OGH vom 04.05.1994, 9ObA63/94
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag.Kurt Resch und Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.Otto B*****, Magistratsbediensteter, ***** vertreten durch Dr.Gert Paulsen, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Landeshauptstadt Klagenfurt, vertreten durch den Bürgermeister Hofrat Leopold Guggenberger, Rathaus, 9010 Klagenfurt, vertreten durch Dr.Johann Quendler und Dr.Gerhard Kucher, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitwert S 730.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 11/93-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 31 Cga 163/92-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.690,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.281,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde von der Beklagten mit Dienstvertrag vom zunächst in ein befristetes und dann im Jänner 1973 in ein unbefristetes Vertragsbedienstetenverhältnis nach Maßgabe der Vorschrift über das Dienst- und Entlohnungsrecht der Vertragsbediensteten der Landeshauptstadt Klagenfurt (VBO 1948) übernommen. Künftige Änderungen der Vertragsbedienstetenordnung, die zur Einsichtnahme in der Magistratsdirektion - Personalamt auflag, sollten nach dem Dienstvertrag vom Tage des Inkrafttretens der Änderung an auch für dieses Dienstverhältnis gelten. Mit Schreiben des Bürgermeisters vom wurde dem Kläger mitgeteilt, daß er in Anerkennung und Würdigung seiner langjährigen Dienstleistungen nach § 26 der VBO 1948 mit Wirksamkeit vom in das unkündbare Dienstverhältnis übernommen werde. Der bestehende Dienstvertrag werde insofern abgeändert, als die Landeshauptstadt Klagenfurt auf das Kündigungsrecht gemäß § 21 Abs 2 lit h der VBO verzichte. Bisher stand die VBO 1948 in Geltung, die keinen Versetzungsschutz und auch kein Disziplinarverfahren, sondern die sofortige Lösung des Dienstverhältnisses bei Vorliegen eines Entlassungsgrundes nach § 23 VBO vorsah. Mit wurde vom Gemeinderat der Stadt Klagenfurt eine neue Vertragsbedienstetenordnung (VBO 1985) in Geltung gesetzt, die die VBO 1948 ablöste. Man wollte dadurch eine Annäherung der unkündbar gestellten Vertragsbediensteten an die Stellung der in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden pragmatisierten Beamten herbeiführen, wobei die Unkündbarstellung sich nicht nur auf den Kündigungsgrund des § 21 Abs 2 lit h der VBO 1948, sondern auf alle Kündigungsgründe bezog. Weiters wurde durch die VBO 1985 für die unkündbar gestellten Vertragsbediensteten ein Versetzungsschutz und ein Disziplinarrecht eingeführt, wonach der Ausspruch der fristlosen Entlassung an ein die Diszplinarstrafe der Entlassung verhängendes Erkenntnis der Disziplinarkommission gebunden war. Der Kläger war als Leiter des Schulamtes bis 1988 auch für den Abschluß von Verträgen mit Reinigungsfirmen zuständig. Im November 1988 sind im Rahmen des Dienstes begangene Unregelmäßigkeiten (Geschenkannahmen) des Klägers bekannt geworden. Nachdem er Ende November 1988 diesbezüglich ein Tatsachengeständnis gegenüber dem Magistratsdirektor abgelegt hatte, wurde er ab unter Wegfall der Zulagen vom Dienst suspendiert. Gleichzeitig wurde eine Disziplinaranzeige erstattet. Am wurde die Einleitung und gleichzeitig die Unterbrechung des Disziplinarverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluß eines strafgerichtlichen Verfahrens verfügt.Die Bezüge des Klägers wurden gemäß § 1 Abs 5 Z 2 VBO 1985 iV mit Abs 2 Stadtbeamtengesetz gekürzt. Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom wurde der Kläger schuldig erkannt, als Leiter des Schulamtes des Magistrates Klagenfurt das Vergehen der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs 1 und 2 StGB begangen zu haben. Er wurde zu einer Geldstrafe und zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Mit dem Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom war das Strafverfahren rechtskräftig beendet. Im Rechtsmittelverfahren wurde die bedingte Freiheitsstrafe herabgesetzt.
