OGH vom 27.09.2013, 9ObA58/13i

OGH vom 27.09.2013, 9ObA58/13i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Rodlauer und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. M***** T 2. R***** S*****, und 3. H***** S*****, alle vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei A***** U*****, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1. 1.990,80 EUR brutto sA, 2. 1.193,30 EUR brutto sA und 3. 569,60 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 6/13p 28, mit dem der Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 19 Cga 169/11b 23, überwiegend Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 514,86 EUR (darin 85,81 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die bei der Beklagten angestellten Klägerinnen sind sowohl im Innen als auch im Außendienst tätig. Auf ihre Dienstverhältnisse finden die Bestimmungen der Dienstordnung A für die Angestellten bei den Sozialversicherungsträgern Österreich (DO.A) Anwendung. Die Klägerinnen sind im Ausmaß von 20 Wochenstunden, verteilt auf drei Arbeitstage, teilzeitbeschäftigt.

Gemäß § 74 Abs 1 DO.A kann den regelmäßig im Außendienst verwendeten Angestellten auch neben den Reisegebühren (§ 71 DO.A) eine Außendienstzulage, abgestuft nach der Dauer der Verwendung im Außendienst und nach der Verwendung am Dienstort oder außerhalb desselben, gewährt werden.

Die Beklagte gewährt ihren Angestellten eine Außendienstzulage. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Außendienstzulage hat die Beklagte in ihrer Dienstanweisung vom geregelt. Danach liegt eine regelmäßige Verwendung im Außendienst vor, wenn der Mitarbeiter über einen Beobachtungszeitraum von sechs Kalendermonaten im Durchschnitt das für die jeweilige Außendienstzulage der Höhe nach geforderte Ausmaß an Außendiensttätigkeit pro Monat verrichtet hat. Der Höhe nach ist die Außendienstzulage in drei Typen untergliedert: Die Gewährung der großen Außendienstzulage setzt eine Außendiensttätigkeit im Ausmaß von durchschnittlich mindestens acht Arbeitstagen mit einer berufsbedingten ununterbrochenen Abwesenheit von mehr als vier Stunden von der Dienststelle voraus, die mittlere Außendienstzulage eine Außendiensttätigkeit im Ausmaß von durchschnittlich mindestens vier Arbeitstagen mit einer berufsbedingten ununterbrochenen Abwesenheit von mehr als vier Stunden von der Dienststelle und die kleine Außendienstzulage eine Außendiensttätigkeit von durchschnittlich mindestens acht Arbeitstagen mit einer berufsbedingten ununterbrochenen Abwesenheit von mehr als zwei Stunden von der Dienststelle, jeweils pro Kalendermonat voraus. Durchrechnungszeitraum ist das Kalenderquartal.

Bei der Beklagten sind mehr Frauen teilzeitbeschäftigt als Männer.

Die Klägerinnen begehren von der Beklagten die der Höhe nach unstrittigen Beträge von 1.990,80 EUR brutto (Erstklägerin zu 19 Cga 169/11b), 1.193,30 EUR brutto (Zweitklägerin zu 16 Cga 158/11p) und 569,60 EUR brutto (Drittklägerin zu 26 Cga 149/11p). Bei diesen Klagsbeträgen handelt es sich um die mittlere Außendienstzulage in halber Höhe für in näher bezeichneten Quartalen der Jahre 2009 bis 2011 geleistete Außendienste von jeweils mehr als vier, nicht aber mehr als acht Stunden am Tag. Die Klägerinnen stützen sich zusammengefasst darauf, dass es den teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen wegen dem mit der Organisation ihrer Arbeit notwendigerweise verbundenen ausgewogenen Verhältnis zwischen Außen und Innendienst nicht oder nur in Ausnahmefällen möglich sei, die hohen zeitlichen, auf VollzeitmitarbeiterInnen zugeschnittenen Anspruchsvoraussetzungen zum Bezug der Außendienstzulage zu erbringen. Diese Benachteiligung der teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen sei sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße daher gegen § 19d Abs 6 AZG. Würden die Anspruchsvoraussetzungen in dem Verhältnis aliquotiert, in dem die Teilarbeitszeit zur Vollarbeitszeit stehe, könnte diese Benachteiligung hintangehalten werden. Da die Einkommensbenachteiligung aufgrund der Teilzeittätigkeit faktisch ausschließlich Frauen betreffe, liege auch eine mittelbare Diskriminierung nach § 5 Abs 2 GlBG vor.

