OGH vom 29.10.2015, 8ObA75/15k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. M***** N*****, vertreten durch die Mag. Martin Meier Rechtsanwalts GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Medizinische Universität *****, vertreten durch Stampfer Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wegen 34.000 EUR brutto sA, über die Revisionen sowohl der klagenden Partei als auch der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 14/15f 22, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 29 Cga 17/14t 16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 725,81 EUR (darin enthalten 120,97 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Ab begann der Kläger bei der Beklagten zunächst die Facharztausbildung für Unfallchirurgie. Von Jänner 2009 bis Ende 2010 schloss er die Facharztausbildung für Radiologie ab. Mit Jänner 2011 setzte er seine Facharztausbildung für Unfallchirurgie fort. Das Klagebegehren bezieht sich auf Entgeltdifferenzen für die Zeit von bis . Die Klage wurde am eingebracht.
Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
„Verwendung
4.1 Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer wird als Ärztin/Arzt in Facharztausbildung gemäß § 8 ÄrzteG 1998 beschäftigt.
4.2 Das Arbeitsverhältnis dient der Ausbildung zur Fachärztin/zum Facharzt, der Vorbereitung auf eine allfällige universitäre Karriere als wissenschaftliche Mitarbeiterin/wissenschaftlicher Mitarbeiter sowie der Vertiefung und Erweiterung der fachlichen Bildung.
4.3 die Aufgaben richten sich nach den ärzterechtlichen Vorschriften. Die Erfüllung der Aufgaben erfolgt in engem Kontakt mit wissenschaftlicher Forschung und Lehre.
4.4 Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer ist berechtigt, nach entsprechender Vereinbarung mit ihrem/seinem (ihrer/seiner) unmittelbar Dienstvorgesetzten bei der Erfüllung von Aufgaben in Forschung und Lehre mitzuwirken, soweit die Facharztausbildung dadurch nicht beeinträchtigt wird. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben gilt als Arbeitszeit gemäß 9.
...
Entlohnung
6.1 Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Jahresbruttoentgelt als Ausbildungsbeitrag in Höhe von 34.848,80 EUR. Informativ und ohne Rechtswirkung wird erklärt, dass diese dem Gehalt einer/eines gleichwertigen Fachärztin/Facharztes in Ausbildung nach dem Univ. Abgeltungsgesetz 1974 (UniAbgG) entspricht, welches bis in Kraft war. Soweit und sobald ein allfälliger Kollektivvertrag für die Universitäten eine höhere Mindestentlohnung für eine/einen gleichwertigen Fachärztin/Facharzt in Ausbildung vorsieht, wird dieser Betrag automatisch auf das neue Minimum erhöht.
...
Verfall
Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag sind binnen sechs Monaten bei sonstigem Verfall des Anspruchs gerichtlich geltend zu machen. “
Mit trat der Kollektivvertrag für die ArbeitnehmerInnen der Universitäten in Kraft. Dieser enthält folgende Schlussbestimmungen:
„§ 76 Überleitung der nach dem neu aufgenommenen ArbeitnehmerInnen; Übergangsregelung für die Pensionskassenbeiträge
(1) Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Kollektivvertrags bestehenden Arbeitsverhältnisse von nach dem an der betreffenden Universität neu aufgenommenen ArbeitnehmerInnen werden durch diesen Kollektivvertrag in ihrem Bestand nicht berührt. Auch hinsichtlich einer allfälligen zeitlichen Befristung des Arbeitsverhältnisses tritt keine Änderung ein.
(2) Für die nach dem an der Universität neu aufgenommenen ArbeitnehmerInnen gilt das Vertragsbedienstetengesetz 1948 mit Inkrafttreten dieses Kollektivvertrags nicht mehr als Inhalt des Arbeitsvertrags. Im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung vorgesehene Regelungen, die günstiger sind als dieser Kollektivvertrag oder sonstige zwingende Bestimmungen, bleiben unberührt. Dies gilt außer in den Fällen nach Abs 5 nicht, wenn der betreffende Anspruch im Arbeitsvertrag oder in der Betriebsvereinbarung ausdrücklich nur für die Zeit vor dem Inkrafttreten dieses Kollektivvertrags begrenzt wurde.
...
