OGH vom 30.07.2007, 8Ob76/07w

OGH vom 30.07.2007, 8Ob76/07w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A*****, vertreten durch Zauner & Mühlböck Rechtsanwälte KEG in Linz, wider die beklagte Partei Dr. G*****, als Masseverwalter im Konkurs des T*****, vertreten durch Grassner Lenz Thewagner & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung (Revisionsinteresse 793,76 EUR), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 46/07a-11, womit über Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom , GZ 3 Cg 34/06k-7, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit 266,69 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 44,45 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Verein „T***** (in der Folge: Verein) wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L***** vom behördlich aufgelöst. Mit Bescheid vom wurde der Kläger zum Abwickler des Vereins bestellt. Mit Beschluss des Landesgerichts Steyr vom wurde über Antrag des Klägers das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt.

Der Kläger hatte vor Konkurseröffnung für die Liquidation des aufgelösten Vereins ein Bankkonto eingerichtet. Auf dieses Konto gingen offene Forderungen des Vereins ein. Der Beklagte löste das Konto am auf. Ein Realisat von 793,76 EUR wurde auf das Massekonto, das derzeit einen Guthabenstand von 6.090,24 EUR aufweist, überwiesen.

Über Antrag des Klägers wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L***** vom festgestellt, dass dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz der Barauslagen und einer angemessenen Vergütung im Ausmaß von 40.042,51 EUR zustehe. Diesen Betrag meldete der Kläger im Konkurs des Vereins an. Bei der Prüfungstagsatzung am schränkte er seine Forderung auf 28.778,71 EUR ein. In dieser Höhe wurde die Konkursforderung vom Beklagten anerkannt.

Der Bescheid vom der Bezirkshauptmannschaft L*****, mit welchem der Kostenersatzanspruch des Klägers festgestellt wurde, wurde mit Bescheid der Sicherheitsdirektion ***** vom gemäß § 68 Abs 4 AVG als nichtig aufgehoben. Die vom Kläger dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesministerium für Inneres als unzulässig zurückgewiesen. Gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für ***** vom erhob der Kläger eine Beschwerde, die vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom als unbegründet abgewiesen wurde.

Mit seinem Hauptbegehren begehrt der Kläger die Feststellung, dass ihm zugunsten seiner im Konkurs festgestellten Forderung ein Pfandrecht am gesamten Vermögen des Gemeinschuldners, insbesondere am Guthaben des Massekontos, zustehe. Das Eventualbegehren des Klägers lautet auf Feststellung, dass er zugunsten seiner im Konkurs festgestellten Forderung ein Pfandrecht an dem Massekontoguthaben von 793,76 EUR habe. Der Kläger bringt vor, dass ihm als Abwickler des Vereins Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Barauslagen und auf angemessene Vergütung zustehe. Gemäß § 30 Abs 3 VerG 2002 stehe dem Abwickler auf sein Verlangen ein nach Maßgabe des vorhandenen Vereinsvemögens vorrangig zu befriedigender Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Barauslagen und auf angemessene Vergütung seiner Tätigkeit zu. Dabei handle es sich um ein gesetzliches Pfandrecht, das den Kläger zur Absonderung des vorhandenen Kontoguthabens berechtige. Der Vergütungsanspruch des Abwicklers nach dem VerG sei ein öffentlich-rechtlicher Anspruch. Dem Kläger stehe der auch als Konkursforderung festgestellte Betrag von 28.778,71 EUR zu, der aus dem Vereinsvermögen gemäß der ausdrücklichen Anordnung des § 30 Abs 3 VerG vorrangig zu befriedigen sei. Jedenfalls beziehe sich das Pfandrecht des Klägers auf jenes Guthaben, das zum Zeitpunkt der Auflösung des Kontos durch den Masseverwalter bestanden habe.

