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VfGH vom 30.11.1991, B728/91

VfGH vom 30.11.1991, B728/91

Sammlungsnummer

12922

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheits- und Eigentumsrecht durch Vorschreibung von Einkommensteuer auf Zinserträge ohne Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Einkünfte aus offenen Ausschüttungen und ohne Abzug der entrichteten Vermögensteuer als Sonderausgabe analog dem KStG 1988; keine Unsachlichkeit der Regelung infolge erschwerter Erfaßbarkeit der Abgabe

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom hat die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Einkommensteuer der Beschwerdeführerin für das Jahr 1989 festgesetzt. Sie hat hiebei die von der Beschwerdeführerin einbekannten Einkünfte aus Kapitalvermögen (und zwar Zinsen aus Spareinlagen und aus festverzinslichen österreichischen Wertpapieren) nach dem Tarif versteuert. Die Finanzbehörde hat bei der Bemessung der Einkommensteuer auf die Zinserträge nicht - wie von der Beschwerdeführerin gewünscht - den ermäßigten Steuersatz für Einkünfte aus offenen Ausschüttungen nach § 37 Abs 1 Z 3 EStG 1988 angewendet und sie hat die von der Beschwerdeführerin entrichtete Vermögensteuer nicht in analoger Anwendung des § 8 Abs 4 Z 2 KStG 1988 als Sonderausgabe abgezogen.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführerin die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Unversehrtheit des Eigentums geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

In der Beschwerde wird "zur faktisch steuerlichen Behandlung der in Rede stehenden Zinserträge" ausgeführt, es sei allgemein unbestritten und gerichtsbekannt, daß diese Zinserträge nur in geringem Ausmaß steuerlich erfaßt würden. Etwa 90 % der gesamten Zinserträge würden "der Endbesteuerung bloß mit einem Kapitalsteuerabzug von 10 % zugeführt". Der Gesetzgeber habe bei der Gleichbehandlung der Staatsbürger vor dem Gesetz nicht nur die Festsetzung der Steuerpflicht, sondern auch die gleichmäßige Durchsetzung zu gewährleisten. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Es verstößt nach Ansicht der Beschwerdeführerin auch gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn bei der abgabenrechtlichen Behandlung von Einkünften aus Kapitalvermögen Zinsen aus Spareinlagen und festverzinslichen österreichischen Wertpapieren schlechter behandelt werden als offene Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften. Die Beschwerdeführerin vermag auch in der ungleichen Behandlung von juristischen Personen (Körperschaften) und natürlichen Personen hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der entrichteten Vermögensteuer als Sonderausgabe bei der Ertragsbesteuerung keinen sachlich gerechtfertigten Grund zu erkennen.

3. Die belangte Behörde hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Im Erkenntnis VfSlg. 10827/1986 hat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß die Nichtanrechnung entrichteter Zinsertragsteuer auf die Einkommensteuer zu einer - im Ergebnis dem Gleichheitsgrundsatz widersprechenden - doppelten Besteuerung des Abgabepflichtigen führt. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof auch ausgeführt, daß der Gesetzgeber mit der Zinsertragsteuer eine Abgabe von Einkünften erheben wollte, welche dem Abgabepflichtigen "Sicherheit durch den Schutz des Bankgeheimnisses bieten" sollte. Es sollten also Einkünfte steuerlich erfaßt werden, bei denen infolge des Bankgeheimnisses in vielen Fällen rechtswidrigerweise eine Veranlagung zur Einkommensteuer nicht durchgeführt werde. Von dieser Prämisse her - heißt es im Erkenntnis VfSlg. 10827/1986 weiter - sei es aber sachlich nicht vertretbar, gerade in jenen Fällen, wo rechtstreue Abgabepflichtige derartige Erträge trotz des Bankgeheimnisses der Finanzbehörde bekannt geben, durch Nichtanrechnung der entrichteten Zinsertragsteuer auf die Einkommensteuer letztlich eine doppelte Besteuerung dieser Erträge herbeizuführen.