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß das mit ihm begründete Dienstverhältnis über den hinaus fortbestehe, wobei die beklagte Partei nicht berechtigt sei, die in der Vertragsbedienstetenordnung 1985 übernommenen disziplinarrechtlichen Bestimmungen in der jeweils geltenden Fassung des Stadtbeamtengesetzes auf das mit ihm bestehende Dienstverhältnis anzuwenden, insbesondere eine Suspendierung auszusprechen und damit verbundene Kürzungen der Bezüge des Klägers vorzunehmen. Er steht auf dem Standpunkt, daß er sich der VBO 1985, die das Disziplinarrecht neu eingeführt habe, weder ausdrücklich noch stillschweigend unterworfen habe und das Disziplinarrecht gegen elimentarste Grundwertungen des Arbeitsrechtes verstoße und sittenwidrig sei.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Suspendierung keine Beendigung des Dienstverhältnisses bedeute und daher hinsichtlich des ersten Teiles seines Feststellungsbegehrens ein Rechtsschutzbedürfnis fehle. Das Disziplinarrecht sei weder sittenwidrig noch stehe es zum Arbeitsverfassungsgesetz in Widerspruch. Der Kläger habe sich sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend der VBO 1985 unterworfen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Vertragsbedienstetenordnung sei eine sogenannte "lex contractus", die bloß kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Gültigkeit erlange. Sie widerspreche keiner gesetzlichen Regelung, weil das Arbeitsverfassungsgesetz nach § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG auf Gemeinden nicht anzuwenden sei. Der Kläger habe sich durch sein Verhalten der VBO 1985 vor allem durch seine Berufung gegen eine von der Beklagten verfügte Versetzung unterworfen, indem er sich darin ausdrücklich darauf berufen habe, Vertragsbediensteter im Sinne der VBO 1985 zu sein. Die neu eingeführte Disziplinarordnung sei für den Kläger nicht benachteiligend, weil er aufgrund der VBO 1948 sofort fristlos entlassen hätte werden können und nun die Entlassung an ein Disziplinarerkenntnis gebunden sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es sei nach Treu und Glauben davon auszugehen, daß ein bereits unkündbar gestellter Vertragsbediensteter auch in den Genuß der erweiterten Unkündbarkeit gelange, wenn auf sein Dienstverhältnis die VBO 1985 zur Anwendung gelangt und der Dienstgeber nicht ausdrücklich eine Erweiterung der Unkündbarkeit ausschließe. Da der Kläger sich ausdrücklich darauf berufen habe, Vertragsbediensteter im Sinne der VBO 1985 zu sein, könne davon ausgegangen werden, daß sie auf sein Dienstverhältnis zur Anwendung zu gelangen habe. Im Hinblick darauf, daß im Dienstvertrag festgehalten sei, daß künftige Änderungen der VBO vom Tage des Inkrafttretens der Änderung auch für das Vertragsverhältnis des Klägers zu gelten hätten und der Kläger der Einleitung des Disziplinarverfahrens nach der VBO 1985 nicht widersprochen und sich auf die VBO 1985 berufen habe, sei zumindest konkludent die VBO 1985 als für das Dienstverhältnis des Klägers geltend anzusehen. Die Verzögerung des Disziplinarverfahrens gehe nicht zu Lasten der Beklagten, weil der Kläger im November 1988 lediglich ein Tatsachengeständnis abgelegt habe und ein schuldhaftes Verhalten daher strittig war. Die Unterbrechung des Disziplinarverfahrens sei daher gerechtfertigt gewesen. Die sofort ausgesprochene Suspendierung habe dem Kläger unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß die Beklagte das pflichtwidrige Verhalten des Klägers nicht hinnehmen wolle. Es sei keine Frage, daß das pflichtwidrige Verhalten, das zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt habe, grundsätzlich eine Suspendierung gerechtfertigt habe. Das mit der VBO 1985 neu eingeführte Disziplinarrecht benachteilige den Kläger nicht und sei auch nicht sittenwidrig und nichtig. Die Selbstbindung des Dienstgebers an ein vorheriges in einem Disziplinarverfahren ergangenes Erkenntnis könne nur dann eine Benachteiligung herbeiführen, wenn im Disziplinarverfahren Entlassungsgründe herangezogen werden könnten, die nach dem allgemeinen Arbeitsrecht keine tauglichen Entlassungsgründe darstellen würden, davon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein. Durch die paritätische Besetzung des Disziplinarsenates durch Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter seien auch die Dienstnehmerrechte entsprechend gewahrt. Im übrigen bestehe kein rechtliches Interesse an der Feststellung des Fortbestehens seines Dienstverhältnisses über den hinaus, weil die Suspendierung sein Dienstverhältnis nicht beendet habe.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Berufungsurteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.
