VfGH vom 17.06.1987, b620/85
Sammlungsnummer
11370
Leitsatz
Vorschreibung eines Säumniszuschlages; alle
Unternehmer sind - abgesehen von der Regelung des § 21 Abs 1 letzter Satz UStG - zur rechtzeitigen Abgabe von Voranmeldungen verpflichtet und haben daher eine verspätete Einreichung selbst zu verantworten - keine Gleichheitsbedenken gegen § 21 Abs 3 vierter Satz UStG, der sachlich gerechtfertigt teils einen Vorteil einräumt (im Falle der Abgabe der Voranmeldung vor dem gesetzlichen Termin), teils einen Nachteil (bei verspäteter Einreichung einer Voranmeldung, die einen Überschuß ergibt);
keine Bedenken gegen § 219 BAO unter Hinweis auf VfSlg. 9924/1984;
vertretbare Auslegung des § 21 Abs 3 vierter Satz dahin, daß eine festgestellte "Überzahlung nicht auf den Tag der Einreichung der "berichtigten" Voranmeldung zurückwirke - keine Willkür
Spruch
Die Bf. ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Nachdem die Bf. für den Voranmeldungszeitraum Dezember 1984 eine Umsatzsteuervoranmeldung mit einer Zahllast von 26.581 S eingereicht hatte, brachte sie am außer einer Voranmeldung für Jänner 1985 mit einer Zahllast von 478.002 S auch eine "berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung" für den Kalendermonat Dezember 1984 ein, in welcher ein Überschuß von 451.421 S ausgewiesen wurde; unter einem leistete sie Zahlung zum Ausgleich des sich demnach ergebenden Differenzbetrages. Das Finanzamt setzte sodann mit Bescheid vom für den Voranmeldungszeitraum Dezember 1984 die Umsatzsteuer in jener Höhe fest, in welcher sie in der "berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung" ausgewiesen war, und schrieb weiters mit Bescheid vom wegen der nicht fristgerechten Abfuhr der Umsatzsteuer für den Kalendermonat Jänner 1985 einen Säumniszuschlag von 9.560 S vor. Der Bescheid vom blieb unbekämpft. Gegen den Bescheid über die Vorschreibung des Säumniszuschlags hingegen erhob die Bf. erfolglos Berufung. Der abweisende Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion vom wurde unter Bezugnahme auf § 21 Abs 3 UStG 1972 (idF der Nov. BGBl. 563/1980) sowie auf § 215 Abs 1 und § 217 Abs 1 BAO im wesentlichen folgendermaßen begründet: Aufgrund der berichtigten Umsatzsteuervoranmeldung habe die Bf. der Behörde mitgeteilt, daß die ursprünglich beim Finanzamt eingebrachte Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 1984 (Zahllast: 26.581 S) als unrichtig anzusehen sei. Entsprechend dem Gesetzesauftrag sei daher die Umsatzsteuervorauszahlung Dezember 1984 gemäß § 21 Abs 3 UStG vom Finanzamt bescheidmäßig festzusetzen gewesen. Diese Festsetzung sei nach vorhergehender Überprüfung am kontenmäßig durchgeführt worden. Die Bf. irre jedoch, wenn sie vermeine, daß die aufgrund dieser Überprüfung festgestellte Verminderung einer Zahllast (26.581 S) auf ein Guthaben (478.002 S) an Umsatzsteuer Dezember 1984 auf den Tag der Einreichung zurückwirke. Denn nur bei Feststellung eines Überschusses bzw. bei Abgabe einer Steuererklärung iSd § 21 Abs 4 UStG wirke der festgestellte Überschuß auf den Tag der Einreichung zurück. Es stelle daher aufgrund der erfolgten Überprüfung die ursprüngliche ebenso wie die berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 1984 eindeutig eine Steuererklärung iSd § 21 Abs 3 UStG dar. Derartige Steuererklärungen bedürften nach Maßgabe der §§161 ff BAO der Prüfung durch die Abgabenbehörden und im Hinblick auf die große Zahl der zu bearbeitenden Umsatzsteuervoranmeldungen könne es auch nicht als schuldhafte Verzögerung angesehen werden, wenn das Finanzamt die am eingebrachte berichtigte Umsatzsteuervoranmeldung Dezember 1984 erst am einer kontenmäßigen Verarbeitung zuführen konnte. Es habe somit am Fälligkeitstag, dem , der an diesem Tag fälligen monatlichen Abgaben kein ausreichendes Guthaben entstehen können, um Säumnisfolgen zu vermeiden; denn ein Guthaben des Abgabepflichtigen entstehe für diesen erst dann und gehe in seinen Besitz über, wenn auf seinem Steuerkonto die Summe aller Gutschriften die Summe aller Lastschriften übersteige. Der am festgesetzte Säumniszuschlag bestehe daher gemäß § 217 Abs 1 BAO zu Recht.
