VfGH vom 28.09.2009, a3/09

VfGH vom 28.09.2009, a3/09

Sammlungsnummer

18889

Leitsatz

Abweisung einer - zulässigen - Staatshaftungsklage eines geschädigten Anlegers gegen den Bund auf Schadenersatz wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung der Anlegerentschädigungsrichtlinie infolge Verjährung; Anwendung der Verjährungsbestimmung des Amtshaftungsgesetzes mangels eigener Verjährungsbestimmungen im Gemeinschaftsrecht; Unzulässigkeit der interpretativen Ausdehnung des auf Amtshaftungsklagen bezogenen Verjährungsverzichts der Finanzprokuratur auf andere Rechtstitel

Spruch

Die Klage wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In seiner auf Art 137 B-VG gestützten Klage begehrte der

Kläger vom Bund die Zahlung von € 20.000,-- samt 4 % Zinsen ab Klagseinbringung aus dem Titel der Staatshaftung sowie den Ersatz der Verfahrenskosten.

2. Dem Rechtsstreit liegt nach dem Vorbringen des Klägers folgender Sachverhalt zu Grunde:

"Der Kläger hat im Jahr 2002 beim Unternehmen FMS Financial Management Service GmbH (in der Folge FMS), einer Gesellschaft mit Sitz in Wien, insgesamt EUR 275.000,00 gemäß einem entsprechenden Vertrag mit der FMS investiert, von dieser Investition erhielt der Kläger über Auszahlungen lediglich EUR 24.100,- zurück, sodass ihm ein Schaden von EUR 250.900,- entstanden ist.

Die FMS verfügte über eine Konzession der Finanzmarktaufsicht bzw. deren Vorgängerin der Bundeswertpapieraufsicht vom zur Erbringung von Dienstleistungen gemäß § 19 Abs 1 Z. 1 WAG iVm § 1 Abs 1 Z. 19 lita BWG (Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen) und § 1 Abs 1 Z 19 litc BWG (Vermittlung von Geschäftsangelegenheiten zum Erwerb von Wertpapieren).

Die FMS hat das vom Kläger dieser Gesellschaft anvertraute Geld nicht gewinnbringend veranlagt, sondern dieses veruntreut, wofür die ehemalige Geschäftsführerin der FMS (Frau S.) und der ehemalige Prokurist (Herr E.) vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu 121 HV 125/05x zu jeweils 3,5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Ungeachtet der 'kriminellen Machenschaften' der Geschäftsführer der FMS hatte diese - wie bereits erwähnt - eine Konzession, erteilt von der Republik Österreich, zur Erbringung der Wertpapierdienstleistung des 'Vermitteln von Wertpapieren' im Sinne des § 1 Abs 1 Z. 19 litc BWG.

Auf Grund des Konkurses der FMS ist mit keinerlei Zahlungen seitens der FMS an den Kläger zu rechnen und wenn der Kläger doch noch eine Konkursquote erhalten sollte, so beträgt die Quote jedenfalls nur einen geringen Prozentsatz, sodass ein Schaden aus der Veranlagung von EUR 20.000,00 jedenfalls entstanden ist."

3. Der Kläger führte zur Begründung seines Anspruches aus, dass der österreichische Gesetzgeber die Richtlinie 97/9/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom über Systeme für die Entschädigung der Anleger, ABl. 1997 L 048, S 22 (im Folgenden: Anlegerentschädigungs-RL) durch die Einfügung des § 23b in das Wertpapieraufsichtsgesetz, BGBl. 753/1996, durch das BG BGBl. I 63/1999 (in dieser Fassung im Folgenden: WAG 1996) nicht korrekt und rechtzeitig umgesetzt habe. Der Kläger begründete seinen Staatshaftungsanspruch im Detail wie folgt:

3.1. Die Umsetzung widerspreche Art 2 Abs 1 und Art 4 Abs 1 der Anlegerentschädigungs-RL, die die Mitgliedstaaten verpflichten würden, ein Anlegerentschädigungssystem mit einer Deckung von 20.000,-- ECU (nunmehr Euro) vorzusehen.

Der österreichische Gesetzgeber habe die verpflichtende Mitgliedschaft in der Anlegerentschädigung im Sinne der Anlegerentschädigungs-RL auch nur für "Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorgesehen, die die Verwaltung von Kundenportfolios mit Verfügungsgewalt im Auftrag der Kunden (iSd § 1 Abs 19 litb BWG) durchführen", nicht aber für jene Unternehmen, "welche die Wertpapierdienstleistung gemäß Anhang Abschnitt A Z. 1 lita und b der Richtlinie 1993/22/EWG durchführen, welche der Wertpapierdienstleistung gemäß § 1 Abs 1 Z. 19 litc BWG, nämlich die Vermittlung von Geschäftsgelegenheiten zum Erwerb von Wertpapieren entspricht". Der österreichische Gesetzgeber habe den Begriff "Wertpapierdienstleistungsunternehmen in § 23bWAG i.d.F. BGBl. Nr. 753/1996 viel enger gefasst als der europäische Gesetzgeber in der AERL". Der österreichische Gesetzgeber habe im Jahr 2007 offensichtlich diese Gemeinschaftsrechtswidrigkeit erkannt, weshalb das Wertpapieraufsichtsgesetz idF Art 2 des BGBl. I 60/2007 (im Folgenden: WAG 2007) nunmehr in § 75 Abs 2 iVm § 3 Abs 2 bestimme, dass auch Vermittler der Anlegerentschädigungseinrichtung angehören müssen. Durch diese Mängelbeseitigung sei "allerdings für den Kläger nichts gewonnen, da das WAG auf die sich vor in Kraft treten des WAG 2007 ereignende Causa 'FMS' nicht anzuwenden ist."

4. Weiters führte der Kläger aus, dass die Anlegerentschädigungs-RL den Anlegern subjektive Rechte einräume. Die Anlegerentschädigungseinrichtung müsse demnach in der Lage sein, die Anleger zu entschädigen. Im Folgenden brachte der Kläger vor (Hervorhebungen im Original):

"Die...individuellen Rechte des Klägers durch die Richtlinie 1997/9/EG sind ausreichend bestimmt, und die Verpflichtung der Mitgliedsstaaten ist unbedingt, wie sich insbesondere aus Art 4 Abs 1 der AERL ergibt (Die Mitgliedstaten sorgen dafür, dass das System eine Deckung von mindestens 20.000 ECU je Anleger für die in Art 2 Abs 2 bezeichneten Forderungen gewährt) und es handelt sich insoweit um eine abschließende Regelung, als keine weiteren legislativen Schritte durch den Gemeinschaftsgesetzgeber nötig sind um die AERL umzusetzen. Diese Voraussetzungen der Staatshaftung gemäß Judikatur der EuGH (inter alia 'van Duyen') sind daher gegeben."