Die Beklagte bestritt dem Grunde nach, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass Teilzeitbeschäftigte nicht diskriminiert würden, weil sie unter denselben Voraussetzungen wie Vollzeitbeschäftigte die Außendienstzulage erhielten. Eine allfällige Schlechterstellung der Teilzeitbeschäftigten sei jedenfalls sachlich gerechtfertigt, weil die Außendienstzulage der Abgeltung der mit dem Außendienst verbundenen Unannehmlichkeiten, und zwar erst dann, wenn diese eine gewisse Mindestintensität erreiche, diene. Für die Mehrbelastung durch die mit einem Außendienst verbundenen Unannehmlichkeiten komme es nicht auf die Proportionalität der Außendiensttätigkeit zum Beschäftigungsausmaß an, sondern auf die absoluten Tages und Stundenzahlen, die im Außendienst verbracht würden. Diese Zusatzbelastung treffe Vollzeitbeschäftigte mehr als Teilzeitbeschäftigte.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Teilzeitbeschäftigte würden nicht ungleich behandelt werden, weil sie für die idente Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden kein geringeres Entgelt bekämen als Vollzeitbeschäftigte. Eine allfällige Ungleichbehandlung sei jedenfalls sachlich gerechtfertigt, weil die Beklagte, wie aus der Konstruktion der Dienstanweisung ersichtlich, im Außendienst offenkundig eine Erschwernis erblicke.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerinnen Folge und gab den Klagebegehren bis auf eine teilweise Abweisung der Zinsenbegehren statt. Eine Ungleichbehandlung teilzeitbeschäftigter gegenüber vollzeitbeschäftigter Mitarbeiter liege darin, dass Teilzeitbeschäftigte im Verhältnis zu ihrem Beschäftigungsausmaß mehr Außendienststunden leisten müssten als Vollzeitbeschäftigte, um in den Genuss der Zulage zu kommen. Diese Ungleichbehandlung sei aber auch sachlich nicht gerechtfertigt.

In ihrer gegen den klagestattgebenden Teil des Berufungsurteils gerichteten Revision beantragte die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerinnen beantragen, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Gemäß § 19d Abs 6 AZG dürfen teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern nicht benachteiligt werden, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Freiwillige Sozialleistungen sind zumindest in jenem Verhältnis zu gewähren, das dem Verhältnis der regelmäßig geleisteten Arbeitszeit zur gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit entspricht. Im Streitfall hat der Arbeitgeber zu beweisen, dass eine Benachteiligung nicht wegen der Teilzeitarbeit erfolgt.

Diese nach § 19g AZG unabdingbare Bestimmung bindet jedenfalls die Vertragspartner des Arbeitsvertrags ( Mosler in ZellKomm² § 19d AZG Rz 43; Schrank , AZG² § 19d Rz 113; Heilegger/Schwarz , AZG³ § 19d Erl 14).

Von § 19d Abs 6 AZG sind grundsätzlich die gesamten Entgelt und Arbeitsbedingungen erfasst ( Mosler in ZellKomm² § 19d AZG Rz 45). Bei der Entlohnung von Teilzeitbeschäftigten sind dieselben Grundsätze anzuwenden, wie sie auch für Vollzeitbeschäftigte gelten ( Mosler in ZellKomm² § 19d AZG Rz 46). Insbesondere ist bei unternehmensinternen Zulagen, umgerechnet auf die Arbeitszeit, keine Schlechterstellung erlaubt ( Schrank , AZG² § 19d Rz 116).