§ 78 Wissenschaftliche/künstlerische MitarbeiterInnen in Ausbildung, Assistenten/Assistentinnen ohne Doktorat, Assistenten/Assistentinnen nach § 491 VBG
(1) Für wissenschaftliche/künstlerische MitarbeiterInnen, die nach dem und vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Kollektivvertrags in ein Arbeitsverhältnis zur Universität aufgenommen wurden, das im Wesentlichen den Regelungen in §§ 6 ff UniAbgG (insbesondere im Hinblick auf die Einräumung von Zeit für Erbringung selbständiger wissenschaftlicher oder künstlerischer Leistungen sowie für einschlägige Aus und Fortbildung und die vom Assistent/inn/enschema abweichende Entgelthöhe) entspricht, gelten abweichend von §§ 31, 49 und 76 das Beschäftigungsausmaß, die Aufgabenfestlegung sowie das Entgelt, wie im jeweiligen Arbeitsvertrag festgelegt, als zwingender Mindeststandard. Das Entgelt beträgt mindestens das nach § 6f Abs 1 Z 1 iVm § 7 Abs 6 UniAbgG ab geltende Ausmaß. Bei Teilbeschäftigung gebührt das Entgelt im aliquoten Ausmaß.
(2) Nach Abs 1 übergeleiteten wissenschaftlichen/künstlerischen MitarbeiterInnen sowie wissenschaftlichen/künstlerischen MitarbeiterInnen in Ausbildung nach §§ 6 ff UniAbgG kann eine Qualifizierungsvereinbarung nach Maßgabe des § 80 angeboten werden.
.... “
Darüber hinaus enthält der Kollektivvertrag auszugsweise folgende Bestimmungen:
„§ 5 Allgemeine Bestimmungen und Sonderbestimmungen
...
(2) ArbeitnehmerInnen der Universitäten sind:
1. Angehörige des wissenschaftlichen/künstlerischen Universitätspersonals (§ 94 Abs 2 UG); oder
2. Angehörige des allgemeinen Universitätspersonals (§ 94 Abs 3 UG).
§ 44 Ärzte/Ärztinnen in Facharztausbildung
(1) Ärzte/Ärztinnen in Facharztausbildung sind Turnusärzte/Turnusärztinnen, die sich gemäß § 8 Ärztegesetz 1998 in Ausbildung in seinem Sonderfach und den hiefür einschlägigen Nebenfächern befinden.
(2) Das Arbeitsverhältnis dient der Ausbildung zum Facharzt/zur Fachärztin (§ 8 Ärztegesetz 1998), der Vorbereitung auf eine allfällige universitäre Karriere als wissenschaftliche/r MitarbeiterIn sowie der Vertiefung und Erweiterung der fachlichen Bildung.
(3) Die Aufgaben richten sich nach den ärzterechtlichen Vorschriften. Die Erfüllung der Aufgaben erfolgt in engem Kontakt mit wissenschaftlicher Forschung und Lehre.
(4) Der/die ArbeitnehmerIn ist berechtigt, im Rahmen seiner/ihrer Arbeitszeit mit seiner/ihrer Zustimmung Aufgaben in Forschung und Lehre wahrzunehmen, soweit die Facharztausbildung dadurch nicht beeinträchtigt wird.
§ 64 Geltendmachung von Ansprüchen
...
(2) Andere als die in Abs 1 genannten Ansprüche sind bei sonstigem Ausschluss innerhalb von sechs Monaten ab Fälligkeit vom/von der ArbeitnehmerIn bei der Universität schriftlich geltend zu machen.
(3) Bei rechtzeitiger Geltendmachung nach Abs 1 und 2 bleiben die Ansprüche auch über die dort vorgesehenen Fristen hinaus gewahrt, wenn der/die ArbeitnehmerIn innerhalb von
a) drei Monaten nach Erhalt einer endgültigen abschlägigen Mitteilung der Universität,
(b) sechs Monaten, falls sich die Universität bis dahin nicht schriftlich geäußert hat,
Klage beim zuständigen Gericht einbringt.
§ 67 Ärzte/Ärztinnen in Facharztausbildung
Für ArbeitnehmerInnen nach § 44 gelten §§ 49 und 68 mit der Maßgabe, dass sie in die Verwendungsgruppe B1 und, soweit mit ihnen eine Qualifizierungsvereinbarung (§ 46) getroffen wurde, in die Gehaltsgruppe A2 einzureihen sind.