Die beklagte Partei stellt den Antrag, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Vertragsbedienstetenordnung gilt mangels einer eigenen Zuständigkeit der Städte mit eigenem Statut zur Setzung von Gemeindebedienstetenrecht und mangels landesgesetzlicher Sonderregelungen (ZAS 1992/20) - das Kärntner Gemeindevertragsbedienstetengesetz, K-LGBl 1992/95 gilt nicht für die Bedienstete der Städte mit eigenem Statut; lediglich das Dienstrecht der Landesvertragsbediensteten (LGBl 1988/19 und das der Beamten der Städte mit eigenem Statut (LGBl 1960/61 idF LGBl 1993/115) wurde vom Landegesetzgeber geregelt, - nur als Vertragsschablone, die kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Vertragsinhalt wird (ZAS 1968, 114; ZAS 1974/24 [Tomandl], ecolex 1991, 340, 719; ZAS 1992/20 [Grassl-Palten]; DRdA 1994/2 [Schnorr] = JBl 1994, 57 = 9 Ob A 317/92). Sofern gesetzliche Disziplinarvorschriften nicht bestehen, beruht das Recht zu Disziplinarmaßnahmen auch nach der nach Inkrafttreten des Arbeitsverfassungsgesetzes ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auf einem dem Arbeitgeber durch den Einzelarbeitsvertrag oder Kollektivvertrag eingeräumten einseitigen Gestaltungsrecht (Spielbüchler, Grundlagen eines betrieblichen Disziplinarrechts DRdA 1970, 7 [16 f], Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht3 I 169 f; ZAS 1974/24 [Tomandl]; ZAS 1988/11; DRdA 1991/13 [Binder]). Ob die Vereinbarung einer Disziplinarordnung durch Einzelarbeitsvertrag in dem Arbeitsverfassungsgesetz unterstehenden Betrieben zulässig wäre (ZAS 1974/24 [Tomandl]), braucht nicht untersucht zu werden, weil im vorliegenden Fall die beklagte Partei gemäß § 33 Abs 2 Z 2 ArbVG nicht zu solchen Betrieben gehört (9 Ob A 90/87). Daß Disziplinarrecht durch Einzelarbeitsvertrag ansonsten vereinbart werden kann, ist in der Lehre und Rechtsprechung nicht strittig (so Spielbüchler aaO, 17; ZAS 1974/24 [Tomandl]; ZAS 1992/20; DRdA 1994/2 = JBl 1994, 57).
Die Gefahr einer Übervorteilung durch den Arbeitgeber besteht nicht, weil dieses einseitige Gestaltungsrecht im Rahmen des Synallagmas als Aspekt der Fremdbestimmung (ZAS 1988/11) der nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichte unterliegt, an bestimmte materielle Voraussetzungen geknüpft ist (DRdA 1991/13 [Binder], DRdA 1993/36 [Trost]; WBl 1993, 294) oder wie jede einseitige Leistungsbestimmung sich im überprüfbaren Rahmen der Billigkeit zu halten hat (DRdA 1991/10).