Der Beklagte wendet ein, dass aus § 30 Abs 3 VerG kein gesetzliches Pfandrecht abzuleiten sei. Der Abwickler habe lediglich einen vorrangig zu befriedigenden Anspruch auf Ersatz seiner Barauslagen und auf angemessene Vergütung. Aufgrund des Spezialitätsgrundsatzes könne eine Gesamtsache nicht Gegenstand eines Pfandrechts sein.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- wie auch das Eventualbegehren ab. Es erachtete rechtlich, dass § 30 Abs 3 VerG kein gesetzliches Pfandrecht des Abwicklers beinhalte: Das österreichische Pfandrecht beruhe seit dem 18. Jahrhundert auf dem Grundsatz der Spezialität. Dieser Grundsatz besage zweierlei: Es könne nur eine bestimmte Sache zum Pfand bestellt werden; andererseits könne nicht einem bestimmten Gläubiger dadurch eine bevorzugte Stellung eingeräumt werden, dass allen seinen Forderungen eine Befriedigungsmöglichkeit vor den anderen Gläubigern zugestanden werde. Es sei auszuschließen, dass der Gesetzgeber mit der möglicherweise verunglückten Bestimmung des § 30 Abs 3 VerG diese Grundsätze der österreichischen Rechtsordnung habe umstoßen wollen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Auslegung des § 30 Abs 3 VerG Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle. Inhaltlich billigte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung des Erstgerichtes.

Die vom Kläger nur gegen die Abweisung des Eventualbegehrens erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Verein wurde nicht freiwillig nach § 28 Abs 1 VerG, sondern durch Bescheid der Behörde gemäß § 29 Abs 1 VerG aufgelöst. Daraus resultiert auch, dass der Kläger durch die Behörde (§ 29 Abs 4 VerG) zum Abwickler bestellt wurde.

§ 30 VerG regelt die Abwicklung und Nachabwicklung des aufgelösten Vereins, der gemäß § 30 Abs 1 VerG durch den Abwickler vertreten wird. Der Abwickler hat gemäß § 30 Abs 2 VerG das Vereinsvermögen zu verwalten und zu verwerten. Er hat die noch laufenden Geschäfte zu beenden, Forderungen des Vereins einzuziehen und Gläubiger des Vereins zu befriedigen. Das verbleibende Vermögen ist, soweit dies möglich und erlaubt ist, dem in den Statuten bestimmten Zweck oder verwandten Zwecken, sonst Zwecken der Sozialhilfe, zuzuführen. An die Vereinsmitglieder darf im Fall der freiwilligen Auflösung eines Vereins verbleibendes Vermögen aufgrund einer entsprechenden Bestimmung in den Statuten soweit verteilt werden, als es den Wert der von den Mitgliedern geleisteten Einlagen nicht übersteigt. Gemäß § 30 Abs 3 VerG hat ein von der Vereinsbehörde bestellter Abwickler auf sein Verlangen einen nach Maßgabe des vorhandenen Vereinsvermögens vorrangig zu befriedigenden Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen Barauslagen und auf angemessene Vergütung seiner Tätigkeit. Die ErläutRV zu § 30 VerG halten in diesem Zusammenhang fest, dass der Entwurf mit Abs 3 versuche, die offene Frage des Aufwandersatzes für einen behördlich bestellten Abwickler einer pragmatischen Lösung zuzuführen, indem diesem ein verzichtbarer Anspruch auf Ersatz der notwendigen Barauslagen und auf angemessene Vergütung der Tätigkeit eingeräumt wird, der einerseits nur nach Maßgabe vorhandenen Vereinsvermögens, andererseits dafür vorrangig zu befriedigen ist. Dies soll die Bereitschaft geeigneter Personen zur Übernahme dieser Funktion und ihr Engagement im Interesse eines möglichst alle Betroffenen zufriedenstellenden Ergebnisses fördern, ohne die öffentliche Hand unmittelbar zu belasten.

