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OGH vom 04.11.1997, 10ObS384/97m

OGH vom 04.11.1997, 10ObS384/97m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Dorit Tschögele und SR Dr.Kurt Scherzer (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Doris M*****, ohne Beschäftigungsangabe, ***** vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr.Paul Bachmann und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Pflegegeldes, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 103/97h-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 9 Cgs 48/96f-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Aus Anlaß der Revision wird das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben.

Die Akten werden dem Arbeits- und Sozialgericht Wien als Gericht erster Instanz mit dem Auftrag übermittelt, über den von der Klägerin gestellten Antrag auf Fortsetzung (Aufnahme) des unterbrochenen Verfahrens zu entscheiden.

Text

Begründung:

Das Erstgericht gab dem von der ursprünglichen Klägerin Gertrude F***** erhobenen Klagebegehren statt und erkannte die Beklagte schuldig, ihr ab Pflegegeld der Stufe 6 im gesetzlichen Ausmaß zu zahlen. Gegen dieses Urteil brachte die Beklagte Berufung ein. Noch vor der Vorlage der Akten an das Gericht zweiter Instanz wurde dem Erstgericht mitgeteilt, daß die Klägerin am verstorben ist; es faßte daraufhin am den Beschluß, daß das Verfahren infolge des Todes der Klägerin unterbrochen ist.

Im Februar 1997 beantragte die Tochter der Verstorbenen, die nunmehr als Klägerin auftretende Doris M*****, die Fortsetzung des Gerichtsverfahrens. Das Erstgericht legte die Akten am - ohne Entscheidung über diesen Fortsetzungsantrag - dem Berufungsgericht vor, das der Berufung mit dem angefochtenen Urteil nicht Folge gab. In seinen Entscheidungsgründen wies es darauf hin, daß die Genannte dem Berufungsgericht gegenüber bekanntgegeben habe, sie sei überwiegend für die Kosten der Unterbringung der Mutter in einem Pflegeheim aufgekommen, und daß sie daher gemäß § 19 Abs 3 BPGG zur Fortsetzung des Verfahrens berechtigt sei.

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Verstirbt der (vermeintlich) Pflegebedürftige während eines bereits anhängigen gerichtlichen Verfahrens, ergibt sich die Fortsetzungsberechtigung nicht unmittelbar aus dem BPGG, sondern aus § 76 ASGG. Nach Abs 1 dieser Bestimmung unterbricht der Tod eines Klägers das Verfahren an sich in jeder Lage. Die Aufnahmeberechtigung richtet sich nun im vorliegenden Fall nicht nach Abs 2 dieser Bestimmung, sondern nach deren Abs 4, der wiederum auf § 19 Abs 3 BPGG verweist. Damit sind auch im gerichtlichen Pflegegeldverfahren primär die ehemaligen Pflegepersonen, dann die Träger der seinerzeitigen Pflegekosten (jeweils "Überwiegen" vorausgesetzt) und erst danach Nachlaß bzw Erben antragsberechtigt (vgl Pfeil, Bundespflegegeldgesetz 191). Der gemäß § 164 ZPO behufs Erwirkung der Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens erforderliche Antrag ist bei dem Gericht zu stellen, bei dem die Rechtssache zur Zeit des Eintritts des Unterbrechungsgrundes anhängig war (§ 165 Abs 1 ZPO). Wenn die Unterbrechung während des dem Rechtsmittelverfahren vorangehenden Verfahrens vor dem Gericht erster Instanz eintritt, also noch bevor dieses die Akten dem Rechtsmittelgericht vorgelegt hat, ist der Antrag beim Erstgericht einzubringen, weil bei diesem die Sache beim Tod des Klägers anhängig war. Die Entscheidung über den Antrag erfolgt ohne vorhergehende mündliche Verhandlung; im Zweifelsfall ist über den Antrag eine Verhandlung anzuberaumen oder der Antragsteller zu vernehmen (§ 165 Abs 2 und 3 ZPO). Das Gericht darf über ein nach Eintritt der Unterbrechung eingebrachtes Rechtsmittel, solange das Verfahren nicht wieder aufgenommen wurde, nicht mehr meritorisch entscheiden (Kuderna ASGG 493 Anm 4 zu § 76).

Das Gericht muß jedenfalls über die Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens einen ausdrücklichen Beschluß fassen, da § 166 ZPO einerseits von einer Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag (Abs 2) und andererseits von Beschlüssen spricht, durch welche einem Aufnahmeantrag stattgegeben oder das Verfahren von Amts wegen aufgenommen wird (vgl die Judikaturnachweise bei Gitschthaler in Rechberger ZPO § 166 Rz 5).

Ein solcher Aufnahmebeschluß wurde bisher nicht gefaßt. Auch das Berufungsgericht führte - ungeachtet der fehlenden Zuständigkeit für eine solche Entscheidung - in seinen Entscheidungsgründen nur aus, die nunmehrige Klägerin sei fortsetzungsberechtigt, ohne aber die Fortsetzung als solche anzuordnen. Das ungeachtet der nach wie vor bestehenden Unterbrechung des Verfahrens gefällte Urteil des Gerichtes zweiter Instanz war aus Anlaß der Revision als nichtig aufzuheben (SSV-NF 3/12 mwN; 10 ObS 2047/96v).

Die Akten sind dem Erstgericht mit dem Auftrag zu übermitteln, über den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden und insbesondere dabei zu prüfen, ob der nunmehrigen Klägerin die Bezugsberechtigung im Sinne des § 19 BPGG zukommt.