Bei richtiger Umsetzung der Anlegerentschädigungs-RL hätte das österreichische Recht bestimmen müssen, dass der Financial Management Services GmbH (im Folgenden: FMS GmbH) nur dann eine Konzession hätte erteilt werden dürfen, wenn diese Mitglied einer Anlegerentschädigungseinrichtung gewesen wäre. Dazu führte der Kläger aus:

"Die Mitgliedschaft in einer Anlegerentschädigungseinrichtung ist gemäß dem System, welches durch den österreichischen Gesetzgeber durch BGBl. Nr. 753/1996 geschaffen wurde, gemäß § 23b WAG Voraussetzung dafür, dass ein Anleger im Falle des Konkurses eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens Ansprüche gegen die Anlegerentschädigungseinrichtung stellen kann, somit hat der Kläger auf Grund der Tatsache, dass Österreich die Anlegerentschädigungseinrichtung nicht richtig umgesetzt hat, und daher die FMS nicht Mitglied einer Anlegerentschädigungseinrichtung war, nicht die Möglichkeit von der Anlegerentschädigungsreinrichtung eine Entschädigung in Höhe von EUR 20.000,00 zu verlangen.

Bei richtiger Umsetzung hätte der Kläger diese Möglichkeit gehabt und müsste die Anlegerentschädigungseinrichtung EUR 20.000,00 ersetzen. Somit ist die mangelhafte Umsetzung der Anlegerentschädigungsrichtlinie in den oben angeführten Punkten kausal dafür, dass der Kläger von der Anlegerentschädigungseinrichtung nicht EUR 20.000,00 erhalten hat, womit die mangelnde Umsetzung der Richtlinie kausal ist, für den dem Kläger entstandenen Schaden von EUR 20.000,00."

Die mangelnde Umsetzung sei auch ein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht.

5. Die beklagte Partei bestritt die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs nicht, brachte die Unzulässigkeit des Leistungsbegehrens vor, wendete Verjährung ein, legte das Aufforderungsschreiben der klagenden Partei an die Finanzprokuratur vom bei und führte hiezu aus (Hervorhebungen im Original):

"Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in VfSlg. 17.576/2005 ausgeführt, dass sich die Verjährung von Staatshaftungsansprüchen nach § 6 Abs 1 AHG richtet. Im vorliegenden Fall kommt daher die dreijährige Verjährungsfrist zur Anwendung. Zu prüfen ist, wann dem Kläger der behauptete Schaden bekannt geworden ist. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs 1 AHG ist weder die Kenntnis des Schädigers noch die Kenntnis der schädigenden Handlung oder Unterlassung (Schadensursache) für den Beginn der Verjährung erforderlich (Schragel, AHG3, 2003, Rz. 221f). Es ist auch keineswegs erforderlich, dass dem Geschädigten bereits die gesamten Schadensfolgen bekannt sind (Schragel, AHG3, Rz. 222).

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wird die dreijährige Verjährungsfrist in Gang gesetzt, wenn dem Geschädigten neben der Kenntnis des Schadens der gesamte seinen Anspruch begründende Sachverhalt so weit bekannt ist oder zumutbarerweise bekannt sein muss, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben kann. Bis zu einer völligen Gewissheit eines Prozesserfolges wird aber der Beginn der Verjährungsfrist nicht hinausgeschoben. Die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Geschädigte ausreichend Gewissheit über ein rechtswidriges und schuldhaftes Organverhalten hat oder weiß, ohne eigene Aktivität seinen Wissensstand nicht mehr erhöhen zu können. Er darf nicht untätig bleiben, sondern muss allenfalls auch sachverständigen Rat einholen (Schragel, AHG3, Rz. 222; mwN).

Nach dem Klagevorbringen (vgl. Seite 3 und 6 der Klage) ist der behauptete Schaden 'auf Grund des Konkurses' der 'FMS Financial Management Service GmbH' eingetreten. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom , 4 S 630/03d, wurde über das Vermögen der 'FMS Financial Management Service GmbH' der Konkurs eröffnet (vgl. auch ). Mit Beschluss vom wurde mitgeteilt, dass der Masseverwalter der 'FMS Financial Management Service GmbH' angezeigt hat, dass die Konkursmasse nicht ausreiche, um die Masseforderungen zu erfüllen (Masseunzulänglichkeit).

Nach Auffassung des Bundes musste daher der vom Kläger behauptete Schaden - dem Grunde nach - diesem zumindest seit der Konkurseröffnung im Jahre 2003 hinreichend bekannt gewesen sein.

Der behauptete Schaden ist dem Kläger jedenfalls allerspätestens am tatsächlich bekannt gewesen. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus seinem Aufforderungsschreiben an die Finanzprokuratur vom , mit dem der Kläger die Finanzprokuratur aufgefordert hat, aus dem Titel der Amtshaftung den Betrag von € 250.900,-- zu zahlen. Hätte der - auch anwaltlich vertretene - Kläger nicht ausreichend Kenntnis des behaupteten Schadens gehabt, wäre er ja auch nicht an den Bund über die Finanzprokuratur (vgl. die Bestimmung zum Aufforderungsverfahren nach § 8 AHG) herangetreten. Seit dem Tag der Konkurseröffnung () bzw. der Mitteilung der Masseunzulänglichkeit () oder allerspätestens seit dem Tag des Aufforderungsschreiben () bzw. (unter Berücksichtigung von § 6 Abs 1 letzter Satz iVm. § 8 AHG) am begann daher nach Ansicht des Bundes die Verjährungsfrist zu laufen.

...

Aus dem Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , A17/08 (Zurückweisung der ursprünglichen Staatshaftungsklage des Klägers wegen Unschlüssigkeit), ergibt sich Folgendes (Hervorhebungen nicht im Original):

'... 2.) Klagslegitimation:...Ich habe die Klage ursprünglich

beim Landesgericht für ZRS Wien eingebracht, dieses hat mit oben angeführter Begründung mit Beschluss vom die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen und darauf verwiesen, dass für diese Klage die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gegeben ist. ...'

Die Einbringung der mit datierten und am beim Verfassungsgerichtshof (neuerlich) eingebrachten Klage nach Artikel 137 B-VG erfolgte vor dem Hintergrund der dargestellten Erwägungen und der Entscheidung VfSlg. 17.576/2005 (zur Verjährung) außerhalb der Verjährungsfrist. Die Einbringung der Klage bei einem unzuständigen Gericht (hier: Klage vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; vgl. ) konnte die Verjährung vor dem Verfassungsgerichtshof nicht unterbrechen ().

Der Bund wendet daher Verjährung des behaupteten Anspruchs ein."

6. Des Weiteren brachte die beklagte Partei vor, dass die FMS GmbH als Finanzdienstleistungsunternehmen, welches keine Konzession für das Halten von Kundengeldern oder Instrumenten gehabt habe, unter die Ausnahme des Art 2 Abs 2 litg der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom über Wertpapierdienstleistungen, ABl. 1993

L 141, S 27 (im Folgenden: Wertpapierdienstleistungs-RL) falle. Die Konzession an die FMS GmbH sei nur im Rahmen der Ausnahmebestimmung des § 20 Abs 4 WAG 1996 erteilt worden, die FMS GmbH habe als bloßer Vermittler weder gemeinschaftsrechtlich noch innerstaatlich einem Entschädigungssystem angehören müssen. Gemeinschaftsrechtlich beschränke sich die Verpflichtung, einer Anlegerentschädigungseinrichtung anzugehören, auf Wertpapierfirmen iSd Art 1 Z 1 erster Gedankenstrich der Anlegerentschädigungs-RL. Diese sei ordnungsgemäß umgesetzt worden, nur Wertpapierfirmen, die zum Halten von Kundengeldern oder zum Halten, Verwahren oder Verwalten von Kundeninstrumenten berechtigt seien, würden unter die Deckung der Anlegerentschädigungs-RL fallen. Die FMS GmbH falle nicht darunter. Für das Halten von Kundengeldern oder Instrumenten hätte es einer Konzession nach dem Bankwesengesetz mit verpflichtender Teilnahme an einer sektoralen Sicherungseinrichtung nach den §§93 ff. Bankwesengesetz bedurft. Eine derartige Konzession habe die FMS GmbH zu keiner Zeit besessen.

