VfGH vom 12.03.2015, A5/2013 ua

VfGH vom 12.03.2015, A5/2013 ua

Leitsatz

Abweisung von Klagen betrieblicher Vorsorgekassen auf Zahlung von Zinsen für zu Unrecht eingehobene Pönalezinsen; keine Verpflichtung zur Verzinsung auf Grund des Unionsrechts; keine Grundlage für den Anspruch in der österreichischen Rechtsordnung; privatrechtliche Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherungen mangels vorhandener Lücke im öffentlichen Vermögensrecht nicht anwendbar

Spruch

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Klagen, Sachverhalt und Vorverfahren

1. Die Klägerin zu A5/2013 begehrt mit ihrer auf Art 137 B VG gestützten Klage, den Bund schuldig zu erkennen, ihr binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution € 104.860,66 samt 4 % p.a. Zinsen seit sowie die Kosten dieses Verfahrens zu bezahlen. Mit ihrer ebenfalls auf Art 137 B VG gestützten Klage begehrt die Klägerin zu A7/2013, die "Republik Österreich" (gemeint wohl: den Bund) schuldig zu erkennen, der Klägerin binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution € 54.165,– samt 4 % p.a. Zinsen seit sowie die Kosten dieses Verfahrens zu bezahlen.

2. Diesen Klagen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

2.1. Die Klägerinnen sind betriebliche Vorsorgekassen nach dem Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz – BMSVG, BGBl I 100/2002 idF BGBl I 34/2015, und als solche zum "Betrieblichen Vorsorgekassengeschäft" gemäß § 1 Abs 1 Z 21 des Bundesgesetzes über das Bankwesen (BankwesengesetzBWG), BGBl 532/1993 idF BGBl I 34/2015, berechtigt.

2.2. Mit Bescheiden der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom jeweils wurden den Klägerinnen jeweils gemäß § 43 Abs 1 Z 2 BMSVG idF BGBl I 102/2007 Pönalezinsen (der Klägerin zu A5/2013 in Höhe von € 1.277.058,06, jener zu A7/2013 in Höhe von € 629.537,19) wegen Überschreitung der Veranlagungsgrenze des § 30 Abs 2 Z 5 leg.cit. zur Zahlung vorgeschrieben. Die von den Klägerinnen erworbenen Fonds seien zum Erwerbszeitpunkt nicht zum Vertrieb in Österreich zugelassen gewesen. Die Klägerinnen bezahlten die ihnen vorgeschriebenen Pönalezinsen jeweils am .

2.3. Der Verwaltungsgerichtshof richtete im Rahmen eines bei ihm anhängigen, einen ähnlichen Sachverhalt betreffenden Verfahrens einer weiteren betrieblichen Vorsorgekasse ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union, der in der Folge in seinem Urteil vom aussprach, dass Art 63 Abs 1 AEUV einer nationalen Regelung entgegenstehe, "die einer Betrieblichen Vorsorgekasse oder der von dieser zur Verwaltung ihrer Mittel eingerichteten Veranlagungsgemeinschaft die Veranlagung dieser Mittel in Anteilscheinen eines Kapitalanlagefonds, der in einem anderen Mitgliedstaat errichtet ist, nur gestattet, wenn dieser Fonds zum Vertrieb seiner Anteile im Inland zugelassen worden ist." (, Vorsorgekasse, Rz 39).

2.4. Nach Einbringung von Beschwerden der Klägerin zu A5/2013 gegen den unter Pkt. I.2.2. angeführten – sie betreffenden – Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom bzw. hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom diesen wegen Widerspruchs zu einer unmittelbar anwendbaren unionsrechtlichen Norm (Art63 Abs 1 AEUV) auf. Der Beschwerde der Klägerin zu A7/2013 gegen den unter Pkt. I.2.2. angeführten – sie betreffenden – Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde gab der Verfassungsgerichtshof ebenfalls mit o.a. Erkenntnis vom statt und hob diesen mit derselben Begründung auf. Daraufhin zahlte der Bund der Klägerin zu A5/2013 am und der Klägerin zu A7/2013 am jeweils den zuvor erhaltenen Pönalezinsbetrag von € 1.277.058,06 bzw. € 629.537,19 zurück.

2.5. Mit an das Bundesministerium für Finanzen gerichtetem Schreiben vom begehrte die Klägerin zu A5/2013 die Zahlung von Zinsen nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen für den Zeitraum zwischen Zahlung des Betrags durch die Klägerin () und dem aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (), was der Bund mit Schreiben vom unter Hinweis auf die nicht bestehende gesetzliche Grundlage und Anspruchsberechtigung für die angeführten Zinsbeträge ablehnte. Die Klägerin zu A7/2013 begehrte mit an das Bundesministerium für Finanzen gerichtetem Schreiben vom die Zahlung von bereicherungsrechtlichen Zinsen für den Zeitraum von bis , was mit Schreiben vom ebenso abgelehnt wurde.

3. Die Klägerinnen stützen ihre Ansprüche auf § 87 Abs 2 VfGG, Grundsätze des Unionsrechts und – in der Folge in ihren Repliken (s. Pkt. I.5.) – bereicherungsrechtliche Grundsätze. Zudem machen die Klagen verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Bereicherungsrechts geltend (zur näheren Begründung s. unter Pkt. IV.).

Die beiden Klagen treffen weiters nähere Ausführungen zur konkreten Höhe des von ihnen jeweils erhobenen Zinszahlungsanspruches.

4. Der beklagte Bund (vertreten durch die Finanzprokuratur; in der Folge: der Beklagte) legte die Verwaltungsakten der Finanzmarktaufsichtsbehörde hinsichtlich der o.a. Verfahren der Klägerinnen vor und erstattete jeweils eine Gegenschrift, in der er den Klagsvorbringen entgegentritt und beantragt, die Klagebegehren zur Gänze als kostenpflichtig abzuweisen.