Damit besteht aber kein zwingendes Erfordernis nach der vom Revisionswerber geforderten kollektivvertraglichen Rechtsquelle als ausschließliche Grundlage für Disziplinarmaßnahmen, so daß auch bei Arbeitsverhältnissen, für die gemäß § 33 Abs 2 lit 2 ArbVG die Bestimmung des II.Teiles des ArbVG nicht gilt (wie im vorliegenden Fall), die Vereinbarung von Disziplinarmaßnahmen im Einzelarbeitsvertrag nicht unzulässig ist. In Deutschland findet sich im Gegensatz zur österreichischen Rechtslage (§ 96 Abs 1 lit 1 ArbVG,§ 102 ArbVG, § 90 GewO 1859, § 28 SchSpG) keine ausdrückliche gesetzliche Regelung für betriebliche Ordnungsstrafen (Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch7 378). Von einer vergleichbaren Rechtslage kann nicht gesprochen werden. Aber auch der dortige Einwand gegen die Betriebsbuße, daß das Arbeitsrecht auf dem Vertragsprinzip beruhe, Betriebsbußen aber auf einem Statusverhältnis, muß ins Leere gehen, wenn die Disziplinarmaßnahmen dem Vertragsprinzip entsprechend vereinbart werden. Gegen die Vereinbarung von Betriebsbußen, wo nicht das Betriebsverfassungsrecht eingreift, durch Einzelarbeitsvertrag bestehen aber auch in Deutschland keine Bedenken (Zöllner/Loritz Arbeitsrecht4, 223). Die freiwillige Bindung des Arbeitgebers an ein Erkenntnis im Disziplinarverfahren vor Ausspruch der Kündigung oder Entlassung im Arbeitsvertrag bedeutet im übrigen eine freiwillige Selbstbeschränkung des dem Arbeitgeber nach den Normen des materiellen Rechtes zustehenden Kündigungs- und Entlassungsrechtes. Eine solche den Arbeitnehmer begünstigende, auf dispositives materielles Recht einwirkende Regelung verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Normen (ZAS 1974/24 [Tomandl], ZAS 1985/14 [Mayer-Maly] = RdW 1985, 82 [Tomandl]).
Eine Beschränkung des zulässigerweise vereinbarten Disziplinarrechtes erfolgt aber auch durch die guten Sitten. Sittenwidrigkeit setzt offensichtliche Widerrechtlichkeit, einen Verstoß gegen oberste Rechtsgrundsätze voraus. Die vorzunehmende Interessenabwägung muß eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen oder bei einer Interessenkollision ein grobes Mißverhältnis zwischen den durch die Handlung Verletzten und den durch sie geförderten Interessen ergeben (ZAS 1991/9, Arb 10.946 = DRdA 1992/12). Die Nichtigkeit einer Disziplinarordnung kann dann vorliegen, wenn dem Arbeitgeber ein unverhältnismäßig weitgehendes Gestaltungsrecht eingeräumt wird oder seine Gestaltungserklärung unbillig, die verhängte Disziplinarmaßnahme offenbar unangemessen ist, wenn die Einhaltung eines bestimmten Verfahrens nach dem Willen der Parteien nur die Überprüfbarkeit beschränken soll (Spielbüchler aaO, 22). Dies ist hier nicht der Fall.
Daß das AVG gemäß Art II EGVG für das Gebiet der Privatwirtschaftsverwaltung von vornherein nicht in Betracht kommt (Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I 100; Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4,
12) bedeutet nur, daß das Organ ohne weitere Rechtsgrundlage das AVG nicht anwenden darf, schließt aber nicht aus, daß im Rahmen zulässiger privatrechtlicher Vereinbarungen auch die Anwendung dieser Verfahrensvorschriften zur Ausschaltung eines willkürlichen Verfahrens und zur Beschränkung des Gestaltungsrechtes des Arbeitgebers zur Vertragsgrundlage gemacht wird. Angebliche Verletzungen dieser Verfahrensvorschriften durch die Disziplinarkommission, die, wie der Revisionswerber behauptet, Vorschriften über die Ladung zur Disziplinarverhandlung nicht eingehalten hätten, so daß der Grundsatz der Mündlichkeit und des Rechtes auf Gehör verletzt worden sei, haben mit der vom Kläger begehrten Feststellung der Nichtigkeit der Disziplinarordnung als solcher ebenso nichts zu tun, wie Auslegungsfragen über die sinngemäße Anwendung des Stadtbeamtengesetzes und des AVG oder Verfahrensverzögerungen der Disziplinarkommission, weil es sich bei diesen Umständen bloß um die der nachfolgenden Kontrolle der Gerichte unterliegende Ausführung des vereinbarten Disziplinarrechtes handelt. Die vom Revisionswerber vermißte Berücksichtigung einer adäquaten Beteiligung der Arbeitnehmerseite an der Disziplinargewalt ist schon durch die vom Berufungsgericht erwähnte Besetzung der Disziplinarsenate gewahrt.