7. Der Bund habe die Anlegerentschädigungs-RL ordnungsgemäß umgesetzt, es bestehe kein qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht. Auch alle weiteren Voraussetzungen für eine Staatshaftung würden nicht vorliegen. Schließlich sei das Leistungsbegehren auch unzulässig, da der Konkurs noch nicht abgeschlossen sei. Es stünde nicht fest, welche Gesamtquote der Kläger erhalten werde, dies sei jedoch Voraussetzung, um überhaupt einen Schaden beziffern zu können.

8. Der Kläger wurde mit Schreiben vom aufgefordert, ein allfälliges Aufforderungsschreiben an die "Anlegerentschädigung von WPDLU GmbH" (im Folgenden: AeW) und die von ihm beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (im Folgenden: LG für ZRS Wien) eingebrachte Klage vorzulegen, sowie bekannt zu geben, wann diese Klage eingebracht wurde und ob das Schreiben an die Finanzprokuratur vom von dieser beantwortet wurde.

Mit Schriftsatz vom gab der Kläger bekannt, dass er die AeW niemals aufgefordert habe, da die FMS GmbH nie Mitglied der AeW gewesen sei und ein solches Aufforderungsschreiben ins Leere gegangen wäre. Weiters teilte er das Einbringungsdatum der von ihm erhobenen und als "Staatshaftungsklage" bezeichneten Klage beim LG für ZRS Wien zu Z 33 Cg 20/08s mit mit und legte den Zurückweisungsbeschluss des LG für ZRS Wien vom vor. Schließlich teilte der Kläger mit, dass er aufgrund des Wechsels seiner anwaltlichen Vertretung nicht im Besitz eines Antwortschreibens der Finanzprokuratur sei. Jedoch habe sein nunmehriger rechtsfreundlicher Vertreter mit der Finanzprokuratur nach Ablauf eines ersten Verjährungsverzichts nach drei Monaten ab Rechtskraft der Abweisung der Amtshaftungsklage zu Z 33 Cg 9/04d - dies war am der Fall - einen weiteren Verjährungsverzicht bis zum Ablauf von sechs Monaten nach rechtskräftiger Entscheidung über ein Musterverfahren, welches bis zum eingeleitet habe werden müssen, vereinbart. Das diesbezügliche Amtshaftungsverfahren sei beim LG für ZRS Wien zu Z 31 Cg 25/08 anhängig, die Klage sei am eingebracht worden. Kläger sei in diesem Verfahren ein weiterer Mandant des rechtsfreundlichen Vertreters des Klägers.

9. In der mündlichen Verhandlung vom hielten beide Parteien ihr Vorbringen vollinhaltlich aufrecht.

Die klagende Partei stellte zudem ein Eventualbegehren auf Feststellung, dass der Bund der beklagten Partei den Schaden, nach Abschluss des Konkursverfahrens, zu ersetzen hat.

Die beklagte Partei brachte vor, dass die Europäische Kommission nach Prüfung der Umsetzung der Anlegerentschädigungs-RL von der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Republik Österreich abgesehen habe und wiederholte ihr Vorbringen hinsichtlich der Verjährung des Staatshaftungsanspruchs.

II. Bei der Entscheidung über die Klage ist von folgender Rechtslage auszugehen:

1. Im gegenständlichen Fall stellt sich die Frage nach den europarechtlichen Vorgaben einerseits und ihrer Umsetzung andererseits.

1.1. Auf der Ebene des Europarechts ist zunächst die Wertpapierdienstleistungs-RL zu beachten, die bereits im Jahr 1993 zwischen Wertpapierfirmen unterscheidet, die unterschiedliche Wertpapierdienstleistungen erbringen. Grundsätzlich definiert Art 1 Z 2 der Wertpapierdienstleistungs-RL den Begriff der Wertpapierfirma wie folgt:

"2. 'Wertpapierfirma': jede juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt.

Für die Zwecke dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten in den Begriff der Wertpapierfirma Firmen einbeziehen, die keine juristischen Personen sind,


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wenn ihre Rechtsform Dritten gegenüber einen Grad an Schutz bietet, der dem von juristischen Personen gebotenen Schutz gleichwertig ist, und


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sofern sie einer gleichwertigen und ihrer Rechtsform angemessenen Aufsicht unterliegen.

Erbringen diese natürlichen Personen jedoch Dienstleistungen, die das Halten von Geldern oder Wertpapieren Dritter umfassen, so können sie nur dann als Wertpapierfirma im Sinne dieser Richtlinie gelten, wenn sie unbeschadet der sonstigen in dieser Richtlinie und in der Richtlinie 93/6/EWG festgelegten Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen:


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Die Eigentumsrechte Dritter an ihren Wertpapieren und Geldern werden gewahrt, vor allem im Falle einer Insolvenz der Firma oder ihrer Eigentümer, einer Pfändung, einer Aufrechnung oder anderer von den Gläubigern der Firma oder ihren Eigentümern geltend gemachter Ansprüche.


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Die Wertpapierfirma ist Vorschriften unterworfen, welche die Überwachung ihrer Solvenz einschließlich der ihrer Eigentümer zum Gegenstand haben.


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Der Jahresabschluß der Wertpapierfirma wird von einer oder mehreren nach dem einzelstaatlichen Recht zur Rechnungsprüfung befugten Personen geprüft.


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Hat eine Firma nur einen Eigentümer, so trifft dieser entsprechende Vorkehrungen für den Schutz der Anleger, falls die Firma die Geschäftstätigkeit aufgrund seines Ablebens, seiner Geschäftsunfähigkeit oder einer vergleichbaren Gegebenheit einstellt.


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Die Kommission erstattet vor dem Bericht über die Anwendung der Absätze 2 und 3 dieser Nummer und schlägt gegebenenfalls ihre Änderung oder Streichung vor.


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Übt jemand eine Tätigkeit gemäß Abschnitt A Nummer 1 Buchstabe a) des Anhangs aus und wird diese Tätigkeit ausschließlich für Rechnung und unter der vollen und unbedingten Haftung einer Wertpapierfirma ausgeübt, so gilt diese Tätigkeit als Tätigkeit der Wertpapierfirma selbst und nicht als Tätigkeit der betreffenden Person."