Er habe unmittelbar nach Aufhebung der Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde und Erhalt der – an das Bundesministerium für Finanzen gerichteten – Aufforderungsschreiben der Klägerinnen die Rückzahlung der Pönalezinsen an die Klägerinnen veranlasst. Der Verpflichtung des § 87 Abs 2 VfGG sei er somit bereits vollumfänglich nachgekommen, womit für die Ansicht der Klägerinnen, er habe ihnen gemäß dieser Bestimmung auch eine (angemessene) Verzinsung für die bezahlten Pönalezinsen zu leisten, kein Raum bleibe. Des Weiteren sei auch aus dem Unionsrecht sowie aus den weiteren, von den Klägerinnen herangezogenen Rechtsgrundlagen kein Anspruch auf Rückerstattung samt Verzinsung abzuleiten.

Die Gegenschriften treffen auch detaillierte Ausführungen zur von den Klägerinnen behaupteten Höhe der geltend gemachten Ansprüche.

5. Die Klägerinnen erstatteten jeweils eine "Replik", in der sie ihre Ansprüche auch selbständig auf österreichisches Recht stützen und den Gegenschriften des Beklagten entgegentreten, indem sie ihre Rechtsauffassung noch detaillierter ausführen.

II. Rechtslage

1. Die Klägerinnen stützen ihre Ansprüche auf die Grundsätze des Unionsrechts und des österreichischen Bereicherungsrechts sowie auf die gesetzliche Bestimmung des § 87 VfGG, BGBl 85/1953 idF BGBl I 122/2013, die – im Wesentlichen gleichlautend wie in den Fassungen BGBl I 100/2003 und BGBl I 33/2013 – wie folgt lautet:

"§87. (1) Das Erkenntnis hat auszusprechen, ob der Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung, einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrages), eines verfassungswidrigen Gesetzes oder eines rechtswidrigen Staatsvertrages in seinen Rechten verletzt worden ist, und bejahendenfalls das angefochtene Erkenntnis aufzuheben.

(2) Wenn der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

(3) Lehnt der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde ab oder weist er die Beschwerde ab, so hat, wenn bis dahin ein darauf abzielender Antrag des Beschwerdeführers gestellt worden ist, der Verfassungsgerichtshof, wenn dieser Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes gestellt wird, der Referent, auszusprechen, dass die Beschwerde gemäß Art 144 Abs 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten wird."

2. Weiters ziehen die Klägerinnen zur Begründung ihrer Ansprüche § 205a BAO, BGBl 194/1961 idF BGBl I 14/2013, heran, der folgendermaßen lautet:

"Beschwerdezinsen

§205a. (1) Soweit eine bereits entrichtete Abgabenschuldigkeit, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, herabgesetzt wird, sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Zinsen für den Zeitraum ab Entrichtung bis zur Bekanntgabe des die Abgabe herabsetzenden Bescheides bzw. Erkenntnisses festzusetzen (Beschwerdezinsen).

(2) Der Antrag (Abs1) hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung der Bescheidbeschwerde, von deren Erledigung die Abgabenhöhe unmittelbar oder mittelbar abhängt;

b) die Bezeichnung des Bescheides bzw. Erkenntnisses, mit dem die entrichtete Abgabenschuldigkeit herabgesetzt wurde;

c) die für die Höhe der Bemessungsgrundlage der Zinsen maßgebenden Angaben.

(3) Zinsen sind nur insoweit festzusetzen, als ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er von dem ihm zugrunde liegenden Anbringen abweicht oder ein Bescheid angefochten wird, dem kein Anbringen zugrunde liegt.

(4) Die Zinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Zinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen."

1. § 97 BWG idF BGBl I 97/2001 lautet wie folgt:

"97. (1) Die FMA hat den Kreditinstituten für folgende Beträge Zinsen vorzuschreiben:

1. 2 vH der Unterschreitung der erforderlichen Eigenmittel gemäß § 22 Abs 1 in Verbindung mit § 103, gerechnet pro Jahr für 30 Tage, ausgenommen bei Aufsichtsmaßnahmen nach § 70 Abs 2 oder bei Überschuldung des Kreditinstitutes;

2. 5 vH über der jeweiligen Bankrate der Unterschreitung der flüssigen Mittel ersten Grades gemäß § 25 Abs 7, gerechnet pro Jahr, für 30 Tage; von dem Fehlbetrag auf das erforderliche Ausmaß an flüssigen Mitteln ersten Grades sind die Beträge, mit denen das Kreditinstitut sein Mindestreserve-Soll (Art5 der Verordnung (EG) Nr 2818/98 der Europäischen Zentralbank vom über die Auferlegung einer Mindestreservepflicht, ABl. Nr L 356 vom ) unterschreitet, abzusetzen;

3. 2 vH der Unterschreitung der flüssigen Mittel zweiten Grades gemäß § 25 Abs 12, gerechnet pro Jahr, für 30 Tage;

4. (Anm.: aufgehoben durch BGBl I Nr 33/2000);

5. 0,5 vH der Überschreitung der offenen Fristigkeitspositionen gemäß § 26a Abs 2 und 3, gerechnet pro Jahr, für 30 Tage, ausgenommen bei Aufsichtsmaßnahmen nach § 70 Abs 2 oder bei Überschuldung des Kreditinstitutes;

6. 2 vH der Überschreitung der Großveranlagungsgrenzen gemäß § 27 Abs 7 in Verbindung mit § 103, gerechnet pro Jahr, für 30 Tage, ausgenommen bei Aufsichtsmaßnahmen nach § 70 Abs 2 oder bei Überschuldung des Kreditinstitutes.

(2) Die nach Abs 1 zu zahlenden Zinsen sind an den Bund abzuführen."

