VfGH vom 12.06.2008, a13/07

VfGH vom 12.06.2008, a13/07

Sammlungsnummer

18448

Leitsatz

Abweisung der Staatshaftungsklage einer Großhandelsgesellschaft gegen den Bund nach Verurteilung der Klägerin zur Rechnungslegung wegen einer Markenrechtsverletzung durch den Import markenverletzender Ware aus einem Nicht-EU-Mitgliedstaat in ein österreichisches Zollfreilager zum Zweck des Verkaufs in andere Nicht-EU-Mitgliedstaaten; kein qualifizierter Verstoß des Obersten Gerichtshofs gegen Gemeinschaftsrecht durch Anwendung der im Gemeinschaftsrecht bloß demonstrativ aufgezählten Verbote bei Markenrechtsverletzungen auf ähnlich gelagerte Sachverhalte

Spruch

1. Das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger den Betrag von € 20.318,17 zuzüglich 4 % Zinsen seit dem Klagstag zu zahlen und die Prozesskosten zu ersetzen, dies binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu Handen des Klagsvertreters, wird abgewiesen.

2. Der Kläger ist schuldig, dem Bund die mit € 2.171,40 bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1 Die klagende Partei bringt vor, dass sie die in

Südostasien oder Amerika bezogenen, nicht für den EWR bestimmten Original-Canon-Waren (Verbrauchsmaterial für Kopierer und Drucker) zur zoll- und handelsrechtlichen Prüfung auf Mängel in ihrem Zollfreilager in Laxenburg gelagert und ausschließlich in Länder außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (im Folgenden: EWR) weiterverkauft habe. Die Herkunft der vom Zoll verplombten Waren sei aus den beigegebenen, vom Zoll abgestempelten Papieren ersichtlich gewesen, die bei der Ausfuhr aus dem EWR an die klagende Partei retourniert werden, die damit das "Inverkehrbringen" der Ware nur außerhalb des EWR kontrollieren könne. Die klagende Partei verändere die Produkte beim Verkauf in das EWR-Ausland nicht und nehme die Marke "CANON" weder von den Produkten, noch von der Verpackung, habe aber für diese Durchfuhr keine Genehmigung einer CANON Gesellschaft.

1.2 Der Oberster Gerichtshof (im Folgenden: OGH) habe mit Urteil vom , 4 Ob 145/05k, eine Markenrechtsverletzung der vor dem Verfassungsgerichtshof klagenden Partei bejaht und die bei ihm beklagte Partei zur Rechnungslegung verurteilt. Dabei habe der OGH die Meinung vertreten, dass Zollfreilager markenrechtlich nicht als Ausland oder exterritorial anzusehen seien. Die Durchfuhr von einem Nicht-EU-Mitgliedstaat in einen anderen Nicht-EU-Mitgliedstaat über ein inländisches Zollfreilager falle unter den Begriff des "Inverkehrbringens".

1.3 Diese Rechtsansicht des OGH stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: EuGH), wobei die klagende Partei auf die , Class International BV., Slg. 2005, I-8735 und vom , Rs. C-281/05, Montex/Diesel, Slg. 2006, I-10881, verweist.

1.4 Der OGH sei dem Antrag, Auslegungsfragen des Gemeinschaftsrechts dem EuGH gemäß Art 234 EG vorzulegen, nicht gefolgt und habe damit einen qualifizierten Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht begangen, der einen Staatshaftungsanspruch der klagenden Partei gegen den Bund begründe. Der Schaden bestehe in den Kosten der Vertretung der klagenden Partei vor den ordentlichen Gerichten in der Höhe von € 20.318,17.

1.5 Im Einzelnen führte die klagende Partei zur Behauptung des Vorliegens eines qualifizierten Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht aus:

"Offenkundiger, hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht:

Nach stRsp. des EuGH (zuletzt , Rs C-173/03, Traghetti gg. Italien = wbl August 2006/367 [159], besonders deutlich in den Randnummern 32, 43 und 45) entscheidet besonders die Verletzung der Vorlagepflicht, die Vorjudikatur des EuGH und gegebenenfalls die Stellungnahme eines Gemeinschaftsorgans. Der wesentliche Unterschied zum Urteil Köbler, in dem GA Leger den hinreichend qualifizierten Verstoß bejahte, der EuGH aber verneinte, weil er sich zur Frage einer Treueprämie bisher noch nicht geäußert hatte, liegt hier in der Vorjudikatur, die - wie vom EuGH noch nie, aber von VfSlg. 17214 gefordert - die außerordentliche Revision auf Seite 2 im Zulässigkeitsantrag zu Pkt. 2 und auf Seite 3 ab den letzten 3 Absätzen und Seite 4 zitierte und der OGH auf Seite 10 zusammenfasste.

Da die knapp begründeten Urteile des EuGH auf den Schlußanträgen des Generalanwalts aufbauen ('wie der GA zutreffend ausführt, ...'), zitierte die a.o. Revision auf Seite 4 Abs 2 GA Mischo in seinen Schlußanträgen , zu RS C115/02, Slg. I - 12.705, der die Rsp des EuGH wiederholt: 'das Markenrecht besteht darin, dem Inhaber das ausschließliche Recht zu sichern, die Marke für das erste Inverkehrbringen eines Erzeugnisses zu nutzen (43), weshalb der spezifische Zweck eine ausschließliche Nutzung im Zusammenhang mit der ersten Vermarktung impliziert. Die Durchfuhr kann aber ihrem Wesen nach keine derartige Nutzung darstellen, weil sie sich, wie der EuGH in Rs C-23/99 festgestellt hat, auf eine tatsächliche Beförderung der betroffenen Erzeugnisse beschränkt und keine Vermarktung impliziert. Ob der Bestimmungsort in einem Mitgliedstaat oder Drittland liegt, hat keinen Einfluß auf die Tatsache, daß die Durchfuhr begriffsnotwendig keine Vermarktung darstellt und daher das spezifische Recht des Markeninhabers nicht berührt, die erste Vermarktung des mit der Marke versehenen Erzeugnisses vorzunehmen (44, 45)'

