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OGH vom 21.04.2009, 10ObS49/09t

OGH vom 21.04.2009, 10ObS49/09t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter ADir Brigitte Augustin (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Canan Aytekin-Yildirim (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Partei Cemile C*****, Sekretärin, *****, vertreten durch Summer/Schertler/Stieger/Droop Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei Vorarlberger Gebietskrankenkasse, Jahngasse 4, 6850 Dornbirn, vertreten durch Hoffmann & Brandstätter Rechtsanwälte KEG in Innsbruck, wegen Rückforderung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld (Streitwert: 2.211,90 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 27/08v-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 33 Cgs 168/07v-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt. Der Revision der Klägerin wird nicht Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass das Ersturteil insgesamt zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass der von der beklagten Partei erhobene Anspruch auf Rückersatz des an die klagende Partei in der Zeit von bis geleisteten Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld nicht zu Recht besteht, wird abgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, an die beklagte Partei einen Betrag von 2.211,90 EUR in 10 monatlichen Teilbeträgen zu je 200 EUR und einer Restrate von 211,90 EUR ab dem dem Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung folgenden Monatsersten zu bezahlen. Bei Zahlungsverzug mit zwei Raten tritt Terminsverlust ein und der noch offen aushaftende Restbetrag wird sofort zur Zahlung fällig."

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist die Mutter des am geborenen Fathi. Sie bezog von der beklagten Vorarlberger Gebietskrankenkasse in der Zeit vom bis einen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von insgesamt 2.211,90 EUR. Der Ehegatte der Klägerin war im Jahr 2003 vorerst vom bis arbeitslos und bezog Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung in Höhe von 3.178,12 EUR. Vom bis war er bei der Firma H***** GmbH beschäftigt und bezog steuerpflichtige Einkünfte in Höhe von 10.563,84 EUR. Mit Bescheid vom widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom bis und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld von insgesamt 2.211,90 EUR.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage mit dem Begehren auf Feststellung, dass der Anspruch der beklagten Partei auf Rückforderung des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom bis in der Höhe von 2.211,90 EUR nicht zu Recht bestehe.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet im Wesentlichen ein, in dem gemäß § 8 KBGG zu berücksichtigenden Zeitraum vom bis habe der Ehegatte der Klägerin steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in einer Höhe bezogen, die weit über den gewährten Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld hinausgehe; die Klägerin sei daher gemäß § 31 Abs 2 KBGG verschuldensunabhängig zum Ersatz des im Jahr 2003 zu Unrecht bezogenen Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 2.211,90 EUR verpflichtet.

Das Erstgericht stellte fest, dass der Anspruch der Klägerin auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum vom bis nicht zu Recht bestehe, verpflichtete die Klägerin zur Rückzahlung des auf diesen Zeitraum entfallenden Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld von 2.211,90 EUR in 10 Raten à 200 EUR und einer

11. Rate in Höhe von 211,90 EUR und wies das negative Feststellungsbegehren der Klägerin ab. Es vertrat in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen die Auffassung, dass sich der maßgebliche Gesamtbetrag des zu berücksichtigenden Einkommens des Ehegatten der Klägerin für das Jahr 2003 mit 17.387,83 EUR ergebe, womit die Freigrenze gemäß § 12 KBGG (10.800 EUR) um 6.587,83 EUR überschritten worden sei. Dieser Unterschiedsbetrag übersteige die gesamte Höhe des überwiesenen Zuschusses für das Jahr 2003, weshalb die Klägerin aufgrund des verschuldensunabhängigen Rückforderungstatbestands des § 31 Abs 2 KBGG verpflichtet sei, den erhaltenen Zuschuss zurückzuzahlen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es schloss sich im Wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an. Eine Berücksichtigung des von der Klägerin in ihrer Berufung behaupteten gutgläubigen Verbrauchs komme nicht in Betracht. Schließlich teilte das Berufungsgericht auch nicht die von der Klägerin gegen die geltende Gesetzeslage vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Bestimmung des § 8 KBGG noch nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Weiters wird die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens betreffend die Bestimmungen der §§ 8, 12, 31 KBGG beim Verfassungsgerichtshof angeregt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom , 10 ObS 77/08h, die Revision der Klägerin aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund und auch deshalb, weil Bedenken gegen die Verfassungskonformität der präjudiziellen Bestimmungen der §§ 8, 12 und 31 KBGG bestanden haben, für zulässig angesehen und beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B-VG einen entsprechenden Gesetzesprüfungsantrag gestellt. Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wurde gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten. Der Verfassungsgerichtshof wies mit seinem Erkenntnis vom , G 129/08-6, diesen Gesetzesprüfungsantrag ab, weil er die in diesem Antrag und auch die in den anderen Gesetzesprüfungsanträgen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilte. Nach Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs war das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs erweisen sich die von der Revisionswerberin gegen die maßgebende Gesetzeslage vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken als nicht berechtigt. Daraus folgt, dass die beklagte Partei den maßgeblichen Gesamtbetrag der Einkünfte nach § 8 KBGG für das Kalenderjahr 2003 zutreffend ermittelt hat und dieser Betrag die im Falle des Ehegatten der Klägerin gemäß § 12 Abs 1 KBGG maßgebende Freigrenze von 10.800 EUR um 6.587,83 EUR (2003) überschritten hat. Da der Unterschiedsbetrag den von der Klägerin im Kalenderjahr 2003 bezogenen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld übersteigt, ist die Klägerin gemäß § 31 Abs 2 KBGG zum Ersatz des gesamten von ihr im Kalenderjahr 2003 bezogenen Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld verpflichtet. Auch der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld durch die Klägerin ist, wie bereits das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, aufgrund der objektiven Rückzahlungsverpflichtung des § 31 Abs 2 KBGG nicht berechtigt (vgl RIS-Justiz RS0114485 ua). Die Entscheidung der Vorinstanzen (Abweisung des Begehrens der Klägerin und Verpflichtung der Klägerin zum Rückersatz des von ihr für den Zeitraum vom bis bezogenen Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld) steht daher mit der vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform beurteilten Gesetzeslage im Einklang.