In weiterer Folge werden aber in Art 2 Abs 2 litg der Wertpapierdienstleistungs-RL Firmen vom Anwendungsbereich ausgenommen. Unter anderem gilt die Wertpapierdienstleistungs-RL nach Art 2 Abs 2 litg nicht für

"Firmen,


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die weder Geld noch Wertpapiere ihrer Kunden halten können und daher zu keiner Zeit zu Schuldnern dieser Kunden werden können und


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die als einzige Wertpapierdienstleistung Aufträge für Wertpapiere und Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen entgegennehmen und weiterleiten können und


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die bei Erbringung dieser Dienstleistung Aufträge nur weiterleiten können an


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i)
Wertpapierfirmen, die gemäß dieser Richtlinie zugelassen sind;


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ii)
Kreditinstitute, die gemäß den Richtlinien 77/780/EWG und 89/646/EWG zugelassen sind;


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iii) Zweigniederlassungen von Wertpapierfirmen oder Kreditinstituten, die in einem Drittland zugelassen worden sind und Aufsichtsvorschriften unterliegen, welche nach Auffassung der zuständigen Behörden mindestens genauso streng wie die Aufsichtsvorschriften dieser Richtlinie und der Richtlinien 89/646/EWG oder 93/6/EWG sind und denen sie nachkommen;


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iv)
Organismen für gemeinsame Anlagen, die aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates befugt sind, Anteile in der Öffentlichkeit zu vertreiben, sowie an die Geschäftsleiter solcher Organismen;


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v)
Investmentgesellschaften mit festem Kapital im Sinne von Artikel 15 Absatz 4 der Richtlinie 77/91/EWG (2), deren Wertpapiere auf einem geregelten Markt in einem Mitgliedstaat notiert bzw. gehandelt werden;


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und deren Tätigkeit auf einzelstaatlicher Ebene einer Regelung bzw. Standesregeln unterworfen ist;".

Mit dieser Bestimmung wird eine erste Trennlinie gezogen, die in weiterer Folge auch für die Anlegerentschädigungs-RL und ihre Umsetzung von Bedeutung ist. Schließlich legt die Wertpapierdienstleistungs-RL auch die Zugangskriterien fest, welche erfüllt sein müssen, wenn eine Wertpapierfirma ihre Tätigkeit aufnehmen will:

"Artikel 3

(1) Jeder Mitgliedstaat sieht vor, daß Wertpapierfirmen, für die er der Herkunftsmitgliedstaat ist, ihre Tätigkeit erst nach einer Zulassung aufnehmen können. Diese Zulassung wird von den zuständigen Behörden dieses Staats, die gemäß Artikel 22 benannt werden, erteilt. In der Zulassung werden diejenigen der in Abschnitt A des Anhangs genannten Wertpapierdienstleistungen angegeben, die die Firma erbringen darf. Die Zulassung kann sich ferner auf eine oder mehrere der in Abschnitt C genannten Nebendienstleistungen erstrecken. Die Zulassung im Sinne dieser Richtlinie kann auf keinen Fall für Dienstleistungen erteilt werden, die ausschließlich zu den in Abschnitt C des Anhangs genannten Dienstleistungen gehören.

(2) Die Mitgliedstaaten verlangen, daß


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sich bei Wertpapierfirmen, bei denen es sich um juristische Personen handelt und die gemäß dem für sie geltenden einzelstaatlichen Recht einen satzungsmäßigen Sitz haben, die Hauptverwaltung im gleichen Mitgliedstaat befindet wie der Sitz;


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sich bei anderen Wertpapierfirmen die Hauptverwaltung in dem Mitgliedstaat befindet, der die Zulassung erteilt hat und in dem sie effektiv tätig sind.

(3) Unbeschadet anderer allgemeingültiger Bedingungen, die in den nationalen Rechtsvorschriften niedergelegt sind, erteilen die zuständigen Behörden die Zulassung nur, wenn


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die Wertpapierfirma, wie in der Richtlinie 93/6/EWG vorgeschrieben, über ein angesichts der Art der betreffenden Wertpapierdienstleistung ausreichendes Anfangskapital verfügt;


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die Personen, die die Geschäfte der Wertpapierfirma tatsächlich leiten, gut beleumdet sind und ausreichende Erfahrungen besitzen.

Über die Geschäftspolitik der Firma müssen mindestens zwei Personen, die die genannten Bedingungen erfüllen, bestimmen. Sofern jedoch mit geeigneten Vorkehrungen ein gleichwertiges Ergebnis insbesondere hinsichtlich Artikel 1 Nummer 2 Absatz 3 letzter Gedankenstrich gewährleistet wird, können die zuständigen Behörden auch Wertpapierfirmen in Form von natürlichen Personen oder - unter Berücksichtigung der Art und des Umfangs ihrer Tätigkeit - Wertpapierfirmen in Form von juristischen Personen, deren Geschäfte entsprechend ihrer Satzung oder nationalen Rechtsvorschriften von einer einzigen natürlichen Person geleitet werden, die Zulassung erteilen.

Bestehen zwischen der Wertpapierfirma und anderen natürlichen oder juristischen Personen enge Verbindungen, so erteilen die zuständigen Behörden die Zulassung außerdem nur dann, wenn diese Verbindungen sie nicht bei der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Beaufsichtigungsaufgabe behindern.

Die zuständigen Behörden lehnen die Zulassung ferner ab, wenn sie bei der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Beaufsichtigungsaufgabe durch die Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Drittlands, denen eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen unterstehen, zu denen das Unternehmen enge Verbindungen besitzt, oder durch Schwierigkeiten bei deren Anwendung behindert werden.

Die zuständigen Behörden verlangen, daß die Wertpapierfirmen ihnen die angeforderten Angaben übermitteln, damit sie sich davon überzeugen können, daß die Bedingungen dieses Absatzes auf Dauer erfüllt werden.

(4) Die Mitgliedstaaten verlangen ferner, daß mit dem Zulassungsantrag ein Geschäftsplan eingereicht wird, aus dem vor allem die Art der geplanten Geschäfte und der organisatorische Aufbau der Wertpapierfirma hervorgehen.

(5) Dem Antragsteller ist binnen sechs Monaten nach Einreichung eines vollständigen Antrags mitzuteilen, ob eine Zulassung erteilt wird. Jede Ablehnung eines Antrags ist zu begründen.

(6) Nach Erteilung der Zulassung kann die Wertpapierfirma sofort mit ihrer Tätigkeit beginnen.

(7) Die zuständigen Behörden dürfen einer unter diese Richtlinie fallenden Wertpapierfirma die Zulassung nur entziehen, wenn die betreffende Firma


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a)
von der Zulassung nicht binnen zwölf Monaten Gebrauch macht, ausdrücklich auf sie verzichtet oder seit mehr als sechs Monaten ihre Wertpapierdienstleistungen eingestellt hat, es sei denn, daß der betreffende Mitgliedstaat in diesen Fällen das Erlöschen der Zulassung vorsieht;


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b)
die Zulassung aufgrund falscher Erklärungen oder auf sonstige rechtswidrige Weise erhalten hat;


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c)
die Voraussetzungen, auf denen die Zulassung beruhte, nicht mehr erfüllt;


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d)
nicht mehr die Bestimmungen der Richtlinie 93/6/EWG einhält;


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e)
in schwerwiegender Weise systematisch gegen die zur Durchführung der Artikel 10 und 11 erlassenen Bestimmungen verstoßen hat;


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f)
oder wenn ein anderer in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehener Fall für den Entzug vorliegt."

