OGH vom 26.04.2000, 9ObA59/00t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter KAD Mag. Dr. Jörg Krainhöfner und Wolfgang Neumeier als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1) Stjepan S*****, Arbeiter, *****, 2) Zeljo Z*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Mag. Gernot Faber und Mag. Christian Kühteubl, Rechtsanwälte in Wr. Neustadt, gegen die beklagte Partei Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse, 1050 Wien, Kliebergasse 1 A, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wegen je S 73.411,32 brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 72/99w-24, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 5 Cga 209/97z-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 9.204,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.534,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger wurden ab von Franz R***** als Facharbeiter beschäftigt, wobei R***** und die Kläger wussten, das letztere nicht über die nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) erforderliche Beschäftigungsbewilligung verfügten. Da "das Problem der Schwarzarbeit behördlich evident wurde" und eine Beschäftigungsbewilligung nicht erlangt werden konnte, unterfertigten die Kläger am einen Gesellschaftsvertrag, mit dem sie eine GesmbH gründeten, deren Unternehmensgegenstand der Handel sowie der Import und Export mit und von Waren aller Art, die Ausübung des Gewerbes eines Handelsagenten, die Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes sowie die Durchführung von Botendiensten und die Ausübung des Baumeistergewerbes war. R***** sicherte den Klägerin zu, dass ihre Papiere nach einem Jahr in "normale Arbeitspapiere" umgewandelt werden würden. Die Kläger arbeiteten nach der Gesellschaftsgründung weiter wie bisher; an ihrem Aufgabenbereich änderte sich nichts. Nach wie vor arbeiteten sie auf von R***** bestimmten Baustellen nach dessen Anordnungen. Während ihrer (schließlich Ende Jänner 1994 von ihnen beendeten) Tätigkeit erhielten die Kläger von R***** (bzw. von dessen Gattin) durchschnittlich S 3.000,- wöchentlich; Urlaub nahmen sie nicht in Anspruch, weil ihnen gesagt wurde, dass sie für Urlaubszeiten kein Entgelt erhalten würden.
Mit Urteil des LG Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom wurde ua festgestellt, dass der Erst- und der Zweitbeklagte in der Zeit von bis Mitte Februar 1994 als Bauarbeiter in einem Arbeitsverhältnis zu Franz R***** gestanden seien. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft.
Die Kläger begehren von der Beklagten letztlich je S 73.411,32 brutto sA an Urlaubsabfindung. Sie hätten während der rechtskräftig festgestellten Dauer ihres Arbeitsverhältnisses als Bauarbeiter keinen Urlaub konsumieren können.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie sei an das von den Klägern erwirkte Feststellungsurteil nicht gebunden. Es treffe zwar zu, dass wegen der Nichtigkeit des Umgehungsgeschäftes die Arbeitstätigkeit der Kläger nach ihrem tatsächlichen Inhalt zu beurteilen sei. Allerdings müssten die Vorschriften des AuslBG beachtet werden. Danach seien die Arbeitsverträge der Kläger wegen des Fehlens von Beschäftigungsbewilligungen nichtig. Ansprüche aus dem somit nur tatsächlichen Beschäftigungsverhältnis könnten sie nur gegen Franz R***** geltend machen, nicht aber gegenüber der Beklagten. Letztere könne nur im Falle des Bestehens eines gültigen Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen werden, an dem es hier wegen der Nichtigkeit der Arbeitsverträge mangle. Abgesehen davon seien die Ansprüche auch inhaltlich nicht berechtigt.
Die Kläger beriefen sich hingegen auf § 29 AuslBG, nach dem ihnen gegen den sie beschäftigenden Betriebsinhaber die gleichen Ansprüche zustünden, "wie aufgrund eines gültigen Arbeitsverhältnisses". Nach den zwingenden Bestimmungen des BUAG könnten sie diese Ansprüche nur gegen die Beklagte geltend machen. Zudem erhoben sie Eventualbegehren auf Feststellung, dass sie in der Zeit von bis Mitte Februar 1994 Anwartschaften auf Abfindung gemäß § 10 BUAG gegen die Beklagte erworben hätten.