2. Gegen den Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Bf. eine Verletzung des Gleichheitsrechtes behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die geltend gemachte Verletzung des Gleichheitsrechtes leitet die Bf. unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 10387/1985) einerseits daraus ab, daß die belangte Finanzlandesdirektion Willkür geübt habe, und andererseits aus einer Verfassungswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Gesetzesvorschriften. Diese Vorwürfe sind jedoch - wie die folgenden Ausführungen zeigen insgesamt nicht berechtigt.
2. Unter dem Aspekt einer willkürlichen Gesetzeshandhabung lastet die Bf. der bel. Beh. zunächst an, daß sie den die Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum Dezember 1984 festsetzenden Bescheid vom rechtswidrigerweise erlassen habe; ihrer schon vorher eingereichten "berichtigten" Voranmeldung kämen nämlich alle rechtlichen Wirkungen einer Voranmeldung zu.
Zu diesem Beschwerdevorwurf ist festzuhalten, daß er von einer nicht annehmbaren Prämisse ausgeht. Dem erwähnten Bescheid, der unangefochten blieb, kommen alle seinem Inhalt entsprechenden Rechtswirkungen zu; es kann daher auch nicht mehr rechtens in Zweifel gezogen werden, daß die Behörde zu seiner Erlassung befugt war.
3. Hilfsweise verficht die Bf. die Rechtsauffassung, daß die mit dem Bescheid vom festgestellte "Überzahlung" infolge § 21 Abs 3 vierter Satz UStG auf den Tag der Einreichung der "berichtigten" Voranmeldung zurückwirke. Es bedeute Willkür, wenn die Behörde meine, daß sich die Gutschrift erst mit der kontenmäßigen Verarbeitung als Guthaben auswirke.
Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, daß dem bezogenen vierten Satz schon deshalb die von der bel. Beh. angenommene Bedeutung unterstellt werden kann, weil weder nach dem Wortlaut noch dem System des § 21 eine "berichtigte", dh. an die Stelle einer bereits eingereichten tretende Voranmeldung vorgesehen ist. Bei einer solchen Gesetzeslage kann jedenfalls von einer behördlichen Willkür nicht die Rede sein, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sich die Auffassung der Finanzlandesdirektion nach einer (dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorbehaltenen) detaillierten Untersuchung als richtig erweist oder nicht.
4. Die Bf. bezweifelt auch die Verfassungsmäßigkeit des vierten Satzes im § 21 Abs 3 UStG und regt die amtswegige Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens an, wozu aber kein Anlaß besteht. Ihre Kritik zielt auf den Nachweis einer sachlich nicht begründbaren und daher dem Gleichheitsgebot, das auch den Gesetzgeber bindet (s. zB VfSlg. 10424/1985), widersprechenden Differenzierung. Es führe - wie sie meint - zu einem sachlich unberechtigten Vorteil für den Abgabengläubiger, wenn einerseits die Fälligkeit (bescheidmäßig) festgesetzter Vorauszahlungen am zehnten Tag des auf den Voranmeldungszeitraum zweitfolgenden Kalendermonats eintritt, andererseits die Festsetzung von Überschüssen nur auf den Tag der Einreichung der Voranmeldung zurückwirkt.
Die bel. Beh. hält dieser Argumentation mit Recht entgegen, daß die von der Bf. kritisierte Regelung dem Abgabenschuldner einerseits einen Vorteil einräumt (und zwar im Fall, daß die Umsatzsteuervoranmeldung schon früher, dh. vor dem gesetzlichen Termin abgegeben wird), andererseits aber einen Nachteil (nämlich bei verspäteter Einreichung einer Voranmeldung, die einen Überschuß ergibt), der sachlich begründbar ist; denn es sind alle Unternehmer - abgesehen von der Regelung des § 21 Abs 1 letzter Satz UStG - zur rechtzeitigen Abgabe von Voranmeldungen verpflichtet und haben daher eine verspätete Einreichung selbst zu verantworten.
5. Schließlich bezweifelt die Bf. die Verfassungsmäßigkeit "der Bestimmungen der §§219 BAO" mit einer Argumentation, die im Grunde jener Kritik am § 219 BAO entspricht, welche im Erkenntnis VfSlg. 9924/1984 behandelt und als nicht gerechtfertigt befunden wurde. Es genügt sohin, die Bf. auf diese Entscheidung (S. 74 f) hinzuweisen.
6. Das Beschwerdeverfahren erbrachte keinen Anhaltspunkt für die Annahme, daß die Bf. in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde oder daß eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer verfassungswidrigen generellen Rechtsvorschrift stattgefunden habe. Die Beschwerde war sohin abzuweisen.
jedoch antragsgemäß dem VwGH abzutreten.