III. Zulässigkeit

1. Gemäß Art 137 B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund, ein Land, eine Gemeinde oder einen Gemeindeverband, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

2. Mit den vorliegenden Klagen begehren die Klägerinnen vom Beklagten jeweils Zinsen für die von ihnen auf Grund von Bescheiden der Finanzmarktaufsichtsbehörde zu Unrecht gezahlten Pönalezinsen für die Zeiträume zwischen Zahlung der Pönalezinsen durch die Klägerinnen bis zur Aufhebung der Bescheide durch den Verwaltungsgerichtshof bzw. Verfassungsgerichtshof (s. oben unter Pkt. I.2.).

Die vorliegenden Klagen betreffen daher vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Bund. Diese Ansprüche sind auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen. Eine Kompetenz zur bescheidmäßigen Absprache über die geltend gemachten Ansprüche ist dem Gesetz für Fälle der vorliegenden Art nicht zu entnehmen.

Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, sind Ansprüche aus der Zahlung einer Nichtschuld iSd §§1431 ff. ABGB dann keine Materie des Privatrechts, wenn der Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht (VfSlg 5386/1966, 6093/1969, 8065/1977, 8542/1979, 8666/1979, 8812/1980, 8954/1980, 10.279/1984, 10.519/1985, 12.020/1989, 14.420/1996, 17.038/2003, 17.533/2005). Die Zahlungen der Klägerinnen an den Bund erfolgten in den vorliegenden Fällen auf Grund der o.a. Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde und beruhen daher auf einem öffentlich-rechtlichen Titel iSd angeführten Judikatur.

3. Da im Verfahren auch sonst kein Prozesshindernis hervorgekommen ist, erweisen sich die – in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen – Klagen insgesamt als zulässig.

IV. Erwägungen in der Sache

Die Klagen sind nicht begründet.

1. Der Verfassungsgerichtshof geht aus systematischen Gründen zunächst auf das unionsrechtliche Vorbringen der Klägerinnen ein:

1.1. Die Klägerinnen bringen hiezu Folgendes vor:

1.1.1. Die Klage zu A5/2013 führt aus, dass sich eine Verpflichtung zur Verzinsung der zu Unrecht eingehobenen Pönalezinsen aus der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union ergebe. Dieser habe in seiner Entscheidung vom (Rs. C-591/10, Littlewoods Retail Ltd. ua. ) im Zusammenhang mit der Rückzahlung von zu Unrecht eingehobener Umsatzsteuer ausgesprochen, dass unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Steuerbeträge zuzüglich Zinsen zu erstatten seien. In Ermangelung unionsrechtlicher Bestimmungen über die Berechnungsgrundlage und die Höhe der Zinsen auf rückzuerstattende Beträge seien die nationalen Bestimmungen anzuwenden bzw. die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, für entsprechende Verzinsungsbestimmungen im nationalen Recht zu sorgen.

Die vom Gerichtshof der Europäischen Union in der dargelegten Judikatur ent-wickelten Grundsätze seien zwar im Zusammenhang mit der Frage der Verzinsung von zu Unrecht eingehobener Umsatzsteuer und damit vor dem Hintergrund der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie ergangen, seien aber durchaus verallgemeinerungsfähig (so Spies , EuGH: Zinsanspruch bei zu viel gezahlter Umsatzsteuer, ecolex 2012, 376); dies ergebe sich auch daraus, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner o.a. Entscheidung auf Urteile verweise, in denen Aspekte der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit urteilsrelevant gewesen seien ( und C-410/98, Metallgesellschaft Ltd. ua., Slg. 2001, I-1727; , Rs. C 446/04, Test Claimants , Slg. 2006, I-11753). Für die im vorliegenden Fall in Rede stehende Frage der Verzinsung spiele es keine Rolle, ob ein Betrag unter Verstoß gegen eine unionsrechtliche Richtlinie oder entgegen der im Primärrecht verankerten Kapitalverkehrsfreiheit zu Unrecht eingehoben worden sei.

1.1.2. Auch die zu A7/2013 erhobene Klage behauptet eine unionsrechtliche Verpflichtung zur Verzinsung der zu Unrecht eingehobenen Pönalezinsen und verweist dabei ebenso auf das o.a. Judikat des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Sache Littlewoods Retail Ltd. ua. Aus diesem ergebe sich, dass sich der Erstattungsanspruch nicht nur auf die zu Unrecht erhobene Steuer selbst, sondern auch auf jene Beträge erstrecke, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Steuer an den Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden seien. Darunter fielen auch die Einbußen auf Grund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen infolge der vorzeitigen Fälligkeit einer Steuer.

Nach welchen Modalitäten sich dieser Zinsanspruch richte, insbesondere in welcher Höhe die Zinsen zuzusprechen seien, bestimme sich in Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung nach der innerstaatlichen Rechtsordnung des betroffenen Mitgliedstaates. Es dürfe keinen Unterschied machen, ob nun im Einzelfall Steuerbeträge in Verletzung des Unionsrechts erhoben und von den Mitgliedstaaten rückzuerstatten seien oder ob sich die Rückzahlungsverpflichtung der Mitgliedstaaten daraus ergebe, dass in Verletzung des Unionsrechts (Verstoß gegen die im Primärrecht verankerte Kapitalverkehrsfreiheit) Pönale-zinsen verhängt würden. Die allgemeine Gültigkeit der Aussagen des Gerichtshofes der Europäischen Union sei auch daraus abzuleiten, dass er in seinen Er-wägungen zur Notwendigkeit eines Zinsanspruches auf zwei Urteile – die o.a. Urteile in den Rechtssachen Test Claimants und Metallgesellschaft Ltd. ua. – verweise, die zur Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit ergangen seien.

