OGH vom 27.05.2002, 8ObS109/02s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dieter Fröhlich und Mag. Thomas Maurer-Mühlleitner als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Peter Z*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei IAF-Service GmbH Geschäftsstelle Wien, 1040 Wien, Operngasse 17-21, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen 47.423,21 EUR sA an Insolvenz-Ausfallgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 48/02s-33, mit dem über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 32 Cgs 219/99a-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird hinsichtlich der Abweisung eines Betrages von 43.586,86 EUR (S 599.768,34 an Insolvenzausfallgeld - rückständiges Gehalt, Sonderzahlungen, Abfertigung, Kündigungsentschädigung und Urlaubsentschädigung) Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger 43.586,86 EUR netto an Insolvenzausfallgeld samt 4 % Zinsen vom bis binnen 14 Tagen zu bezahlen."
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten. II. den Beschluss
gefasst:
Im Übrigen, das ist hinsichtlich der restlichen 3.836,34 EUR (S 52.789,20 an Zinsen und Kosten), werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und wird die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am geborene Kläger war ab als LKW-Disponent bei der späteren Gemeinschuldnerin beschäftigt. Erstmals 1992 kam es zu Zahlungsschwierigkeiten bei den Gehältern des Klägers. Diese wurden nicht pünktlich bezahlt. Auch wenn in der Folge immer wieder Zahlungen geleistet wurden, so stieg doch der Gehaltsrückstand - über einen längeren Zeitraum betrachtet - kontinuierlich an.
Im Einzelnen feststellbar war nur, dass bis Juli 1995 bereits ein Zahlungsrückstand von 6 Monatsentgelten á S 20.292 netto zuzüglich einer Sonderzahlung, insgesamt sohin S 142.044 netto bestand. Im Einzelnen entwickelten sich dann die Gehaltsansprüche, Zahlungen und der Gesamtrückstand wie folgt:
Monat Gehalt Zahlung netto Gesamtrückstand
6/1995 S 20.161,-- S 20.292,-- S 162.074,--
SZ für 12/94
S 20.161,--
7/1995 S 20.616,-- S 20.292,-- S 162.398,--
für 1/95
8/1995 S 20.616,-- keine S 183.014,--
Zahlung
9/1995 S 20.616,-- S 20.292,-- S 183.338,--
für 2/95
10/1995 S 20.616,-- S 20.292,-- S 183.662,--
für 3/95
11/1995 S 20.616,-- S 20.616,-- S 183.662,--
für 4/95
12/1995 S 20.616,-- keine S 229.016,--
SZ Zahlung
S 24.738,--
1/1996 S 20.616,-- S 20.616,-- S 229.016,--
für 5/95
2/1996 S 20.616,-- S 20.616,-- S 229.016,--
für 6/95
3/1996 S 20.616,-- keine S 249.632,--
Zahlung
4/1996 S 20.876,-- keine S 270.508,--
Zahlung
5/1996 S 20.876,-- S 86.586,-- S 204.798,--
für 8, 9,
10/95 und
WR 95
6/1996 S 20.876,-- S 31.899,-- S 220.897,--
SZ für 11/95
S 27.122,-- und Akonto
12/95
7/1996 S 20.876,-- keine S 241.773,--
Zahlung
8/1996 S 20.876,-- S 31.232,-- S 231.417,--
für Rest
12/95 und
1/96
9/1996 S 20.876,-- S 29.478,-- S 222.815,--
für 2/96 und
teilw 3/96
10/1996 S 20.876,-- S 20.876,-- S 222.815,--
für 4/96
11/1996 S 20.876,-- S 20.876,-- S 222.815,--