Abs 1 leg.cit. legt somit fest, dass es auf die Art der erbrachten Dienstleistung ankommt, ob eine Zulassung nach der Wertpapierdienstleistungs-RL in Frage kommt oder nicht. Im Anhang zur Wertpapierdienstleistungs-RL werden deshalb Begriffsdefinitionen angeführt:

"ABSCHNITT A

Dienstleistungen

1. a) Annahme und Übermittlung - für Rechnung von

Anlegern - von Aufträgen, die eines oder mehrere der in Abschnitt B genannten Instrumente zum Gegenstand haben.

b) Ausführung solcher Aufträge für fremde Rechnung.

2. Handel mit jedem der in Abschnitt B genannten Instrumente für eigene Rechnung.

3. Individuelle Verwaltung einzelner Portefeuilles mit einem Ermessensspielraum im Rahmen eines Mandats der Anleger, sofern die betreffenden Portefeuilles eines oder mehrere der in Abschnitt B genannten Instrumente enthalten.

4. Übernahme (underwriting) der Emissionen eines oder mehrerer der in Abschnitt B genannten Instrumente und/oder Plazierung dieser Emissionen.

ABSCHNITT B

Instrumente

1. a) Wertpapiere.

b) Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen.

2. Geldmarktinstrumente.

3. Finanzterminkontrakte (Futures) einschließlich gleichwertiger Instrumente mit Barzahlung.

4. Zinsterminkontrakte (FRA).

5. Zins- und Devisenswaps sowie Swaps auf Aktien- oder Aktienindexbasis ('equity swaps').

6. Kauf- oder Verkaufsoptionen auf alle unter diesen Abschnitt B fallende Instrumente einschließlich gleichwertiger Instrumente mit Barzahlung. Zu dieser Kategorie gehören insbesondere die Devisen- und die Zinsoptionen.

ABSCHNITT C

Nebendienstleistungen

1. Verwahrung und Verwaltung eines oder mehrerer der in Abschnitt B genannten Instrumente.

2. Schließfachvermietung.

3. Gewährung von Krediten oder Darlehen an Anleger für die Durchführung von Geschäften mit einem oder mehreren der in Abschnitt B genannten Instrumente, wobei das kredit- bzw. darlehensgewährende Unternehmen an diesen Geschäften beteiligt ist.

4. Beratung von Unternehmen hinsichtlich der Kapitalstrukturierung, der industriellen Strategie und damit zusammenhängender Fragen sowie Beratung und Dienstleistungen bei Unternehmensfusionen und -aufkäufen.

5. Dienstleistungen im Zusammenhang mit Übernahmetransaktionen (Underwriting).

6. Anlageberatung über eines oder mehrere der in Abschnitt B genannten Instrumente.

7. Devisengeschäfte, wenn diese Dienste im Zusammenhang mit der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen stehen."

1.2. Aus Art 2 Abs 2 litg iVm Art 3 und dem Anhang der Wertpapierdienstleistungs-RL folgt demnach, dass eine Firma, deren einzige Wertpapierdienstleistung im Sinne des Abschnitt A darin besteht, Aufträge für Wertpapiere und Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen entgegenzunehmen und weiterleiten zu können, und die darüber hinaus auch nur eine Nebendienstleistung wie die Anlageberatung nach Abschnitt C.6. erbringt, vom Anwendungsbereich der Wertpapierdienstleistungs-RL ausgenommen ist.

2. Im Jahr 1997 bezieht sich nun die Anlegerentschädigungs-RL auf die Wertpapierdienstleistungs-RL, indem sie in Art 1 Z 1 leg.cit. den Terminus "Wertpapierdienstfirma" wie folgt definiert:

"1. 'Wertpapierfirma' eine Wertpapierfirma gemäß Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 93/22/EWG,


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die nach deren Artikel 3 zugelassen ist oder


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die als Kreditinstitut gemäß der Richtlinie 77/780/EWG und der Richtlinie 89/646/EWG zugelassen wurde und deren Zulassung eine oder mehrere der Wertpapierdienstleistungen abdeckt, die in Abschnitt A des Anhangs zur Richtlinie 93/22/EWG aufgeführt sind;".


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Zudem bestimmt Art 2 der Anlegerentschädigungs-RL:

"(1) Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, dass in seinem Hoheitsgebiet mindestens ein System für die Entschädigung der Anleger eingerichtet und amtlich anerkannt wird. Außer in den im nachstehenden Unterabsatz sowie in Artikel 5 Absatz 3 genannten Fällen darf eine in dem Mitgliedstaat zugelassene Wertpapierfirma Wertpapiergeschäfte nur tätigen, wenn sie einem solchen System angeschlossen ist.

Die Mitgliedstaaten können jedoch ein Kreditinstitut, auf das diese Richtlinie Anwendung findet, von der Pflichtmitgliedschaft in einem Anlegerentschädigungssystem befreien, wenn das betreffende Institut bereits gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 94/19/EG von der Pflichtmitgliedschaft in einem Einlagensicherungssystem ausgenommen ist, mit der Maßgabe, dass der Schutz und die Unterrichtung, die für die Einleger vorgesehen sind, unter den gleichen Bedingungen auch für die Anleger gelten und dass diesen somit ein Schutz gewährt wird, der dem von einem Anlegerentschädigungssystem gebotenen Schutz zumindest gleichwertig ist.

Die Mitgliedstaaten, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, teilen dies der Kommission mit; sie unterrichten sie vor allem über die Beschaffenheit dieser Schutzsysteme und die gemäß der vorliegenden Richtlinie davon erfassten Kreditinstitute sowie über spätere Änderungen gegenüber den zunächst übermittelten Informationen. Die Kommission setzt den Rat davon in Kenntnis.

(2) Das System gewährt Anlegern gemäß Artikel 4 Deckung, wenn


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die zuständigen Behörden festgestellt haben, dass ihrer Auffassung nach die Wertpapierfirma aus Gründen, die mit ihrer Finanzlage unmittelbar zusammenhängen, vorerst nicht in der Lage ist, ihren Verpflichtungen aus den Forderungen der Anleger nachzukommen und gegenwärtig keine Aussicht auf eine spätere Erfüllung dieser Verpflichtungen besteht, oder


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ein Gericht aus Gründen, die mit der Finanzlage der Wertpapierfirma unmittelbar zusammenhängen, eine Entscheidung getroffen hat, die ein Ruhen der Forderungen der Anleger gegen diese Firma bewirkt;
maßgebend ist dabei, welches dieser Ereignisse zuerst eingetreten ist.


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Es muss eine Deckung für die Forderungen gewährt werden, die dadurch entstanden sind, dass eine Wertpapierfirma nicht in der Lage war, entsprechend den einschlägigen Rechtsvorschriften und Vertragsbedingungen


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Gelder zurückzuzahlen, die Anlegern geschuldet werden oder gehören und für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten werden, oder


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den Anlegern Instrumente zurückzugeben, die diesen gehören undfür deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften gehalten, verwahrt oder verwaltet werden.

(3) Forderungen gemäß Absatz 2 an ein Kreditinstitut, welche in einem Mitgliedstaat sowohl unter diese Richtlinie als auch die Richtlinie 94/19/EG fallen, werden nach dem Ermessen dieses Staates gemäß der einen oder der anderen Richtlinie einem System zugeordnet. Keine Forderung darf aufgrund der beiden Richtlinien doppelt entschädigt werden.