§ 68 Gehaltsschema für das wissenschaftliche Universitätspersonal (Sonderbestimmung zu § 49)
(1) Für ArbeitnehmerInnen nach § 5 Abs 2 Z 1, die im klinischen Bereich einer Medizinischen Universität ärztlich oder zahnärztlich verwendet werden, gilt § 49 Abs 6. Die Abgeltung von Journaldiensten (§ 69) und Rufbereitschaften (§ 70) bleibt hievon unberührt.
... “
Der Kläger wurde ab Inkrafttreten des Kollektivvertrags nicht nach diesem, sondern weiterhin auf Basis des Arbeitsvertrags entlohnt. Daraus resultiert zu seinem Nachteil eine monatliche Entgeltdifferenz von 809,52 EUR brutto (12 mal jährlich). Seit wird der Kläger von der Beklagten gemäß § 49 Abs 3 lit a des Kollektivvertrags entlohnt. Zum Inkrafttreten des Kollektivvertrags gab es bei der Beklagten mehrere Informationsveranstaltungen. Der Kläger erhielt aus Anlass des Inkrafttretens des Kollektivvertrags keinen Dienstzettel ausgestellt.
Mit Schreiben vom forderte der Klagsvertreter die Beklagte zur rückwirkenden Aufrollung der Bezüge des Klägers bis sowie zur Bestätigung auf, dass die Entgeltdifferenzen nachbezahlt werden. Mit Schreiben vom unterbreitete die Beklagte einen Vergleichsvorschlag. Nach einem weiteren Vergleichsvorschlag am brachte der Kläger am die Klage ein.
Der Kläger begehrte (nach Modifizierung des Klagebegehrens) die Entgeltdifferenzen für den Zeitraum vom bis . Der Klagsbetrag steht der Höhe nach außer Streit. Die Beklagte habe ihm die Überführung in die Gehaltsgruppe B1 nach § 49 Abs 3 KV verweigert. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei § 78 KV nicht anwendbar, weil er als Facharzt in Ausbildung angestellt worden sei. Damit gehöre er nicht zu den wissenschaftlichen/künstlerischen Mitarbeitern in Ausbildung. Der geltend gemachte Anspruch sei auch nicht verfallen. Die doppelte Verfallsbestimmung des § 64 KV sei unwirksam. Der Beklagten sei bereits vor dem Inkrafttreten des Kollektivvertrags die Problematik der Überführung der Ärzte in Facharztausbildung bekannt gewesen. Der von der Beklagten erhobene Verfallseinwand verstoße zudem gegen Treu und Glauben, weil sie die betroffenen Dienstnehmer entgegen § 76 Abs 3 KV nicht über die Einstufung informiert habe. Sie habe es auch verabsäumt, dem Kläger einen entsprechenden Dienstzettel auszuhändigen. Schließlich stehe ihm auch ein Schadenersatzanspruch in Höhe der Gehaltsdifferenzen zu, weil die rechtswidrige Vorenthaltung der höheren Einstufung nach dem Kollektivvertrag vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig erfolgt sei.
Die Beklagte entgegnete, dass auf den Kläger das Gehaltsschema des § 49 KV kraft ausdrücklicher Anordnung in § 78 KV nicht anzuwenden sei. Nach § 78 KV bleibe dem Kläger lediglich das Entgelt nach dem Arbeitsvertrag erhalten. Diese Bestimmung schaffe für die betroffenen Dienstnehmer eine detaillierte und auf diesen Sonderfall zugeschnittene Lösung, weshalb ihr das Ordnungsprinzip zugrunde liege. Darüber hinaus seien die Verfallsfristen nach § 64 KV sowie nach dem Arbeitsvertrag zu beachten. Da der Kläger seine Ansprüche erstmals mit Schreiben vom eingefordert habe, seien sämtliche Ansprüche vor August 2013 jedenfalls verfallen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger anlässlich des Inkrafttretens des Kollektivvertrags einen Dienstzettel auszuhändigen. Für einen Schadenersatzanspruch des Klägers bestehe kein Raum.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 8.904,72 EUR brutto sA statt. Das Mehrbegehren von 25.095,28 EUR brutto sA wies es hingegen ab. Die Übergangsbestimmung des § 78 KV sei auf den Kläger nicht anzuwenden. Diese Bestimmung nehme auf wissenschaftliche/künstlerische Mitarbeiter Bezug. Ärzte in Facharztausbildung zählten jedoch gemäß § 94 Abs 3 Z 6 UG 2002 zum allgemeinen Universitätspersonal. Trotz dieses Umstands würden sie hinsichtlich der Arbeitnehmervertretung gemäß § 135 Abs 3 UG 2002 dem wissenschaftlichen Universitätspersonal zugerechnet. Pkt 6.1 des Arbeitsvertrags des Klägers normiere eine höhere Mindestentlohnung für einen gleichwertigen Facharzt in Ausbildung. Der Kläger sei daher wie andere Fachärzte in Ausbildung gemäß §§ 76 Abs 3, 49 KV zu entlohnen.