Das Erstgericht gab den Klage(haupt)begehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass den Klägern nach § 29 AuslBG die gleichen Ansprüche zustünden, wie aufgrund eines gültigen Arbeitsverhältnisses. Da sie keinen Urlaub verbraucht hätten, hätten sie Anspruch auf Urlaubsabfindung in der begehrten Höhe. Einem Bauarbeiter stehe der Anspruch auf Urlaubsabfindung nicht gegenüber dem Arbeitgeber, sondern nur gegenüber der Beklagten zu. Dies gelte auch im Falle eines nach den Bestimmungen des AuslBG nichtigen Arbeitsverhältnisses. Die sonstigen Einwände gegen das Klagebegehren seien ebenfalls nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Anwendung des BUAG hänge nicht von einer gewerberechtlichen Anmeldung oder einer Meldung des Arbeitgebers bei der Gebietskrankenkasse oder der Beklagten ab. Gerade die Benachteiligung von Arbeitnehmern, deren Arbeitgeber nicht um eine gewerberechtliche Bewilligung angesucht hätten, solle durch das BUAG vermieden werden. Soweit eine Anmeldung des Beschäftigers bei der Beklagten nicht erfolgt sei, stehe es dieser frei, von sich aus ein Ermittlungsverfahren zur Vorschreibung der Zuschlagsleistungen vorzunehmen. Es sei nicht strittig, dass die Kläger in einem Betrieb iS des § 2 Abs 1 BUAG beschäftigt gewesen seien. Ebensowenig sei strittig, dass die Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung erfolgt sei und die zugrunde liegenden Vereinbarungen daher gemäß § 29 AuslBG nichtig seien. Da das Fehlen der Beschäftigungsbewilligungen jedoch auf einem Verschulden des Betriebsinhabers beruhe - Gegenteiliges sei weder behauptet worden noch erwiesen - seien die Kläger gemäß § 29 Abs 2 AuslBG bezüglich ihrer Ansprüche aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses so zu stellen, als wären sie aufgrund eines gültigen Arbeitsvertrages beschäftigt gewesen. Damit werde - um die Kläger inländischen Arbeitnehmern gleichzustellen - die Anwendung von Bestimmungen des Beendigungsrechtes auf das Beschäftigungsverhältnis fingiert. Dies habe zur Folge, dass die Ansprüche der Kläger auf Urlaubsabfindung so zu beurteilen seien, wie sie einem Inländer bzw. einem aufgrund einer Beschäftigungsbewilligung beschäftigten Ausländer zustehen. Stünden aber Arbeitnehmern, die in einem Betrieb iS des § 2 Abs 1 BUAG beschäftigt gewesen seien, Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu, könnten diese Ansprüche nur gegenüber der Beklagten geltend gemacht werden. Sonstige Einwände der Beklagten gegen die Berechtigung des Klagebegehrens seien ebenfalls unberechtigt.
Die Revision sei zuzulassen, weil zur hier zu beurteilenden Rechtsfrage keine gesicherte Rechtsprechung vorliege.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es iS der Abweisung der Klagebegehren abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Kläger beantragten, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Im Revisionsverfahren ist nur mehr die Frage strittig, ob Ansprüche, die iS des § 29 Abs 2 AuslBG ein Verschulden des Betriebsinhabers voraussetzen, gegenüber der Beklagten geltend gemacht werden können. Dies wird von der Revisionswerberin mit der Begründung verneint, dass es sich dabei um verschuldensabhängige Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber handle, für die sie nicht einzustehen habe. § 1 Abs 1 BUAG stelle auf das Vorliegen eines gültigen Arbeitsvertrages ab.
Nach § 29 Abs 1 AuslBG stehen einem Ausländer, der ohne Beschäftigungsbewilligung beschäftigt wurde, gegenüber dem ihn beschäftigenden Betriebsinhaber für die Dauer der Beschäftigung die gleichen Ansprüche wie auf Grund eines gültigen Arbeitsvertrages zu. Beruht das Fehlen der Beschäftigungsbewilligung auf einem Verschulden des Betriebsinhabers, ist der Ausländer nach § 29 Abs 2 Satz 1 AuslBG idF der Nov. BGBl 231/1988 auch bezüglich der Ansprüche aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses so zu stellen, als ob er aufgrund eines gültigen Arbeitsvertrages beschäftigt gewesen wäre.
Diese Bestimmungen sollen Gesetzesumgehungen zu Lasten des Ausländers verhindern (Schnorr, AuslBG4 Rz 192 zu § 29;
Deutsch/Neurath/Nowotny/Szymanski, Ausländerbeschäftigungsrecht 418). Sie führen dazu, dass der Ausländer trotz der Nichtigkeit eines ohne Beschäftigungsbewilligung abgeschlossenen Arbeitsvertrages - solange er faktisch beschäftigt wird - Ansprüche wie aus einem gültigen Arbeitsverhältnis hat. Die Bereicherungsregeln der §§ 1431 ff ABGB sind insoweit nicht anwendbar (Schnorr, aaO Rz 2 zu § 29). Trifft den Arbeitgeber an der Unerlaubtheit der Beschäftigung des Ausländers ein Verschulden - dass dies hier der Fall ist, ist in dritter Instanz nicht mehr strittig - ist zwar der Arbeitsvertrag ebenfalls nichtig;
der Arbeitnehmer hat aber in diesem Fall neben den Ansprüchen aus einem fiktiven gültigen Arbeitsverhältnis auch Ansprüche aus dem fiktiven Titel der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (9 ObA 99/99w;
