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OGH vom 29.08.2019, 8Ob76/19p

OGH vom 29.08.2019, 8Ob76/19p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Widukind W. Nordmeyer, Dr. Thomas Kitzberger, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen Vertragsanfechtung (Streitwert 50.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom , GZ 6 R 62/19h-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom , GZ 5 Cg 81/18p-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.234,70 EUR (darin 372,45 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit Notariatsakt vom übergab der Kläger seinen Hälfteanteil an der ehemals als Ehewohnung dienenden Liegenschaft um einen Preis von 60.000 EUR an seine geschiedene Gattin, die Beklagte. Diese wiederum verkaufte die Liegenschaft am um 220.000 EUR an einen Dritten.

Die auf Anpassung, in eventu Aufhebung des Übergabsvertrags vom gerichteten Begehren des Klägers wurden von den Vorinstanzen übereinstimmend abgewiesen.

Das Berufungsgericht begründete seinen Zulassungsausspruch damit, dass die Gesetzesmaterialien zum ErbRÄG 2015 ein Abgehen von den Entscheidungen 10 Ob 2/06a und 6 Ob 168/13v erforderten. Oberstgerichtliche Judikatur zu § 901 ABGB iVm § 572 ABGB idF ErbRÄG 2015 habe nicht aufgefunden werden können.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

1.1 Gemäß § 901 letzter Satz ABGB sind bei unentgeltlichen Verträgen die bei den letzten Anordnungen gegebenen Vorschriften anzuwenden; bei unentgeltlichen Zuwendungen unter Lebenden ist daher – zufolge § 572 ABGB – auch ein Motivirrtum relevant.

§ 572 ABGB wurde durch das ErbRÄG 2015 geringfügig geändert: Auch wenn sich der vom Verstorbenen (anstatt der vom Erblasser)angegebene Beweggrund als falschherausstellt (anstatt falschbefunden wird), bleibt die Verfügung gültig, es sei denn, dass sein Wille einzig und allein auf diesem irrigen Beweggrund beruht hat.

Nach den Gesetzesmaterialien (RV 688 BlgNR 25. GP 9) hält der Entwurf „weitgehend am bisherigen Recht fest“, „es soll aber klargestellt werden, dass der Beweggrund in der Verfügung 'angegeben' sein muss, um beachtlich zu sein (anders OGH 10 Ob 2/06a)“.

Entgegen der bislang herrschenden Auffassung und Rechtsprechung (6 Ob 168/13v mwN; vgl auch 10 Ob 2/06a) soll es damit nicht mehr irrelevant sein, ob der die Anfechtung ermöglichende Beweggrund in der Verfügung genannt ist oder nicht(in diesem Sinne Kerschner in FS Eccher [2017] 525 f; Knechtel in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03§ 572 Rz 2; Apathy/Neumayr in KBB5
§§ 570–572 Rz 4; aA Fischer-Czermak/Pierer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3§ 570572 ABGB Rz 36).

1.2 Im Anlassfall hängt die Entscheidung allerdings nicht von der Lösung dieser im Berufungsurteil aufgeworfenen Rechtsfrage ab (RIS-Justiz RS0042405). Es muss daher hier nicht geklärt werden, ob der Beweggrund nach § 901 letzter Satz ABGB iVm § 572 ABGB idF ErbRÄG 2015 im Vertrag „angegeben“ sein muss, um beachtlich zu sein, und unter welchen Voraussetzungen ein Motiv, insbesondere im allgemeinen Vertragsrecht, als „angegeben“ gelten kann (vgl dazu Stefula/Thunhart, Der Motivirrtum beim Rechtsgeschäft unter Lebenden – Zugleich ein Beitrag zur Auslegung des § 572 ABGB, NZ 2002/77). Ebenso kann dahin gestellt bleiben, ob – wie der Kläger
meint – § 572 ABGB nF auf einen vor Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 abgeschlossenen Vertrag aufgrund verfassungsrechtlicher Erwägungen nicht zur Anwendung zu gelangen hat.

2.1 Selbst wenn man der Ansicht des Klägers und des Berufungsgerichts folgen wollte, dass der Übergabsvertrag als gemischte Schenkung zu beurteilen ist, wäre dem Rechtsmittelwerber nicht geholfen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs macht ein Irrtum im Beweggrund die Verfügung nur dann ungültig, wenn erweislich ist, dass der Wille des Erblassers „einzig und allein“ darauf beruhte. Das Gesetz stellt hier an den Nachweis des Kausalzusammenhangs ganz besonders strenge Anforderungen; es schneidet die Erörterung darüber, ob gerade jener Beweggrund, der sich als irrig erweisen lässt, der entscheidende war, dadurch ab, dass es außer dem Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen der irrigen Vorstellung über den Beweggrund den Nachweis der Ausschließlichkeit verlangt (RS0012420; ebenso Stefula/Thunhart aaO). Es wird der „Nachweis der Ausschließlichkeit des irrigen Beweggrunds“ gefordert; zumindest darf kein anderes wesentliches Motiv – als nicht ausschließbar – übrig bleiben (RS0012420 [T3]). Die Beweislast trifft dabei denjenigen, der die Wirksamkeit der Verfügung bekämpft (RS0012443).