für 5/96
12/1996 S 20.876,-- keine S 270.224,--
SZ Zahlung
S 26.633,--
1/1997 S 20.568,-- keine S 290.792,--
Zahlung
2/1997 S 20.569,-- S 27.122,-- S 284.239,--
UZ 96
3/1997 S 20.586,-- keine S 304.807,--
Zahlung
4/1997 S 20.811,-- keine S 325.618,--
Zahlung
5/1997 S 20.761,-- keine S 346.379,--
Zahlung
6/1997 S 20.811,-- keine S 393.233,--
SZ Zahlung
S 26.043,--
7/1997 S 20.811,-- S 41.753,-- S 372.292,--
für 7 u 8/96
8/1997 S 20.810,-- keine S 393.102,--
Zahlung
9/1997 S 20.811,-- S 20.876,-- S 393.037,--
für 9/96
10/1997 S 20.811,-- S 26.533,-- S 387.315,--
für WR 96
11/1997 S 20.810,-- S 20.876,-- S 366.373,--
für 11/96
S 20.876,--
für 12/96
12/1997 S 20.810,-- keine S 412.620,--
SZ Zahlung
S 25.437,--
1/1998 S 20.811,-- keine S 433.432,--
Zahlung
2/1998 S 20.811,-- S 20.568,-- S 433.674,--
für 1/97
3/1998 S 20.810,-- S 20.569,-- S 433.915,--
für 2/97
4/1998 S 20.985,-- S 20.568,-- S 434.331,--
für 3/97
5/1998 S 21.035,-- S 20.811,-- S 408.513,--
für 4/97
S 26.043,--
UZ97
6/1998 S 21.034,-- S 20.761,-- S 435.218,--
SZ für 5/97
S 26.432,--
7/1998 S 21.035,-- S 20.811,-- S 435.442,--
für 6/97
8/1998 S 21.035,-- S 41.621,-- S 414.856,--
für 7 und
8/97
9/1998 S 21.035,-- S 20.811,-- S 415.080,--
für 9/97
10/1998 S 20.985,-- S 20.811,-- S 15.254,--
für 10/97
11/1998 S 21.034,-- S 20.810,-- S 415.478,--
für 11/97
12/1998 S 21.035,-- Barzahlung S 25.834,-- S 436.910,--
WR für WR 97
S 25.437,--
1/1999 S 20.985,-- S 20.810,-- S 437.085,--
für 12/97
2/1999 S 21.035,-- S 20.811,-- S 416.498,--
für 1/98
S 20.811,--
für 2/98
Die Gehaltszahlungen erfolgten immer auf die jeweilige älteste
Schuld, und zwar jeweils für eine ganze Monatsabrechnung.
Im Zuge der mehrmaligen Urgenzen des Klägers wurde ihm ein Abbau des Gehaltsrückstands bei Verbesserung der Geschäftslage in Aussicht gestellt. Darüber hinausgehende Schritte setzte der Kläger nicht. Ende 1995 wurde ihm vom Geschäftsführer der späteren Gemeinschuldnerin ein Abbau des Gehaltsrückstands im Zuge des Verkaufs des Privathauses des Geschäftsführers zugesagt, ohne dass es jedoch in der Folge - trotz des Hausverkaufs - tatsächlich zu einer Abdeckung der offenen Gehaltsforderungen des Klägers kam. Die Liquiditätsengpässe der Gemeinschuldnerin wurden dem Kläger nicht nur vom Geschäftsführer der Beklagten glaubhaft dargestellt, sondern er nahm die Schwierigkeiten auch dadurch wahr, dass fallweise wegen offener Rechnungen keine LKW´s zur Verfügung standen. Spätestens Ende 1995 musste dem Kläger klar gewesen sein, dass er mit der Zahlung des Rückstandes nicht mehr rechnen kann. Durch den Verlust eines Großkunden um den Jahreswechsel 1997/1998 und die aus den dadurch erforderlichen Kündigungen von Arbeitnehmern entstehenden Abfertigungsforderungen verschlechterte sich die Liquidität des Unternehmens noch weiter. Dadurch, dass der Kläger weiter sein Arbeitsverhältnis aufrecht hielt hat er sich damit abgefunden, dass sein Gehaltsrückstand durch die Gemeinschuldnerin nicht mehr ausgeglichen wird.