Schnorr, aaO, Rz 4 zu § 29). Der Gesetzgeber fingiert somit die Anwendung von Bestimmungen des Beendigungsrechtes auf das Beschäftigungsverhältnis. Der Arbeitgeber, der ein Verschulden im oben dargestellten Sinn zu verantworten hat, hat nach herrschender Auffassung aus Anlass der Geltendmachung der Nichtigkeit alle ihn treffenden Kündigungsvorschriften - mit Ausnahme des besonderen Kündigungsschutzes (zum allgemeinen Kündigungsschutz: Schnorr, aaO, Rz 4 zu § 29) - zu beachten. Dies betrifft vor allem die gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder einzelvertraglichen Kündigungsfristen und -termine, das Zuwarten bis zum Ende eines befristeten Arbeitsverhältnisses, die Abfertigung, die Urlaubsentschädigung und die Urlaubsabfindung (Schnorr, aaO, Rz 4 zu § 29; Deutsch/Neurath/Nowotny/Szymanski, aaO, 418 f). Dem Arbeitgeber bleibt es auch unbenommen, das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf die Nichtigkeit sofort zu beenden. In diesem Fall ist jedoch die entsprechende Willenserklärung des Arbeitgebers als vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne wichtigen Grund zu werten. Den Arbeitgeber treffen dann die in § 1162b ABGB,§ 29 AngG, § 84 GewO 1859 und ähnlichen Vorschriften geregelten Schadenersatzpflichten und auch - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - die Pflicht zur Zahlung der Abfertigung (9 ObA 99/99w; Schnorr, aaO, Rz 4 zu § 29 AuslBG;
Deutsch/Neurath/Nowotny/Szymanski 418f). Damit wird sichergestellt, dass der Betriebsinhaber aus der unerlaubten Beschäftigung keine Vorteile zieht, aber auch erreicht, dass der ohne Beschäftigungsbewilligung beschäftigte Ausländer letztlich nicht bessergestellt wird, als ein inländischer Arbeitnehmer bzw ein mit Beschäftigungsbewilligung beschäftigter Ausländer. Wird das verbotene Beschäftigungsverhältnis daher vom Betriebsinhaber unter Einhaltung jener Fristen und Termine aufgelöst, wie sie für einen vergleichbaren inländischen Arbeitnehmer gelten, oder wird das Beschäftigungsverhältnis aus einem Grund beendet, der auch die fristlose Entlassung eines Inländers rechtfertigen würde, dann bestehen auch für den verbotswidrig beschäftigten Ausländer Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 29 Abs 2 AuslBG nur insoweit, als sie auch einem Inländer zustehen (z.B. Urlaubsabfindung). Auch wenn der Ausländer selbst - unter Berufung auf die Nichtigkeit des Vertrages - die Beschäftigung fristlos beendet, steht ihm kein Anspruch auf Kündigungsentschädigung zu, weil die fehlende Beschäftigungsbewilligung denknotwendig auch für den Inländer keinen Austrittsgrund bilden kann (Deutsch/Neurath/Nowotny/Szymanski, aaO 418 f).
Damit wird deutlich, dass § 29 Abs 2 AuslBG über die bloße Normierung eines verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruchs hinausgeht. Der Gesetzgeber fingiert vielmehr unter den dort normierten Voraussetzungen aus Anlass des "faktischen Arbeitsverhältnisses" trotz der Nichtigkeit des Arbeitsvertrages das Bestehen eines wirksamen Arbeitsverhältnis - wobei er die Fortsetzung des Verhältnisses bis zu dessen Beendigung unter Einhaltung der in Betracht kommenden Fristen und Termine in Kauf nimmt - und gewährt dem Ausländer jene Ansprüche, die ihm aus einem gültigen Arbeitsverhältnis zustehen würden.
Nach Ansicht des erkennenden Senates kann diese Absicht des Gesetzgebers bei der Auslegung des § 1 Abs 1 BUAG nicht unbeachtet bleiben. Darin wird normiert, dass die Bestimmungen des BUAG - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - für Arbeitnehmer (Lehrlinge) gelten, deren Arbeitsverhältnisse auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen und die in Betrieben (Unternehmungen) gemäß § 2 BUAG beschäftigt sind. Das Vorliegen eines gültigen privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses wird aber durch § 29 Abs 2 AuslBG aus Anlass des faktischen Arbeitsverhältnisses des ohne Beschäftigungsbewilligung beschäftigten Ausländers fingiert. Im Sinne der Einheit der Rechtsordnung muss daher angenommen werden, dass diese Anordnung des Gesetzgebers auf die Bestimmung des § 1 Abs 1 BUAG durchschlägt, zumal weder im BUAG noch im AuslBG Anhaltspunkte dafür zu finden sind, dass die vom Gesetzgeber mit § 29 Abs 2 AuslBG angeordnete Gleichstellung des betroffenen ausländischen Arbeitnehmers unvollständig bleiben soll.
Damit erweist sich die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass das BUAG auch auf das durch § 29 Abs 2 AuslBG fingierte Arbeitsverhältnis der Kläger anzuwenden ist, als zutreffend. Die Kläger haben daher zu Recht ihre Ansprüche gegen die Beklagte geltend gemacht.
Sonstige Einwände wurden im Revisionsverfahren nicht mehr erhoben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.