Das Klagebegehren beziehe sich auf Entgeltforderungen wegen einer unrichtigen Einstufung. Diese Forderung unterliege gemäß § 1486 Z 5 ABGB der dreijährigen Verjährungsfrist. Diese Verjährungsfrist könne durch Vereinbarung verkürzt werden. Allgemein werde die kollektivvertragliche Festsetzung von Ausschlussfristen in der Dauer von drei oder vier Monaten nicht als übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung und damit nicht als sittenwidrig angesehen. Die Berufung der Beklagten auf die Verfallsfrist verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei ebenfalls nicht begründet. Der Verstoß gegen die Fürsorgepflicht könne nicht schon in der Verletzung der Entgeltzahlungspflicht durch den Dienstgeber liegen. Vielmehr müsse ein besonderer Umstand hinzutreten, der den Vorwurf rechtfertige, der Dienstgeber habe in vorwerfbarer Weise die vermögensrechtlichen Interessen des Dienstnehmers verletzt. Im Anlassfall habe die Beklagte keine Informationspflichten verletzt. Es ergebe sich somit, dass die geltenden gemachten Ansprüche bis einschließlich Juli 2013 verfallen seien. Die Ansprüche für Jänner und Februar 2011 seien darüber hinaus verjährt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. § 78 KV sei auf den Kläger nicht anzuwenden. Außerdem verstoße die Auslegung dieser Bestimmung durch die Beklagte dem Gleichheitssatz. Ebenso sei der Beurteilung des Erstgerichts zum Verfall zuzustimmen. Nach der Rechtsprechung könnten sowohl kollektivvertraglich als auch einzelvertraglich kürzere Verfallsfristen festgesetzt werden. Schließlich könne der Beklagten keine unvertretbare Rechtsauffassung unterstellt werden, die Schadenersatz begründen könnte. Die Revision sei zulässig, weil der Auslegung des § 78 KV sowie der Frage nach der Zulässigkeit der Verfallsbestimmung des § 64 KV über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien. Der Kläger strebt eine gänzliche Stattgebung des Klagebegehrens an. Die Beklagte beantragt demgegenüber, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.
Mit ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, jeweils die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
Die Revisionen sind zulässig, weil insbesondere zur Übergangsbestimmung des § 78 KV und zur Verfallsbestimmung nach § 64 KV keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht. Die Revisionen sind aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass die doppelte Verfallsbestimmung des § 64 KV hinsichtlich des Ausschlusses der gesetzlichen Verjährungsfrist, also in Bezug auf die Frist für die gerichtliche Geltendmachung, unwirksam sei. Zudem verstoße der Verfallseinwand der Beklagten gegen Treu und Glauben. Die Beklagte bestreitet, dass der Kläger nach dem Kollektivvertrag (und daher höher als nach dem Arbeitsvertrag) einzustufen und zu entlohnen sei. Auf den Kläger gelange die Übergangsbestimmung des § 78 KV zur Anwendung. Darin würde das Verbleiben in den Entgeltbestimmungen des Arbeitsvertrags festgeschrieben.
2.1 Der zugrunde liegende Kollektivvertrag, der am in Kraft getreten ist (§ 3), gilt für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach begründet wurde (§ 2), damit auch für den Kläger.
