OGH vom 30.07.2007, 8ObA96/06k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michaela Haydter und Dr. Erwin Blazek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johann R*****, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte in KEG Wien, wegen Gewährung von Ersatzruhe (Streitwert EUR 500,--), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Ra 42/06h-15, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 35 Cga 13/06t-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 199,87 (darin enthalten EUR 33,31 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Begründung des Berufungsgerichtes ist zutreffend, sodass auf deren Richtigkeit verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Der wesentliche Sachverhalt lässt sich dahin zusammenfassen, dass der seit 1985 in den Betrieben der Beklagten bzw deren Rechtsvorgänger beschäftigte Kläger nach dem Dienstplan einen 2-Wochen-Rhythmus hat. In sogenannten kurzen Wochen arbeitet er 36 Stunden, und zwar jeweils von Montag bis Donnerstag 9 Stunden. In langen Wochen hat er 44 Arbeitsstunden, und zwar von Montag bis Donnerstag 9 und am Freitag 8 Stunden. Am Wochenende hat der Kläger planmäßig nicht zu arbeiten, vielmehr beginnt seine Dienstschicht am Montag um 7.00 Uhr. Bei außerordentlichen Betriebsstörungen wird der Kläger aber auch am Wochenende herangezogen, so auch am Sonntag den 24. 10. ab 19.00 Uhr bis Montag den 25. 10. um 5.00 Uhr.
Die Beklagte hat den Kläger zwar für die Stunden von 19.00 bis 24.00 Uhr, nicht aber für jene von 00.00 bis 5.00 Uhr Ersatzruhe gewährt. Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Gewährung von weiteren fünf Stunden Ersatzruhe. Der ersatzpflichtige Zeitraum habe erst am Montag um 7.00 Uhr geendet, sodass für die darin gelegenen fünf Arbeitsstunden jedenfalls noch Ersatzruhe zu gewähren sei. Der Arbeitgeber könne auch nicht einseitig - gedanklich für den Kläger nicht planbar - Beginn und Ende der Wochenendruhe verändern. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und stützte dies im Wesentlichen darauf, dass als denkbares frühestes Ende der Wochenendruhe Sonntag 24.00 Uhr anzusehen sei. Auch sei dem Kläger der Wochenenddienst bereits mehrere Tage davor zur Kenntnis gebracht worden. Nach § 8 Abs 2 der sogenannten Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB) seien ÖBB-Angestellte verpflichtet, bei außerordentlichem Bedarf auch außerhalb der festgelegten Dienststunden Dienst zu leisten. Von dem Einsatz seien auch mehrere Dienstnehmer betroffen gewesen.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es folgerte rechtlich im Wesentlichen, dass nach § 2 Abs 2 Z 1 ARG die Wochenendruhe eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden sei, in der der Sonntag fällt. Nach § 6 Abs 1 ARG sei Ersatzruhe im Ausmaß der während der wöchentlichen Ruhezeit geleisteten Arbeit zu gewähren, die innerhalb von 36 Stunden vor dem Arbeitsbeginn in der nächsten Woche erbracht wurde. Die Arbeitswoche beginne nicht mit 0.00 Uhr, sondern nach Ende der vorgesehenen Wochenruhezeit. Dies sei hier der Montag 7.00 Uhr gewesen. Rechne man von dieser zurück, so habe der Kläger Anspruch auf weitere fünf Stunden Ersatzruhe. Dabei komme es auch nicht darauf an, ob noch andere Arbeitnehmer davon betroffen seien. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es schloss sich im Wesentlichen der Beurteilung des Erstgerichtes an. Eine Änderung des vorgesehenen planmäßigen Arbeitsbeginns am Montag um 7.00 Uhr sei nicht eingetreten. Das von der Beklagten monierte „Splitting" der Wochenendruhe dahin, dass nur die Arbeitsleistungen am Sonntag als ersatzruhepflichtig anzusehen seien, entspreche nicht der Rechtslage. Das Berufungsgericht ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof zu, da die Frage der Zulässigkeit des „Splittings" von Arbeitsleistungen während der Wochenendruhe bzw Vorverlegung des Arbeitsbeginnes der nächstfolgenden Arbeitswoche und der dadurch bewirkten Verkürzung der Wochenendruhe vom Obersten Gerichtshof noch zu klären sei.