1.2. Der Beklagte hält zur von den Klägerinnen behaupteten unionsrechtlichen Verpflichtung zur Bezahlung von Zinsen für die Pönalezinsen zunächst fest, dass die von den Klägerinnen zitierten Entscheidungen des Gerichtshofes der Europäischen Union gänzlich andere Fallkonstellationen als jene der vorliegenden Fälle betreffen würden. Steuern seien Geldleistungen, die allen Steuerpflichtigen gleichermaßen von Gebietskörperschaften kraft öffentlichen Rechts zur Erzielung von Einnahmen auferlegt würden, wohingegen Zinsen iSd § 43 BMSVG wirtschaftsaufsichtsrechtliche Maßnahmen ohne Strafcharakter seien, deren Sinn darin bestehe, den betroffenen Instituten bei Über- oder Unterschreitung der Veranlagungsgrenzen Kosten aufzuerlegen, um ihnen aus betriebswirtschaftlicher Vernunft die Einhaltung der Ordnungsnorm zu gebieten ( Öhlinger in: Dellinger [Hrsg.], Bankwesengesetz, 7. Lfg. 2012, § 97 Rz 1, 3 und 5). Daher könne in Fällen, in welchen Institute wie die Klägerinnen es durch das Treffen von Veranlagungsentscheidungen selbst in der Hand hätten, ob sie Veranlagungsgrenzen überschreiten würden oder nicht, diesen ein Anspruch auf Verzinsung des Kapitalbetrages, welcher ihnen auf Grund der Überschreitung von Veranlagungsgrenzen nicht mehr zur Verfügung stehe, gar nicht zustehen. Es müsse daher – entgegen der Ansicht der Klägerinnen – zwischen Vorauszahlungen auf Steuern und der Entrichtung anderer Kapitalbeträge wie Pönalezinsen gemäß § 43 BMSVG zwingend unterschieden werden. Die aus dem o.a. Urteil Littlewoods Retail Ltd. ua. übernommenen Ausführungen der Klägerinnen zur Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit seien nicht überzeugend, weil sich diese auf einen Rückerstattungsanspruch samt Verzinsung von überzahlter Mehrwertsteuer beziehen würden.

Soweit die Klägerin zu A5/2013 unter Verweis auf die Ausführungen von Spies (aaO) zudem behauptet, dass die vom Gerichtshof der Europäischen Union in der o.a. Judikatur aufgestellten Grundsätze verallgemeinerungsfähig seien, hält der Beklagte entgegen, dass sich diese denkbare Verallgemeinerung gemäß der angeführten Literaturstelle lediglich auf Abgaben und Steuern beziehe, nicht aber auf andere Sachverhalte wie den vorliegenden.

1.3. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Schlussfolgerungen nicht, die die Klägerinnen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union ziehen:

1.3.1. Zunächst trifft es zu, dass der Gerichtshof der Europäischen Union, ausgehend von seiner Rechtsprechung zur Erstattung von ohne Rechtsgrund erhobenen Abgaben, die für Rechnung der (damals) Gemeinschaft und nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen erhoben wurden (vgl. , Société Roquette Frères , Slg. 1976, I-677; , Rs. 130/79, Express Dairy Foods Limited, Slg. 1980, I-1887), in bestimmten Fällen einen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz angenommen hat, wonach im Fall der Erstattung von gemeinschaftsrechtswidrig entrichteten Abgaben eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung bestehe, für den zu erstattenden Betrag auch Zinsen zu bezahlen. Zunächst hat er diese Verpflichtung nur im Falle von Steuern angenommen, die gemeinschafts- bzw. unionsrechtswidrig bezahlt wurden (in den Rechtssachen Metallgesellschaft Ltd. ua. und Test Claimants bei Vorauszahlungen auf Körperschaftssteuer, in der Rechtssache Littlewoods Retail Ltd. ua. im Falle von Mehrwertsteuern). In diesen Fällen ist der Gerichtshof der Europäischen Union zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht nur ein Anspruch auf Er-stattung der zu Unrecht erhobenen Steuer besteht, sondern auch der Beträge, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Steuer an den Staat gezahlt oder von diesem einbehalten worden sind, worunter "auch die Einbußen aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit von Geldbeträgen infolge der vorzeitigen Fälligkeit der Steuer" fallen ( Test Claimants, Rz 205). Wie der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Metallgesellschaft Ltd. ua. festgestellt hat, gehört dazu auch die Erstattung von Zinsen, wenn die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit (im konkreten Fall der Verstoß gegen Art 52 EG-Vertrag) nicht aus der Zahlung der Steuer selbst folgt, sondern aus deren vorzeitigen Fälligkeit, weil in diesen Fällen die Zuerkennung von Zinsen die "Erstattung" des ohne Rechtsgrund Geleisteten darstellt ( Metallgesellschaft Ltd. ua. , Rz 87).

Von diesem Grundsatz ausgehend kam der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Littlewoods Retail Ltd. ua. zu dem Ergebnis, "dass das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass nach ihm der Steuerpflichtige, der einen zu hohen Mehrwertsteuerbetrag entrichtet hat, der vom betreffenden Mitgliedsstaat unter Verstoß gegen die Mehrwertsteuervorschriften der Union erhoben worden war, Anspruch auf Erstattung der unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobenen Steuer sowie Anspruch auf deren Verzinsung haben muss" (Rz 34).

1.3.2. Diese Rechtsprechung lässt sich auf die vorliegenden Fälle nicht übertragen:

Zunächst ist festzuhalten, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Metallgesellschaft Ltd. ua. deswegen zu dem Ergebnis kam, dass der – gemeinschaftsrechtlich vor dem Hintergrund des Rechts der Mitgliedstaaten – gebotene Erstattungsbetrag in der Höhe der Zinsen liegt, weil der unionsrechtliche Verstoß darin gelegen war, dass Steuerleistungen – Rechtspersonen mit Sitz in dem Mitgliedstaat privilegierend – vorzeitig zu entrichten waren. Aus dieser Rechtsprechung kann nicht geschlossen werden, dass in allen Fällen der unionsrechtlich gebotene Erstattungsbetrag auch Zinsen umfasst.