§ 78 KV enthält für nach eingetretene wissenschaftliche /künstlerische Mitarbeiter (laut Überschrift) „in Ausbildung“ eine (zu § 76 KV) besondere Übergangsbestimmung. § 78 Abs 1 KV spricht dabei von der Aufnahme in ein Arbeitsverhältnis, das im Wesentlichen den Regelungen in §§ 6 ff UniAbgG entspricht. Schon § 78 Abs 2 KV erklärt, was mit diesem Verweis gemeint ist. Es geht um wissenschaftliche/künstlerische Mitarbeiter in Ausbildung .
2.2 § 6 UniAbgG idF BGBl I 2001/87 bezieht sich in diesem Sinn sowohl laut Überschrift als auch nach dem Inhalt auf wissenschaftliche (künstlerische) Mitarbeiter in Ausbildung. Abs 2 leg cit bestimmt dazu, dass die Funktion des wissenschaftlichen Mitarbeiters mit einem abgeschlossenen Diplomstudium der Humanmedizin der Ausbildung zum Facharzt, der Erprobung der Befähigung für eine allfällige Verwendung als Universitätslehrer sowie der Vertiefung und Erweiterung der fachlichen Bildung dient.
2.3 Es ergibt sich somit, dass zwischen der Überschrift und dem Text des § 78 KV keine Diskrepanz besteht. Diese Bestimmung gilt für wissenschaftliche/künstlerische Mitarbeiter in Ausbildung.
3.1 Es stellt sich somit zunächst die Frage, ob der Kläger bei Inkrafttreten des Kollektivvertrags als Arzt in Facharztausbildung ein wissenschaftlicher Mitarbeiter in Ausbildung war.
§ 5 Abs 2 KV unterscheidet zwischen dem wissenschaftlichen/künstlerischen Universitätspersonal (§ 94 Abs 2 UG) und dem allgemeinen Universitätspersonal (§ 94 Abs 3 UG).
Der Kollektivvertrag gilt für alle Arten von Universitäten. Für medizinische (und veterinärmedizinische) Universitäten bestehen Sonderbestimmungen. Aus § 43 KV ergibt sich dazu, dass Fachärzte primär der Gesundheitsvorsorge (und nicht der Lehrtätigkeit) verpflichtet sind.
3.2 Ärzte in Facharztausbildung werden zunächst in § 44 KV behandelt. Nach § 44 Abs 2 KV dient das Arbeitsverhältnis der Ausbildung zum Facharzt, der Vorbereitung auf eine allfällige universitäre Karriere als wissenschaftlicher Mitarbeiter sowie der Vertiefung und Erweiterung der fachlichen Bildung. Dementsprechend ist der Arbeitnehmer berechtigt, im Rahmen der Arbeitszeit (mit seiner Zustimmung) Aufgaben in Forschung und Lehre wahrzunehmen (Abs 4). Aus § 44 KV folgt somit ein enger Sachzusammenhang zwischen der Facharztausbildung und der wissenschaftlichen Tätigkeit.
Dies wird durch § 46 KV bekräftigt. Nach dieser Bestimmung kann nur mit wissenschaftlichen Mitarbeitern, die ärztlich verwendet werden, und auch mit Ärzten in Facharztausbildung eine Qualifizierungsvereinbarung (§ 27) geschlossen werden. Nach § 27 Abs 1 KV kann eine solche Vereinbarung nur einem wissenschaftlichen /künstlerischen Mitarbeiter angeboten werden.
Bei medizinischen Universitäten kommt es für die Zuordnung zu den wissenschaftlichen Mitarbeitern somit in erster Linie auf die ärztliche Verwendung an. Ärzte in Facharztausbildung sind hinsichtlich dieser Zuordnung gleich wie Fachärzte (§ 43) zu behandeln.
3.3 Eindeutig wird dieses Ergebnis durch § 67 KV bestätigt. Dabei handelt es sich um die gehaltsrechtlichen (einstufungsrechtlichen) Sonderbestimmungen für Ärzte in Facharztausbildung. Darin wird für diese Ärzte auf § 49 (Gehaltsschema) und § 68 (Sonderbestimmungen zu § 49) verwiesen. Beide Bestimmungen beziehen sich ausdrücklich auf das wissenschaftliche (und künstlerische) Universitätspersonal. § 68 Abs 1 nimmt dazu ausdrücklich auf § 5 Abs 2 Z 1 KV Bezug.
