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OGH vom 19.05.2009, 8ObA85/08w

OGH vom 19.05.2009, 8ObA85/08w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Georg Eberl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Klaus M*****, vertreten durch Dr. Hans Jalovetz und Dr. Paul Wachschütz, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei Ferdinand S*****, vertreten durch Dr. Wolf Günter Auer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 2.074,21 EUR brutto und 40 EUR netto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 72/08z-12, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 31 Cga 10/08m-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 371,52 EUR (darin enthalten 61,92 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe :

Der Kläger war ab im beklagten Holzbauunternehmen als Dachdecker beschäftigt. Im Unternehmen des Beklagten war vom 16. 7. bis Betriebsurlaub vorgesehen und dementsprechend der Werkstättenbetrieb für 24 Werktage geschlossen. In dieser Zeit konsumierte der Kläger aufgrund dieses Betriebsurlaubs einerseits seinen offenen Urlaubsanspruch von elf Tagen, der nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) abgerechnet wurde, sowie weitere 13 Tage. Am endete das Dienstverhältnis. Im Zuge der Abrechnung nahm der Beklagte eine „Aufrollung" vor. Er zog von den Ansprüchen des Klägers für die Monate Juli und August 2.074,21 EUR netto mit der Begründung ab, dass der Kläger mit noch keinen neuen Urlaubsanspruch habe. Er behielt den Differenzbetrag von 2.074,21 EUR von dem dem Kläger zustehenden Nettolohn für September und Oktober 2007 ein.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger den restlichen ausständigen Lohn von 2.074,21 EUR brutto samt einem pauschalen Schadenersatz von 40 EUR netto. Er stützt dies darauf, dass er nicht verpflichtet sei, den über das aliquote Ausmaß hinaus konsumierten Urlaub rückzuerstatten. Dies ergebe sich auch aus § 10 Abs 1 UrlG.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet im Wesentlichen ein, dass er zur „Aufrollung und Rückverrechnung" berechtigt sei. Die Bestimmungen des Urlaubsgesetzes seien hier nicht anzuwenden. Die Beendigung des Dienstverhältnisses sei im Zeitpunkt der Urlaubskonsumation noch nicht vorhersehbar gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass das Urlaubsgesetz hier nicht anzuwenden sei. Nach § 4 des BUAG bestehe aber kein Anspruch auf Urlaubsersatzleistung. Deshalb sei der Abzug des zu viel verbrauchten Entgelts für 13 Tage Urlaub zu Recht erfolgt. Allfällige Ansprüche müsse der Kläger gegen die Urlaubs- und Abfertigungskasse geltend machen. Nicht entscheidend sei, ob das Arbeitsverhältnis durch einvernehmliche Auflösung oder Arbeitgeberkündigung geendet habe.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte es im klagsstattgebenden Sinne ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass das BUAG anzuwenden sei und dementsprechend das Urlaubsgesetz nicht zur Anwendung komme. Eine Regelung für einen Urlaubsvorgriff finde sich in den Bestimmungen des BUAG nicht. Im Allgemeinen solle durch den Urlaubsvorgriff dem Arbeitnehmer die Gelegenheit gegeben werden, einen Teil des eben erst später gebührenden Urlaubs vorweg zu verbrauchen, ohne dass er dabei insgesamt mehr an Urlaubsanspruch erhalten solle. Die Verpflichtung zur Bezahlung des Urlaubsentgelts entstehe unmittelbar aus der Vereinbarung über die Möglichkeit des Urlaubskonsums. Im System des BUAG habe der Arbeitgeber an die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse einen Zuschlag zum Lohn zu leisten. Diese zahle dann dem Arbeitnehmer nach Erfüllung der Anwartschaften für die Zeit des Urlaubs ein Urlaubsentgelt bestehend aus dem Urlaubsgeld zuzüglich Urlaubszuschuss. Auf den Urlaubsvorgriff könne dieses System nicht angewendet werden. Die hier getroffene Urlaubsvereinbarung für die Zeit des Betriebsurlaubs begünstige nicht nur den Kläger, sondern auch den Beklagten, der ja in dieser Zeit seine Werkstätte geschlossen gehalten und damit auch gar keine Verwendung für den Kläger gehabt habe. In den Vorentscheidungen 14 Ob 10/86 und 9 ObA 235/00z habe aber der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass ohne besondere Vereinbarung bei einem Urlaubsvorgriff kein Recht zur Rückverrechnung des bereits ausbezahlten Urlaubsentgelts bestehe. Dies sei auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden, und zwar unabhängig davon, dass hier die Bestimmungen des BUAG zur Anwendung gelangten. Hier sei es nach dem übereinstimmenden Vorbringen im Berufungsverfahren unstrittig zu einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses gekommen, ohne dass dabei auch eine Vereinbarung über die Rückforderung bzw Rückverrechnung des Urlaubsanspruchs zustandegekommen sei. Ausgehend davon, dass die Rückverrechnung unberechtigt erfolgt sei, gab das Berufungsgericht dem Klagebegehren statt.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Behandlung eines Urlaubsvorgriffs im Rahmen eines dem BUAG unterliegenden Arbeitsverhältnisses nicht vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, es im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise beantragt er die Abweisung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach dem hier unstrittig anzuwendenden BUAG entsteht der Anspruch auf Urlaub nach 26 Anwartschaftswochen im halben Ausmaß und in weiterer Folge jeweils im Verhältnis zu den in der Anwartschaftsperiode bereits zurückgelegten Beschäftigungswochen (§ 4 Abs 1a BUAG). Insgesamt steht nach einer Beschäftigungszeit von jeweils 47 Anwartschaftswochen dem Arbeitnehmer ein Urlaub von 30 Werktagen zu, wobei sich dieser Anspruch auf 36 Werktage erhöht, wenn bereits Beschäftigungszeiten von mindestens 1150 Anwartschaftswochen erreicht wurden (Abs 1 leg cit).