Das darin zitierte Urteil , Rs C-23/99 (Kom./Frankreich) = wbl. Dezember 2000, 564 [364], nur Kurzinformation in Rdn 44:

'Das Inverkehrbringen... bedeutet daher nicht die rein

tatsächliche Beförderung der Waren, sondern besteht darin, die Waren auf den Markt zu bringen, d.h. sie zu vertreiben. Im vorliegenden Fall wird das Erzeugnis jedoch nicht auf französischem Gebiet, durch das es lediglich durchgeführt wird, sondern in einem anderen Mitgliedsstaat vertrieben, in dem es nicht geschützt ist und daher rechtmäßig verkauft werden kann.'

erwähnte die Revision auf Seite 3 ab den letzten 3 Absätzen und verwies auf den Sachverhalt: In diesem Fall beschlagnahmte die französische Zollbehörde anläßlich des Zollverfahrens die (schon zu diesem Zweck gelagerten!) Waren. Eine Zwischenlagerung war nicht entscheidend, sondern nur das Inverkehrbringen, also auf den Markt bringen, in einem Mitgliedstaat verkaufen, was DMA aber unterließ.

Diese Rsp bekräftigte der , Diesel = wbl Jänner 2007/31 [2] und berief sich in Rdn 19 auf das Urteil Rs C-115/02, Rioglass und Transremar, Slg 2003, I- 12705, Rdn 27, das die ao Revision und der OGH zitierten.

Auf Seite 4 Absatz 3 brachte die Revision vor: 'Nach dieser Rsp kann es keinen Unterschied machen, ob die Waren bei ihrem Transport durch Österreich nicht angehalten oder zwischengelagert werden. Entscheidend ist nur das Inverkehrbringen, Vermarkten, Verkaufen, was die Beklagte (DMA) aber in Österreich oder sonst einem Mitgliedstaat des EWR unterläßt.

Die Beklagte muß zwischenlagern, um ihre nach den unstrittigen Feststellungen auf Grund der vorgelegten Urkunden über das Zollausschlußverfahren vor allem zoll- aber auch handelsrechtliche (Rügepflicht nach dem HGB und dem UNKÜ) Prüfpflicht erfüllen zu können. Das bedeutet aber kein 'Inverkehrbringen' nach der Definition des EuGH und somit keinen Markenrechtsverstoß. Dieser Fall ist mit BOSS-Zigaretten II, 4 Ob 54/01x = EvBI. 2002/52 = wbl. 2002/139 [99] = ÖBl 2002, 147 nicht vergleichbar, weil die dort Beklagten die Marke 'BOSS' für ihre Zigaretten ausnutzen, sodaß an einem Verstoß gegen § 10 Abs 2 Markenschutzgesetz wegen Rufausbeutung und Durchfuhrverbot nach der im 1. Rekurs gegen die EV auf Seite 3 Abs 3 zitierten Rsp. nicht zu zweifeln war. Dagegen führt die Beklagte (DMA) aber per se nicht markenrechtsverletzende Originalware der Klägerin (CANON) durch Österreich durch.

§ 10 MSchG widerspricht der oben zit. Rsp des EUGH bei Interpretation der Markenrichtlinie nicht: in dessen Ziffer 2 und 3, auf die sich der OGH im Provisorialverfahren in seinem Beschluß

, 4 Ob 213/03g stützt, ist die Durchfuhr ausdrücklich nicht genannt (in Ziffer 3 heißt es nur 'Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen', nicht aber auch durchzuführen. In Ziffer 2 ist von Durchfuhr auch nicht die Rede, sondern nur von 'Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen', was die Beklagte in Österreich gerade unterläßt und die Canon-Waren der Klägerinnen zu diesen Zwecken eben nicht besitzt.)'

und regte auf Seite 5 Abs 2 ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH an.

Diesen Argumenten folgte der OGH auf Seite 10 im oben zitierten Urteil 4 Ob 145/05k nicht, weil 'die den in der Revision zitierten Entscheidungen zu Grunde liegenden Sachverhalte mit den hier zu beurteilenden Vorgängen nicht vergleichbar' seien, ohne auf die in der Revision relevierten Unterschiede zu Boss-Zigaretten II einzugehen, unterließ ohne weitere Begründung das angeregte Vorabentscheidungsersuchen und wich von der in der Revision und in seinem Urteil zitierten Rsp des EuGH in das Gegenteil ab.

Wenn nicht schon 'acte clair', hätte ein Vorabentscheidungsersuchen zum selben Ergebnis wie in den in dieser Klage zitierten Urteilen des EuGH geführt."

2.1 Der Bund, vertreten durch die Finanzprokuratur, erstattete eine Gegenschrift, in der er die kostenpflichtige Klagabweisung beantragte.