Vor allem handelt es sich in den vorliegenden Fällen um keine Steuern und auch um keine sonstigen Abgaben, sondern um sonstige Geldleistungen, die der Staat im Interesse der Ordnung des Wirtschaftslebens auferlegt, im konkreten Fall um Wettbewerbsvorteile auszugleichen, die ein Unternehmen durch die Nichtein-haltung von Ordnungsvorschriften über die Kapitalveranlagung erzielt (vgl. zu derartigen Pönalezinsen Öhlinger in: Dellinger [Hrsg.], Bankwesengesetz, 7. Lfg. 2012, § 97 Rz 1 ff.).

Darüber hinaus ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Sache Test Claimants (Rz 209) – im Einklang mit seiner sonstigen Rechtsprechung in Staatshaftungssachen –, dass Schäden, die einem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, dann zu ersetzen sind, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die verletzte Rechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß ist hinreichend qualifiziert und zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem den Betroffenen entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen wurde von den Parteien nicht behauptet, wobei es auch sonst offenkundig ist, dass diese Voraussetzungen in den Klagsfällen nicht vorliegen. Letztlich hätte sich sonst auch das unter Pkt. I.2.3. angeführte Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes an den Gerichtshof der Europäischen Union erübrigt, weil es sich bei der vorgelegten Rechtssache um einen acte clair gehandelt hätte.

1.3.3. Zusammengefasst lässt sich für die vorliegenden Fälle dem Unionsrecht lediglich entnehmen, dass die Verpflichtung besteht, die zu Unrecht entrichteten Geldbeträge zu erstatten, wobei es mangels einer unionsrechtlichen Regelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten der Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechender innerstaatlicher Klagen und sie die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (vgl. EuGH, Metallgesellschaft Ltd. ua., Rz 85, und die dort angeführte Judikatur). Es ist dabei auch Sache des nationalen Rechts, alle mit der Erstattung zu Unrecht erhobener Abgaben zusammenhängenden Nebenfragen, wie etwa jene der Zahlung von Zinsen einschließlich des Zeitpunkts, von dem an die Zinsen zu berechnen sind, und jene des Zinssatzes, zu regeln (EuGH, Metallgesellschaft Ltd. ua. , Rz 86; Société Roquette Frères , Rz 9/13; Express Dairy Foods Limited, Rz 17).

Auf unionsrechtlicher Grundlage besteht daher nur dann ein Anspruch auf Ersatz der Zinsen für den Betrag, den der Bund den Klägerinnen als zu Unrecht bezahlte Pönalezinsen erstattet hat, wenn dies in der österreichischen Rechtsordnung so vorgesehen ist.

2. Die Klägerinnen behaupten eine (selbständige) österreichische Rechtsgrundlage für die von ihnen geltend gemachten Zinsansprüche mit folgender Be-gründung:

2.1. Zunächst leiten sie einen solchen Anspruch aus § 87 Abs 2 VfGG ab:

2.1.1. a) Die Klage zu A5/2013 hält fest, dass die Verwaltungsbehörden gemäß § 87 Abs 2 VfGG im Falle der Stattgabe einer Beschwerde dazu verpflichtet seien, dem der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Zustand mit den ihnen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln herzustellen. Es sei daher geboten, einen Beschwerdeführer so zu stellen, als wäre der erfolgreich bekämpfte Bescheid überhaupt nicht erlassen worden. Dieser Anspruch bestehe bei Hingabe einer Summe Geldes in der Zurückzahlung des zu Unrecht gezahlten Geldbetrages sowie einer angemessenen Verzinsung. Andernfalls käme es endgültig zu einer Bereicherung des Beklagten in der Höhe ersparter Fremdkapitalzinsen.

b) Sehr ähnliche Ausführungen trifft die zu A7/2013 erhobene Klage. Einem aufhebenden Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes käme ex-tunc-Wirkung zu, womit die Verwaltungsbehörden dazu verpflichtet seien, den Betroffenen materiell-rechtlich so zu stellen, als wäre der seinerzeit angefochtene Bescheid überhaupt nicht erlassen worden. Es bestehe daher die Verpflichtung der Verwaltungsbehörden zur Herstellung jener Rechtslage, die bestünde, wenn es nie zur Vorschreibung der zu Unrecht eingehobenen Pönalezinsen gekommen wäre. Die Erfüllung der sich aus § 87 Abs 2 VfGG ergebenden Verpflichtung erfordere, dass der Beklagte für den ihm zu Unrecht zugekommenen Nutzen einen Ausgleich in Form einer angemessenen Verzinsung für die bezahlten Pönalezinsen zu leisten habe.

2.1.2. Der Beklagte hält hiezu fest, er habe unmittelbar nach Aufhebung der Bescheide der Finanzmarktaufsichtsbehörde und Erhalt der – an das Bundesministerium für Finanzen gerichteten – Aufforderungsschreiben der Klägerinnen die Rück-zahlung der Pönalezinsen an die Klägerinnen veranlasst. Der Verpflichtung des § 87 Abs 2 VfGG sei der Beklagte somit bereits vollumfänglich nachgekommen, womit für die Ansicht der Klägerinnen, der Beklagte habe ihnen gemäß dieser Bestimmung auch eine (angemessene) Verzinsung für die bezahlten Pönalezinsen zu leisten, kein Raum bleibe.