3.4 Schon aus dieser systematischen Auslegung des Kollektivvertrags ergibt sich, dass Ärzte in Facharztausbildung dem wissenschaftlichen/künstlerischen Universitätspersonal nach § 5 Abs 2 Z 1 KV angehören.
3.5 Das Erstgericht führt im gegebenen Zusammenhang aus, dass Ärzte in Facharztausbildung gemäß § 94 Abs 3 Z 6 UG zum allgemeinen Universitätspersonal gehörten.
Diese Annahme ist seit der Novelle 2015 zum UG 2002 (BGBl I 2015/21) nicht mehr richtig. Nach § 94 Abs 2 Z 3 UG 2002 gehören Ärztinnen und Ärzte in Facharztausbildung nunmehr zum wissenschaftlichen/ künstlerischen Universitätspersonal. Die Gesetzesmaterialien (RV 369 BlgNR 25. GP 10) führen dazu Folgendes aus:
„Bisher gehörten die Ärztinnen und Ärzte in Facharztausbildung der Personalkategorie des 'allgemeinen Universitätspersonals' gemäß § 94 Abs 3 an. Diese sind jedoch seit 2009 für die Kurie des 'Mittelbaus' im Senat aktiv und passiv wahlberechtigt. Die nunmehrige Zuordnung der Ärztinnen und Ärzte in Facharztausbildung zum wissenschaftlichen Personal entspricht einem langjährigen Wunsch dieser Personengruppe und entspricht ihrer tatsächlichen Verwendung in der Universitätspraxis. Die Erfüllung der Aufgaben erfolgt weiterhin gemäß § 44 des Kollektivvertrags für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Universitäten in engem Konnex mit wissenschaftlicher Forschung und Lehre und darf die Ausbildung zur Fachärztin oder zum Facharzt nicht beeinträchtigen.“
In den Gesetzesmaterialien wird ausdrücklich auf das Jahr 2009 Bezug genommen. In diesem Jahr ist auch der in Rede stehende Kollektivvertrag in Kraft getreten. Daraus kann mit gutem Grund abgeleitet werden, dass sich die Zuordnung der Ärzte in Facharztausbildung zum wissenschaftlichen Personal zumindest auf Ebene der Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter im Jahr 2009 verfestigt und durchgesetzt hat. Der Kollektivvertrag hat diese Zuordnung somit bereits vorweg vollzogen.
3.6 Als Ergebnis folgt somit, dass die besondere Übergangsbestimmung des § 78 KV auf den Kläger anzuwenden ist.
4.1 Im Weiteren stellt sich daher die Frage nach dem Regelungsinhalt des § 78 KV. Diese Bestimmung besagt, dass abweichend von §§ 31, 49 und 76 das Beschäftigungsausmaß, die Aufgabenfestlegung sowie das Entgelt, wie im jeweiligen Arbeitsvertrag festgelegt, als zwingender Mindeststandard gelten. Nach dem Wortlaut und Sinnzusammenhang bedeutet dies, dass abweichend von der Einstufung nach dem Kollektivvertrag (§ 67) das im Arbeitsvertrag festgelegte Entgelt maßgeblich ist. Diese Rechtsfolgenanordnung wird als zwingender Mindeststandard normiert. Der Kern der Regelung bezieht sich somit auf die Festlegung eines Mindeststandards . Die rechtliche Konsequenz besteht demnach darin, dass für „alte“ Arbeitnehmer ein Mindestentgelt festgelegt werden soll. Sie sollen nach Inkrafttreten des Kollektivvertrags nicht weniger verdienen als vorher. Der Kollektivvertrag enthält somit eine Schutzbestimmung zugunsten der „alten“ Mitarbeiter.
Ein genereller Ausschluss der Entgeltregelungen des Kollektivvertrags lässt sich dieser Bestimmung jedoch nicht entnehmen. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird damit nicht das Verbleiben der „alten“ Arbeitnehmer im bisherigen Entlohnungsschema (laut Arbeitsvertrag) angeordnet.