Die Suspendierung durch den Bürgermeister als politischen Mandatar räumt dem Dienstgeber kein unverhältnismäßig weitgehendes, eine zu starke Unterworfenheit des Vertragspartners bedingendes unbilliges Gestaltungsrecht ein, weil diese vorläufige Maßnahme einerseits mit dem rechtskräftigen Abschluß des Disziplinarverfahrens endet (§ 78 Abs 3 VBO 1985) und andererseits entgegen der Meinung des Revisionswerbers gemäß § 78 Abs 4 VBO 1985 nach eingelegter Berufung der nachprüfenden Kontrolle der Disziplinarkommission unterliegt.
Da die VBO 1948 durch die VBO 1985 ersetzt wurde, erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Frage, ob der Kläger aufgrund seines Tatsachengeständnisses vom sofort entlassen hätte werden können. Durch die VBO 1985 ist jedenfalls zugunsten des Klägers klargestellt, daß unkündbare Dienstverhältnisse selbst bei einer klaren Sach- und Rechtslage nur aufgrund eines Erkenntnisses der Disziplinarkommission aufgelöst werden können (§ 41a VBO 1985).
Abgesehen davon, daß ein Tatsachengeständnis nicht einem Eingestehen des Verschuldens gleichzusetzen ist, dessen Vorliegen aber Voraussetzung für die Entlassung nach § 41 Abs 2 lit b VBO 1985 ist ("schuldig macht") (Kuderna Entlassungsrecht 45 f), wäre das Zuwarten der Disziplinarkommission bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegen den Kläger geführten Strafverfahrens, also bis zur Klärung aller wesentlichen Tatumstände, zu denen auch das Verschulden gehört, bei gleichzeitiger Suspendierung nicht ein Umstand, der eine Verwirkung des Entlassungsrechtes oder eine Verspätung des Ausspruches der Entlassung bedeutet (Grassl-Palten, Der Untergang des Entlassungsrechtes ZAS 1989, 1 f [4]; Arb 9606, DRdA 1984, 233 [zust Apathy]; 9 Ob A 271/92), weil noch nicht alle für die Beurteilung des Entlassungsgrundes maßgeblichen Umstände dem Dienstgeber bekannt waren (Arb 10.445).
Da aber im vorliegenden Verfahren nicht die Rechtswirksamkeit der Entlassung, sondern die Feststellung der Nichtanwendbarkeit der in der VBO 1985 aufgenommenen disziplinarrechtlichen Bestimmungen des Stadtbeamtengesetzes zu beurteilen ist, die aber über den Zeitpunkt des Ausspruches der Entlassung oder die Dauer des Disziplinarverfahrens keine Aussage treffen, ist in diesem Verfahren die Frage der Verspätung einer Entlassungserklärung oder die Dauer des Disziplinarverfahrens ohne Bedeutung.