2.2 Der Bund als beklagte Partei führt zunächst aus, dass die Lehre für einen Fall wie den vorliegenden die Markenbenutzung bejahe. Dies ergäbe sich auch aus der Rechtsprechung des EuGH zur Produktpiraterie (, Polo/Lauren, Slg. 2000, I-2519). Hingegen würden die in der Revision zitierten Entscheidungen des EuGH (, Kommission/Frankreich, Slg. 2000, I-7653 und , Rioglass SA ua., Slg. 2003, I-12705) nicht dagegen sprechen. Beide Entscheidungen beträfen die Durchfuhr von Waren, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebracht worden waren und in einem anderen Mitgliedstaat oder Drittstaat - wiederum rechtmäßig - in Verkehr gebracht werden sollten. Gegenstand der Beurteilung durch den EuGH sei daher die Frage gewesen, ob ein im Durchfuhrstaat bestehender Sonderrechtsschutz eine Einschränkung der Warenfreiheit rechtfertige.

2.3 Sodann führt der Bund aus:

"In den Entscheidungen 4 Ob 213/03g (Sicherungsverfahren) und 4 Ob 145/05k (Hauptverfahren) ging es hingegen weder um das Verhältnis Sonderrechtsschutz - Warenverkehrsfreiheit, noch lag eine bloße Durchfuhr vor, sondern die im Anlassverfahren beklagte und nun klagende Partei hat in Österreich Geschäfte über diese Waren abgewickelt. Die Entscheidungen wurden zustimmend besprochen (Gamerith, Anm zu 4 Ob 213/03g, ÖBl 2004/33; Gamerith, Anm zu 4 Ob 145/05k, ÖBl 2006/19; Engin-Deniz, Markenschutzgesetz § 10a MschG 136; Mayer in Kucsko, marken.schutz 323; s. auch Grünzweig, Markenrecht, Bd 1 § 10a MschG Rz 4).

Der Oberste Gerichtshof konnte mit guten Gründen davon ausgehen, dass die in der Revision zitierten EuGH-Entscheidungen für die zu 4 Ob 145/05k zu lösende Frage nicht aussagekräftig sind. Aus diesem Grund hat der Oberste Gerichtshof auch davon abgesehen, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten.

Die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs sind vor der Entscheidung des (= ÖBl 2006/35 - Aquafresh), ergangen. Erst in dieser Entscheidung hat der EuGH ausgesprochen, dass sich der Markeninhaber der Verbringung von - von ihm oder mit seiner Zustimmung außerhalb der Gemeinschaft in Verkehr gebrachten - Original-Markenware in die Gemeinschaft nicht widersetzen kann, auch wenn noch kein endgültiger Bestimmungsort in einem Drittland feststeht, außer wenn mit diesen Handlungen ein Inverkehrbringen der Ware in die Gemeinschaft notwendiger Weise verbunden ist. Der EuGH hat daher - anders als die oben wiedergegebene Lehre und die beanstandeten OGH-Entscheidungen - nicht die Gefahr eines Inverkehrbringens in der Gemeinschaft genügen lassen, sondern das Untersagungsrecht des Markeninhabers davon abhängig gemacht, ob es zu einem Inverkehrbringen in der Gemeinschaft kommen muss.

In einer weiteren Entscheidung vom - C-281/05, Montex Holdings Limited/Diesel SpA (= ÖBl 2007/18 - Diesel), hat der EuGH diese Auffassung bestätigt. Einen Unterschied zu den der ProduktpiraterieVO unterliegenden Sachverhalten sah der EuGH darin, dass die ProduktpiraterieVO nur die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Zollbehörden regle und kein neues Kriterium für die Beurteilung als unzulässige Markenbenutzung aufstelle (Rdn 36 bis 40). Das ist insofern überraschend, als nach Art 6 Abs 2 ProduktpiraterieVO der Entscheidung, ob die Überlassung (angeblich) nachgeahmter Waren auszusetzen oder die Waren zurückzuhalten sind, die gleichen Kriterien zugrunde zu legen sind, die auch für eine Entscheidung darüber gelten, ob in dem betreffenden Mitgliedstaat hergestellte Waren die Rechte des Rechteinhabers verletzen. Eine Rechtsverletzung liegt aber nur vor, wenn die Marke auf eine dem Markeninhaber vorbehaltene Art genutzt wird.

Der Oberste Gerichtshof konnte daher mit guten Gründen der Auffassung sein, dass die im Anlassverfahren beklagte und nun klagende Partei mit der (wenn auch im Zollausschlussverfahren durchgeführten) Einfuhr der CANON-Produkte nach Österreich, ihrer (wenn auch in einem Zollfreilager erfolgten) Lagerung in Österreich und dem hier abgewickelten Verkauf mit anschließender Ausfuhr in Länder außerhalb des EWR die Marka CANON benutzt hat."

3. In der mündlichen Verhandlung wiederholten die Parteien im Wesentlichen ihre bereits in den Schriftsätzen dargelegten Argumente.

II. Der Verfassungsgerichtshof geht bei seiner Entscheidung von dem, vom , festgestellten und auch in der Klage unbestritten gebliebenen Sachverhalt, aus:

"Die Erstklägerin, eine Gesellschaft mit Sitz in Japan, ist Inhaberin der im österreichischen Markenregister unter AM 5705/88 für die Warenklassen 1 bis 42 registrierten internationale Marke CANON. Die Zweitklägerin, eine Vertriebsgesellschaft der Erstklägerin, ist aufgrund mündlich abgeschlossener Lizenzverträge berechtigt, die Marke der Erstklägerin CANON im Rahmen ihrer geschäftlichen Tätigkeiten zu nutzen und Markenrechtsverletzungen gerichtlich im eigenen Namen zu verfolgen. Der CANON-Konzern produziert und vertreibt unter anderem ausschließlich für den US-amerikanischen Raum bestimmte Ware, darunter auch Verbrauchsmaterial für Kopierer und Drucker.

