OGH vom 25.10.2019, 8Ob82/19w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzeröffnungssache der Schuldnerin K***** S*****, vertreten durch Mag. Andreas Engler, Rechtsanwalt in Salzburg, Antragstellerin Salzburger Gebietskrankenkasse, 5020 Salzburg, Engelbert-Weiß-Weg 10,
wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens, über den Revisionsrekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 108/19v-23, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 44 Se 50/19f-17, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Antragsgegnerin (Schuldnerin) betreibt ein Unternehmen mit einem laufend zur Sozialversicherung angemeldeten Dienstnehmer. Während des erstinstanzlichen Verfahrens über den Insolvenzeröffnungsantrag beglich sie alle fälligen Forderungen der Antragstellerin, einer Gebietskrankenkasse. Offen blieben eine im Zeitpunkt der den Insolvenzantrag abweisenden Entscheidung des Erstgerichts noch nicht fällige (§ 58 Abs 1 ASVG) Forderung der Antragstellerin (betreffend die Sozialversicherungsbeiträge des laufenden Monats) und Forderungen anderer Gläubiger.
Gegen die ihren Eröffnungsantrag abweisende Entscheidung erhob die Antragstellerin Rekurs. Die Antragsgegnerin wandte in ihrer Rekursbeantwortung – soweit hier von Interesse – ein, der Antragstellerin komme wegen der Bezahlung ihrer fälligen Forderungen kein Rekursrecht zu, sodass der Rekurs zurückzuweisen sei.
Das Rekursgericht ließ den Rekurs zu und gab ihm dahin Folge, dass es den angefochtenen Beschluss aufhob und dem Erstgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Antragsgegnerin auftrug. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 5.000, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Rekurslegitimation von Insolvenzgläubigern, denen lediglich eine noch nicht fällige Forderung zustehe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
1. Vorauszuschicken ist, dass kein echter Aufhebungsbeschluss vorliegt. Das Rekursgericht trug dem Erstgericht auf, das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Damit wurde der den Gegenstand des angefochtenen Beschlusses bildende Parteienantrag abschließend erledigt. Eine neuerliche (selbstbestimmte) Entscheidung über den Insolvenzeröffnungsantrag ist dem Erstgericht verwehrt (vgl 8 Ob 13/06d).
Es liegt damit ein in Wahrheit abändernder – dem Insolvenzeröffnungsantrag stattgebender – Beschluss (unechter Aufhebungsbeschluss) vor. Ein solcher unterliegt der Vorschrift des § 528 ZPO. Seine Anfechtbarkeit setzt damit (auch) das Vorliegen einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung im Sinne des Abs 1 leg cit voraus (10 Ob 199/97f; Kodek/Mayr, Zivilprozessrecht4 Rz 1145; A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5§ 527 Rz 3).
2.1. Auf Antrag eines Gläubigers ist gemäß § 70 Abs 1 IO „das Insolvenzverfahren unverzüglich zu eröffnen, wenn er glaubhaft macht, dass er eine – wenngleich nicht fällige – Insolvenzforderung oder Forderung aus einer Eigenkapital ersetzenden Leistung hat und dass der Schuldner zahlungsunfähig ist“. Das Gesetz verlangt ausdrücklich nicht, dass der Gläubiger eine schon fällige Forderung gegenüber dem Schuldner hat; auch Gläubiger nicht fälliger Forderungen haben bei Zahlungsunfähigkeit bzw Überschuldung des Schuldners ein berechtigtes Interesse an der Insolvenzeröffnung (Übertsroider in Konecny, Insolvenzgesetze § 70 IO Rz 17). Das Gesetz verlangt ebensowenig, dass die Forderung zumindest im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung fällig gestellt werden können müsse (8 Ob 293/97i mwH [dazu RIS-Justiz RS0064986 [T2]). Vielmehr reicht in Hinsicht auf die Forderung, dass sie als solche im Zeitpunkt der Antragstellung besteht.
2.2. Beschlüsse des Gerichts, womit das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgewiesen wird, können gemäß § 71c Abs 1 IO „von allen Personen, deren Rechte dadurch berührt werden, sowie von den bevorrechteten Gläubigerschutzverbänden angefochten werden“. Damit sind im Hinblick auf solche Beschlüsse – zusätzlich zu den im Gesetz selbst genannten bevorrechteten Gläubigerschutzverbänden – grundsätzlich der Schuldner und die Gläubiger bescheinigter Insolvenzforderungen rekurslegitimiert (5 Ob 313/79 = GesRZ 1980, 92 mwH; 8 Ob 96/10s; 8 Ob 97/10p – dazu RIS-Justiz RS0059461 [T5]).
2.3. In 8 Ob 182/98t bestätigte der Oberste Gerichtshof die Zurückweisung des Rekurses eines Gläubigers, der die Konkurseröffnung beantragt hatte, dessen Forderung sodann aber beglichen wurde, gegen die Abweisung seines Eröffnungsantrags. Nach § 71c KO (nunmehr IO) sei zum Rekurs gegen den Beschluss auf Konkurseröffnung oder Ablehnung derselben legitimiert, wer dadurch in seinen Rechten berührt werde. Inwieweit die Rechtssphäre eines Gläubigers, dessen Forderung zur Gänze befriedigt wurde, durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen seines früheren Schuldners oder aber Verweigerung derselben berührt sein solle, sei nicht ersichtlich. Dieser habe nach Befriedigung seiner Forderung eben keine Gläubigerstellung mehr.
2.4. Die Ansicht, die gänzliche Befriedigung des Insolvenzantragstellers nehme diesem die Rekurslegitimation, wird in der zweitinstanzlichen Rechtsprechung geteilt (zB OLG Wien 28 R 181/15s = ZIK 2016/198; OLG Linz 2 R 45/18b [unveröff]). In der Lehre stieß dies schon davor zum Teil auf Ablehnung (Konecny, Unwirksamkeit der Konkursantragszurückziehung, ZIK 1998, 145 [147 – zur sodann vom OGH zu 8 Ob 182/98t bestätigten instanzgerichtlichen Entscheidung OLG Wien 28 R 28/89p = ZIK 1998, 170]; Schneider in Konecny, Insolvenzgesetze § 71c IO Rz 28), zum Teil fand sie Unterstützung (Schumacher in Bartsch/Pollak/Buchegger, Österreichisches Insolvenzrecht4 II/2 § 70 Rz 87).
3. Die Frage, ob bei gänzlicher Begleichung seiner Forderung der Insolvenzantragsteller nicht legitimiert ist, die seinen Antrag abweisende Entscheidung anzufechten, kann aber unerörtert bleiben. Im vorliegenden Fall ist nämlich unstrittig und als bescheinigt anzusehen, dass die Antragstellerin nicht nur vor der Zahlung gegenüber der Schuldnerin fällige Forderungen hatte, sondern auch, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts über eine noch nicht fällige Beitragsforderung – betreffend die ersten 21 Tage des Monats Mai 2019 – verfügte. Diese Forderung wurde nicht beglichen, die Antragstellerin war daher im Zeitpunkt der Abweisung ihres Insolvenzeröffnungsantrags noch Gläubigerin der Antragsgegnerin. Nach gesicherter Rechtsprechung (siehe Punkt 2.2.) war sie daher jedenfalls zur Anfechtung des ihren Eröffnungsantrag abweisenden Beschlusses des Rekursgerichts legitimiert.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00082.19W.1025.000 |
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