Das Arbeitszeitgesetz verbietet die unterschiedliche Behandlung „wegen der Teilzeitarbeit“. Differenzierungen aus anderen Gründen (vgl Mosler in ZellKomm² § 19d AZG Rz 50) sind erlaubt.

Auch wegen der Teilzeitarbeit ist eine unterschiedliche Behandlung gestattet, wenn sachliche Gründe sie rechtfertigen. Die Sachlichkeit ist stets danach zu beurteilen, ob es der nicht diskriminierende Zweck einer Regelung rechtfertigt, Teilzeitbeschäftigte anders zu behandeln als Vollzeitbeschäftigte. Dabei sind nur solche Regelungsziele anzuerkennen, die die Gleichwertigkeit von Teilzeitbeschäftigung und Vollzeitbeschäftigung respektieren ( Heilegger/Schwarz , AZG³ § 19d Erl 14). Die Maßnahme muss durch objektive Faktoren gerechtfertigt sein ( Resch , Rechtsfragen der Teilzeitbeschäftigung unter besonderer Berücksichtigung des ArbBG und des EWR, DRdA 1993, 97 [106]; siehe auch Laux/Schlachter , Teilzeit und Befristungsgesetz², § 4 Rz 64 zur insoweit vergleichbaren deutschen Rechtslage).

2. Die Außendienstzulage der DO.A ist eine Zulage eigener Art, der vornehmlich Entgeltcharakter, nämlich Abgeltung für die mit dem Außendienst verbundene Unbequemlichkeit zukommt (RIS Justiz RS0048240). Ausgehend von diesem Leistungszweck der Außendienstzulage indiziert zwar noch nicht § 74 DO.A, wohl aber die gegenständliche Dienstanweisung über die Gewährung einer Außendienstzulage vom einen Verstoß gegen § 19d Abs 6 AZG, weil teilzeitbeschäftigte Mitarbeiter im Verhältnis zu ihrem Beschäftigungsausmaß an mehr Tagen Außendienststunden von den Klägerinnen ohnedies im Ausmaß von jeweils mehr als vier Stunden erbracht leisten müssen als Vollzeitbeschäftigte, um die Außendienstzulage zu erhalten.

3. Zur sachlichen Rechtfertigung der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten hat die Beklagte darauf verwiesen, dass es für die Mehrbelastung, bedingt durch die mit einem Außendienst verbundenen Unannehmlichkeiten nicht auf die Proportionalität der Außendiensttätigkeit zum Beschäftigungsausmaß ankomme, sondern auf die absoluten Tages und Stundenzahlen, die im Außendienst verbracht würden, ohne dies aber mit weiteren Sachargumenten zu untermauern. Sie hat auch nicht konkret dargetan, dass erst bestimmte für die Gewährung der einzelnen Außendienstzulagen festgelegte Kombinationen von Tages und Stundenbelastungen eine Intensität erreichten, die durch Gewährung der Außendienstzulage abgeltenswert sei, nicht aber bereits Außendiensttätigkeiten an jeweils der Hälfte dieser Arbeitstage. Die Beklagte ist daher ihrer Beweispflicht hinsichtlich einer sachlichen Rechtfertigung der vorliegenden Differenzierung nach § 19d Abs 6 Satz 3 AZG nicht nachgekommen.

Schon die Anwendung des § 19d Abs 6 AZG führt daher zu einem Zuspruch an die Klägerinnen, sodass auf weitere Überlegungen zu einer mittelbaren geschlechtlichen Diskriminierung bei der Festsetzung des Entgelts nach § 3 Z 2 iVm § 5 Abs 2 GlBG nicht eingegangen werden muss.

Insgesamt ist der Revision damit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:009OBA00058.13I.0927.000