Als die Gehaltsrückstände dann - wie oben dargestellt - schließlich das Jahresausmaß überschritten forderte er die spätere Gemeinschuldnerin mit Schreiben vom unter Androhung des vorzeitigen Austrittes auf, die Rückstände bis zu bezahlen. Am gab der Kläger beim Arbeits- und Sozialgericht Wien eine Klage zu Protokoll, in der er mit der Behauptung, es sei ihm seit März 1998 kein Gehalt mehr ausbezahlt worden, vorerst einen Bruttobetrag von S 462.695 begehrte, der im Laufe des Verfahrens ausgedehnt wurde. Einen Tag später, am trat der Kläger wegen Entgeltvorenthaltung vorzeitig aus dem Dienstverhältnis aus. Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom das Konkursverfahren eröffnet.
Am stellte der Kläger den Antrag auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld in folgender Nettohöhe zuzüglich 8,5 % Zinsen und Kosten, die er auch im Konkursverfahren angemeldet hat:
Gehalt - S 268.988,40
Sonderzahlungen - S 52.254,91
Abfertigung, 9 Monatsentgelte S 331.780,24
Kündigungsentschädigung 24. 3. - S 153.699,32
Urlaubsentschädigung für 90 Werktage S 100.202,64
S 906.925,51
Mit Bescheid vom hat die Beklagte den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die Vorgehensweise des Klägers, der einen derart großen Gehaltsrückstand anwachsen habe lassen, ohne in angemessener Frist den Austritt zu erklären oder die Forderungen einzuklagen, ein sittenwidriges Verhalten darstelle, weil das Finanzierungsrisiko auf den IAF-Fonds verlagert werde. Mit seiner Klage machte der Kläger seinen Anspruch auf Insolvenzausfallgeld geltend. Seine Forderungen seien anerkannt worden. Es habe sich nur um Liquiditätsprobleme der späteren Gemeinschuldnerin gehandelt. Deren Zahlungsmoral habe sich auch immer wieder gebessert. Teilweise sei der Gehaltsrückstand sogar abgebaut worden. Die Zahlungen seien auf die früheren Schulden angerechnet worden.
Im Einzelnen begehrte der Kläger zuletzt
Gehalt - S 268.988,40
Sonderzahlungen - S 52.254,91
Abfertigung, 9 Monatsentgelte S 331.780,24
Kündigungsentschädigung 24. 3. - S 71.602,91
(153.699,32 abzüglich 82.896,41)
Urlaubsentschädigung (100.202,64 - 33.400,88) S 71.602,91
S 791.428,22
zuzüglich Kosten in Höhe von S 30.071,80 und Zinsen im Ausmaß von
S 22.661,33 (8,5 % vom bis ).
Darauf rechnete er Ausgleichszahlungen von S 76.641,51 () und vier mal S 28.740,57 (, , und ) an, insgesamt sohin S 191.603,70. Es verbleiben damit von den S 791.428,22 S 599.768,34 zuzüglich der begehrten kapitalisierten Zinsen und der Kosten.
Der Kläger begehrte zuletzt (AS 217) dann S 652.557,54 netto samt 4 % Zinsen aus S 844.161,35 netto vom bis . Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein wie in ihrem abweisenden Bescheid. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer hätte nicht über 7 Jahre hinweg solche Gehaltsrückstände akzeptiert. Auch wendete sie ein, dass bei der Berechnung der Kündigungsentschädigung das Einkommen bei einem neuen Arbeitgeber zu berücksichtigen sei und erstattete ein Vorbringen zu den Zinsen und Kosten.
Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Es begründete dies rechtlich zusammengefasst damit, dass die Gehaltsrückstände regelmäßig angewachsen seien. Der Gehaltsrückstand habe bereits Ende 1997 12 Gehälter betragen und sich in der Folge nicht wesentlich verringert. Ein anderer Arbeitnehmer hätte spätestens nach dem Verkauf des Privathauses, als erneut keine Begleichung der Gehaltsrückstände erfolgte, mit dem vorzeitigen Austritt gedroht. Das Verhalten des Klägers indiziere seinen zumindest bedingten Vorsatz, das Finanzierungsrisiko auf den Fonds zu übertragen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Auch ausgehend von einer geringfügigen Verringerung der Rückstände im letzten Jahr seien die früheren erheblichen Zahlungsrückstände beachtlich. Insbesondere im Jahre 1997 sei es mehrere Monate hindurch zu überhaupt keinen Zahlungen gekommen. Insgesamt sei der Rückstand bis Jänner 1998 stark angewachsen. Ein unbeteiligter Arbeitnehmer wäre im April 1996 ausgetreten. Spätestens ab September 1996 hätte angesichts der besonders schleppenden Zahlungen eine Überwälzung des Finanzierungsrisikos auf den Fond bewusst sein müssen. Dass zu keinem Zeitpunkt Unterbrechungen der Entgeltzahlungen über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr vorgelegen seien, sei nicht entscheidend, da der Rückstand insgesamt deutlich darüber gelegen sei. Auch eine Anpassung des Arbeitsvolumes an die wirtschaftlichen Verhältnisse und eine erhebliche Reduktion der Rückstände, wie sie der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 8 ObS 305/01p zugrunde gelegen seien, habe hier nicht stattgefunden. Ein Anlass zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens bestehe ebensowenig wie verfassungsrechtliche Bedenken, da es doch letztlich nur um die Vermeidung von Missbräuchen gehe.
Das Berufungsgericht erklärte die Revision im Hinblick auf die bereits vorliegende Judikatur zum Fremdvergleich und die Vorentscheidung des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil gerichtete außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig und auch berechtigt. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zum langsamen Anwachsen von Gehaltsrückständen in einem Zeitraum erheblich vor der Konkurseröffnung nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung soll das IESG die Arbeitnehmer gegen das Risiko des gänzlichen oder teilweisen Verlustes ihrer Entgeltansprüche, auf deren regelmäßige Befriedigung sie typischerweise zur Bestreitung ihres und ihrer Angehörigen Lebensunterhaltes angewiesen sind, bei Insolvenz des Arbeitgebers absichern (vgl zuletzt etwa mwN = 16.
8. 2001, 8 ObS 183/01x mwN; OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = Wbl
2001/91 = ZIK 2001/117 mwN; RIS-Justiz RS0076384 = SZ 61/254, SZ
65/15, SZ 67/14 uva). Die Überwälzung des Finanzierungsrisikos für
die Arbeitslöhne auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, wenn dem
Arbeitnehmer bewusst sein muss, dass er die Gegenleistung für seine
Arbeit nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds
bekommen könnte und er deshalb weiter arbeitet, wurde als unzulässig
und sittenwidrig angesehen (vgl zuletzt etwa 8 ObS
305/01p mwN = , 8 ObS 183/01x mwN = OGH 8 ObS 206/00b =
RdW 2001/462 = Wbl 2001/91 = ZIK 2001/117 mwN; DRdA 1999/51, 375
[Geist]; Wbl 1995, 75; ZIK 1996, 172). Ausreichend dafür ist schon
der bedingte Vorsatz, also dass dem Handelnden die Überwälzung des
Finanzierungsrisikos auf den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds bewusst ist
und er sich mit dem verpönten Erfolg zumindest abfindet (OGH 8 ObS
206/00b = RdW 2001/462 = Wbl 2001/91 = ZIK 2001/117 mwN). Dann, wenn
ein Arbeitnehmer trotz längerer Nichtzahlung des Lohnes im
Unternehmen tätig bleibt und nicht versucht, sein Entgelt ernstlich
einbringlich zu machen, indiziert dies in der Regel, dass er
beabsichtigt - oder zumindest in Kauf nimmt - in der Folge seine
offenen Lohnansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds geltend
zu machen (vgl zuletzt mwN = 16. 8.
2001, 8 ObS 183/01 mwN = OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = Wbl
2001/91 = ZIK 2001/117 mwN; RIS-Justiz RS00112127; DRdA 1999/51, 375
[Geist] ebenso 8 ObS 183/98i; 8 ObS 295/98k; ähnlich 8 ObS 306/98b =
DRdA 1999, 494 = RdW 2000/82; 8 ObS 153/00h; 8 ObS 4/00x uva). Hinzu
können noch weitere besondere Anhaltspunkte für ein "Naheverhältnis"
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommen, die auf einen fehlenden
Interessengegensatz oder besondere Informationen hindeuten.