Die von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht einleitend genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
§ 3 ARG bestimmt dass jeder Arbeitnehmer in jeder Kalenderwoche Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden hat, in die der Sonntag zu fallen hat (Wochenendruhe). § 4 ARG legt fest, dass jene Arbeitnehmer, die nach der für sie geltenden Arbeitszeiteinteilung während der Zeit der Wochenendruhe beschäftigt werden, in jeder Kalenderwoche anstelle der Wochenendruhe Anspruch auf eine ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden (Wochenruhe) haben.
§ 6 Abs 1 ARG bestimmt, dass Arbeitnehmer die während der wöchentlichen Ruhezeit beschäftigt werden, in der folgenden Arbeitswoche Anspruch auf Ersatzruhe haben, die auf die Wochenarbeitszeit anzurechnen ist (§ 6 Abs 1 Satz 1 ARG). Die hier nun grundsätzlich zu lösende Fragestellung liegt darin, wie der Umfang der Ersatzruhe festzustellen ist, wenn die „Wochenendruhe" nicht nur die im Gesetz vorgesehenen 36 Stunden umfasst - jedenfalls einschließlich Sonntag - sondern mehr. Fraglich ist, was von diesen Stunden als „Wochenendruhe" im Sinne des Gesetzes dann anzusehen ist, wenn etwa zwischen den wöchentlichen Arbeitszeiten zwei oder drei Tage liegen.
Genau diesem Thema widmet sich aber der zweite Satz des § 6 Abs 1 ARG, der bestimmt, dass Ersatzruhe im Ausmaß der während der wöchentlichen Ruhezeit geleisteten Arbeit zu gewähren ist, die innerhalb von 36 Stunden in der nächsten Arbeitswoche erbracht wurde. Entscheidend ist also, wann die nächste Arbeitswoche begonnen hat. Dies war aber hier der Montag 7.00 Uhr. Eine Vorverlegung des Beginnes der nächsten Arbeitszeit, wie sie etwa der Entscheidung zu 9 ObA 164/91 zugrundezulegen ist, wurde hier nicht festgestellt (vgl OGH 9 ObA 164/91 = Arb 10.968 = RdW 1992, 84). Allein der Umstand, dass der Kläger dann am Montag keine weiteren Dienstleistungen mehr zu verrichten hatte - was wohl aus einschlägigen Regelungen über die Ruhezeiten zu erklären sein wird - ändert daran nichts. Gerade die von der Beklagten dargestellte Voraussetzung, dass der Einsatz der Arbeitnehmer während der wöchentlichen Ruhezeit nur in außergewöhnlichen Fällen zulässig sei, zeigt, dass hier eben Arbeiten während der wöchentlichen Ruhezeit zur Abdeckung eines außergewöhnlichen Bedarfes erbracht wurden.
Insgesamt fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für das von der Beklagten angestrebte „Splitting", sondern ist entsprechend dem klaren Gesetzeswortlaut von jenen Stunden auszugehen, die in den letzten 36 Stunden vor der nächsten Wochenarbeitszeit liegen. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass dann, wenn über den Sonntag 24 Uhr hinaus in den Montag hineingearbeitet wird, nur die Sonntagsstunden für die Ersatzruhe heranzuziehen wäre, so hätte er die Lage der ersatzruhepflichtigen Stunden anders definiert und nicht auf den Beginn der „nächsten Arbeitswoche" abgestellt.
Der Revision der Beklagten war dementsprechend nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.