Der Kläger wurde mit Schreiben vom in das unkündbare Dienstverhältnis nach der VBO 1948 übernommen, in dem die Beklagte auf das Kündigungsrecht nach § 21 Abs 2 lit h VBO 1948 verzichtete. Die VBO 1985 wurde mit Wirkung vom für sämtliche auf privatrechtlichem Vertrag bestehende bzw abzuschließende Dienstverhältnisse für anwendbar erklärt. Da der Kläger bereits in einem unkündbaren Dienstverhältnis stand, die VBO 1985 ein nur hinsichtlich des Kündigungsgrundes nach § 21 Abs 2 lit h VBO 1948 unkündbares Dienstverhältnis nicht mehr kannte, der Erlassung der VBO 1985 das Bestreben zugrunde lag, die Rechte der Vertragsbediensteten dahin weiter auszubauen, daß auf die Kündigung bzw Entlassung eines unkündbaren Vertragsbediensteten verzichtet werde und die Entlassung nur im Wege eines Disziplinarverfahrens möglich sein sollte, kann bei Berücksichtigung des Wortsinnes "unkündbares Dienstverhältnis" in der VBO 1985 und der dahinterstehenden Absicht des Normengebers nicht davon ausgegangen werden, daß bei einem schon nach der VBO 1948 gegebenen unkündbaren Dienstverhältnis nach Eintritt der Wirksamkeit der VBO 1985 neuerlich ein Verzicht auf das Kündigungsrecht in nunmehr weitgehenderem Umfang außer bei Neubegründung eines unkündbaren Dienstverhältnisses erforderlich ist. Der schon unkündbare Kläger war daher auch unkündbar nach der VBO 1985, ohne daß es eines neuerlichen Verzichtes nach § 43 Abs 1 VBO 1985 bedurft hätte.
Im Dienstvertrag hat der Kläger die Klausel "künftige Änderungen der VBO gelten vom Tage des Inkrafttretens der Änderung auch für das vorstehend bezeichnete Vertragsverhältnis; die VBO liegt in der Magistratsdirektion - Personalamt zur Einsichtnahme auf" zur Kenntnis genommen. In den wesentlichen, das Dienstverhältnis betreffenden Schreiben, wie beispielsweise der Verlängerung des Dienstverhältnisses auf unbestimmte Zeit, der Übernahme in das unkündbare Dienstverhältnis, der Beförderung in die Dienstklasse VIII, aber auch der Suspendierung bezog sich die Beklagte auf die Bestimmungen der Vertragsbedienstetenordnung.
Die VBO 1948 ist als lex contractus mit dem Abschluß des Dienstvertrages des Klägers zwischen den Streitteilen bindend vereinbart worden. Da der Kläger seinen Unterwerfungswillen durch die widerspruchslose Kenntnisnahme dieser ausdrücklichen Klausel im Dienstvertrag hinlänglich zum Ausdruck brachte, konnte die Beklagte nach Treu und Glauben annehmen, daß er im Falle der Ablehnung der betreffenden Klausel widersprechen werde. Er hat sich daher durch sein Schweigen der Vertragsbestimmung unterworfen (ecolex 1991, 340, 719 = DRdA 1991, 246 mwN). Mit der aufgrund dieser Unterwerfungsklausel vom Dienstgeber erlassenen VBO 1985, die gegenüber der VBO 1948 eine Disziplinarordnung enthielt, wurde auch nicht gegen § 864a ABGB verstoßen, weil der Kläger einerseits mit Änderungen, denen er sich bereits ausdrücklich unterworfen hat, schon aufgrund des Wortlautes der von ihm akzeptierten Klausel rechnen mußte und andererseits die Einführung einer Disziplinarordnung weder objektiv ungewöhnlich (SZ 63/203) noch für den Kläger benachteiligend ist, wo doch auch gegenüber unkündbaren Bediensteten nach den Bestimmungen der bisher geltenden VBO 1948 das Dienstverhältnis mit Ausnahme des Kündigungsgrundes nach § 21 Abs 2 lit h gekündigt oder vorzeitig aufgelöst werden konnte, während nach der VBO 1985 eine freiwillige Selbstbindung des Kündigungs- und Entlassungsrechtes des Dienstgebers an ein vorhergehendes Erkenntnis einer paritätisch besetzten Disziplinarkommission vorliegt, die den Vertragsbediensteten aber besser stellt.
Die Rechtsansicht der Vorinstanzen ist daher richtig, daß die Vertragsbedienstetenordnung 1985 mit ihren disziplinarrechtlichen Bestimmungen wie auch dem Recht einer Suspendierung auf das Dienstverhältnis des Klägers anzuwenden ist.