Inwieweit aus dem langen Stehenlassen der Entgelte der zumindest
bedingte Vorsatz der Verlagerung des Finanzierungsrisikos geschlossen
werden kann, ist im Rahmen des "Fremdvergleiches" zu beurteilen, ob
also auch ein "unbeteiligter Arbeitnehmer im Unternehmen verblieben
wäre (vgl etwa , 8 ObS 305/01p mwN = 8 ObS 183/01x mwN =
OGH 8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = Wbl 2001/91 = ZIK 2001/117 mwN =
DRdA 1999/51, 375; 8 ObS 56/00v = Wbl 2000/216; 8 ObS 153/00h; 8 ObS
4/00x; 8 ObS 5/00v; 8 ObS 58/00p mwN ua Wbl 1999, 174). Der
Fremdvergleich hat dabei sämtliche objektiven Anhaltspunkte
heranzuziehen. Ergibt sich daraus der Schluss, dass zumindest der
bedingte Vorsatz einer Überwälzung des Finanzierungsrisikos
anzunehmen ist, so kommt ein Beweis über die konkreten Absichten des
Arbeitnehmers nicht in Betracht ( mwN =
RdW 2001/462 = Wbl 2001/91 = ZIK 2001/117).
Im Sinne dieser Judikatur ist auch auf die objektiv gegen diesen
Vorsatz sprechenden Argumente Bedacht zu nehmen (vgl
8 ObS 305/01p; ).
Da der Oberste Gerichtshof im vorliegenden Fall ohnehin zur
Verneinung eines Vorsatzes im dargestellten Sinne kommt erübrigt es
sich detailliert auf die Kritik von Sundl (Erweiterter Ausschluss der
Insolvenz-Entgeltsicherung durch richterliche Rechtsfortbildung/ASoK
2002, 88) einzugehen. Zu bemerken ist nur, dass das
Insolvenz-Ausfallgeld nach der Zielrichtung des Gesetzes den
Arbeitnehmer vor einer typischerweise von ihm selbst nicht
abwendbaren und absicherbaren Gefahr des Entgeltverlustes schützen,
nicht aber Arbeitsplätze finanzieren soll, bei denen von allen
Beteiligten bewusst in Kauf genommen wird (bedingter Vorsatz), dass
diese nicht aus dem Unternehmen finanziert werden können. Das Risiko,
das nach Art einer Versicherung vom IAG-Fonds übernommen wird,
umfasst im Kernbereich die vom Arbeitnehmer typischerweise nicht
selbst abwendbare und absicherbare Gefahr des Entgeltverlustes, die
daraus entsteht, dass dem typischen Arbeitnehmers der Einblick in die
wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitgebers verwehrt ist. Die
Überwälzung des Finanzierungsrisikos für die Arbeitslöhne auf den
Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds, also wenn dem Arbeitnehmer bewusst sein
muss, dass er die Gegenleistung für seine Arbeit nicht vom
Arbeitgeber, sondern vom IAG-Fonds bekommen könnte und er deshalb
weiter arbeitet, wird als unzulässig und sittenwidrig angesehen (OGH
8 ObS 206/00b = RdW 2001/462 = Wbl 2001/91 = ZIK 2001/117 mwN = DRdA
1999/51, 375, 8 ObS 56/00v = Wbl 2000/216). Dass der Arbeitnehmer
oder die Arbeitnehmerin gute Gründe haben mag, trotz der Einsicht,
dass die Entgeltleistung wohl vom Arbeitgeber nicht wird erbracht
werden können, gerade wegen der Absicherung durch den IESG-Fonds bei
diesem Arbeitgeber zu arbeiten, ändert daran nichts. Insoweit besteht
dann eben das gemeinsame Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer
an der Aufrechterhaltung des Arbeitverhältnisses zu Lasten des
IESG-Fonds (vgl auch Art 10 der Insolvenzrichtlinie 80/987/EWG).