2.1.3. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur bereits in der Zeit der ersten Republik (vgl. die Hinweise in VfSlg 715/1926) ausgesprochen hat, folgt aus § 87 Abs 2 VfGG (bzw. seinen Vorgängerbestimmungen) sowie – im Falle der Aufhebung eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof – aus § 63 VwGG (bzw. dessen Vorgängerbestimmungen) die Pflicht des Trägers einer Behörde, Geldleistungen und sonstige Vermögensverschiebungen (wie etwa Geldstrafen, Abgaben oder beschlagnahmte Gegenstände), die auf Grund eines (rechtskräftigen) Bescheides erfolgt sind, nach Aufhebung dieses Bescheides durch den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof zurückzuerstatten (vgl. VfSlg 2046/1950, 2648/1954, 5001/1965, 5079/1965, 10.506/1985, 12.538/1990). Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 5001/1965 festgestellt hat, besteht die aus § 87 VfGG (bzw. § 63 VwGG, zu deren Inhaltsgleichheit s. VfSlg 2046/1950) abzuleitende Verpflichtung der Behörden, mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, dann, wenn kein neuerlicher Bescheid zu erlassen ist, darin, den zu Unrecht entrichteten Betrag formlos zurückzuerstatten.

Diese Rückerstattungspflicht umfasst ausschließlich den zu Unrecht entrichteten Betrag sowie Verzugszinsen ab dem Zeitpunkt, zu dem dieser Betrag fällig gestellt wurde, also ab dem Zeitpunkt, in dem der Rechtsträger aufgefordert wurde, den Betrag zurückzuzahlen (vgl. VfSlg 5001/1965, 10.496/1985, 10.795/1986, 12.693/1991 ua.). Eine solche Rückzahlungsverpflichtung hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 16.857/2003 auch für (den klagsgegenständlichen Zinsen völlig vergleichbare) Pönalezinsen gemäß § 97 BWG, BGBl 532/1993, ausgesprochen, wobei er auch in diesem Fall außer Verzugs-zinsen keine (Vergütungs-)Zinsen zuerkannt hat.

Auf § 87 Abs 2 VfGG (bzw. im Fall der Klage zu A5/2013 auf § 63 VwGG) lässt sich der geltend gemacht Anspruch der Klägerinnen daher nicht stützen.

2.2. Die Klägerinnen stützen ihren Anspruch auch auf "allgemeine bereicherungsrechtliche" Grundsätze (§§1431 ff. ABGB).

2.2.1. Sie führen dazu Folgendes aus:

a) Die Klage zu A5/2013 hält fest, dass die analoge Anwendung bereicherungsrechtlicher Grundsätze im öffentlichen Recht grundsätzlich zulässig sei, weil es sich bei diesen laut herrschender Lehre und Judikatur um allgemeine, der gesamten Rechtsordnung immanente Grundsätze handle.

Nach § 1435 ABGB könne der Geber auch Sachen, die als wahre Schuldigkeit gegeben worden seien, vom Empfänger zurückfordern, wenn der rechtliche Grund, sie zu behalten, weggefallen sei; dieser Kondiktionsanspruch stehe auch dann zu, wenn ein Bescheid im Nachhinein aufgehoben werde (s. ). An den Wegfall der Rechtsgrundlage für eine Vermögensverschiebung knüpfe § 1437 ABGB die Rechtsfolgen, wie sie für einen redlichen oder unredlichen Besitzer nach den §§329 bis 336 ABGB gelten würden. Der Beklagte sei im vorliegenden Fall als unredlicher Besitzer zu qualifizieren, womit er der Klägerin jene Zinsen zu ersetzen habe, die diese erlangt hätte, wenn sie den betreffenden Betrag selbst angelegt hätte, jedenfalls aber Zinsen in gesetzlicher Höhe. Zwar werde der Beklagte nicht schon mit der Klagszustellung zum unredlichen Besitzer, sehr wohl aber, wenn der Klage stattgegeben werde, und zwar rückwirkend auf den Zeitpunkt der Klagseinbringung ( Grüblinger in: Schwimann/Kodek [Hrsg.], ABGB Praxiskommentar 4 , 2012, § 338 Rz 1). Werde einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts stattgegeben, werde die belangte Behörde daher rückwirkend auf den Zeitpunkt der Zustellung der erfolgreichen Beschwerde zum unredlichen Besitzer. Der Finanzmarktaufsichtsbehörde sei die Beschwerde der nunmehrigen Klägerin zu A5/2013 an den Verfassungsgerichtshof am und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof am zugestellt worden, womit der Beklagte seit als unredlicher Besitzer des Pönalezinsbetrages zu qualifizieren sei.

b) Auch zu diesem Punkt werden in der Klage zu A7/2013 sehr ähnliche Aus-führungen wie in jener zu A5/2013 getroffen, wobei diese in erstgenannter Klage genauer ausgeführt werden.

Die Klage zu A7/2013 weist in diesem Zusammenhang nochmals darauf hin, dass sich die Höhe der Verzinsung für die sich aus dem Unionsrecht ergebende Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung angemessener Zinsen für die zu Unrecht vorgeschriebenen Pönalezinsen aus der innerstaatlichen Rechtsordnung des einzelnen Mitgliedstaates ergebe. Ein dem Unionsrecht entsprechender Zinsenanspruch ergebe sich primär aus der Anwendung der bereicherungsrechtlichen Bestimmungen der §§1431 ff. ABGB über die Leistungskondiktionen, im Speziellen der in § 1435 ABGB verankerten "condictio causa finita", nach welcher der Leistende dann einen Rückforderungsanspruch auf seine Leistung habe, wenn der rechtliche Grund, aus dem die Leistung zunächst als wahre Schuldigkeit gegeben worden sei, nachträglich weggefallen sei bzw. aufgehört habe. Als Anwendungsfälle des § 1435 ABGB nenne die Literatur zum Wegfall des Rechtsgrundes u.a. auch die Aufhebung durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ( Rummel in: Rummel [Hrsg.], Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch 3 , 2002, § 1435 Rz 2, ua.). Die Anwendung von bereicherungsrechtlichen Grundsätzen sei im öffentlich-rechtlichen Verfahren grundsätzlich zulässig, zumal es sich bei diesen laut der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes um allgemeine, der gesamten Rechtsordnung immanente Grundsätze handle.

