abs 3 iVm Abs 6 RATG (insgesamt 100 %) für die Klage (für den zunächst höheren Streitwert) und 60 % Einheitssatz gemäß § 23 Abs 3 RATG für die Klagseinschränkung (für den nunmehr niedrigeren Streitwert), ferner Umsatzsteuer in Höhe von € 448,05 und der Ersatz der Eingabengebühr (€ 220,-) enthalten.

Da die Kosten für die Klagseinschränkung nicht nach TP3C, sondern, da diese als kurzer Schriftsatz nach TP1 zu qualifizieren ist, nach dieser Tarifpost zu bemessen sind, ist das Mehrbegehren in Höhe von € 531,81 abzuweisen.