All dies gilt auch für unentgeltliche Zuwendungen unter Lebenden (RS0012446; 4 Ob 606/88). Daran hat sich durch die Neufassung des § 572 ABGB im Zuge des ErbRÄG 2015 nichts geändert. Vielmehr verweisen die Gesetzesmaterialien darauf, dass einfache Kausalität [weiterhin] nicht genügen soll (RV 688 BlgNR 25. GP 9; vgl auch Fischer-Czermak/Pierer aaO).

2.2 Das Berufungsgericht hat dem Kläger entgegengehalten, dass er den Übergabsvertrag nicht nur
– wie von ihm behauptet – abschloss, um der Beklagten den weiteren Verbleib im Elternhaus zu ermöglichen, sondern dass ihm nach den (von seinem eigenen Wunschsachverhalt gedeckten) Feststellungen wesentlich war, wenigstens jenen Betrag zurückzuerhalten, den er selbst in die Liegenschaft hineingesteckt hatte. Dieses weitere, vom Kläger angestrebte und tatsächlich erreichte, wesentliche Motiv stehe – so das Berufungsgericht – einer Anfechtbarkeit entgegen.

2.3 Gegen diese Rechtsansicht der zweiten Instanz wendet der Kläger bloß ein, es handle sich „nicht um zwei selbständige, unabhängig voneinander kausal wirkende Umstände, sondern um ein einheitliches Motiv“, „die Abgeltungswirkung [sei] richtiger Weise die Folge und der bloße Reflex des Umstands, dass der leistbare Betrag eben in dieser Höhe“ liege.

Dem kann nicht beigetreten werden. Nach den Feststellungen wendete sich der Kläger fünf Jahre nach der Ehescheidung an den Notar, um die vermögensrechtlichen Angelegenheiten betreffend der Liegenschaft zu regeln, nachdem bereits im Scheidungsvergleich die Ehewohnung der Beklagten zugewiesen worden war, allerdings ohne das Miteigentum der Parteien an der Liegenschaft aufzuheben. Um der Beklagten die Liegenschaft als Wohnmöglichkeit zu belassen, hätte es genügt, die bisherige Regelung beizubehalten. Stattdessen wollte der Kläger im Jahr 2015 für seine Investitionen in die Liegenschaft abgefunden werden. Es kann daher keine Rede davon sein, dass „einzig und alleiniges“ Motiv für das Geschäft gewesen wäre, der Beklagten ihr Elternhaus als Wohnsitz zu erhalten.

3.1 Im Übrigen vertritt der Kläger die Ansicht, er sei einem in der Person des Vertragspartners liegenden Geschäftsirrtum (§ 873 ABGB) unterlegen, weil aufgrund der mangelnden Leistungsfähigkeit der Beklagten anstelle einer entgeltlichen Übertragung zum Verkehrswert eine gemischte Schenkung habe vereinbart werden müssen. Diese Vorstellung habe sich schon „kurz darauf“ als unrichtig herausgestellt, weil die gesamte Liegenschaft von der Beklagten zum Verkehrswert weiterverkauft worden sei.

3.2 Allerdings bezog sich eine allfällige Fehlvorstellung des Klägers weder auf die Identität noch auf eine Eigenschaft der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sondern bestenfalls auf eine zukünftige Entwicklung (Weiterveräußerung der Liegenschaft durch die Beklagte knapp zwei Jahre nach Abschluss des Übergabsvertrags). Ein Irrtum über Zukünftiges ist in aller Regel nicht als Geschäftsirrtum im engeren Sinn, sondern
– wie hier – als unbeachtlicher Motivirrtum einzustufen (RS0014913 [T4]; zuletzt etwa 6 Ob 55/19k).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist auch in diesem Punkt nicht korrekturbedürftig.

4. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, die die Revision zulässig machen würde, aufzuzeigen. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

5. Über das vom Kläger in erster Instanz noch erhobene Zahlungsbegehren von 50.000 EUR sA traf das Erstgericht keine Entscheidung. Das Berufungsgericht wies zutreffend darauf hin, dass sich der Kläger gegen das Unterbleiben einer Entscheidung über diesen Teil seines Begehrens weder mit Berufung noch mit Berichtigungs- oder Ergänzungsantrag zur Wehr setzte. Damit ist dieser Teil des Begehrens aus dem Verfahren ausgeschieden (RS0041490). Da es nicht mehr möglich ist, diese Entscheidung nachzutragen (RS0042365 [T4]; RS0041490 [T7]), kommt die vom Kläger in der Revision angestrebte Urteilsberichtigung nicht in Betracht (9 ObA 96/09x).

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]). Der Ansatz nach TP 3C RATG bei einem Streitwert von 50.000 EUR beträgt allerdings 1.240,10 EUR.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00076.19P.0829.000

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