(4) Die Höhe einer Anlegerforderung wird nach den Rechtsvorschriften und Vertragsbedingungen, insbesondere derjenigen für Aufrechnungen und Gegenforderungen, berechnet, nach denen der Betrag der Gelder oder der Wert, nach Möglichkeit unter Zugrundelegung des Marktwerts, der Instrumente, die dem Anleger gehören und die die Wertpapierfirma nicht zurückzahlen oder zurückgeben kann, zum Zeitpunkt der in Absatz 2 genannten Feststellung bzw. Entscheidung zu ermitteln ist."

3. Wenn sich die Anlegerentschädigungs-RL aber auf den Anwendungsbereich der Wertpapierdienstleistungs-RL bezieht, um festzulegen, welches Wertpapierdienstleistungsunternehmen auch einer Entschädigungseinrichtung zu unterliegen hat, so ist es nun von Bedeutung, den Umfang der Konzession der FMS GmbH zu betrachten.

3.1. Die Konzession der FMS GmbH vom gründete sich auf § 19 Abs 1 Z 1 WAG 1996 iVm § 1 Abs 1 Z 19 lita BWG (Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen) und § 1 Abs 1 Z 19 litc BWG (Vermittlung von Geschäftsangelegenheiten zum Erwerb von Wertpapieren) in der damals gültigen Fassung (Hervorhebungen nicht im Original):

"§19 WAG 1996

(1) Ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen ist, wer

1. eine oder mehrere der Dienstleistungen gemäß § 1 Abs 1 Z 19 BWG gewerblich erbringt,

2. kein Kreditinstitut gemäß § 1 Abs 1 BWG ist und

3. seine Berechtigung zur Erbringung von Dienstleistungen gemäß § 1 Abs 1 Z 19 nicht auf die §§9 ff BWG gründet.

...

§20 WAG 1996

...

(4) Für eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs 1 Z 19 lita BWG oder eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs 1 Z 19 litc BWG, sofern diese im Rahmen der in Artikel 2 Abs 2 litg der Richtlinie 93/22/EWG angeführten Schranken erfolgt, brauchen für die Erlangung der Konzession die Voraussetzungen gemäß § 5 Abs 1 Z 12 und 13 BWG und die Voraussetzung nach Abs 1 Z 1 und die Verpflichtung gemäß § 22 Abs 2 solange nicht erfüllt werden, als die Summe der jährlichen Umsatzerlöse des Unternehmens 10 Millionen Schilling nicht übersteigt. Die Voraussetzung gemäß Abs 1 Z 2 gilt als erfüllt, wenn das Unternehmen durch eine Berufshaftpflichtversicherung (Abs5) versichert ist. Auf die fehlende Voraussetzung nach § 5 Abs 1 Z 12 BWG muß in den Geschäftspapieren in geeigneter Form hingewiesen werden. Für die die Ausnahmebestimmungen dieses Absatzes in Anspruch nehmenden Unternehmen gilt § 21, soweit er § 10 BWG für anwendbar erklärt, nicht.

..."

Dem § 1 Bankwesengesetz, BGBl. 532/1993, war durch BGBl. 753/1996, folgende Z 19 hinzugefügt worden:

"19. die Erbringung folgender Dienstleistungen in bezug auf Finanzinstrumente, sofern diese Dienstleistungen das Halten von Geld, Wertpapieren oder sonstigen Instrumenten nicht umfassen, sodaß der Erbringer der Dienstleistungen diesbezüglich zu keiner Zeit Schuldner seiner Kunden werden kann (Finanzdienstleistungsgeschäft):

a) die Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen;


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b)
die Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsvollmacht im Auftrag des Kunden;


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c)
die Vermittlung von Geschäftsgelegenheiten zum Erwerb oder zur Veräußerung von einem oder mehrerer der in Z 7 litb bis f genannten Instrumente;".

Nach den Materialien kann eine Konzession nach § 1 Abs 1 Z 19 BWG niemals "das Halten von Geld oder Instrumenten von Kunden beinhalten" (RV 369 BlgNR XX. GP, 68).

Die Ziffer 19 entfiel erst mit In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes, BGBl. I 60/2007 wieder, da die in der Ziffer 19 geregelten Finanzdienstleistungsgeschäfte ab dem In-Kraft-Treten des Wertpapieraufsichtsgesetzes 2007 (im Folgenden: WAG 2007) vollends im WAG 2007 geregelt wurden.

3.2. Somit hielt die FMS GmbH nur eine eingeschränkte Konzession iSd Art 2 Abs 2 litg der Wertpapierdienstleistungs-RL.

4. Bei Umsetzung der Anlegerentschädigungs-RL in das WAG 1996 wurden durch die Novelle BGBl. I 63/1999 Bestimmungen über eine Anlegerentschädigung eingefügt, wobei gegenständlich vor allem § 23b WAG 1996 von Bedeutung ist:

"Anlegerentschädigung

§23b. (1) Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die die Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsvollmacht im Auftrag des Kunden (§1 Abs 1 Z 19 litb BWG) durchführen, haben einer Entschädigungseinrichtung anzugehören. Gehört ein solches Wertpapierdienstleistungsunternehmen der Entschädigungseinrichtung nicht an, so erlischt seine Berechtigung (Konzession) zum Betrieb des Finanzdienstleistungsgeschäfts gemäß § 1 Abs 1 Z 19 litb BWG;§ 7 Abs 2 BWG ist anzuwenden.

(2) Die Entschädigungseinrichtung hat alle Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit der Berechtigung zum Betrieb des Vermögensverwaltungsgeschäfts gemäß § 1 Abs 1 Z 19 litb BWG als Mitglieder aufzunehmen. Die Entschädigungseinrichtung ist in der Form einer Haftungsgesellschaft als juristische Person zu betreiben. Die Entschädigungseinrichtung hat zu gewährleisten, daß, falls über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird oder eine Mitteilung der zuständigen Behörde gemäß Anhang II Buchstabe b der Richtlinie 97/9/EG erfolgt, Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen gemäß § 93 Abs 2a BWG bis zu einem Höchstbetrag von 20 000 Euro oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden. Die Bestimmungen des § 93 Abs 3 BWG über anhängige Strafverfahren im Sinne des § 93 Abs 5 Z 3 BWG sowie über Unterstützungs- und Informationspflichten gegenüber der Entschädigungseinrichtung sind anzuwenden.

(3) Die Entschädigungseinrichtung hat nach Maßgabe der §§23b bis 23e und der anzuwendenden Bestimmungen des BWG Anleger für Forderungen aus Wertpapierdienstleistungen zu entschädigen, die dadurch entstanden sind, daß ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht in der Lage war, entsprechend den gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen

1. Gelder zurückzuzahlen, die Anlegern im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen geschuldet werden oder

2. den Anlegern Instrumente zurückzugeben, die diesen gehören und für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften verwaltet werden.

Von der Entschädigung ausgeschlossen sind Forderungen im Sinne von § 93 Abs 5 Z 1a bis 12 BWG sowie Bestandteile des Eigenkapitals des Wertpapierdienstleistungsunternehmens.