Der Verfassungsgerichtshof hat also in diesem Erkenntnis (nur) eine doppelte Besteuerung des Abgabepflichtigen als Grund für die Gleichheitswidrigkeit gewertet, nicht aber das - auch im damaligen Fall präjudizielle (angefochten war die steuerliche Behandlung von Einkünften aus Kapitalvermögen im Rahmen eines Einkommensteuerbescheides) - System der durch das Bankgeheimnis erschwerten einkommensteuerlichen Erfaßbarkeit von Einkünften aus Kapitalvermögen. Gegen dieses System hat der Gerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert, auch nicht gegen die Besteuerung von Zinsen an sich (s. hiezu VfSlg. 7770/1976). Der Verfassungsgerichtshof sieht auch im vorliegenden Fall keinen Anlaß zu verfassungsrechtlichen Bedenken.

Wenn die Beschwerdeführerin meint, die gleichmäßige Durchsetzung der Steuerpflicht sei in diesem Bereich nicht gegeben und sinngemäß darauf hinweist, daß andere Rechtsvorschriften diese Durchsetzung als weitgehend undurchführbar erscheinen ließen, ist ihr - ergänzend zur oben zitierten Rechtsprechung - folgendes zu erwidern:

Der Gesetzgeber überschreitet nicht den ihm zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum, wenn er bei Abwägung der mit dem Bankgeheimnis (§23 KWG) verbundenen Konsequenzen (etwa der Vermeidung der Kapitalflucht ins Ausland sowie der Wahrung des Datenschutzes) mit der dadurch verursachten erschwerten einkommensteuerlichen Erfaßbarkeit von Einkünften aus Kapitalvermögen diese erschwerte Erfaßbarkeit in Kauf nimmt.

Weiters ist festzuhalten, daß der Abgabepflichtige bei mißbräuchlicher Nichtdeklarierung steuerpflichtiger Einkünfte letztlich das beachtliche Risiko eingeht, daß gegen ihn ein Finanzstrafverfahren eingeleitet wird. Der Umstand aber, daß eine - an sich sachliche - Regelung (möglicherweise in größerem Ausmaß) nicht befolgt wird, macht eine solche Regelung noch nicht unsachlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 9006/1981 S. 23, 9121/1981 S. 424, 11727/1988 S. 599, 11912/1988 S. 564 sowie 11998/1989 S. 217) ist der Hinweis, eine Gesetzesbestimmung könne gesetzwidrig oder mißbräuchlich vollzogen werden, nicht geeignet, Bedenken gegen deren Verfassungsmäßigkeit hervorzurufen. Dieser Grundgedanke gilt auch dann, wenn es - wie hier - nicht um eine mißbräuchliche Anwendung des Gesetzes durch die Behörde geht, sondern wenn der Steuerpflichtige die erschwerte Erfaßbarkeit der Abgabe mißbräuchlich ausnützt; dies wirkt nicht auf die Regelung selbst zurück.

2. Der Verfassungsgerichtshof teilt auch die übrigen verfassungsrechtlichen Bedenken der Beschwerdeführerin nicht.

In beiden von der Beschwerdeführerin kritisierten Fällen dienen die Regelungen dem - keineswegs unsachlichen - Ziel, wirtschaftliche Doppelbelastungen zu entschärfen (im Falle des § 37 Abs 1 Z 3 EStG 1988 bei ausgeschütteten Gewinnen von Kapitalgesellschaften, s. hiezu auch RV 715 BlgNR 16. GP, S. 12; im Fall des § 8 Abs 4 Z 2 KStG 1988 betreffend die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei Anteile ausgebenden juristischen Personen,

s. hiezu auch RV 622 BlgNR 17. GP, S. 18).

3. Da somit weder der behauptete Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz noch ein solcher gegen das Eigentumsrecht vorliegt und im Verfahren auch sonst keine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder eine Verletzung der Beschwerdeführerin in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervorgekommen ist, wird die Beschwerde abgewiesen.

Diese Entscheidung kann gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.