Auch geht es bei dem sogenannten Fremdvergleich nur um das
verfahrenstechnische Mittel zur Beurteilung des Vorliegens dieses
"Vorsatzes". Die dabei auch herangezogenen Rückstände als solche sind
nicht der Grund für den Anspruchsausschluss, sondern ob sich aus
diesen und dem Zahlungsverlauf ableiten lässt, dass der Arbeitnehmer
mit der mangelnden Zahlung seines zukünftigen Einkommens durch den
Arbeitgeber rechnete und das Arbeitsverhältnis nur deshalb aufrecht
erhalten hat, weil er sich darauf verließ, dass der
Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds seine Ansprüche befriedigen wird. Da
dieses Abstellen auf die Rückstände also keine Frage der
Risikobegrenzung (vgl dazu § 3a IESG), sondern nur ein Aspekt im
Rahmen des zur Feststellung des Vorsatzes der Risikoüberwälzung
anzustellenden Fremdvergleiches ist, ist es auch nicht möglich aus
der Dauer der Höhe der Entgeltrückstände nur jene ab einer gewissen
Dauer auszuscheiden (vgl in diesem Sinn offenbar Anzenberger in
seiner Entscheidungsbesprechung zu DRdA 2001/37). Ansatzpunkt für die
Beurteilung ist - schon im Hinblick auf die unabschätzbaren
Unsicherheiten in der Einschätzung der betrieblichen Entwicklung -
der jeweilige konkrete Insolvenzfall, auch in seiner konkreten
zeitlichen Lagerung und ob sich ausgehend von diesem Zeitpunkt ein
Vorsatz auf Übertragung des Finanzierungsrisikos ermitteln lässt.
Ausgehend von diesem Zeitpunkt ließe sich auch kaum beurteilen, ob
bei einem Austritt des Arbeitnehmers zu einem früheren Zeitpunkt etwa
dessen Beendigungsansprüche noch unmittelbar vom Arbeitgeber
befriedigt worden wären.
In diesem Zusammenhang ist schließlich auch noch darauf zu verweisen,
dass infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor dem (§
17a Abs 23 IESG) die Novelle des § 3a IESG durch BGBl I 142/2000 -
mit der auch bei gerichtlicher Geltendmachung vor dem Stichtag die
Sicherung auf die in den letzten sechs Monaten vor Klagseinbringung
entstandenen Entgeltansprüche eingeschränkt wurde - hier noch nicht
anzuwenden ist, sodass zufolge gerichtlicher Geltendmachung vor dem
Stichtag im vorliegenden Fall ein erheblich größerer Rückstand von
der Sicherung erfasst wird. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob
die hier für die Annahme eines Missbrauchs der Sicherungseinrichtung
noch beachtliche zeitliche Komponente infolge der als abschließend
anzusehenden Regelung dieser Novelle weiterhin zum Ausschluss des
Sicherungsanspruchs führen kann ( mwN).
Im Rahmen des Fremdvergleiches ist nun anzunehmen, dass für den
durchschnittlichen Arbeitnehmer durch die Unregelmäßigkeit der Zahlungen wohl ersichtlich wird, dass sich der Arbeitgeber in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Andererseits müssen diese gerade bei lange dauernden Arbeitsverhältnisse, bei denen es auch immer wieder zu Nachzahlungen kommt, dem Arbeitnehmer nicht als so drastisch erscheinen, dass er befürchten muss, in Zukunft sein Entgelt nicht vom Arbeitgeber zu erhalten. Für die Annahme des verpönten Vorsatzes der Überwälzung des Finanzierungsrisikos - der Aufrechterhaltung des Arbeitverhältnisses wegen der Erwartung der Zahlung durch den IESG-Fonds - ist aber vor allem entscheidend, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer regelmäßig auf sein Einkommen angewiesen sein und bei einem unbegründeten längeren Zahlungsverzug bei der Ersichtlichkeit wirtschaftlicher Schwierigkeiten nur dann im Arbeitsverhältnis verbleiben wird, wenn er mit der Begleichung seiner Entgelte durch einen Dritten (IESG-Fonds) rechnet. Dies wird aber umso weniger anzunehmen sein, als dem Arbeitnehmer im wesentlichen regelmäßig Entgeltzahlungen geleistet werden und dies auch seiner langjährigen Erfahrung im Betrieb entspricht. Je länger ein Arbeitnehmer bereits bei einem bestimmten Arbeitgeber beschäftigt war und im wesentlichen regelmäßig sein Entgelt erhalten hat, desto weniger ist davon auszugehen, dass ein bedingter Vorsatz zur Risikoüberwälzung auf den Fonds für die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich war, weil auch ein typischer Arbeitnehmer dann wenn er regelmäßig Entgeltzahlungen erhält und es sogar teilweise zu einem Abbau der Rückstände kommt in einem für ihn vertretbaren Ausmaß Betriebstreue zeigt ( mwN).