Die Beklagte ist Großhändlerin. Sie vertreibt Verbrauchsmaterial für Kopierer und Drucker, darunter auch CANON-Produkte, die sie teils innerhalb des EWR ein- und auch dort wieder verkauft, teils bezieht sie diese Produkte aus Südostasien und Amerika. Die in Südostasien oder Amerika bezogene (nicht für den EWR bestimmte) Ware verkauft die Beklagte im sogenannten 'Zollausschlussverfahren' in Länder außerhalb des EWR. Zu diesem Zweck verfügt sie über ein Zollfreilager an ihrem Firmensitz in Österreich. Die Ware wird von der Beklagten per E-Mail in Amerika oder Südostasien bestellt und - vom amerikanischen Zoll verplombt - durch eine Spedition zumeist per Schiff in einen Erstklägerin CANON im Tätigkeiten zu nutzen gerichtlich im eigenen CANON-Konzern europäischen Hafen gebracht. Nach der europäischen Zollkontrolle wird die Ware wieder verplombt und mittels Spedition in ein Zollfreilager der Beklagten nach Laxenburg gebracht. Dort wird die Plombe nach Kontrolle der Zollnummer durch die Beklagte geöffnet und die Ware auf ihre Ordnungsgemäßheit und im Hinblick auf die Zollpapiere überprüft. Die Ware wird dann im Zollfreilager der Beklagten gelagert und ins EWR-Ausland weiterverkauft. Die Herkunft der Ware ist aus den beigegebenen Papieren ersichtlich. Diese werden bei der Ausfuhr aus dem EWR vom Zoll abgestempelt und an die Beklagte retourniert, die damit kontrollieren kann, dass diese Waren auch tatsächlich außerhalb des EWR gebracht werden. Ein Vertrieb innerhalb des EWR erfolgt nicht. Die Original-CANON-Produkte werden beim Verkauf in das EWR-Ausland nicht verändert, auch die Marke CANON wird weder von den Produkten noch von der Verpackung genommen. Die Beklagte hat für die geschilderte Vorgangsweise (insbesondere die Einfuhr dieser Waren in den EWR) keine Berechtigung der Klägerinnen oder einer zum CANON-Konzern gehörenden anderen Gesellschaft erhalten.

Die Klägerinnen begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, die Marke CANON in Osterreich beim Vertrieb von Geräten, Ersatzteilen und Zubehör zu Kopiergeräten, insbesondere beim Vertrieb von Kopierer-Trommeln, -Toner und Cartridges, die nicht von den klagenden Parteien selbst und nicht mit ihrer Zustimmung innerhalb des EWR erstmals in Verkehr gebracht worden sind, zu verwenden, den klagenden Parteien über die durch den Verkauf derartiger Geräte, Zubehör und Ersatzteile erzielten Umsätze an Hand von Einkaufs- und Verkaufsbelegen Rechnung zu legen und die Klägerinnen zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten der Beklagten zu ermächtigen. Die eingangs geschilderte Vorgangsweise der Beklagten verletze die Markenrechte der Klägerinnen."

Das Erstgericht gab dem Unterlassungs- und Rechnungslegungsbegehren statt, wies jedoch das Veröffentlichungsbegehren (rechtskräftig) ab. Das Berufungsgericht bestätigte den Ausspruch über die Unterlassungs- und Rechnungslegungsverpflichtung.

Der OGH erklärte die außerordentliche Revision der beklagten Partei (und Klägerin im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof) für zulässig, gab der Revision teilweise Folge und änderte den Spruch der Vorinstanzen wie folgt ab:

"1. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen über die von ihr durch den Verkauf von zu Kopiergeräten der Marke CANON gehörenden Geräten, Zubehör und Ersatzteilen, insbesondere Kopierer-Trommeln, -Toner und Cartridges, die nicht von den klagenden Parteien selbst und nicht mit ihrer Zustimmung innerhalb des EWR erstmals in Verkehr gebracht worden sind, unter Verwendung der Marke CANON erzielten Umsätze an Hand von Einkaufs- und Verkaufsbelegen mit der Maßgabe Rechnung zu legen, dass die auf den Einkaufs- und Verkaufsbelegen aufscheinenden Lieferanten und Abnehmer unkenntlich gemacht werden und die Originale dieser Belege dem Sachverständigen offenzulegen sind.

Das darüber hinausgehende Begehren auf Rechnungslegung an Hand von die Lieferanten und Abnehmer enthaltenden Einkaufs- und Verkaufsbelegen wird abgewiesen.

2. Das Begehren, der Beklagten aufzutragen, es zu unterlassen, die Marke CANON in Österreich beim Vertrieb von Geräten, Ersatzteilen und Zubehör zu Kopiergeräten, insbesondere beim Vertrieb von Kopierer-Trommeln, Toner und Cartridges, die nicht von den klagenden Parteien selbst und nicht mit ihrer Zustimmung innerhalb des EWR erstmals in Verkehr gebracht worden sind, zu verwenden, wird abgewiesen."

