VfGH vom 15.03.1990, B758/88
Sammlungsnummer
12326
Leitsatz
Keine Gleichheitsverletzung durch Versagung des Verlustabzuges bei Einkünften aus land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit im Rahmen des österreichisch-portugiesischen Doppelbesteuerungsabkommens; keine Unsachlichkeit der Beschränkung der Gleichbehandlung auf dem Gebiet der Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der einzelnen Einkunftsarten auf die gewerblichen Betriebsstättengewinne; Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft vom Gleichbehandlungsgebot nicht erfaßt
Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerden werden abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführerin durch die angefochtenen Bescheide in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesministers für Finanzen werden Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1983 und 1984, worin der Beschwerdeführerin ein Verlustabzug in der Höhe von 785.713 S und 1,901.512 S zuerkannt worden war, in Ausübung des Aufsichtsrechts nach § 299 Abs 4 BAO aufgehoben. Die Beschwerdeführerin sei nach § 1 Abs 2 EStG 1972 mit Einkünften aus inländischer Land- und Forstwirtschaft beschränkt steuerpflichtig. Die Möglichkeit, Verluste (unter anderem) aus Land- und Forstwirtschaft, soweit sie nicht bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre ausgeglichen oder abgezogen worden sind, als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen (§18 Abs 1 Z 4 EStG), bestehe für beschränkt Steuerpflichtige nicht (§102 Abs 1 EStG). Die Beschwerdeführerin habe zwar ihren Wohnsitz in Portugal. Gemäß Art 6 des österreichisch-portugiesischen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, BGBl. 85/1972, dürften aber Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen einschließlich des lebenden und toten Inventars land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem dieses Vermögen liegt, und nach Art 7 dürfen Gewinne eines Unternehmens eines Vertragstaates nur in diesem besteuert werden, es sei denn, daß das Unternehmen seine Tätigkeit in einem anderen Vertragstaat durch eine dort gelegene Betriebstätte ausübt (insoweit, als die Gewinne dieser Betriebstätte zugerechnet werden können).
Der Berufungsbescheidhabe die Zuerkennung des Verlustvortrages auf Art 24 Abs 3 des Abkommens gestützt, wonach die Besteuerung einer Betriebstätte, die ein Unternehmen eines Vertragstaates in dem anderen Vertragstaat hat, in diesem anderen Staat nicht ungünstiger sein dürfe als die Besteuerung von Unternehmen des anderen Staates, die die gleiche Tätigkeit ausüben. Der Begriff der Betriebstätte habe aber nur für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen im Sinne des Art 7 Bedeutung. Das Verbot der Diskriminierung von Betriebstätten sei daher auf Verluste aus Land- und Forstwirtschaft beschränkt Steuerpflichtiger nicht anwendbar. Da die Versagung des Verlustabzuges auch nicht etwa Folge einer (portugiesischen) Staatsangehörigkeit sei, sondern wegen der beschränkten Steuerpflicht eintrete (die ihren Grund im ausländischen Wohnsitz habe und österreichische Staatsbürger ebenso träfe), gebiete auch das Diskriminierungsverbot des § 24 Abs 1 des Abkommens keine andere Entscheidung.
Die gegen die aufsichtsbehördlichen Bescheide erhobenen Beschwerden rügen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und Gleichheit vor dem Gesetz und werfen der Behörde vor, das genannte Abkommen nicht verfassungskonform auszulegen. Im Ergebnis führe ihre Auslegung nämlich dazu, daß einem beschränkt Steuerpflichtigen, der im Inland Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erziele, der Verlustvortrag nicht gewährt werde, während er einem beschränkt Steuerpflichtigen, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb beziehe, gewährt würde. Diese Ungleichbehandlung sei nicht einzusehen.
II. Die Beschwerden sind nicht begründet.
Die Beschwerden ziehen weder die Zulässigkeit der Besteuerung der Einkünfte aus inländischer Land- und Forstwirtschaft an sich noch die Unterschiede in der Behandlung beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtiger als solche in Zweifel. Sie sind nur der Meinung, daß die vom Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung für inländische Betriebstätten geforderte Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen nicht nur für Gewerbebetriebe, sondern auch für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gelten müsse (denen das EStG bei unbeschränkter Steuerpflicht den Verlustvortrag ebenso gestatte), und behaupten - und legen näher dar -, daß das Abkommen diese Auslegung auch erlaube.
Der Verfassungsgerichtshof hegt aber gegen die Auslegung des Doppelbesteuerungsabkommens durch die belangte Behörde auch unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes keine Bedenken:
Art 24 Abs 3 Satz 1 des Abkommens bestimmt:
"Die Besteuerung einer Betriebstätte, die ein Unternehmen eines Vertragstaates in dem anderen Vertragstaat hat, darf in dem anderen Staat nicht ungünstiger sein als die Besteuerung von Unternehmen des anderen Staates, die die gleiche Tätigkeit ausüben."
