OGH vom 22.08.2012, 9ObA66/12i

OGH vom 22.08.2012, 9ObA66/12i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Dr. Peter Schnöller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** S*****, vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wider die beklagte Partei I.***** GmbH, *****, vertreten durch Bruckmüller Zeitler, Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 779,34 EUR brutto sA (Revisionsinteresse: 237,60 EUR brutto sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Ra 10/12f 17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger zeigt zur Ansicht des Berufungsgerichts, dass ihm für die Dauer seiner Säumnis, der Beklagten eine vollständige Krankenbestätigung vorzulegen, keine Entgeltfortzahlungsansprüche zustehen, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Der Arbeitnehmer ist gemäß § 4 Abs 1 EFZG verpflichtet, ohne Verzug die Arbeitsverhinderung dem Arbeitnehmer bekannt zu geben und auf Verlangen des Arbeitgebers, das nach angemessener Zeit wiederholt werden kann, eine Bestätigung des zuständigen Krankenversicherungsträgers oder eines Gemeindearztes über Beginn, voraussichtliche Dauer und Ursache der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Kommt der Arbeitnehmer einer dieser Verpflichtungen nicht nach, so verliert er gemäß § 4 Abs 4 EFZG für die Dauer der Säumnis den Anspruch auf Entgelt.

Nach der Rechtsprechung kann der Arbeitnehmer grundsätzlich den Angaben und Empfehlungen seines Arztes vertrauen, sofern ihm nicht deren Unrichtigkeit bekannt ist oder bekannt sein muss. Wie etwa zu 9 ObA 97/10w ausgeführt wurde, gilt dieser Maßstab nicht nur für die Krankschreibung als solche, sondern auch für die ärztliche Beurteilung der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit, und zwar sowohl für deren Bemessung als auch für die im Einzelfall allenfalls bestehende Unmöglichkeit einer diesbezüglichen Angabe.

Im vorliegenden Fall übermittelte der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis zur Beklagten am zum gekündigt worden war, und der sich ab im Krankenstand befand, über deren Aufforderung eine Krankenbestätigung, in der die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht angegeben war. Über Ersuchen der Beklagten um Zusendung einer vollständigen Bestätigung teilte ihr der Kläger mit, dass er sich am wieder beim Arzt und sodann bei der Beklagten melden werde. Am wurde er per Mail erneut zur Vorlage einer korrekten Krankenbestätigung bis „Montagmittag“ (= ) aufgefordert. Der Kläger, der am 4., 7. und 11. März bei seinem Arzt war, besprach mit ihm das fehlende Datum in der Rubrik Krankenstandsdauer. Dieser wies darauf hin, dass er das „immer so mache“, vermerkte jedoch am auf der Bestätigung als Wiederbestellungstermin den . Der Kläger suchte die Beklagte erst am auf und übergab ihr eine Arztbestätigung, in der der letzte Tag der Arbeitsunfähigkeit mit festgehalten war.

Auch wenn nach der genannten Rechtsprechung das Vertrauen des Arbeitnehmers in die Richtigkeit der ärztlichen Bestätigung geschützt ist und ihn daher bei einer vom Arzt nicht abschätzbaren Dauer der Arbeitsunfähigkeit keine Pflicht zu einer näheren Konkretisierung der Dauer treffen kann, so ist die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger die Beklagte nach deren wiederholter Urgenz zumindest über das Wiederbestelldatum zu informieren gehabt hätte, nach der Lage des Falls vertretbar. Zu bedenken ist nämlich, dass die Beklagte die zunächst vorgelegte Krankenbestätigung als unzureichend erachtet hatte, der Kläger ihr daraufhin für den eine weitere Mitteilung zusagte, eine solche jedoch weder nach seinem Arztbesuch am 4. März noch trotz neuerlicher Urgenz nach jenem am erfolgte, sodass der Beklagten bis keinerlei Eindruck über die voraussichtliche Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit oder die Unmöglichkeit einer diesbezüglichen Angabe vermittelt wurde. Darüber konnte der Kläger nach dem Geschehensablauf auch nicht im Unklaren sein.

Die vom Kläger bekämpfte Angemessenheit der von der Beklagten für den gesetzten Frist kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, begründet daher keine revisible Rechtsfrage. Da beide Streitteile wussten, dass der Kläger am wieder seinen Arzt aufsuchen würde und sie per E Mail verkehrten, ist aber auch nicht ersichtlich, warum der Kläger der Beklagten nicht bis eine Information über die Vorgangsweise des Arztes zur Dauer des Krankenstands hätte zukommen lassen können.

Es besteht auch kein Korrekturbedarf zu einem Entfall des Entgeltfortzahlungsanspruchs für die Dauer von vier Tagen, weil der Kläger zwar durch die Vorlage der ärztlichen Bestätigung am die „Dauer der Säumnis“ iSd § 4 Abs 4 EFZG beendete, diese aber aufgrund der bis „Montagmittag“ (= Mittag) gesetzten Frist bereits an jenem Tag eintrat. Eine stundenweise Berechnung des Entfalls eines Entgeltfortzahlungsanspruchs für den Tag des Beginns und des Endes der Säumnis scheidet schon aus Praktikabilitätserwägungen aus.

Die in der Revision aufgeworfene Frage, ob der Dienstgeber in Hinblick auf § 4 Abs 1 EFZG innerhalb einer Woche neuerlich die Übermittlung einer Krankenbestätigung verlangen dürfe, stellt sich nicht, weil die Beklagte mit ihren Urgenzen lediglich die Vervollständigung der ersten Bestätigung verlangt hatte.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.