Ausgangspunkt für die Beurteilung ist der jeweilige konkrete Einzelfall, auch in seiner konkreten zeitlichen Lagerung und ob sich ausgehend von diesem Zeitpunkt ein Vorsatz auf Übertragung des Finanzierungsrisikos ermitteln lässt. Wesentlich ist nun im konkreten Fall, dass dem Kläger im Zuge seiner mehrmaligen Urgenzen nicht nur ein Abbau des Gehaltsrückstands bei Verbesserung der Geschäftslage in Aussicht gestellt wurde, sondern der Kläger gerade in den letzten 2 Jahren vor der Konkurseröffnung auch regelmäßig Entgeltzahlungen erhalten hat. Diese haben fast seinen Ansprüchen auf laufendes Entgelt entsprochen, mögen sie auch für frühere Zeiträume gewidmet gewesen sein.
Neben dem im Aufhebungsbeschluss erwähnten Fall eines plötzlichen Anwachsens des Rückstands und eines rechtzeitigen Austritts ist auch im festgestellten Fall ein verpönter Vorsatz nicht zu erschließen.
Bei einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer, der gerade in
letzten Jahren durch regelmäßige Entgeltzahlungen in seinen
wesentlichen Lebensbedürfnissen abgesichert war und dadurch sowie den
fallweisen darüber hinausgehenden Abbau auch die Erwartung haben
konnte, dass dies auch weiter der Fall sein könnte, wenn er sein
Arbeitsverhältnis aufrechterhält, ist auch bei einem über viele Jahre
hinweg angewachsenen Gesamtrückstand von ca einem Jahresgehalt im
Rahmen des Fremdvergleiches mit dem Verhalten eines
durchschnittlichen Arbeitnehmers nicht auf das Vorliegen eines
bedingten Vorsatzes zur Risikoüberwälzung durch Aufrechterhaltung des
Arbeitsverhältnisses zu schließen. Dass der Kläger nicht mehr mit der
Zahlung der Rückstände rechnete ist dabei von geringerer Bedeutung,
da es ja im Wesentlichen um die Frage geht, ob er annahm, in der
Zukunft regelmäßige Entgeltzahlungen vom Arbeitgeber zu erhalten oder
nur noch deshalb sein Arbeitsverhältnis aufrecht erhalten hat, weil
er mit der Finanzierung durch den Fonds rechnete. Der Arbeitnehmer,
der wie der Kläger - gerade in den letzten 2 Jahren vor der
Konkurseröffnung - regelmäßig Entgeltzahlungen erhalten hat und bei
dem es sogar teilweise zum Abbau der Rückstände kommt befindet sich
genau in jener Ungewissheit über die Entgeltzahlungen für seine zu
erbringende Arbeitsleistung, gegen die ihn das IESG ja absichern
soll.
Anders als in den meisten bisher entschiedenen Fällen liegen hier
auch keinerlei sonstige Anhaltspunkte vor, die auf eine Vorsatz der
Risikoverlagerung durch den Kläger schließen lassen würden.
Seinem Begehren auf Insolvenzausfallgeld war also, soweit die geltend
gemachten Ansprüche auf rückständiges laufendes Entgelt sowie die
Beendigungsansprüche zuletzt der Höhe nach nicht mehr bestritten
wurden, im Rahmen eines Teilurteiles Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung war gemäß § 2 ASGG iVm §§ 392 und 52 Abs 2 ZPO der Endentscheidung vorzubehalten.
Im Übrigen, das ist hinsichtlich der geltend gemachten kapitalisierten Zinsen sowie der Kosten waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 2 ASGG iVm § 52 Abs 2 ZPO.