Sowohl aus der Textierung des § 30 Abs 3 VerG als auch aus den zitierten Aussagen der ErläutRV ergibt sich zunächst, dass dem Abwickler, auch wenn er von der Vereinsbehörde bestellt wurde, ein vermögensrechtlicher Anspruch nur gegenüber dem Verein zusteht, der privatrechtlicher Natur ist (VwGH 2006/05/0246; Krejci/S. Bydlinski/Rauscher/Weber-Schallauer, VerG 2002, § 30 Rz 48). Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, dass § 30 Abs 3 VerG kein gesetzliches Pfandrecht des Abwicklers statuiert: Die Bejahung eines gesetzlichen Pfandrechtes scheitert nicht nur an einer entsprechenden ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, sondern vor allem - worauf die Vorinstanzen zutreffend verwiesen - daran, dass Gegenstand des Pfandrechtes nur schon bestehende körperliche Sachen oder zumindest betagt oder bedingt existierende Forderungen sein können, das Pfandrecht sich somit nur auf individuell bestimmte Einzelsachen erstrecken kann. Wegen des im Pfandrecht geltenden Spezialitätsprinzips kann ein Pfandrecht „am Vermögen" nicht begründet werden (Hofmann in Rummel³ § 448 ABGB Rz 2 f mwN). Der Verweis in der Revision auf die Durchbrechung dieses Grundsatzes bei bestimmten gesetzlichen Pfandrechten zugunsten der öffentlichen Hand versagt schon deshalb, weil es hier nicht nur an der Gläubigerstellung der „öffentlichen Hand", sondern vor allem an der ausdrücklichen Normierung eines gesetzlichen Pfandrechts (vgl dazu Lecher in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, §§ 216, 217 Rz 23, 3 Ob 172/99m) fehlt. Ein gesetzliches Pfandrecht wird zwar dem Gläubiger gewährt, ohne dass es eines weiteren Begründungsaktes bedarf. Das Gesetz ersetzt Titel und Modus. Voraussetzung ist jedoch, dass das Gesetz ein solches gesetzliches Pfandrecht ausdrücklich einräumt (Schulyok in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 48 KO Rz 17 mwN).

Bereits aus diesem Grund sind sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren abzuweisen, die beide ausdrücklich auf die Feststellung eines gesetzlichen Pfandrechts zugunsten des Klägers abstellen.

Die in der Revision angestellten Überlegungen, dass bei Verneinung eines gesetzlichen Pfandrechtes zugunsten des Abwicklers die Bestimmung des § 30 Abs 3 VerG „sinnentleert" wäre, ist nicht zu teilen: § 30 Abs 3 VerG ist vielmehr - vergleichbar etwa § 154 Abs 2 AußStrG - eine vorrangige Verteilungsanordnung zu entnehmen, die außerhalb des Konkurses (für welchen § 30 VerG nicht gilt - vgl Krejci/S. Bydlinski/Rauscher/WeberSchallauer, VerG 2002, § 30 Rz 17 mH auf die vergleichbare Situation bei der GmbH) durchaus Sinn macht. Ob und unter welchen Voraussetzungen der Entlohnungsanspruch des Abwicklers als Masseforderung anzusehen ist (vgl zur Einordnung der Belohnungsansprüche von Verlassenschaftskuratoren, Notgeschäftsführern und Sachwaltern RIS-Justiz RS0013042), bedarf keiner Prüfung, weil sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ausschließlich auf die Feststellung eines gesetzlichen Pfandrechts gerichtet sind.

Gegen die Regelung des § 30 Abs 3 VerG bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken: Bereits das Berufungsgericht hat zutreffend - und von der Revision nicht mehr bezweifelt - darauf verwiesen, dass der Kläger nicht zur „unentgeltlichen Zwangsarbeit" verpflichtet wurde. Dem Abwickler, der nur bestellt werden kann, wenn er mit der Übernahme dieser Funktion einverstanden ist, (Krecji/S. Bydlinski/Rauscher/Weber-Schallauer, VerG 2002, § 30 Rz 25) steht dem Grunde nach ein Entlohnungsanspruch zu. Es ist nur eine Frage des Umfangs der Befriedigung, inwiefern die Forderung des Abwicklers bei der Verteilung zu berücksichtigen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.