Aus § 1435 ABGB folge in einem ersten Schritt die Verpflichtung zur Rückzahlung der nach Aufhebung des Bescheides der Finanzmarktaufsichtsbehörde rechtsgrundlos vorgeschriebenen Pönalezinsen. In einem weiteren Schritt ergebe sich aus den genannten Bestimmungen aber auch ein Anspruch auf Zahlung von Vergütungszinsen für die zu Unrecht geleisteten Pönalezinsen. Dies folge daraus, dass für die Kondiktion nach § 1435 ABGB dieselben Rechtsfolgen wie nach den §§1431 und 1437 ABGB gelten würden; § 1437 ABGB enthalte die wesentlichen Rechtsfolgenanordnungen des Bereicherungsrechts. Die Herausgabepflicht der Sachleistungen im engeren Sinn einschließlich Geldleistungen richte sich nach den §§329 bis 336 ABGB. Maßgeblich für den Umfang des bereicherungsrechtlichen Ausgleichs sei die Redlichkeit bzw. Unredlichkeit des Zahlungsempfängers. Die (Un-)Redlichkeit des Empfängers beziehe sich auf die Existenz des Kondiktionsanspruchs, wobei nach herrschender Lehre für die Unredlichkeit bereits leichte Fahrlässigkeit ausreiche. Unredlichkeit liege daher immer dann vor, wenn der Leistungsempfänger den gegen ihn gerichteten Kondiktionsanspruch kenne oder mit ihm rechnen müsse. Dafür genüge die Kenntnis der Unsicherheit des Be-haltendürfens der empfangenen Leistung ( Rummel , § 1437 Rz 1 und 2). Im Zu-sammenhang mit der Unsicherheit des Behaltendürfens werde von der Kommentarliteratur betont, dass die Unredlichkeit des Zahlungsempfängers jedenfalls mit Klagszustellung beginne. Nach § 338 ABGB sei selbst ein ursprünglich als redlich anzusehender Besitzer ab dem Zeitpunkt der Klagszustellung hinsichtlich des Ersatzes der Nutzungen und des Schadens als unredlicher Besitzer zu behandeln. Ab dem Zeitpunkt der Klagszustellung sei der Leistungsempfänger daher bei einer Verurteilung hinsichtlich der Vorteile, Aufwendungen und verursachten Schäden rückwirkend wie ein unredlicher Besitzer zu behandeln ( Eccher in: Koziol/Bydlinski/Bollenberger [Hrsg.], Kurzkommentar zum ABGB 3 , 2010, § 338 Rz 1). Da die Aufhebung eines Bescheides durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes – wie bereits erwähnt – als Anwendungsfall des § 1435 ABGB anerkannt sei, müsse die Behörde in einem solchen Fall zumindest ab Erhalt der an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde damit rechnen, im Falle des Erfolgs derselben zur Rückzahlung der Pönalezinsen verpflichtet zu sein. Dies würde im vorliegenden Fall dem Beginn der Zinszahlungspflicht ab dem (Zustellung der Verfassungsgerichtshofbeschwerde) entsprechen. Richtigerweise müsste man den Beginn der Zinszahlungspflicht überhaupt schon mit der Zahlung der Pönalezinsen am ansetzen, weil die Finanzmarktaufsichtsbehörde von der Klägerin zu A7/2013 bereits vor Erlassung des Bescheides auf die Unionsrechtswidrigkeit des § 30 Abs 2 Z 5 lita) BMSVG hingewiesen worden sei. Aus § 335 ABGB folge in diesem Zusammenhang, dass der unredliche Besitzer nicht nur alle durch den Besitz erlangten Vorteile herauszugeben habe, sondern auch diejenigen Vorteile, die der Verkürzte selbst erlangt haben würde. Dementsprechend sei der unredliche Besitzer daher auch zur Herausgabe erlangter Zinsen bzw. zum Ersatz jener (Vergütungs)Zinsen verpflichtet, die der Bereicherungsgläubiger selbst erlangt hätte ( Rummel , § 1437 Rz 11, ua.); der unredliche Besitzer habe daher ungerechtfertigte Geldleistungen zu verzinsen ( Mader in: Schwimann [Hrsg.], ABGB Praxiskommentar 3 , 2006, § 1437 Rz 32). Im Ergebnis folge daraus, dass der Beklagte als unredlicher Besitzer (Leistungsempfänger) iSd §§1435 und 1437 iVm 335 ABGB spätestens ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof am Zinsen für die von ihm zu Unrecht vorgeschriebenen Pönalezinsen bis zum Zeitpunkt der Zurückzahlung am zu entrichten habe.

2.2.2. Der Bund führt in seiner Gegenschrift zur behaupteten Anwendung der privatrechtlichen Bestimmungen des Bereicherungsrechts eingangs aus, dass in der österreichischen Rechtsordnung – anders als bei strittigen Steuerbeträgen – keine Rechtsvorschrift vorhanden sei, welche die Verpflichtung zur Verzinsung von nach § 43 BMSVG eingehobenen und zurückzuzahlenden Pönalezinsen vorsehe.