4.2 Damit im Einklang steht auch die Regelung im Arbeitsvertrag des Klägers betreffend eine automatische Erhöhung auf das kollektivvertragliche Minimum ab Wirksamwerden eines künftigen Kollektivvertrags. Nach dieser Regelungsystematik ist zunächst das Entgelt laut Arbeitsvertrag maßgebend. Ab dem Wirksamwerden des (späteren) Kollektivvertrags kommt es automatisch zur Anpassung (Erhöhung) an das Kollektivvertragsentgelt (als neues Mindestentgelt), wenn dieses höher als das Entgelt laut Arbeitsvertrag ist. Ist jedoch das Entgelt laut Arbeitsvertrag höher, so verdient der Arbeitnehmer nicht weniger, das Entgelt laut Arbeitsvertrag bleibt ihm als zwingender Mindeststandard erhalten. Die vom Erstgericht diskutierte Frage zum Ordnungsprinzip, ob also kollektivvertragliche Regelungen, denen die Kollektivvertragsparteien zwingende Wirkung verliehen haben, das Günstigkeitsprinzip verdrängen können, stellt sich damit nicht.
4.3 Im Anlassfall steht fest, dass der Kläger bei einer Einstufung laut Kollektivvertrag mehr verdient hätte. Er hat daher kraft Auslegung der Übergangsbestimmung des § 78 KV im Grundsatz (abgesehen von Verfall oder Verjährung) Anspruch auf die höhere Entlohnung laut Kollektivvertrag.
5.1 Damit stellt sich die Frage nach dem Verfall der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche.
Allgemein hält die Rechtsprechung eine Verkürzung der allgemeinen Verjährungsfrist (nicht aber einseitig zwingender gesetzlicher Verfallsfristen wie nach § 34 AngG oder § 1162d ABGB) durch eine Vereinbarung für zulässig. Dies gilt auch für die Geltendmachung von offenen Arbeitnehmeransprüchen im aufrechten Arbeitsverhältnis. De lege lata besteht keine gesetzliche Regelung, die eine Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung in Arbeitsverträgen generell verbieten würde (9 ObA 1/14h).
5.2 Die vertraglichen Verfallsklauseln unterliegen allerdings der allgemeinen Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 879 ABGB. Sie sind dann als sittenwidrig zu erachten, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren (RIS Justiz RS0016688).
Verfallsfristen von drei Monaten sind in Kollektivverträgen durchaus üblich und werden von der Rechtsprechung akzeptiert (vgl RIS Justiz RS0034517; 9 ObA 86/01i; 9 ObA 19/10z). Dies gilt auch für sogenannte „doppelte Verfallsbestimmungen“, bei denen in der Regel eine zunächst einzuhaltende längere Frist für eine außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche beim Arbeitgeber im Fall der Ablehnung mit einer kürzeren Frist für die gerichtliche Geltendmachung (kollektivvertragliche Klagsfrist) kombiniert wird (vgl 8 ObA 79/13w; Geiblinger , Die Geltendmachung von Ansprüchen und deren Verfall nach den Kollektivverträgen, ASoK 2012, 295).
Die hier zu beurteilende Verfallsbestimmung nach § 64 KV unterliegt nach den dargestellten Grundsätzen keinem Sittenwidrigkeitsurteil. Die (kürzere) kollektivvertragliche Klagsfrist von drei Monaten hat der Kläger ohnedies eingehalten.
5.3 Nach Ansicht des Klägers verstößt der Verfallseinwand der Beklagten gegen Treu und Glauben, weil die Beklagte durch Nicht- und/oder Falschinformation bzw durch Vorgabe des Nichtbestehens der Ansprüche deren Durchsetzung verhindert habe, weil sie die Einstufung entgegen § 76 Abs 3 und § 47 Abs 4 KV nicht mitgeteilt habe, und schließlich weil sie bei Inkrafttreten des neuen Kollektivvertrags entgegen § 2 Abs 6 AVRAG keinen Dienstzettel ausgestellt habe.
Auch die Berufung auf eine an sich zulässige Verfallsklausel kann sittenwidrig sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die rechtzeitige Geltendmachung eines Anspruchs in einer Art und Weise erschwert oder praktisch unmöglich macht, die die spätere Berufung auf die Verfallsklausel als rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt (RIS Justiz RS0051974; RS0034487). Gegen Treu und Glauben verstößt es zudem auch, wenn sich der Arbeitgeber auf dem im Kollektivvertrag vorgesehenen Verfall beruft, obwohl er es beharrlich unterlassen hat, eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung im Sinn des Kollektivvertrags auszufolgen (9 ObA 92/01x). Ein Verstoß gegen Treu und Glauben ist schließlich auch dann anzunehmen, wenn es der Arbeitgeber geradezu darauf anlegt, die (rechtzeitige) Anspruchsdurchsetzung durch den Arbeitnehmer zu verhindern (9 ObA 86/01i mwN).