(4) Folgende Bestimmungen des BWG sind hinsichtlich der sicherungspflichtigen Wertpapierdienstleistungen anzuwenden: § 93 Abs 4, 6, 8a und 11; § 93a Abs 6 hinsichtlich der Möglichkeit, zur Sanierung von Mitgliedsinstituten beizutragen, sowie § 93b Abs 2 und 4.

(5) Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die nicht gemäß Abs 1 einer Entschädigungseinrichtung angehören müssen, haben ihre Kunden auf diesen Umstand spätestens bei Vertragsabschluß schriftlich hinzuweisen sowie gegebenenfalls durch Aushang in den Geschäftsräumen zu informieren."

4.1. Das WAG 1996 wurde durch das am in Kraft getretene WAG 2007 abgelöst. Das WAG 2007 diente der Umsetzung mehrerer Richtlinien (Art1 des BGBl. I 60/2007), wobei die Anlegerentschädigungs-RL zuvor bereits durch die WAG-Novelle BGBl. I 63/1999 umgesetzt worden war.

Das WAG 2007 enthält hinsichtlich der bereits zu diesem Zeitpunkt angemeldet gewesenen Ansprüche auf Entschädigung keine Übergangsregelung; wobei anzumerken ist, dass die Regelung der Anlegerentschädigung des WAG 1996 im Wesentlichen jener des WAG 2007 in dessen §§75 ff. leg.cit. entspricht:

"Anlegerentschädigung

§75. (1) Wertpapierfirmen, die eine oder beide der in § 3 Abs 2 Z 2 und 3 genannten Dienstleistungen betreiben, haben einer Entschädigungseinrichtung anzugehören. Gehört eine solche Wertpapierfirma der Entschädigungseinrichtung nicht an, so erlischt die Berechtigung (Konzession) zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen gemäß § 3 Abs 2;§ 7 Abs 2 BWG ist anzuwenden.

(2) Die Entschädigungseinrichtung hat alle Wertpapierfirmen mit der Berechtigung zur Erbringung von Wertpapierdienstleistungen gemäß § 3 Abs 2 Z 2 oder 3 als Mitglieder aufzunehmen. Die Entschädigungseinrichtung ist in der Form einer Treuhand-Haftungsgesellschaft als juristische Person zu betreiben. Die Entschädigungseinrichtung hat zu gewährleisten, dass, falls über ein Mitgliedsinstitut der Konkurs eröffnet wird oder eine Mitteilung der zuständigen Behörde gemäß Anhang II Buchstabe b der Richtlinie 97/9/EG erfolgt, Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen gemäß § 93 Abs 2a BWG bis zu einem Höchstbetrag von 20 000 Euro oder Gegenwert in fremder Währung pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden. Die Bestimmungen des § 93 Abs 3 BWG über anhängige Strafverfahren im Sinne des § 93 Abs 5 Z 3 BWG sowie über Unterstützungs- und Informationspflichten gegenüber der Entschädigungseinrichtung sind anzuwenden.

(3) Die Entschädigungseinrichtung hat nach Maßgabe der §§75 bis 78 und der anzuwendenden Bestimmungen des BWG Anleger für Forderungen aus Wertpapierdienstleistungen zu entschädigen, die dadurch entstanden sind, dass eine Wertpapierfirma nicht in der Lage war, entsprechend den gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen

1. Gelder zurückzuzahlen, die Anlegern im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen geschuldet werden oder

2. den Anlegern Instrumente zurückzugeben, die diesen gehören und für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpapiergeschäften verwaltet werden.

Von der Entschädigung ausgeschlossen sind Forderungen im Sinne von § 93 Abs 5 Z 1a bis 12 BWG sowie Bestandteile des Eigenkapitals der Wertpapierfirma.

(4) Folgende Bestimmungen des BWG sind hinsichtlich der sicherungspflichtigen Wertpapierdienstleistungen anzuwenden: § 93 Abs 4, 6, 8a und 11; § 93a Abs 6 hinsichtlich der Möglichkeit, zur Sanierung von Mitgliedsinstituten beizutragen, sowie § 93b Abs 2 und 4.

(5) Wertpapierfirmen und Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die nicht einer Entschädigungseinrichtung angehören müssen, haben ihre Kunden auf diesen Umstand spätestens bei Vertragsabschluß schriftlich hinzuweisen sowie gegebenenfalls durch Aushang in den Geschäftsräumen zu informieren."

§ 75 WAG 2007 weicht von § 23b WAG 1996 ab. Während nach § 23b WAG 1996 "Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die die Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsvollmacht im Auftrag des Kunden

... durchführen" einer Entschädigungseinrichtung anzugehören haben,

sind es nach dem WAG 2007 "Wertpapierfirmen, die eine oder beide der in § 3 Abs 2 Z 2 und 3 leg.cit. genannten Dienstleistungen betreiben".

Die §§76 bis 78 WAG 2007 entsprechen den §§23c bis 23e des bisherigen WAG 1996.

III. Der Verfassungsgerichtshof geht von dem vom Kläger vorgebrachten und im Wesentlichen unbestritten gebliebenen Sachverhalt aus:

Die FMS GmbH musste ihren Geschäftsbetrieb innerhalb der Konzession nach § 19 Abs 1 Z 1 WAG 1996 iVm § 1 Abs 1 Z 19 lita BWG (Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen) und § 1 Abs 1 Z 19 litc BWG (Vermittlung von Geschäftsangelegenheiten zum Erwerb von Wertpapieren) abwickeln. Diese Konzession berechtigte die FMS GmbH nicht zum Halten von Kundengeldern oder Instrumenten.

Dennoch investierte der Kläger seinen eigenen Angaben nach € 275.000,-- bei der FMS GmbH. Es ist nicht hervorgekommen, ob dies als Einlage in die FMS GmbH oder als Finanzanlage gedacht war.

Über das Vermögen der FMS GmbH wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom zu Z 4 S 630/03d der Konkurs eröffnet, wobei mit Beschluss vom , bekannt gemacht am , die Masseunzulänglichkeit festgestellt wurde.

Der Kläger hat seinen Angaben zufolge € 24.100,-- zurückbekommen, er bezifferte seinen Schaden mit € 250.900,--.

Mit Schreiben vom forderte der Kläger die Finanzprokuratur auf, ihm € 250.900,-- zu ersetzen. Diesen Anspruch begründete der Kläger mit dem Aufsichtsvergehen der FMA bei der Prüfung der FMS GmbH. Aus dem Schreiben geht aber auch hervor, dass dem Kläger der Umfang der Konzession der FMS GmbH bekannt war. Der Kläger betonte, dass die FMS GmbH nie zur Vereinnahmung von Kunden- bzw. Fremdgeldeinlagen zur Vermögensverwaltung berechtigt gewesen sei.

Die Finanzprokuratur hat hinsichtlich möglicher Amtshaftungsansprüche einen Verjährungsverzicht abgegeben. Die Frist für den ersten Verjährungsverzicht lief drei Monate nach Rechtskraft der Berufungsentscheidung im ersten Musterverfahren zu Z 33 Cg 9/04d des LG für ZRS Wien ab. Dies war nach Ansicht der Finanzprokuratur am der Fall. Der Kläger hingegen führte aus, dass der Verjährungsverzicht am geendet hätte.