Zur Rückzahlung in Raten:

Gemäß § 65 Abs 1 Z 2 ASGG sind Rechtsstreitigkeiten über die Pflicht zum Rückersatz einer zu Unrecht empfangenen Versicherungsleistung oder eines zu Unrecht empfangenen Pflegegeldes (§ 354 Z 2 ASVG,§ 194 GSVG,§ 182 BSVG,§ 65 NVG 1972, § 129 B-KUVG,§ 84 StVG bzw § 11 Abs 3 zweiter Halbsatz und Abs 4 BPGG sowie Z 6 bis 8 und §§ 89 und 91) Sozialrechtssachen. Gemäß § 65 Abs 1 Z 8 ASGG sind unter anderem auch Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche auf Kinderbetreuungsgeld und auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld nach dem KBGG Sozialrechtssachen. Aus dem Klammerzitat „Z 6 bis 8" in § 65 Abs 1 Z 2 ASGG folgt, dass unter anderem auch strittige Rückersatzpflichten hinsichtlich Leistungen nach dem KBGG sinngemäß nach den für Leistungssachen nach § 354 Z 2 ASVG bzw nach den für Rechtsstreitigkeiten nach § 65 Abs 1 Z 2 ASGG vorgesehenen Verfahrensbestimmungen zu entscheiden sind (vgl Neumayr in ZellKomm § 65 ASGG Rz 13; Kuderna, ASGG² Anm 5 zu § 65 ASGG ua). Das Klagebegehren hat auf Feststellung zu lauten, dass die Pflicht zum Rückersatz für die strittige Zeit nicht besteht (negative Feststellungsklage). Wird in einer solchen Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 2 ASGG die negative Feststellungsklage abgewiesen, weil eine Rückersatzpflicht des Klägers besteht, so ist ihm nach § 89 Abs 4 erster Satz ASGG unter einem der Rückersatz an die beklagte Partei aufzuerlegen. Gemäß § 89 Abs 4 zweiter Satz ASGG ist die Leistungsfrist unter Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers nach Billigkeit zu bestimmen; insoweit kann das Gericht die Zahlung auch in Raten anordnen. Die Ansicht der beklagten Partei, dass in Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche auf Kinderbetreuungsgeld oder Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld die Rückerstattung in Teilbeträgen in die ausschließliche Kompetenz des Versicherungsträgers falle, ist daher nicht zutreffend (vgl 10 ObS 156/92 = SSV-NF 6/143 mwN). Gemäß § 31 Abs 5 KBGG hat der Versicherungsträger bereits anlässlich der Vorschreibung von Rückforderungen Ratenzahlungen zu gewähren, wenn aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners die Hereinbringung der Forderung in einem Betrag nicht möglich ist. Die Höhe der Raten ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners festzusetzen. Die Befugnis des Gerichts zur Bestimmung der Leistungsfrist gemäß § 89 Abs 4 zweiter Satz ASGG besteht aber unabhängig davon, ob der bekämpfte Bescheid über die Einräumung derartiger Erleichterungen abgesprochen hat. Insoweit liegt eine Durchbrechung der zur sukzessiven Zuständigkeit entwickelten Grundsätze vor (vgl Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen 540).

Während somit der Gesetzgeber des ASGG durch die Bestimmung des § 89 Abs 4 ASGG auch den Sozialgerichten die Möglichkeit der Ratengewährung eingeräumt hat, wurde den Gerichten nach den insoweit zutreffenden Ausführungen der beklagten Partei die Kompetenz für eine gänzliche oder teilweise Nachsicht der Rückzahlungspflicht nicht übertragen (10 ObS 267/00p = SSV-NF 14/142 mwN). Das Vorliegen der Billigkeitsvoraussetzungen für die Möglichkeit der Ratengewährung gemäß § 89 Abs 4 ASGG ist von Amts wegen zu prüfen (Neumayr in ZellKomm § 89 ASGG Rz 23 mwN). Bestreitet eine Klägerin in einer Sozialrechtssache nach § 65 Abs 1 Z 2 ASGG - wie im vorliegenden Fall - die Pflicht zum Rückersatz einer Versicherungsleistung überhaupt, ist von ihr nicht zu verlangen, dass sie für den Fall, dass die Gerichte ihr eine solche Rückersatzpflicht auferlegen, ein Eventualvorbringen dahin erstattet, dass ihre Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine Ratenzahlung erfordern würden. Es sind daher bei Auferlegung des Rückersatzes sowohl Leistungsfrist wie Ratenzahlung von Amts wegen zu prüfen (10 ObS 156/92 = SSV-NF 6/143). Aus den dargelegten Erwägungen ist der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben, wobei der Urteilsspruch im Rahmen einer Maßgabebestätigung entsprechend der herrschenden Praxis zu formulieren war (vgl Neumayr in ZellKomm § 89 Rz 22). Die monatlichen Raten (§ 89 Abs 4 ASGG) waren unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Unterlagen und der getroffenen Feststellungen in der vom Erstgericht festgelegten Höhe zu belassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Aktuelle berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die einen ausnahmsweisen Kostenersatz nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht bescheinigt und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.