VfGH vom 28.02.1986, B683/83
Sammlungsnummer
10758
Leitsatz
AußenhandelsG 1968; hinlängliche Bestimmtheit der Befristungsregelung in § 9 Abs 2 iVm. Abs 1; vom Antrag erheblich abweichende Befristung der Ausfuhrbewilligung gemäß § 9 ohne Begründung - Willkür; Verletzung im Gleichheitsrecht
Spruch
Die bf. Partei ist durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Die Bescheide werden aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Die bf. Gesellschaft begehrte vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft unter Verwendung des gemäß § 9 Abs 1 des AußenhandelsG 1968, BGBl. 314, (in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung der Nov. BGBl. 401/1974; im folgenden: AußenhandelsG 1968) vorgeschriebenen Antragsformulars drei Bewilligungen zur Ausfuhr von je 200000 Stück lebender Suppenhühner und gab unter "Liefertermin" jeweils den Zeitraum September bis Dezember 1983 an. Der Bundesminister erteilte mit drei durch Stampiglienabdrucke ohne Begründung ausgefertigten Bescheiden vom die Ausfuhrbewilligungen und befristete deren Gültigkeit mit .
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die bf. Partei die Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung sowie eine Verletzung des Gleichheitsrechtes behauptet und die Bescheidaufhebung begehrt.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. Die bf. Gesellschaft behauptet einerseits, daß der von der bel. Beh. bei der Befristung der erteilten Bewilligung herangezogene erste Satz des Abs 2 im § 9 AußenhandelsG 1968 verfassungswidrig sei. Sie bringt dazu - sinngemäß auf das Wesentliche zusammengefaßt - vor, daß die Regelung gegen das Prinzip der zureichenden Vorausbestimmung des Verwaltungshandelns durch das Gesetz verstoße, weil Grundsätze für die Befristung nicht festgelegt seien; solche seien auch iZm. dem die Bewilligungsvoraussetzungen enthaltenden § 8 nicht erkennbar.
Der VfGH teilt dieses Bedenken jedoch nicht.
Die ersten beiden Abs. im § 9 AußenhandelsG 1968 haben folgenden Wortlaut:
"(1) Anträge auf Erteilung von Aus- und Einfuhrbewilligungen sind schriftlich unter Verwendung der hiefür amtlich aufzulegenden Formulare einzubringen. Der Antrag hat alle für eine Beurteilung des Rechtsgeschäftes oder der Handlung, die eine Aus- oder Einfuhr von Waren zum Gegenstand haben, erforderlichen Angaben zu enthalten, insbesondere Name und Sitz beziehungsweise Wohnsitz des Antragstellers, Warenbezeichnung mit Mengen- und Wertangabe, Tarifnummer des Zolltarifs, Ursprungsland, Liefer- oder Abnehmerland (das ist jenes Land, in dem der Vertragspartner des Antragstellers seinen Sitz beziehungsweise Wohnsitz hat; fehlt ein Vertragspartner, gilt als Liefer- oder Abnehmerland jenes Land, in dem die Ware zum erstenmal mit der Bestimmung nach Österreich aufgegeben wurde beziehungsweise nach dem die Ware von Österreich direkt zum Versand gebracht wird), Bestimmungsland, Zahlungsart, Zahlungs- und Liefertermin, Name und Sitz beziehungsweise Wohnsitz des Vertragspartners sowie die Unterschrift des Antragstellers. Dem Antrag sind geeignete Nachweise anzuschließen.
(2) Die Bewilligungen sind zeitlich zu befristen und nicht übertragbar. Der Importeur laut Einfuhrbewilligung muß mit dem Warenempfänger im Sinne der zollgesetzlichen Vorschriften ident sein."
Aus dem Zusammenhalt der wiedergegebenen Absätze ergibt sich zwanglos, daß die Befristung den Zweck hat, den Konnex zwischen der Bewilligung und dem ihr zugrunde liegenden Rechtsgeschäft bei der Abwicklung sicherzustellen; die Frist ist mithin so zu bemessen, daß das im Antrag und demnach auch in der Bewilligung näher beschriebene Ein- oder Ausfuhrgeschäft in der dargestellten Weise abgewickelt und die Bewilligung nicht etwa hievon abweichend benützt werden kann. Im Hinblick auf diesen Zusammenhang zwischen Bewilligungsinhalt und Befristung zweifelt der VfGH nicht daran, daß das behördliche Handeln durch die betrachtete Regelung ausreichend determiniert ist und auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann (s. zB VfSlg. 7907/1976).
2. Andererseits macht die Bf. eine Verletzung des Gleichheitsrechtes geltend, welche nach der Lage dieses Beschwerdefalles gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 9474/1982) nur gegeben wäre, wenn die bel. Beh. bei der Bescheiderlassung Willkür geübt hätte. Der in diese Richtung zielende Beschwerdevorwurf ist, wie die folgenden Ausführungen zeigen, berechtigt.
Da die Bf. - wie oben schon erwähnt wurde - in den Antragsformularen unter "Liefertermin" jeweils den Zeitraum September bis Dezember 1983 angab, hätte nur eine solche Befristung der (am durch unmittelbare Ausfolgung der Bescheide) erteilten Bewilligungen dem Parteibegehren entsprochen, die die Lieferungen bis zum Ende dieses Zeitraums zugelassen hätte. Die tatsächlich vorgenommene Setzung einer wesentlich, nämlich um zwei Monate kürzeren Frist bis wich in einem erheblichen Maß von den Anträgen der bf. Gesellschaft ab. Im Hinblick auf die in den §§58 Abs 2, 60 AVG 1950 festgelegte Begründungspflicht wäre die bel. Beh. gehalten gewesen, den Grund ihres Vorgehens in der Bescheidbegründung sowohl in sachverhaltsmäßiger als auch in rechtlicher Hinsicht darzulegen. Sie verabsäumte jedoch nicht nur diese verfahrensrechtliche Pflicht, sondern unterließ es darüber hinaus schlechthin, der Einschreiterin gegenüber auch nur anzudeuten, in welchen Umständen die Ursache ihres Vorgehens erblickt werden könnte.
Die eben aufgezeigte krasse Mangelhaftigkeit der Bescheide kann auch weder dadurch beseitigt werden, daß - wie die bel. Beh. vorbringt - ihr Vorgehen gegenüber einer Angestellten der bf. Gesellschaft anläßlich der Ausfolgung der Bescheide "sinngemäß begründet" wurde, noch dadurch, daß sie ihre Motivation in der Gegenschrift darlegte.
Im Erk. VfSlg. 10057/1984 (das aufgrund einer Beschwerde derselben Bf. erging) nahm der VfGH mit Beziehung auf seine Vorjudikatur unter dem Aspekt einer Gleichheitsverletzung infolge Willkür der entscheidenden Behörde den Standpunkt ein, daß eine in die Verfassungssphäre reichende Mangelhaftigkeit dann vorliegt, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen kein Begründungswert zukommt. Nach Ansicht des Gerichtshofs, der auf diesem Standpunkt bleibt, gilt dies umsomehr im hier gegebenen Fall, daß die Behörde einen besonders wichtigen Teil ihrer Entscheidung der Partei gegenüber begründungslos trifft. Ein solcher Fehler wiegt nicht weniger schwer als das vom Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Gleichheitsgebot (zB VfSlg. 9660/1983) als gravierend gewertete Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt.
Die angefochtenen Bescheide waren sohin wegen der Verletzung des Gleichheitsrechtes aufzuheben.