OGH vom 02.10.2002, 9ObA211/02y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gabriele Griehsel und Rudolf Vyziblo als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter K*****, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein und Dr. Gerhard Zimmermann, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Karl Friedrich Strobl und Mag. Gernot Strobl, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 10.805,08 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 65/02z-14, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 46 Cga 6/02m-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 686,88 (darin EUR 114,48 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu zahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Sommer 2001 vereinbarten die Streitteile, dass der Kläger ab bei der beklagten Partei als Verkäufer für Gabelstapler angestellt sein soll. Kurz vor dem vereinbarten Dienstbeginn zog sich der Kläger bei einer privaten Radtour durch einen Sturz Verletzungen zu, die laut ärztlicher Prognose eine Arbeitsunfähigkeit von drei bis vier Wochen nach sich zögen. Als der Kläger den Verkaufsleiter der beklagten Partei telefonisch über seine Arbeitsunfähigkeit unterrichtete, erklärte dieser, der Kläger solle seine Arbeit nach Wiedererlangen der Arbeitskraft antreten. In einem weiteren Telefongespräch informierte der Kläger den Verkaufsleiter darüber, dass die beklagte Partei die Verständigung von einer Gehaltsexekution zu erwarten habe, die von seiner geschiedenen Gattin wegen Unterhaltsforderungen betrieben werde. Nachdem die Exekutionsbewilligung am bei der beklagten Partei eingelangt war, stellte sich deren Geschäftsführer auf den Standpunkt, dass er kein Beschäftigungsverhältnis mit einem von Anfang an mit einer Lohnpfändung belasteten Mitarbeiter eingehen wolle. Über seine Weisung informierte der Verkaufsleiter der beklagten Partei den Kläger telefonisch zu einem noch vor dem liegenden Zeitpunkt darüber, dass er auf Grund der Gehaltsexekution nun doch nicht für die beklagte Partei tätig werden könne. Ein Versuch des Klägers, den Geschäftsführer der beklagten Partei zu einer Revidierung der Entscheidung zu bewegen, blieb erfolglos, sodass ein Arbeitsantritt nicht stattfand und auch keine Zahlungen von der beklagten Partei geleistet wurden. Unstrittig ist, dass gemäß den Bestimmungen des anzuwendenden Kollektivvertrags der erste Arbeitsmonat des Klägers als Probemonat im Sinne des § 19 Abs 2 AngG gelten sollte. Strittig ist, ob - wie dies der Kläger behauptet - eine einvernehmliche Verschiebung des Beginns des Arbeitsverhältnisses auf den erfolgt ist, nachdem die beklagte Partei über seinen Unfall informiert worden war. Der Kläger begehrte von der beklagten Partei die Zahlung von EUR 10.805,08 samt Zinsen. Die beklagte Partei habe das Dienstverhältnis zu Unrecht beendet, sodass ihm nach § 31 AngG Schadenersatz im Ausmaß von drei Monatsbezügen zustehe. Ein wichtiger Grund für einen Vertragsrücktritt sei nicht vorgelegen.
Die beklagte Partei wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass sie ein Probedienstverhältnis auch ohne Angabe von Gründen bereits vor Dienstantritt ohne Schadenersatzfolgen einseitig beenden könne. Hinsichtlich der gepfändeten Teile der geltend gemachten Forderung fehle dem Kläger die Aktivlegitimation.
Das Klagebegehren wurde von den Vorinstanzen übereinstimmend abgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Wie schon das Berufungsgericht zutreffend unter Nachweis von Lehre und Rechtsprechung dargelegt hat, kann ein Probedienstverhältnis grundsätzlich bereits vor dessen Effektuierung (durch Antritt) durch einseitige Erklärung eines Vertragspartners ohne weitere Rechtsfolgen
aufgelöst werden (in diesem Sinne zuletzt 9 ObA 141/90 = infas 1991 A
11 = Arb 10.872). Es reicht daher insoweit aus, auf die zutreffenden
Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Soweit der Revisionswerber ausführt, dass die Probezeit grundsätzlich den Sinn habe, es beiden Vertragsteilen zu ermöglichen, bessere Entscheidungsgrundlagen für die Frage einer Fortsetzung des Dienstverhältnisses zu gewinnen, so ist ihm entgegenzuhalten, dass die beklagte Partei gerade im vorliegenden Fall auch ohne eine faktische Arbeitsaufnahme des Klägers Informationen erlangte, die für eine (negative) Entscheidung keineswegs unbeachtlich sind. So stellte sich nicht nur heraus, dass der Kläger eine nicht ungefährliche Sportart (Mountainbiking) betreibt; vor allem musste auch seine Verlässlichkeit in einem ungünstigen Licht erscheinen, nachdem bekannt wurde, dass er seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht im gesetzmäßigen Ausmaß nachkommt. Selbst wenn die Tatsachenbehauptung des Klägers zutreffen sollte, dass nach seinem Unfall eine Verschiebung des Beginns des Arbeitsverhältnisses auf den vereinbart worden sei, bestehen somit keine Bedenken gegen die Zulässigkeit und Wirksamkeit einer einseitigen Vertragsbeendigungserklärung durch die beklagte Partei. Von "Sittenwidrigkeit" kann keine Rede sein.
Soweit der Kläger darüber hinaus die Auffassung vertritt, es sei sittenwidrig, ein "aufrechtes Arbeitsverhältnis" lediglich wegen einer Lohnpfändung zu beenden, so übersieht er, dass nach seiner eigenen Darstellung von einem "aufrechten Arbeitsverhältnis" noch gar nicht gesprochen werden konnte, da dieses erst nach der Auflösungserklärung hätte beginnen sollen. Vor allem lag von vornherein kein "gewöhnliches" Arbeitsverhältnis vor, sondern ein Probedienstverhältnis, das grundsätzlich jederzeit und ohne Angabe von Gründen aufgelöst werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.