Der Urlaubsverbrauch kann grundsätzlich nur während des Bestands eines Arbeitsverhältnisses stattfinden und muss zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter Rücksichtnahme auf die Erfordernisse des Betriebs sowie die Erholungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers so vereinbart werden, dass der Urlaub im Ausmaß des entstandenen Anspruchs ab der 27. Anwartschaftswoche, jedenfalls aber innerhalb der auf die Anwartschaftsperiode folgenden weiteren 47 Anwartschaftswochen verbraucht werden kann (§ 7 Abs 2 BUAG). Dem Arbeitnehmer gebührt dann zufolge § 8 BUAG bei Antritt des Urlaubs ein Urlaubsentgelt bestehend aus dem Urlaubsgeld zuzüglich Urlaubszuschuss, das den in der Anwartschaftsperiode erworbenen Anwartschaften und der Dauer des Urlaubs entspricht. Der Anspruch auf das Urlaubsentgelt richtet sich gegen die Urlaubs- und Abfertigungskasse (§ 8 Abs 1 BUAG), jedoch hat der Arbeitgeber zeitgerecht um eine Überweisung des Urlaubsentgelts einzureichen (§ 8 Abs 2 BUAG).

Zutreffend hat nun bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass in diesem System ein Urlaubsvorgriff nicht vorgesehen ist. Die Vereinbarung eines „Urlaubes", der nicht durch das BUAG abgedeckt ist, um hier die darüber hinausgehenden Zeiten eines Betriebsurlaubs abzudecken, kann daher im Wesentlichen nur als freiwillige vertragliche Vereinbarung über die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung des Entgelts angesehen werden, bei der die Vertragsparteien offensichtlich auch beabsichtigen, dass dieser „Urlaub" auf spätere nach dem BUAG entstandene Urlaubsansprüche „angerechnet" werden soll. Inwieweit dies zulässig ist, bedarf hier keiner weiteren Erörterung. Ebensowenig stellt sich die Frage, inwieweit die Parteien vereinbaren können, dass der Arbeitnehmer für den Fall, dass eine derartige „Anrechnung" nicht mehr in Betracht kommt, weil das Arbeitsverhältnis vor dem Entstehen weiterer Urlaubsansprüche endet, das für die Zeit des „Urlaubes" geleistete Entgelt wieder zurückzuzahlen hat, wurde doch eine solche Vereinbarung weder behauptet noch nachgewiesen. Aus dem gleichen Grund stellt sich auch nicht die Frage, inwieweit im Rahmen des BUAG fortzuschreibende oder später abzufindende Ansprüche hier anzurechnen wären.

Die Leistung des „Urlaubsentgeltes" (Entgeltfortzahlung während des Betriebsurlaubs) beruhte hier also auf einer vertraglichen Vereinbarung, die keine Rückverrechnung festgelegt hat. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass hier diese Grundlage für die Leistung - die vertragliche Vereinbarung - weggefallen wäre und dies einen Kondiktionsanspruch nach § 1435 ABGB rechtfertigte. Gründe für den Wegfall der vertraglichen Vereinbarung wurden nicht geltend gemacht. So ist auch weder ersichtlich, dass eine auflösende Bedingung eingetreten oder eine vertraglich festgelegte Leistung unmöglich geworden wäre (Rummel in Rummel ABGB3 § 1435 Rz 2; Koziol in KBB2 § 1435 Rz 2). Vergleichbar hat der Oberste Gerichtshof bereits in den Vorentscheidungen zu 14 Ob 10/86 (ZAS 1987, 88 [Tomandl], Arb 10.536) und 9 ObA 235/00z (= SZ 73/178) - wenngleich zum Urlaubsgesetz - festgehalten, dass die Grundlage für die Leistung des Urlaubsentgelts ja schon in der Vereinbarung des Urlaubskonsums liegt (in diesem Sinne wohl auch Mader in Schwimann ABGB3 § 1435 Rz 7).

Nun fehlt es zwar hier an einer Anwendbarkeit des Urlaubsgesetzes, jedoch liegt die Grundlage für die Leistung des „Urlaubsentgelts" eben in der aufrechten vertraglichen Vereinbarung. In dieser Vereinbarung wurde nicht festgelegt, dass das „Urlaubsentgelt" nur ein rückzuzahlender „Vorschuss" wäre. Der Grund für die vertragliche Vereinbarung lag hier auch nicht ausschließlich in der Erwartung eines späteren Entstehens der Urlaubsansprüche, sondern in dem Betriebsurlaub. Daher könnte hier wohl auch nicht von einem - im Übrigen gar nicht geltend gemachten - Wegfall der Geschäftsgrundlage ausgegangen werden (vgl Rummel aaO § 1435 Rz 3 f; Mader aaO § 1435 Rz 22 ff; Koziol aaO § 1435 Rz 2; RIS-Justiz RS0017615 mwN).

Schon deshalb kann jedenfalls bei einer letztlich einvernehmlichen Auflösung auch hier mangels vorhergehender Vereinbarungen eine Rückverrechnung nicht vorgenommen werden.

Dementsprechend war der Revision des Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 AGG, 50 und 41 ZPO.