Der OGH hat im obgenannten Urteil vom zum Antrag der klagenden Partei auf Vorlage an den Europäischen Gerichtshof Stellung genommen und ausgeführt:

"Die den in der Revision zitierten Entscheidungen des EuGH (Rs C23/99 = EuGHSlg 2000, I-07653 und Rs C115/02 = EuGHSlg 2003, I-12705) zugrunde liegenden Sachverhalte sind mit den hier zu beurteilenden Vorgängen nicht vergleichbar. Sie betrafen jeweils die bloße Durchfuhr (den Transit) von in einem Mitgliedstaat rechtmäßig gekennzeichneten Waren ohne eine der Vermarktung dienende Benutzungshandlung im Transitstaat (siehe Ingerl/Rohnke, Markengesetze § 14 Rz 201). Demgegenüber hat die Beklagte im vorliegenden Fall die für den US-amerikanischen Markt erzeugte und mit der klägerischen Marke versehene Originalware in Südostasien oder Amerika eingekauft und im Wege des sogenannten 'Zollausschlussverfahrens' in ihrem Zollfreilager in Österreich zum Zwecke eines späteren Weiterverkaufs eingelagert. Von dort hat sie den Verkauf der Ware in außerhalb des EWR liegende Länder abgewickelt. Insoweit fand daher im Inland eine der Vermarktung dienende Benutzungshandlung im Sinn des §l0a MSchG statt. Der Senat hält damit seine im Provisorialverfahren zu 4 Ob 213/03g (unter Hinweis auf die Entscheidung 4 Ob 54/01x = ÖBl 2002, 147 - BOSS-Zigaretten II mwN) vertretene Auffassung aufrecht: Zollfreilager sind markenrechtlich nicht als Ausland oder exterritorial anzusehen. Der Import markenverletzender Ware aus einem Nicht-EU-Mitgliedstaat in ein österreichisches Zollfreilager und die Lagerung dieser Ware zum Zweck des späteren Exports in andere Nicht-EU-Mitgliedstaaten fällt unter den Begriff des Inverkehrbringens und verwirklicht damit einen inländischen Markenverstoß."

Ferner sprach der OGH über den Kostenersatzanspruch ab.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Klage:

Die klagende Partei führt aus, dass sie ihren Staatshaftungsanspruch aus einem qualifiziert gemeinschaftsrechtswidrigen Urteil des OGH ableite. Der Verfassungsgerichtshof ist daher zur Entscheidung über die Klage zuständig (VfSlg. 17.019/2003 ua.).

2. In der Sache:

2.1 Für das Urteil des OGH war folgende Rechtslage maßgebend:

Im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten machte die dortige Klägerin u.a. einen Unterlassungsanspruch geltend, und stützte diesen auf § 51 Markenschutzgesetz (MschG), BGBl. 260/1970 idF BGBl. I 111/1999.

§ 51 MSchG lautet:

"Wer in einer der ihm aus einer Marke zustehenden Befugnisse verletzt wird oder eine solche Verletzung zu besorgen hat, kann auf Unterlassung klagen."

§ 53 MSchG regelt den Anspruch auf angemessenes Entgelt im Fall der unbefugten Benutzung einer Marke.

Die Ansprüche bei Markenverletzungen regelt ferner § 54 MSchG, welcher idF BGBl. I 149/2004 lautet:

"§54 (1) Der Inhaber eines Unternehmens kann auf Unterlassung (§51) geklagt werden, wenn eine Markenverletzung im Betrieb seines Unternehmens von einem Bediensteten oder Beauftragten begangen wird oder droht. Er ist zur Beseitigung (§52) verpflichtet, wenn er Eigentümer der Eingriffsgegenstände oder Eingriffsmittel ist.

(2) Wird die einen Anspruch auf angemessenes Entgelt begründende Markenverletzung im Betrieb eines Unternehmens von einem Bediensteten oder Beauftragten begangen, so trifft die Pflicht zur Zahlung des Entgelts (§53 Abs 1), zur Rechnungslegung (§55) und zur Auskunft (§55a) nur den Inhaber des Unternehmens, es sei denn, dass dieser von der Markenverletzung weder wusste noch daraus einen Vorteil erlangt hat.

(3) Wird eine Markenverletzung im Betrieb eines Unternehmens von einem Bediensteten oder Beauftragten begangen, so haftet, unbeschadet der Haftung dieser Personen, der Inhaber des Unternehmens nach § 53 Abs 2 bis 4, wenn ihm die Markenverletzung bekannt war oder bekannt sein musste."

Was den vom Kläger im Verfahren vor den ordentlichen Gerichten geltend gemachten Anspruch auf Rechnungslegung betrifft, verweist das MSchG in § 55 auf § 151 Patentgesetz, BGBl. 259/1970 idF BGBl. 349/1977:

"Der Verletzer ist dem Verletzten zur Rechnungslegung und dazu verpflichtet, deren Richtigkeit durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen. Wenn sich dabei ein höherer Betrag als aus der Rechnungslegung ergibt, sind die Kosten der Prüfung vom Verletzer zu tragen."

Der OGH ging davon aus, dass im Inland eine der Vermarktung dienende Benutzungshandlung im Sinne des § 10a MSchG stattgefunden habe, weil die klagende Partei die Ware vom Zollfreilager in Österreich aus - wenn auch in Länder außerhalb des EWR - verkauft habe. § 10a MSchG idF BGBl. I 111/1999 lautet:

"§10a. Als Benutzung eines Zeichens zur Kennzeichnung einer Ware oder Dienstleistung wird insbesondere angesehen:


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1.
das Zeichen auf Waren, auf deren Aufmachung oder auf Gegenständen, an denen die Dienstleistung ausgeführt wird oder ausgeführt werden soll, anzubringen,


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2.
unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen,


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3. Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen,


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4.
das Zeichen in den Geschäftspapieren, in Ankündigungen oder in der Werbung zu benutzen."

Der Import markenverletzender Ware aus einem Nicht-EU-Mitgliedstaat in ein österreichisches Zollfreilager und die Lagerung zum Zweck des späteren Exports in andere Nicht-EU-Mitgliedstaaten falle unter den Begriff des Inverkehrbringens und verwirkliche damit einen inländischen Markenverstoß (S 10 des Urteils).