Am richtete der rechtsfreundliche Vertreter des Klägers ein Ersuchen um erneute Abgabe eines Verjährungsverzichtes an die Finanzprokuratur. Bereits aus dem "Betreff" dieses Schreibens geht hervor, dass ein Verjährungsverzicht für Amtshaftungsansprüche seiner Klienten begehrt wird. In der diesem Brief beiliegenden Liste scheint auch der Name des Klägers auf.

Am gab die Finanzprokuratur einen weiteren Verjährungsverzicht ab, dies unter der Voraussetzung, dass in einem Musterverfahren spätestens bis eine Amtshaftungsklage eingebracht wird. Schon im Betreff scheint das Wort "Amtshaftung" auf.

Diese Amtshaftungsmusterklage wurde schließlich am beim LG für ZRS Wien eingereicht und zu Z 31 Cg 25/08 protokolliert.

Zuvor hatte der Kläger am bereits eine "Staatshaftungsklage" beim LG für ZRS Wien, protokolliert zu Z 33 Cg 20/08s eingebracht, welche mit Beschluss vom zurückgewiesen wurde.

Am brachte der Kläger eine erste Staatshaftungsklage beim Verfassungsgerichtshof zu A17/08 ein, welche mit Beschluss vom mangels Schlüssigkeit zurückgewiesen wurde.

Die nunmehr eingebrachte Staatshaftungsklage langte beim Verfassungsgerichtshof am ein.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Klage:

Der Kläger begründet seine Klage damit, dass der österreichische Gesetzgeber so genanntes "legislatives Unrecht" begangen habe, durch das er geschädigt worden sei. Der Gesetzgeber habe insbesondere Art 2 Abs 1 und Art 4 Abs 1 der Anlegerentschädigungs-RL nicht ordnungsgemäß umgesetzt. Hätte er dies getan, wären auch Finanzdienstleistungsunternehmen wie die FMS GmbH Mitglieder einer Entschädigungseinrichtung für Anleger und wäre dem Kläger zumindest eine Summe von € 20.000,-- ersetzt worden.

Der Kläger macht somit "legislatives Unrecht" geltend.

Es besteht keine Vorschrift, wonach über diesen Anspruch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde oder durch ein Gericht zu entscheiden ist. Die behauptete unkorrekte Umsetzung der Richtlinie wäre also unmittelbar dem Gesetzgeber zuzurechnen. Da auch die anderen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung in der Sache zuständig (vgl. auch VfSlg. 17.002/2003).

2. In der Sache:

2.1. Der beklagte Bund wendet Verjährung des Staatshaftungsanspruches ein. Wie bereits im Vorerkenntnis VfSlg. 17.576/2005 festgestellt, sind in Ermangelung eigener Verjährungsvorschriften im Gemeinschaftsrecht die Verjährungsbestimmungen des Amtshaftungsgesetzes (im Folgenden: AHG) zur Bestimmung der Verjährungsfrist in Staatshaftungssachen heranzuziehen. Danach gilt auch für Staatshaftungsansprüche die dreijährige Verjährungsfrist des AHG. Zum Beginn des Laufes der Verjährungsfrist wird Folgendes festgehalten:

"Beruht der behauptete Staatshaftungsanspruch auf einem Unterlassen des Gesetzgebers, eine Richtlinie korrekt und fristgerecht umzusetzen, so beginnt die Verjährungsfrist, sobald dem Kläger bekannt ist, dass das Unterlassen des Gesetzgebers Vermögensnachteile für ihn bringen kann und er Klage mit Aussicht auf Erfolg gegen jene Gebietskörperschaft erheben kann, deren Gesetzgeber säumig ist. Die Kenntnis muss auch den Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und dem dem Gesetzgeber anzulastenden Verhalten erfassen."

Der Kläger sieht den Verstoß gegen die Anlegerentschädigungs-RL darin, dass der österreichische Gesetzgeber den Begriff der "Wertpapierdienstleistungsunternehmen" in § 23b WAG 1996 viel enger gefasst habe als das Gemeinschaftsrecht. Der FMS GmbH hätte eine Konzession nur dann erteilt werden dürfen, wenn sie Mitglied einer Anlegerentschädigungseinrichtung gewesen wäre, was aber nicht der Fall sei. Jene gesetzlichen Bestimmungen, auf die der Kläger seinen Anspruch aus legislativem Unrecht stützt, waren dem anwaltlich vertretenen Kläger bei Abfassung des Schreibens vom bekannt.

Aus dem Schreiben des Vertreters des Klägers vom geht hervor, dass dem Kläger sowohl die Konkurseröffnung über das Vermögen der FMS GmbH als auch der Umfang der Konzession der FMS GmbH bekannt war, also Umstände, die für den mit der nunmehrigen Staatshaftungsklage geltend gemachten Anspruch erheblich sind. Wer Mitglied der Anlegerentschädigungseinrichtung, also Gesellschafter der AeW ist, geht aus dem Firmenbuch hervor.

Dem Kläger waren also spätestens seit dem alle Umstände bekannt, die für die Geltendmachung des Staatshaftungsanspruches von Bedeutung sind, womit der Lauf der Verjährungsfrist in Gang gesetzt wurde.

2.2. Es bleibt somit nur mehr die Frage, ob die Einrede der Verjährung auf Grund der von der Finanzprokuratur abgegebenen Verjährungsverzichte unbeachtlich ist.

Es ist unbestritten, dass der erste Verjährungsverzicht zum Zeitpunkt der Einbringung der ersten Staatshaftungsklage () nicht mehr aufrecht war.

Der zweite Verjährungsverzicht, den die Finanzprokuratur namens des Bundes am abgab, bezog sich eindeutig auf Amtshaftungsklagen, nicht aber auf Klagen aus einem anderen Rechtstitel. Dies geht nicht nur aus dem "Betreff" des Schreibens hervor, sondern es wird auch im Text auf einen Musterprozess hingewiesen, der aus dem Titel der Amtshaftung eingebracht worden war. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes unterbricht eine Klage den Lauf der Verjährung nur hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs (vgl. M. Bydlinski in Rummel3, § 1497 ABGB, Rz 6 sowie Tades/Hopf/Kathrein/Stabentheiner, ABGB37 (2009) § 1497, E 78, E 79, E 84, E 85). Es kann daher ein ausdrücklich auf Amtshaftungsklagen bezogener Verjährungsverzicht nicht auf andere Rechtstitel interpretativ ausgedehnt werden. Die Verjährungsverzichte sind daher im vorliegenden Verfahren unmaßgeblich.

Der Staatshaftungsanspruch des Klägers ist somit schon deshalb verjährt.

Abgesehen davon, dass die Verjährungsverzichte sich nicht auf Staatshaftungsklagen bezogen, hätte auch die Einbringung der ersten Staatshaftungsklage, die zurückgewiesen wurde, zu keiner Unterbrechung der Verjährungsfrist führen können (vgl. die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Nichtunterbrechung der Verjährung durch unzulässige Klagen; idS SZ 42/193; EvBl. 1998/84 ua.).

2.3. Die Klage war daher abzuweisen, ohne dass auf das weitere Vorbringen eingegangen werden musste.