Diese Anordnung entspricht Art 24 Z 4 des OECD-Musterabkommens 1977. Die Vertragstaaten verpflichten sich damit, ausländische Unternehmen bezüglich ihrer inländischen Betriebstätten nicht ungünstiger zu behandeln als die vergleichbaren inländischen Unternehmen. Im Hinblick auf das EStG 1972 hat die Vorschrift vor allem die praktische Konsequenz, daß beschränkt Steuerpflichtigen die durch den letzten Satz des § 102 Abs 1 verschlossene Möglichkeit des Verlustabzuges für Verluste aus österreichischen Betriebstätten eröffnet wird.
Die Vorschrift verwendet eine Terminologie ("Betriebstätte", "Unternehmen eines Vertragstaates"), die im Abkommen nur im Zusammenhang mit der Besteuerung von Unternehmensgewinnen (Art7) verwendet wird. Aus der Systematik des Abkommens ergibt sich, daß es sich hiebei um Einkünfte handelt, die keine Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit oder aus freiberuflicher Tätigkeit sind: Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sind in Art 6, Einkünfte aus freien Berufen in Art 14 geregelt. Dementsprechend geht auch der Kommentar der OECD zum Musterabkommen davon aus, daß Art 24 Z 4 sich lediglich auf gewerbliche Unternehmen bzw. Betriebstätten gewerblicher Unternehmen beziehe (OECD-Kommentar zu Art 24, Tz 23). Diese Auffassung findet sich auch übereinstimmend in der einschlägigen Kommentarliteratur (Philipp/Loukota, Internationales Steuerrecht, Wien 1976, Z 24 Rz 11; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, München 1983, Art 24 Rz 116f; Korn/Dietz/Debatin, Doppelbesteuerung, Kommentar, München, Systematik III, Rz 313).
Dieser Auslegung könnte der Verfassungsgerichtshof daher nur entgegentreten, wenn gegen einen solchen Inhalt des Gesetzes Bedenken unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes bestünden.
Das Gleichbehandlungsgebot der Doppelbesteuerungsabkommen für Betriebstätten bewirkt typischerweise die Gleichbehandlung von beschränkt Steuerpflichtigen mit unbeschränkt Steuerpflichtigen, die im innerstaatlichen Recht (in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise: VfSlg. 3766/1960, 5276/1966) traditionell unterschiedlichen Besteuerungsregeln unterworfen sind, wobei die Sonderstellung sich im Einzelfall sowohl zu Lasten als auch zugunsten des beschränkt Steuerpflichtigen auswirken kann. Wenn sich der Gesetzgeber entschließt, im Zuge des Abschlusses von Doppelbesteuerungsabkommen diese Ungleichbehandlung in bestimmten Bereichen einzuschränken, so liegt es in seinem rechtspolitischen Ermessen, die Gleichbehandlung nur in Fällen zu gewähren, für die sich ein internationaler Standard herausgebildet hat, sodaß sie von besonderer Bedeutung erscheinen und sich in bilateralen Verhandlungen auch durchsetzen lassen. Die internationale Vertragspraxis auf dem Gebiet der Doppelbesteuerungsabkommen hat nun aber eine Gleichbehandlung im Bereich der einzelnen Einkunftsarten bisher nur auf dem Gebiet der gewerblichen Betriebsstättengewinne für erforderlich gehalten; dies möglicherweise deshalb, weil hier der Wettbewerb zwischen inländischen und ausländischen Unternehmen am ehesten in Erscheinung tritt und eine Ungleichbehandlung zu schwer erträglichen Wettbewerbsverzerrungen führt. Wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, daß wirtschaftspolitisch bedenkliche oder international unhaltbare Verzerrungen bei anderen Einkunftsarten - insbesondere bei Einkünften aus unbeweglichem Vermögen, dessen enge Beziehung zum Lagestaat schon in der allgemeinen Vorschrift über die Besteuerung (Art6 des österreichisch-portugiesischen Abkommens) zum Ausdruck kommt - (noch) nicht oder doch nur als Randerscheinung auftreten, ist das nicht unsachlich.
Daß die belangte Behörde ihrer Rechtsansicht nicht durch Veranlassung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion, sondern im Wege des oberbehördlichen Aufsichtsrechts zum Durchbruch verholfen hat, macht ihr Verhalten auch nicht willkürlich.
Die Beschwerden sind daher abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs 4 Z 1 VerfGG).