Die weiteren Klagebegehren auf Schadenersatz und Urteilsveröffentlichung waren nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da der OGH das Unterlassungsbegehren abwies, kann ein allfälliger Staatshaftungsanspruch sich nur auf die Verurteilung der im Verfahren vor dem OGH beklagten und nunmehr im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof klagenden Partei auf Rechnungslegung stützen.

2.2 Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofes, in einem Staatshaftungsverfahren - ähnlich einem Rechtsmittelgericht - die Richtigkeit der als staatshaftungsbegründend gerügten Entscheidung des OGH zu überprüfen. Er ist nur berufen zu beurteilen, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorliegt. Zu den Kriterien für die Staatshaftung für Gemeinschaftsrechtsverletzungen von Höchstgerichten der Mitgliedstaaten führt der , Traghetti del Mediterraneo SpA, Rz 32, in Fortentwicklung der mit dem Urteil vom , Rs. C-224/01, Köbler begonnenen Rechtsprechung aus:

"Aufgrund der Besonderheit der richterlichen Funktion sowie der berechtigten Belange der Rechtssicherheit haftet der Staat in einem solchen Fall allerdings nicht unbegrenzt. Wie der Gerichtshof entschieden hat, haftet er nur in dem Ausnahmefall, dass das letztinstanzliche nationale Gericht offenkundig gegen das geltende Recht verstoßen hat. Bei der Entscheidung darüber, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muss das mit einer Schadensersatzklage befasste nationale Gericht alle Gesichtspunkte des Einzelfalls berücksichtigen, insbesondere das Maß an Klarheit und Präzision der verletzten Vorschrift, die Vorsätzlichkeit des Verstoßes, die Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums, gegebenenfalls die Stellungnahme eines Gemeinschaftsorgans sowie die Verletzung der Vorlagepflicht nach Artikel 234 Absatz 3 EG durch das in Rede stehende Gericht (Urteil Köbler, Randnrn. 53 bis 55)."

2.3 Jene Bestimmung, die der OGH zu beachten hatte und die auch Gegenstand der Urteile des EuGH in zahlreichen Vorlageverfahren war, ist Art 5 Absätze 1 und 3 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, ABl. 1989 L 040, S 1-7 (im Folgenden: Markenrichtlinie). Art 5 dieser Richtlinie lautet:

"Artikel 5

Rechte aus der Marke

(1) Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr


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a)
ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;


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b)
ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

(2) Die Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, dass es dem Inhaber gestattet ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

(3) Sind die Voraussetzungen der Absätze l und 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden:

a) das Zeichen auf Waren oder deren Aufmachung anzubringen;


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b)
unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

c) Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;


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d)
das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.

(4) Konnte vor dem Zeitpunkt, zu dem die zur Durchführung dieser Richtlinie erforderlichen Vorschriften in einem Mitgliedstaat in Kraft treten, nach dem Recht dieses Mitgliedstaats die Benutzung eines Zeichens gemäß Absatz l Buchstabe b) und Absatz 2 nicht verboten werden, so kann das Recht aus der Marke der Weiterbenutzung dieses Zeichens nicht entgegengehalten werden.

(5) Die Absätze 1 bis 4 berühren nicht die in einem Mitgliedstaat geltenden Bestimmungen über den Schutz gegenüber der Verwendung eines Zeichens zu anderen Zwecken als der Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen, wenn die Benutzung dieses Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt."

Ferner ist Art 9 Abs 1 und 2 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 40/94, ABl. 1994 L 11, S 1-36, über die Gemeinschaftsmarke von Bedeutung. Art 9 der genannten Verordnung lautet:

"Artikel 9

Recht aus der Gemeinschaftsmarke

(1) Die Gemeinschaftsmarke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr


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a)
ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;


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b)
ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Gemeinschaftsmarke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Gemeinschaftsmarke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, daß das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;


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c)
ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

(2) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 erfuellt, so kann insbesondere verboten werden:

a) das Zeichen auf Waren oder deren Aufmachung anzubringen;


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b)
unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

c) Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;


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d)
das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.

(3) Das Recht aus der Gemeinschaftsmarke kann Dritten erst nach der Veröffentlichung der Eintragung der Marke entgegengehalten werden. Jedoch kann eine angemessene Entschädigung für Handlungen verlangt werden, die nach Veröffentlichung der Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke vorgenommen werden und die nach Veröffentlichung der Eintragung aufgrund der Gemeinschaftsmarke verboten wären. Das angerufene Gericht darf bis zur Veröffentlichung der Eintragung keine Entscheidung in der Hauptsache treffen."

Art 5 Abs 3 der Markenrichtlinie bestimmt ebenso wie Art 9 Abs 2 der oa VO, welche Handlungen ein Mitgliedstaat bei Markenrechtsverletzungen "insbesondere" verbieten darf. Unter litc dieses Absatzes ist "einführen oder ausführen" von Waren "unter dem Zeichen" genannt. Dass das Lagern einer Ware in einem inländischen Zollfreilager und der Verkauf aus diesem Lager an Käufer in einem Drittstaat nicht unter diese Begriffe fallen, geht aus dem Text nicht eindeutig hervor. Dazu kommt, dass die Verbote bloß demonstrativ aufgezählt sind (arg: insbesondere), sodass es keinen offenkundigen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht darstellt, wenn Gerichte der Mitgliedstaaten die bloß demonstrativ aufgezählten Verbote auch auf ähnlich gelagerte Sachverhalte anwenden, die nicht ausdrücklich in Art 5 Abs 3 der Markenrichtlinie genannt sind.