Nach diesen Grundsätzen wäre für eine Unzulässigkeit des Verfallseinwands vorausgesetzt, dass dem Arbeitgeber ein bewusstes rechtsmissbräuchliches Verhalten vorzuwerfen wäre, das von der Absicht getragen ist, die Anspruchsdurchsetzung durch den Arbeitnehmer zu verhindern oder zumindest ernsthaft zu erschweren.
Davon kann im Anlassfall nicht ausgegangen werden. Entgegen der Argumentation des Klägers war die Rechtsauffassung der Beklagten zu § 78 KV (Anwendbarkeit; Immunisierung des Entgelts laut Arbeitsvertrag) nicht offenkundig unrichtig bzw unvertretbar. Dieser Themenkomplex wird vielmehr erstmals durch die hier vorliegende Entscheidung geklärt. Damit im Zusammenhang steht die Pflicht des Dienstgebers zur Bekanntgabe der Einreihung (Einstufung) samt Höhe des Entgelts durch Dienstzettel oder Arbeitsvertrag nach § 47 Abs 4 KV bzw § 2 Abs 6 AVRAG. Die Beklagte ist davon ausgegangen, dass sich für den Kläger durch Inkrafttreten des Kollektivvertrags keine Änderung ergibt und keine neue Einstufung vorzunehmen ist. § 76 KV und damit auch dessen Abs 3 bezieht sich auf die „Überleitung“ jener Arbeitnehmer, die nach dem an der betreffenden Universität neu in ein Dienstverhältnis aufgenommen wurden. Der Kläger fällt aufgrund der anzuwendenden Sonderbestimmung des § 78 KV nicht unter die zuvor genannte Übergangsregelung.
5.4 Als Ergebnis folgt somit, dass die Verfallsbestimmung nach § 64 KV als wirksam anzusehen ist und sich die Beklagte im Anlassfall auch darauf berufen durfte.
Dazu wird darauf hingewiesen, dass auch der Dienstvertrag des Klägers eine Verfallsbestimmung enthält. Auf die Frage des Verjährungsverzichts kommt der Kläger im Revisionsverfahren nicht zurück. Der Beurteilung, dass Fachärzte in Ausbildung (schon im Jahr 2010) dem Betriebsrat für das wissenschaftliche Universitätspersonal angehörten (das Schreiben vom war an den Betriebsrat II für das allgemeine Universitätspersonal gerichtet) und zudem eine wirksame Betriebsvereinbarung gar nicht zustande gekommen sei, tritt er nicht entgegen.
6. Letztlich beharrt der Kläger auf dem Standpunkt, dass ihm ein Schadenersatzanspruch in Höhe der vorenthaltenen Entgelte zustehe. Die Beklagte habe auf Grundlage einer unvertretbaren Rechtsauffassung zu § 78 KV eine kollektivvertragswidrige Entlohnung vorgenommen. Außerdem treffe die Beklagte nach § 76 Abs 3 KV eine ausnahmslose Pflicht zur Mitteilung über die Einreihung.
Wie bereits dargelegt, kann der Beklagten eine unvertretbare Rechtsansicht zu § 78 KV nicht angelastet werden. Davon abgesehen hat das Erstgericht zutreffend festgehalten, dass ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht nicht schon in der Verletzung der Entgeltzahlungspflicht an sich liegen kann, sondern vielmehr ein besonderer Umstand hinzutreten müsste, der den Vorwurf rechtfertigt, der Dienstgeber habe in vorwerfbarer Weise über den Verzug mit den geschuldeten Entgeltzahlungen hinaus die vermögensrechtlichen Interessen des Dienstnehmers verletzt (RIS Justiz RS0021541 [T3]; vgl 9 ObA 70/11a; 9 ObA 118/13y). Derartiges lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.
7. Insgesamt wurden die in den Revisionen aufgegriffenen Rechtsfragen von den Vorinstanzen zutreffend gelöst. Den Revisionen war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00075.15K.1029.000