Zudem dürfe bei der analogen Anwendung der bereicherungsrechtlichen Regeln der §§1431 ff. ABGB nicht außer Acht gelassen werden, dass nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bzw. der Literatur die privatrechtlichen Bestimmungen über die Bereicherung nur deshalb analoge Anwendung auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse fänden, um vorhandene Lücken des öffentlichen Vermögensrechts zu schließen (s. VfSlg 16.036/2000 bzw. Leupold in: Schwimann [Hrsg.], ABGB Taschenkommentar 2 , 2013, § 1431). Eine solche Lücke liege nur dann vor, wenn nicht Gründe für die Annahme überwiegen würden, der Gesetzgeber habe den behaupteten Anspruch nicht gewähren wollen (VfSlg 19.189/2010). In den vorliegenden Fällen sei davon auszugehen, dass die Gewährung einer Verzinsung von zurückzuzahlenden Pönalezinsen nach § 43 BMSVG vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sei, weil er sonst eine entsprechende Regelung getroffen hätte. Gerade die Tatsache, dass der Gesetzgeber trotz der Einführung des von den Klägerinnen in diesem Zusammenhang ins Treffen geführten § 205a BAO keine entsprechende Norm im BMSVG vorgesehen habe, lasse zwingend darauf schließen, dass eine Verzinsung des Rückzahlungsbetrages von zurückzuerstattenden "Zinsen" nach § 43 BMSVG nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche.

Soweit die Klägerinnen behaupten, dass der Kondiktionsanspruch nach § 1435 ABGB auch dann zustehe, wenn ein Bescheid vom Verfassungsgerichtshof im Nachhinein aufgehoben werde, hält der Beklagte entgegen, dass die von der Klägerin zu A5/2013 angeführte Entscheidung () bzw. die von der Klägerin zu A7/2013 dargelegten Kommentarstellen (die auf bestimmte Fälle verweisen würden) Fallkonstellationen betroffen hätten, in welchen der Rückforderungsanspruch privatrechtlicher Natur gewesen und es folglich um die Anwendung der bereicherungsrechtlichen Normen im Privatrecht gegangen sei, jedoch nicht um die analoge Anwendung dieser Bestimmung auf Fallkonstellationen öffentlichen Rechts.

2.2.3. Grundsätzlich trifft es zu, dass der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass die privatrechtlichen Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherungen auch im öffentlichen Recht direkt oder analog Anwendung finden, um vorhandene Lücken des öffentlichen Ver-mögensrechtes zu schließen (s. VfSlg 19.189/2010 mit Hinweis auf zB VfSlg 8812/1980 mwN). Eine solche Lücke liegt jedoch nur vor, wenn nicht Gründe für die Annahme überwiegen – und auch nicht durch das Gebot verfassungskonformer Auslegung entkräftet werden –, der Gesetzgeber habe den behaupteten Anspruch nicht gewähren wollen (VfSlg 12.020/1989; s. auch VfSlg 6093/1969, 10.279/1984, 10.519/1985, 16.036/2000).

Eine solche ausdrückliche Regelung findet sich für den Fall einer Rückzahlungsverpflichtung infolge der Behebung eines Bescheides in § 87 Abs 2 VfGG bzw. § 63 VwGG. Diese Bestimmungen sehen aber – wie zuvor ausgeführt – den Ersatz von Zinsen nicht vor. Daneben verbleibt für die Anwendung bereicherungsrechtlicher Bestimmungen kein Raum.

2.3. Schließlich behaupten die Klägerinnen, das Fehlen einer solchen Ersatzpflicht für Zinsen auf einen infolge von § 87 Abs 2 VfGG bzw. § 63 VwGG zu erstattenden Betrag sei wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz und das Eigentumsrecht verfassungswidrig.

2.3.1. Die Klägerinnen begründen diese Behauptung allerdings nicht näher, sie meinen lediglich, es sei verfassungswidrig, dass das Bereicherungsrecht (das ihrer Ansicht nach einen solchen Anspruch vermittle) zwar zwischen Privaten gelte, im Verhältnis zwischen privatem und öffentlich-rechtlichem Rechtsträger aber nicht. Ebenso ziehen sie einen Vergleich zu § 205a BAO, der in bestimmten Fällen eine Verzinsung von zu Unrecht bezahlten Abgaben vorsieht.

2.3.2. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes liegt es auf der Hand, dass den von den Klägerinnen angestellten Vergleichen unterschiedliche Regelungsgegenstände zugrunde liegen: Wie sich bereits aus der oben wiedergegebenen Rechtsprechung zur (direkten oder analogen) Anwendung des Bereicherungsrechts im öffentlichen Vermögensrecht ergibt, liegt es grundsätzlich im rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers, inwieweit er Grundsätze des privaten Bereicherungsrechts für das öffentliche Vermögensrecht übernimmt. Schon wegen der Verschiedenheit des Regelungsgegenstandes ist er nicht dazu gezwungen, gleiche Rückforderungsansprüche vorzusehen, ebenso wie ihm ein rechtspolitischer Ermessensspielraum bei der Regelung des Bereicherungsrechts von Privaten untereinander zusteht (s. § 1437 ABGB iVm § 337 ABGB und die dazu ergangene Judikatur des Obersten Gerichtshofes, zB ).

3. Bei diesem Ergebnis ist auf die weiteren Ausführungen der Streitparteien, inwieweit die Klägerinnen einen Vermögensnachteil durch einen Antrag auf Gewährung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 85 VfGG bzw. § 30 VwGG im Rahmen der Beschwerdeführung gegen die Bescheide, mit denen die Pönalezinsen vorgeschrieben wurden, abwenden hätten können, nicht weiter einzugehen.

2. Auch sonst lässt sich im österreichischen Recht keine Grundlage finden, die die Ansprüche der Klägerinnen stützt.

V. Ergebnis

1. Die Klagen sind daher abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Der obsiegenden beklagten Partei sind Kosten nicht zuzusprechen, weil es nach Lage des vorliegenden Falles zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war, die Finanzprokuratur mit der Vertretung des Bundes zu betrauen (zB VfSlg 19.284/2011 mwN); sonstige ersatzfähige Kosten sind nicht angefallen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2015:A5.2013