Gleiches gilt auch für den Wortlaut des Art 9 Abs 2 der VO (EG) Nr. 40/94.

2.4 Die klagende Partei behauptet, dass der OGH die Auffassung vertreten habe, der Import aus einem Nicht-EU-Mitgliedstaat in ein österreichisches Zollfreilager und der Export in einen Nicht-EU-Mitgliedstaat sei ein "Inverkehrbringen" im Inland. Dies verstoße gegen Gemeinschaftsrecht. Die klagende Partei beruft sich hiebei auf folgende Urteile des EuGH:

2.4.1 , Kommission/Frankreich:

Nach Ansicht des OGH gehe dieses Urteil von einem nicht vergleichbaren Sachverhalt aus. Französische Zollbehörden hatten an der spanischen Grenze Kraftfahrzeugteile zurückgehalten, die in Spanien erzeugt wurden und nach Durchfuhr durch Frankreich in einen anderen Mitgliedstaat, in dem ihr Vertrieb erlaubt war, in den Verkehr gebracht werden sollten. Die französischen Zollbehörden gingen dabei davon aus, dass es sich um nachgeahmte Waren handelte, die nach französischem Recht urheberrechtlich geschützte Rechte beeinträchtigen würden.

Der EuGH kam zu folgenden Schluss (Rz 23):

"Da die Zurückhaltung nämlich insbesondere Waren betrifft, die aus anderen Mitgliedstaaten kommen oder für andere Mitgliedstaaten bestimmt sind, behindert sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und stellt grundsätzlich eine gegen Artikel 30 EG-Vertrag verstoßende Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung dar."

2.4.2 EuGH, , Rs. C-115/02, Rioglass SA:

Der französische Cour de cassation hatte dem EuGH folgende Frage zur Auslegung von Art 28 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"Ist Artikel 30 EG-Vertrag (jetzt Artikel 28 EG) dahin auszulegen, dass er es ausschließt, dass die Zollbehörden auf der Grundlage des Code de la propriete intellectuelle Verfahren zur Zurückhaltung solcher Waren durchführen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft rechtmäßig hergestellt wurden und dazu bestimmt sind, nach ihrer Durchfuhr durch französisches Hoheitsgebiet in einem Drittland, hier Polen, in den Verkehr gebracht zu werden? (RZ 10)

Diese Frage stellt sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Administration des douanes et droits indirects (im Folgenden: Zollverwaltung) und den Gesellschaften spanischen Rechts Rioglass SA (im Folgenden: Rioglass) und Transremar SL (im Folgenden: Transremar) über die Zurückhaltung in Spanien hergestellter und nach Polen transportierter Kraftfahrzeugteile wegen des Verdachts der Markennachahmung. (RZ 2)."

Der EuGH führte aus, dass die Art 28 bis 30 EG auch auf Waren anwendbar seien, die sich auf die Durchfuhr durch einen Mitgliedstaat befinden, aber für einen Drittstaat bestimmt sind. Schließlich beantwortete der EuGH die Vorlagefrage wie folgt (Rz 30):

"Unter diesen Umständen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 28 EG dahin auszulegen ist, dass er es ausschließt, dass die Zollbehörden nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über das geistige Eigentum Verfahren zur Zurückhaltung solcher Waren durchführen, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt wurden und dazu bestimmt sind, nach ihrer Durchfuhr durch das Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats in einem Drittland in den Verkehr gebracht zu werden."

2.4.3 , Class International BV:

Dieser Entscheidung liegt die Einfuhr von Waren, die aus dem EU Ausland stammten, in die Gemeinschaft zu Grunde. Diese Waren wurden zunächst in den Niederlanden beschlagnahmt, da der Verdacht bestand, dass es sich um nachgeahmte Ware handelt. Der Importeur führte aus, dass die Ware für den Transit bestimmt war. Das niederländische Gericht sah es nicht als erwiesen an, dass es zum Zeitpunkt der Einfuhr bzw. der Beschlagnahme bereits für die Ware einen Käufer gegeben habe und stellte zahlreiche Vorlagefragen an den EuGH.

Der EuGH führte aus, dass das Inverkehrbringen von Waren aus Drittländern in der Gemeinschaft ihre Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr im Sinne von Art 24 EG voraussetze (Rz 35). Schließlich beantwortete der EuGH die ihm gestellten Fragen wie folgt:

"1. Artikel 5 Absätze 1 und 3 Buchstabe c der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken und Artikel 9 Absätze 1 und 2 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom über die Gemeinschaftsmarke sind dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Marke nicht einer im Rahmen des Zollverfahrens des externen Versand- oder des Zolllagerverfahrens erfolgten bloßen Verbringung von mit der Marke versehenen Originalmarkenwaren in die Gemeinschaft widersprechen kann, die nicht schon vorher von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind. Der Inhaber der Marke kann die Überführung der fraglichen Waren in das externe Versand- oder das Zolllagerverfahren nicht davon abhängig machen, dass zum Zeitpunkt ihrer Verbringung in die Gemeinschaft bereits ein endgültiger Bestimmungsort in einem Drittland, gegebenenfalls aufgrund eines Kaufvertrags, festgelegt ist.

2. Die Begriffe "Anbieten" und "Inverkehrbringen" von Waren im Sinne der Artikel 5 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie 89/104 und 9 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 können sich auf das Angebot bzw. den Verkauf von Originalmarkenwaren, die den zollrechtlichen Status von Nichtgemeinschaftswaren haben, erstrecken, wenn das Angebot abgegeben wird und/oder der Verkauf erfolgt, während für die Waren das externe Versand- oder das Zolllagerverfahren gilt. Der Inhaber der Marke kann dem Anbieten oder dem Verkauf dieser Waren widersprechen, wenn diese Handlungen das Inverkehrbringen der Waren in der Gemeinschaft notwendig implizieren.

3. In einer Situation, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, obliegt die Beweislast hinsichtlich der Umstände, unter denen der in den Artikeln 5 Absatz 3 Buchstaben b und c der Richtlinie 89/104 und 9 Absatz 2 Buchstaben b und c der Verordnung Nr. 40/94 vorgesehene Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden kann, dem Inhaber der Marke, der entweder ein Inverkehrbringen der mit seiner Marke versehenen Nichtgemeinschaftswaren oder ein Anbieten oder einen Verkauf dieser Waren, die deren Inverkehrbringen in der Gemeinschaft notwendig implizieren, nachzuweisen hat."

2.4.4 , Montex/Diesel:

Das Urteil betrifft ein Vorlageverfahren des deutschen BGH. Gegenstand des Verfahrens war die Durchfuhr von Waren durch Deutschland. Die Fa Diesel SpA hatte den Antrag gestellt, die Durchfuhr von Waren, die mit einem mit der eingetragenen Marke, deren Inhaber Diesel ist, identischen Zeichen versehen sind, zu verbieten.

Der EuGH beantwortete die Vorlagefragen wie folgt:

"1. Artikel 5 Absätze 1 und 3 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Marke die Durchfuhr von mit der Marke versehenen Waren, die auf dem Weg in einen Mitgliedstaat, in dem die Marke nicht geschützt ist, hier Irland, in das externe Versandverfahren überführt werden, durch einen anderen Mitgliedstaat, in dem diese Marke Schutz genießt, hier die Bundesrepublik Deutschland, nur verbieten kann, wenn diese Waren Gegenstand der Handlung eines Dritten sind, die vorgenommen wird, während für die Waren das externe Versandverfahren gilt, und die notwendig das Inverkehrbringen in diesem Durchfuhrmitgliedstaat bedeutet.

2. Dabei kommt es grundsätzlich weder darauf an, ob die für einen Mitgliedstaat bestimmte Ware aus einem assoziierten Staat oder einem Drittstaat stammt, noch darauf, ob die Ware im Ursprungsland rechtmäßig oder unter Verletzung eines dort bestehenden Kennzeichenrechts des Markeninhabers hergestellt worden ist."

2.5 Von den von der klagenden Partei genannten Urteilen des EuGH wurden die beiden letztgenannten erst nach dem gefällt, sodass sie schon deshalb nicht als Maßstab herangezogen werden können. Schlussanträgen des Generalanwaltes kommt nicht das gleiche Gewicht wie einem Urteil zu. Weiters betreffen diese Fälle, bei denen die Ware zurückgehalten bzw. beschlagnahmt wurde, während der OGH bloß einem Begehren auf Rechnungslegung stattgegeben hat, wodurch die Ausfuhr der Ware nicht behindert wird.

Mit jenen Urteilen des EuGH, die vor dem liegen und auf die sich die klagende Partei primär beruft, hat sich der OGH auseinandergesetzt und zu Recht festgestellt, dass sie andere Sachverhalte betreffen, nämlich die bloße Durchfuhr ohne Behandlung im Transitland, während in dem von ihm zu beurteilenden Fall die Ware in Österreich zum Zwecke eines späteren Weiterverkaufs eingelagert wurde. Es sei also von Österreich aus der Verkauf in außerhalb des EWR liegende Länder abgewickelt worden, worin der OGH eine im Inland der Vermarktung dienende Benutzungshandlung sah. Auch diese beiden Fälle betreffen die Beschlagnahme und Zurückhaltung von Waren. Auch der Umstand, dass die klagende Partei als Verkäufer der Ware auftrat und somit der Verkaufserlös einer Gesellschaft mit Sitz im Inland zufloss, hat den OGH offensichtlich veranlasst, von einer Vermarktung im Inland auszugehen.

2.6 Die oben genannte Rechtsprechung des EuGH zur Staatshaftung zeigt, dass die Frage, ob ein qualifiziertes Fehlverhalten eines Höchstgerichtes vorliegt, nicht an Hand eines einzigen Kriteriums beurteilt werden kann. Auch eine allfällige Verletzung der Vorlagepflicht allein führt noch nicht notwendigerweise zur Bejahung eines Staatshaftungsanspruchs. Betrachtet man die Gesamtheit der Umstände, so zeigt sich, dass der OGH bei Behandlung der gemeinschaftsrechtlichen Fragen zumindest vertretbare Gründe für seine (auch durch einen Teil der Lehre gestützte) Rechtsansicht hatte. Die von der klagenden Partei angeführten Urteile betrafen andere Fallkonstellationen, sodass der OGH davon ausgehen konnte, dass sie nicht im Gegensatz zur eigenen Ansicht stehen. Soweit der EuGH auf den Bezug des tatsächlichen Geschehens zum Inland abstellt, ist ihm der OGH gefolgt, indem er im konkreten Fall ebenfalls entsprechende Inlandsbezüge festgestellt hat.

Unter diesen Umständen vermag der Verfassungsgerichtshof keinen qualifizierten, nämlich offenkundigen Verstoß des OGH gegen Gemeinschaftsrecht zu erkennen, sodass der von der klagenden Partei geltend gemachte Staatshaftungsanspruch nicht besteht.

IV. Die der beklagten Partei gebührenden Kosten waren gemäß § 41 ZPO iVm § 35 Abs 1 nach dem RATG, BGBl. 189/1969 idgF auszumessen.